Einführung ins Recht - § 5 Real- und Idealfaktoren

Einfluss des Rechts auf die Gesellschaft und seine Lenkungsfunktion

Einfluss des Rechts auf die Gesellschaft und seine Lenkungsfunktion


Kartei Details

Karten 98
Sprache Deutsch
Kategorie Recht
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 22.03.2017 / 20.01.2020
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81.

Was sind beispiele für die Ausrichtung des Rechts auf die Zweckmässigkeit zu Lasten der Gerechtigkeit?

  • Verjärhrung
  • Verwirkung
  • Fristen im Prozess
  • materielle Rechtskraft von Urteilen
  • Instanzenzug durch Rechtsmittelverfahren nur in Fällen von grösster Tragweite

82.

Welche Rolle nimmt die Verjährung im Rahmen der Zweckmässigkeit ein?

Mit der Verjährung soll ein Recht nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr zwangweise durchgesetzt werden können (Verjährungsfristen), obwohl der Anspruch ansich nicht untergeht.

83.

Welche Rolle spielt die Verwirkung im Rahmen der Zweckmässigkeit?

Zugunsten der Zweckmässigkeit sollen Rechte nach Ablauf einer bestimmten Zeit oder durch andere Gründe automatisch untergehen, was in einem Widerspruch zur allgemeinen Gerechtigkeit steht.

84.

Worin liegen die Rechtfertigungsgründe für Verjährung und Verwirkung im Rahmen der Zweckmässigkeit?

Sie lassen sich dadurch Rechtferigen, dass Unischerheit, die durch den Bestand eines bahaupteten, aber bestrittenen oder zumindest nicht freiwillig erfüllten, Anspruchs besteht einmal ein Ende finden soll. Dies zugunsten der Zweckmässigkeit und zu Lasten des Anspruchsbrechtigten.

85.

Welche Rolle spielen Fristen in Prozessen bei den Zweckmässigkeitsüberlegungen?

Aus Gründen der Zweckmässigkeit sind für die Geltendmachung von Rechten oft exakte Fristen, insb. im Prozessrecht, vorgesehen. Das Verfahren wird durch regelmässig kurze Fristen, welche peinlich genau einzuhalten sind, beherrscht, ohne dass ein Bezug zur Gerechtigkeit auf den ersten Blick erkennbar wäre.

86.

Welche Rolle nehmen die materielle Rechtskraft und der Instanzenzug im Rahmen der Zweckmässigkeit ein?

Aus Gründen der Zweckmässigkeit sollen Urteile, in materielle Rechtskraft erwachsen und nicht mehr weitergezogen und ggf. umgestossen werden können. Aus Gründen der Gerechtigkeit und als Schutz vor unbilligen und ungerechten Entscheiden soll daher ein Urteil an eine höhere Instanz weitergezogen werden können. Dies aber nur in Fällen von Streitigkeiten grösster Tragweite. Auch die Problematik von Einzelrichtern in Streitigkeiten von geringem Wert, wo normalerweise das Kollegialprinzip greift, ist der Zweckmässigkeit geschuldet.

87.

Wo findet die Förderung der Zweckmässigkeit im Rechtsstaat ihre Grenzen?

Die Förderung der Zweckmässigkeit hat ihre Grenzen da, wo das Ergebnis unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit stossend wird. Korrekturen für solche Fälle sind oft schon im Gesetz selbst vorgesehen und werden durch die materiellen Postulate der Gerechtigkeit (Rechtsgleichheit, Willkürverbot) ergänzt.

88.

Was bedeutet der Begriff "Rechtssicherheit"?

Rechtssicherheit bedeutet "Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeits des Rechts". Sie verlangt, dass rechtliche Konsequenzen klar und eindeutig sind.

89.

Wie sind Rechtssicherheit und Zweckmässigkeit miteinander verbunden und was hat das für einen Einfluss auf die Gerechtigkeit?

Rechtssicherheit und Zweckmässigkeit des Rechts sind eng miteinander Verbunden. Damit ist auch das Prinzip der Rechtssicherheit ein Gegenpol und zugleich eine Ergänzung zum Grundsatz der Gerechtigkeit. Im Verhältnis zur Gerechtigkeit ist die Rechtssicherheit zwar das primitivere aber primäre Postulat.

90.

Worin bestehen Gemeinsamkeiten zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit?

Die formelle Gerechtigkeit, dient nicht zuletzt der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Rechts, mithin der Rechtssicherheit. Letztere ist auch verwandt mit materieller Gerechtigkeit, nämlich insoweit sie Regelfallgerechtigkeit darstellt. Einer der Gründe warum die Besonderheiten des Einzelfalls nur ausnahmsweise beachtet werden, liegt im Postulat der Klarheit und Voraussehbarkeit, also der Rechtssicherheit.

91.

Welche Elemente der Zweckmässigkeit sind auch Teil der Rechtssicherheit?

  • Verjährung
  • Verwirkung
  • Formvorschriften (bei Verträgen)
  • eindeutige Fristen
  • materielle Rechtskraft von Urteilen

92.

Welches sind Elemente der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung von Gesetzen, welche auch als Ergänzung zu den Elementen der Zweckmässigkeit dienen?

  • Rückwirkungsverbot (Art. 2 Abs. 2 StGB, neues Gesetz nur Anwendbar, wenn für den Betroffenen das Mildere)
  • Verbindlichkeit mit amtlicher Publizität
  • späteres Inkraftsetzen wichtiger Gesetze
  • Übergangsfristen

93.

Welchen Einfluss haben geänderte Ansichten auf die Rechtssicherheit mit Bezug auf Gerechtigkeit?

Mit dem Wandel der gesellschaftlichen Ansichten muss sich auch die Rechtsordnung ändern. Rechtssicherheit verlangt jedoch, dass solche Änderungen nicht allzu rasch und nicht zu häufig vorkommen. Ein Kennzeichen einer überzeugenden Rechtsordnung ist ihre Beständigkeit und das damit Verbundene Vertrauen der Rechtsunterworfenen in gesetzliche Garantien und behördliche Zusagen ist Ausdruck der materiellen Gerechtigkeit (Treu und Glauben, Rechtsgleichheit, Willkürverbot).

94.

Wie ist die Durchsetzbarkeit des Rechts als Charakteristikum der Rechtsordnung zu verstehen?

Verbindlichkeit und Erzwingbarkeit sind grundsätzliche Wesensmerkmale des Rechts. Das Recht hat eine praktisch nicht durchsetzbare Ordnung zu vermeiden. Allerdings bleibt bei der Ausgestaltung eines Rechtsinstituts stets zu beachten, welche Auswirkungen es voraussichlich in der Praxis haben wird und die Durchsetzungsmechnismen entsprechend weich oder hart zu gestallten (z.B. keine unnötige Verzögerung der Rechtsausübung durch Einsprache im Falle rechtlich nicht zu beanstandenden Handlungen).

95.

Wie ist das Verhältnis zwischen der Durchsetzbarkeit des Rechts und der Einzelfallgerechtkigkeit zu beurteilen?

Es kann unter Umständen und ausnahmsweise angebracht sein der Durchsetzbarkeit rechtlicher Ansprüche konsequent und unter Opferung der üblichen Garantien für eine gerechte Entscheidfindung den Vorrang zu geben. Dies ist insb. in Fällen in denen der Zeitfaktor eine grosse Rolle spielt angezeigt.

96.

Welche Verfahrensart ist am geeignetsten der Durchsetzung von Rechtsansprüchen unter Opferung der Üblichen Garantien zum Durchbruch zu verhelfen? Wie ist mit dieser umzugehen?

Das Mittel zur konsequenten Durchsetzung rechtlicher Ansprüche sind vorsorgliche (superprovisorische) Massnahmen, welche im Summarischen Verfahren erlassen werden. In solchen summarischen Verfahren wird regelmässig gegen formelle Gerechtigkeitsgebote verstossen (z.B. Beweis, Stellungnahmen, Verfahrensregeln). Vorsorgliche Massnahmen sind daher nur in sehr engen Grenzen zulässig und sollen nur dazu dienen, den bestehenden Zustand zu erhalten, nicht diesen zu ändern. Zudem ist das ordentliche Verfahren so bald wie möglich nachzuholen und die vorsorgliche Massnahme allenfalls rückgängig zu machen, wenn dies als geboten erscheint.

97.

Welchem Recht liegen ähnliche Überlegungen wie den vorsorglichen Massnahmen zugrunde?

  • Gegendarstellungsrecht

98.

In welchem Bereich kann eine Überschneidung zwischen den Real- und Idealfaktoren des Rechts gesehen werden?

  • Wirtschaftliche Effizienz als Ziel des Rechts (ökonomische Analyse des Rechts)
    • z.B. Ausrichtung der Rechtsordnung auf effiziente Volkswirtschaft (Realfaktor) unter Beachtung einer gerechten Güterverteilung (Idealfaktor)