ZPO/SchKG - § 1 Grundlagen

- Kennen der Grundlagen des Zivilprozess- und Vollstreckungsrechts

- Kennen der Grundlagen des Zivilprozess- und Vollstreckungsrechts


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Langue Deutsch
Catégorie Droit
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Crée / Actualisé 24.03.2017 / 20.12.2024
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1. Frage

Welche Bedeutung kommt den Rechtssätzen des materiellen Rechts zu? Nennen Sie Beispiele aus dem Gesetz.

Zum materiellen Recht gehören diejenigen Rechtssätze, die inhaltlich festlegen, wie eine bestimmte Rechtslage sein soll, was also rechtens ist und zwischen den Beteiligten gilt.

  • OR 41 Abs. 1 (Recht auf Schadenersatz)
  • OR 305 (Recht auf Leihe und Rückgabe)
  • StGB 139 Ziff. 1 (Diebstahl unter Strafandrohung)

2. Frage

Was muss erfüllt sein, damit das materielle Recht durchgesetzt werden kann?

Damit materielles Recht durchgesetzt werden kann, muss die materielle Rechtslage feststehen. Es muss zunächst festgestellt werden, wie sich der Sachverhalt tatsächlich ereignet hat bzw. ob er sich wirklich so ereignet hat, wie behauptet wird und welche Rechtsnormen auf diesen Sachverhalt anwendbar sind (Erkenntnisverfahen). In einem zweiten Schritt muss bestimmt werden, wie das Recht auch gegen den Willen des Verfplichteten durchgesetzt werden kann (Vollstreckungsverfahren).

3. Frage

Wie ist das Verhältnis zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahen?

Da die materielle Rechtslage davon abhängt, wie sich der Sachverhalt ereignet hat, kommt der Feststellung des Sachverhalts hervorragende Bedeutung zu. Damit kommt dem Erkenntnisverfahren Vorrang vor dem Vollstreckungsverfahren zu.

4. Frage

Was hat das formelle Recht zum Gegenstand?

Das formelle Recht umfasst diejenigen Rechtssätze, die bestimmen, wie der rechtserhebliche Sachverhalt und die Rechtslage festgestellt und das materielle Recht durchgesetz werden soll.

5. Frage

Nennen Sie mind. 2 Beispiele für formelles Recht.

  • ZPO
  • BGG
  • StPO
  • SchKG
  • kantonale Prozessordnungen des öffentlichen Rechts

6. Frage

In welche Teilbereiche lässt sich formelles Recht unterteilen?

  • Organisationsrecht
  • formelles Recht i.e.S.
  • Vollstreckungsrecht

7. Frage

Wozu dient das Organisationsrecht?

Das Organisationsrecht (Gerichtsverfassungsrecht, Gerichtsorganisationsrecht) legt fest, welche Behörden das Recht durchsetzen sollen. Es hat die Hauptfunktion, die Zuständigkeiten der verschiedenen in Frage kommenden Behörden abzugrenzen, sowie festzustellen, welche Behörde überhaupt existieren, wer sie wählt, welche fachlicheen Anforderungen ans sie gestellt werden und wie sie sich zusammensetzen.

8. Frage

Was ist unter dem formellen Recht i.e.S. zu verstehen und wozu dient es?

Das formelle Recht i.e.S. enthält das eigentliche Verfahrensrecht. Es dient dazu zu bestimmten, nach welchen Regeln das Verfahren vor den zuständgen Behörden abläuft. Es hat somit u.a. die Aufgabe festzulegen in welcher Form Ansprüche gegen andere geltend gemacht werden sollen, welche Beweismittel zugelassen sind und was gegen ein (vermeindliches) Fehlurteil getan werden kann.

9. Frage

Was ist die Aufgabe des Vollstreckungsrechts?

Das Vollstreckungsrecht legt fest, wie die behördlich oder gerichtlich getroffenen Entscheide, also die verbindlich festgestellte materielle Rechtslage, auch gegen den Willen der Verpflichteten durchgesetzt werden kann.

10. Frage

Wann kommt das Vollstreckungsrecht zum Zuge und gibt es Ausnahmen?

Das Vollstreckungsrecht kommt grundsätzlich erst zum Zuge, wenn ein Entscheid schon vorliegt. Eine Ausnahme bildet die Schuldbetreibung in Form des Zahlungsbefehls (unter der Voraussetzung, dass kein Rechtsvorschlag erhoben wird), als Vollstreckungstitel.

11. Frage

Gibt es ein Schweiz weit einheitliches Prozessrecht?

Nein, es existiert nicht ein Prozessgesetz, das bei allen Streitigkeiten anwendbar wäre und diesbezüglich einheitliche Verfahrensregln vorsehen würde. Vielmehr besteht eine Vielzahl (Pluralismus) von verfahrensrechtlichen Bestimmungen in verschiedenen Erlassen und auf unterschiedlichster Normstufe (Rechtszersplitterung).

12. Frage

Was sind die Gründe der prozessrechtlichen Rechtszersplitterung?

  • traditionelle horizontale Rechtszersplitterung in Privatrecht, Strafrecht und Verwaltungsrecht (jedes hat sein eigenes Verfahrensrecht)
  • vertikale Rechtszersplitterung aufgrund der föderalistischen Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen

13. Frage

Auf welche Arten erfolgt die Koordination der Verfahrensgebiete im Kollisionsfall?

  • Verfahrenssitstierung (Aussetzen eines Verfahrens bis zum Abschluss des anderen Verfahrens): kennen alle 3 Verfahensgebiete
  • Adhäsionsprozess (Zusammenführung von Zivil- und Strafprozess; Zivilansprüche werden im laufenden Strafverfahren geltend gemacht und mitbeurteilt): nur auf Zivil- und Strafprozessrecht anwendbar

14. Frage

Wie ist das Verwaltungsverfahrensrecht in der Schweiz geregelt und wie ist sein Verhältnis zur sog. "lex fori processualis" geregelt?

Gegenwärtig verfügen alle Kantone und der Bund über ihre eigenen Verwaltungsverfahrensgesetze. Grundsätzlich gilt, dass jede Behörde ihr eigenes Prozessrecht anwendet. Dieser Grundsatz der "lex fori processualis" findet seine Grenzen dann, wenn eine Behörde an das Prozessrecht des Bundes gebunden ist (z.B. Betreibungs- und Konkursbehörden sind an SchKG gebunden; BGer ist an BGG gebunden; Bundesbehörden sind and VwVG gebunden).

15. Frage

Nennen Sie die Quellen des Verfahrensrechts.

  • innterstaatliche Gesetze: ZPO, StPO, VwVG, BGG, SchKG, kant. Verwaltungsverf. Gesetze
  • Verfassung
  • völkerrechtliche Verträge: bi- und multilaterale Staatsverträge

16. Frage

Welche Bereiche des Verfahrensrechts werden durch die Verfassung geregelt und wo sind diese dort zu finden?

  • Grundzüge des Organisationsrechts (Regeln über Organisation und Zuständigkeit der Behörden)
  • Verfahrensgarantien (BV 29-32; Verfahrensregeln mit besonderer Wichtigkeit für die richtige Festellung von Sachverhalten und gerechte Anwendung des Rechts)

17. Frage

Was für verfahrensrechtliche Regelungen stellen völkerrechtliche Verträge auf? Welches ist der, für die Schweiz, wichtigster Staatsvertrag bezüglich grenzüberschreitender Verfahrensregelungen?

In völkerrechtlichen Verträgen werden teilweise Verfahrensgarantien verbürgt (z.B. EMRK 5 und 6), sowie einfache verfahrensrechtliche Fragen in interanationalen Verhältnissen (durch bi- und multilaterale Verträge) geregelt.

Der für die Schweiz wichtigste Staatsvertrag im Zivilprozessrecht ist das LugÜ (Luganer Übereinkommen). Es gilt im wesentlichen zwischen der Schweiz und den EU- und EFTA-Staaten und enthält Regeln über die internationale Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Entscheiden.

18. Frage

Vor in Krafttreten der ZPO verfügten die Kantone über eine grössere Organisations- und Verfahrensautonomie. Welche Einschränkungen kannte diese Autonomie dennoch?

S. 6, Ziff. 5 a-c

Die Ausgestaltung der Behördenautonomie kannte mehrere Einschränkungen:

  1. Art. 49 BV, Art. 6 ZGB: Es galt der Grundsatz, dass kantonales Verfahrensrecht nicht so ausgestaltet sein darf, dass es die Verwirklichung des materiellen Bundesrechts übermässig erschwert oder gar vereitelt.
  2. Die Kantone sind bei der Verfahrensgestaltung an die Verfahrensgarantien der Menschenrechtsverträge und der Bundesverfassung gebunden. Aus ihnen kann sich insbesondere ergeben, dass über eine Streitigkeit ein Gericht in einem kontradiktorischen Verfahren urteilen muss (z.B. Art. 29a BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK)
  3. Der Bund schreibt den Kantonen in bestimmten Bereichen vor, wie sie ihre Behördenorganisation oder das Verfahren auszugestalten haben (z.B. Art. 254 ZGB, Art. 274 ff. OR).

19. Frage

Seit in Krafttreten der ZPO sind die Kantone zwar nicht mehr autonom auf dem Gebiet des Zivilprozessrechtes. Gibt es dennoch Ausnahmen davon?

Die Kantone verfügen auch im Zivil- (und Straf-) prozessrecht über Organisationsautonomie, d.h. das Organisationsrecht ist grundsätzlich Sache der Kantone (inkl. Zuständigkeitsfrage).

20. Frage

Sowohl der Sachverhalt, als auch das anwendbare materielle Recht, können unklar oder umstritten sein. Auf welche Weise kann festgelegt werden wie in solchen Fällen zu Verfahren ist?

Es muss festgelegt werden, wie in solchen Fällen zu verfahren ist. Dies ist auf zwei Arten möglich:

  • kontradiktorisches (streitiges) Verfahren
  • inquisitorisches (nicht streitiges) Verfahren

21. Frage

Wie läuft ein streitiges (kontradiktorisches) Verfahren im Grundsatz ab und in welchen Verfahrensarten kommt dieses zur Anwendung?

Typischerweise begeben sich zwei im Streit stehende Personen zu einer dritten,neutralen Instanz (Gericht), damit diese über ihre Differenzen befindet. Somit liegt ein Dreiparteienverhältnis, bestehend aus den zwei gleichgestellten Streitparteien und der übergeordneten, unabhängigen Instanz vor. Diese Verfahrensart kommt i.d.R. im Zivilverfahren und wichtigen Strafverfahren zur Anwendung.

22. Frage

Wie läuft das nicht streitige (inquisitorische) Verfahren im Grundsatz ab und in welchen Verfahrensarten kommt es zur Anwendung?

Im inquisitorischen Verfahren bestimmt eine der zwei im Streit stehenden Parteien, wie sich der Sachverhalt ereignet haben soll, welche Normen auf diesen Sachverhalt anwendbar sind und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. Die Parteien stehen gleichsam in einem obrigkeitlichen bzw. Unterordnungsverhältnis zueinander, wo die übergeordnete Partei den Entscheid trifft. Diese Verfahrensart findet vor allem in Verwaltungsverfahren, sowie Strafverfahren in der Untersuchungsphase Anwendung.

23. Frage

Welche Möglichkeit steht der untergeordneten Partei im inquisitorischen Verfahren zur Verbesserung seiner Rechtsstellung offen und was soll damit bewirkt werden?

Die untergeordnete Partei kann den Entscheid an eine höhere Instanz weiterziehen. Bei dieser oberen, neutralen Instanz verteten die beiden Parteien nun als gleichgestellte je ihre Sache. Daraus folgt, dass mit dem Weiterzug das inquisitorische Verfahren zu einem kondradiktorischen wird. Die Weiterziehungsmöglichkeit gewährleistet, dass allfällige Unzulänglichkeiten des Inquisitionsprozesses korrigiert werden können.

24. Frage

Wie werden inquisitorische Verfahren im Zivilrecht noch genannt und was ist in diesem Fall darunter zu verstehen? Welche Rechtfragen gehören typischer Weise dazu?

Im Zivilprozess werden solche Verfahren freiwillige Gerichtsbarkeit genannt. Es handelt sich um die hoheitliche Tätigkeit eines Gerichts oder einer Behörde in nicht streitigen Angelegenheiten zur Feststellung, Begründung, Änderung oder Aufhebung privater Rechte oder zur Erhebung und Feststellung eines Sachverhalts.

Zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören folgende Rechtsfragen:

  • Statusfragen (z.B. Art. 35 ZGB)
  • Erwachsenenschutz (Art. 360 ff. ZGB)
  • Kindesschutzmassnahmen (Art. 307 ff. ZGB)
  • behördliche Tätigkeiten im Erbrecht (z.B. Art. 559 Abs. 1 ZGB)
  • Kraftloserklärung von Wertpapieren (Art. 865 OR)
  • Registersachen
  • öffentliche Beurkundung (Art. 55 SchlT ZGB)

26. Frage

Worin besteht der Unterschied zwischen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und dem kontradiktorischen Verfahren?

Der entscheidende Unterschied des inquisitorischen Verfahrens zum kontradiktorischen Verfahen liegt darin, dass keine eigentliche Gegenpartei besteht. Einzelne Streitigkeiten werden zum öffentlichen Recht gezählt, sodass das Verfahren dem Verwaltungsverfahrensgesetz des jeweiligen Kantons bzw. des Bundes folgt. Die ZPO ist auf die freiwillige Gerichtsbarkeit nur anwendbar, wenn es um gerichtliche Anordnungen geht (Art. 1 lit. b ZPO), wenn also das Verfahren vor Gerichtsbehörden stattfindet und stellt somit nur die Ausnahme dar.

27. Frage

Worin bestehen die Vorteile des kontradiktorischen Verfahrens gegenüber dem inquisitorischen Verfahren?

Der Vorteil des kontradiktorischen Verfahrens ist, dass der Entscheid ausgewogener ist, weil nicht eine der Streiparteien entscheiden darf, sondern eine aussenstehende Drittinstanz. Der Vorteil des inquisitorischen Verfahrens ist, dass das Verfahren verhältnismässig rasch durchgeführt werden kann. Nachteil eines inquisitorischen Verfahrens liegt in einem latent bestehenden Machtmissbrauchs.

28. Frage

Wie wird versucht den Nachteil des Machtmissbrauchs beim inquisitorischen Verfahren zu mildern?

Der Nachteil des latenten Machtmissbrauchs wird dadurch zu mildern versucht, dass in jedem Fall durch die Einlegung von Rechtsmitteln ein kontradiktorisches Verfahren bei der oberen Instanz provoziert werden kann.

29. Frage

Was ist unter Prozessmaximen zu verstehen und wie lassen sich diese einteilen?

Prozessmaximen (Verfahrensgrundsätze) sind die wichtigsten normativen Richtlinien eines Prozesses und bestimmen dessen Charakter. Sie ergeben sich aus ihrem Sinn und Geist und lassen sich grob unterteilen in solche, welche die Aufgabenteilung zwischen Behörden und Parteien bestimmen, die Formen der Prozesshandlungen betrefffen und solche, welche als eigentliche Verfahrensgarantien verstanden werden können.

30. Frage

Nennen Sie die Grundsätze betreffend der Aufgabenteilung zwischen Behörden und Parteien.

- Amts- und Parteibetrieb

- Dispositions- und Offzialmaxime

- Verhandlungs- und Untersuchungsgrundsatz

- Rechtsanwendung von Amtes wegen

31. Frage

Worum geht es beim Amts- und Parteibetrieb und wie ist der Prozessverlauf jeweils gestaltet?

Beim Begriffspaar Amts- und Parteibetrieb geht es um die Frage, wer für den Verfahrensfortgang von der Rechtshängigkeit bis zur Prozesserledigung bosorgt ist.

Beim Parteibetrieb entscheiden die Parteien selbst über dien Fortgang des Verfahrens. Wenn die Parteien die notwendigen Handlungen für Fortsetzung des Verfahrens nicht vornehmen, bleibt das Verfahren im betreffenden Stadium stehen.

Beim Amtsbetrieb obliegt die Prozessabwicklung (Instruktion) der Behörde. Sobald eine Sache anghängig gemacht wird, muss der Prozess von Amtes wegen vorangetrieben werden. Den Parteien steht es nicht zu, die Prozessleitung  aufzuhalten.

32. Frage

In welchen Verfahren kommt der Amts- bzw. der Parteibetrieb grundsätzlich zur Anwendung und bestehen Ausnahmen von diesem Grundsatz?

Der Amtsbetrieb gilt grundsätzlich in sämtlichen Verfahren, insbesondere im Zivilprozess (Art. 124 Abs. 1 ZPO). Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen nur im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, wo ein Gläubiger an bestimmten Verfahrensabschnitten immer wieder die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung beantragen muss (Art. 67 SchKG, Art. 88 SchKG, Art. 116 SchKG, Art. 166 SchKG).

33. Frage

Worum geht es bei der Dispositions- und Offizialmaxime?

Beim Begriffspaar Dispositions- und Offizialmaxime geht es um die Frage, wem die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand zusteht (Partei oder Behörde).

34. Frage

Welche Rechte umfasst die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand?

Die Verfügungsbefugnis umfasst insbesondere das Recht zu bestimmen, ob, wann und in welchem Umfang das Verfahren überhaupt eingeleitet wird, sowie wann es beendet wird.

35. Frage

Wer übt bei Geltung der Dispositionsmaxime die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand aus und was hat dies für einen Einfluss auf das Verfahren?

Bei Geltung der Dispositionsmaxime steht die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand den Parteien, d.h. den Privaten zu. Eine Parteien bestimmen somit ob, wann und (mittels Rechtsbegehren) in welchem Umfang das Verfahren überhaupt in Gang gesetzt wird und in welchem Umfang sie ihre Anträge aufrechterhalten will. Sie kann z.B. nur einen Teil der Forderung (sog. Teilklage) einfordern. Die private Partei bestimmt über die Beendigung des Prozesses ohne Anspruchprüfung und kann ihre Begehren zurückziehen, die Begehren der Gegenpartei anerkennen oder mit der anderen Partei einen Vergleich abschliessen.

36. Frage

Was hat die Geltung der Dispositionsmaxime für einen Einfluss auf die Beurteilung des Falls und auf die Behörden?                                                                                                                                                                 

Gilt in einem Verfahren die Dispositionsmaxime, darf die Behörde nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als von einer privaten Partei verlangt wurde und darf auch nicht weniger zusprechen, als von der Gegenpartei angerkannt ist. Darüberhinaus ist die Behörde in jedem Fall an die Anträge der Parteien gebunden. Im Rechtsmittel verfahren gilt zudem das Verbot der "reformatio in peius", d.h. die Rechtsmittelinstanz darf nicht weniger zusprechen, als im erstinstanzlichen Verfahren zugeprochen wurde.

37. Frage

Wie ist die Einleitung des Verfahrens bei Geltung der Offizialmaxime gerelgelt?

Bei Geltung der Offizialmaxime wird das Verfahren von Amtes wegen durchgeführt, unabhängig von den Parteianträgen. Die Parteien haben grundsätzlich keine Befugnisse, über die Einleitung, den Umfang und die Beendigung des Verfahrens zu befinden. Die Behörde bentscheidet somit selber, ob und wann sie das Verahren einleiten will und kann das Verfahren selbst gegen den Willen der Beteiligten durchführen (z.B. Offizialdelikt nach Art. 189 StBG, Kindesschutzmassnahmen nach Art. 311 ZGB).

38. Frage

Welche Rolle spielt das Legalitätsprinzip bei Geltung der Offizialmaxime und wo bestehen Ausnahmen?

Gemäss dem Legalitätsprinzip darf die Behörde nicht frei über Durchführung oder Verzicht auf ein Verahren entscheiden. Sie ist vielmehr vepflichtet das Verfahren durchzuführen, sobald sie zureichende Anahaltspunkte dafür hat. Ausnahmsweise und in engen Schranken darf die Behörde aus Opportunitätsgründen auf die Durch- oder Weiterfürhung eines Verfahrens verzichten (sog. Opportunitätsprinzip, vgl. Art. 8 StPO).

39. Frage

Welche Freiheiten geniesst die Behörde, welceh das Verfahren eingeleitet hat, bei Geltung der Offizialmaxime?

Die Behörde entscheidet aufgrund der materiellen Rechtslage, in welchem Umfang das Verfahren durchgeführt wird und trifft insbesondere denjenigen Entscheid, den das Gesetz als Rechtsfolge vorsieht und den sie für angemessen hält. Sie kann Anträge der Parteien entgegen nehmen, ist aber nicht an diese gebunden. Die Behörde entscheidet selber, wann das Verfahren abgeschlossen ist, d.h. die übrigen Beteiligten können das Rechtsbegehren weder zurückziehen noch anerkennen, noch einen Vergleich abschliessen. Es gilt somit der Amtsbetrieb.

40. Frage

In welchen Prozessarten gilt die Dispositionsmaxime? Bestehen Ausnahmen in einzelnen Prozessarten?

Die Dispositionsmaxime gilt grundsätzlich in allen Zivilprozessen (Art. 58 Abs. 1 ZPO), in Strafprozessen bei Antragsdelikten und in Verwaltungsverfahren im Bereich der Leisungsverwaltung.

Ausnhamen bestehen im Zivilprozess im Bereich des Familienrechts, wo die Dispositionsmaxime insofern durchbrochen wird, als das Gericht nicht an die Parteianträge gebunden ist (vgl. Art. 296 Abs. 3 ZPO).

41. Frage

In welchen Verfahren erlangt die Offizialmaxime grundsätzlich Geltung gegenüber der Dispositionsmaxime?

Die Dispositionsbefugnis über das Verfahren darf den Parteien nicht zustehen, wo es in der Sache selbst um öffentliche Interessen geht. Geltungsbereich der Offzialmaxime ist daher hauptsächlich der Strafprozess, sowie weite Teile des Verwaltungsrechts.