Einführung ins Recht - § 5 Real- und Idealfaktoren
Einfluss des Rechts auf die Gesellschaft und seine Lenkungsfunktion
Einfluss des Rechts auf die Gesellschaft und seine Lenkungsfunktion
Kartei Details
Karten | 98 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 22.03.2017 / 20.01.2020 |
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84.
Worin liegen die Rechtfertigungsgründe für Verjährung und Verwirkung im Rahmen der Zweckmässigkeit?
Sie lassen sich dadurch Rechtferigen, dass Unischerheit, die durch den Bestand eines bahaupteten, aber bestrittenen oder zumindest nicht freiwillig erfüllten, Anspruchs besteht einmal ein Ende finden soll. Dies zugunsten der Zweckmässigkeit und zu Lasten des Anspruchsbrechtigten.
85.
Welche Rolle spielen Fristen in Prozessen bei den Zweckmässigkeitsüberlegungen?
Aus Gründen der Zweckmässigkeit sind für die Geltendmachung von Rechten oft exakte Fristen, insb. im Prozessrecht, vorgesehen. Das Verfahren wird durch regelmässig kurze Fristen, welche peinlich genau einzuhalten sind, beherrscht, ohne dass ein Bezug zur Gerechtigkeit auf den ersten Blick erkennbar wäre.
86.
Welche Rolle nehmen die materielle Rechtskraft und der Instanzenzug im Rahmen der Zweckmässigkeit ein?
Aus Gründen der Zweckmässigkeit sollen Urteile, in materielle Rechtskraft erwachsen und nicht mehr weitergezogen und ggf. umgestossen werden können. Aus Gründen der Gerechtigkeit und als Schutz vor unbilligen und ungerechten Entscheiden soll daher ein Urteil an eine höhere Instanz weitergezogen werden können. Dies aber nur in Fällen von Streitigkeiten grösster Tragweite. Auch die Problematik von Einzelrichtern in Streitigkeiten von geringem Wert, wo normalerweise das Kollegialprinzip greift, ist der Zweckmässigkeit geschuldet.
87.
Wo findet die Förderung der Zweckmässigkeit im Rechtsstaat ihre Grenzen?
Die Förderung der Zweckmässigkeit hat ihre Grenzen da, wo das Ergebnis unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit stossend wird. Korrekturen für solche Fälle sind oft schon im Gesetz selbst vorgesehen und werden durch die materiellen Postulate der Gerechtigkeit (Rechtsgleichheit, Willkürverbot) ergänzt.
88.
Was bedeutet der Begriff "Rechtssicherheit"?
Rechtssicherheit bedeutet "Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeits des Rechts". Sie verlangt, dass rechtliche Konsequenzen klar und eindeutig sind.
89.
Wie sind Rechtssicherheit und Zweckmässigkeit miteinander verbunden und was hat das für einen Einfluss auf die Gerechtigkeit?
Rechtssicherheit und Zweckmässigkeit des Rechts sind eng miteinander Verbunden. Damit ist auch das Prinzip der Rechtssicherheit ein Gegenpol und zugleich eine Ergänzung zum Grundsatz der Gerechtigkeit. Im Verhältnis zur Gerechtigkeit ist die Rechtssicherheit zwar das primitivere aber primäre Postulat.
90.
Worin bestehen Gemeinsamkeiten zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit?
Die formelle Gerechtigkeit, dient nicht zuletzt der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Rechts, mithin der Rechtssicherheit. Letztere ist auch verwandt mit materieller Gerechtigkeit, nämlich insoweit sie Regelfallgerechtigkeit darstellt. Einer der Gründe warum die Besonderheiten des Einzelfalls nur ausnahmsweise beachtet werden, liegt im Postulat der Klarheit und Voraussehbarkeit, also der Rechtssicherheit.
91.
Welche Elemente der Zweckmässigkeit sind auch Teil der Rechtssicherheit?
- Verjährung
- Verwirkung
- Formvorschriften (bei Verträgen)
- eindeutige Fristen
- materielle Rechtskraft von Urteilen
92.
Welches sind Elemente der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung von Gesetzen, welche auch als Ergänzung zu den Elementen der Zweckmässigkeit dienen?
- Rückwirkungsverbot (Art. 2 Abs. 2 StGB, neues Gesetz nur Anwendbar, wenn für den Betroffenen das Mildere)
- Verbindlichkeit mit amtlicher Publizität
- späteres Inkraftsetzen wichtiger Gesetze
- Übergangsfristen
93.
Welchen Einfluss haben geänderte Ansichten auf die Rechtssicherheit mit Bezug auf Gerechtigkeit?
Mit dem Wandel der gesellschaftlichen Ansichten muss sich auch die Rechtsordnung ändern. Rechtssicherheit verlangt jedoch, dass solche Änderungen nicht allzu rasch und nicht zu häufig vorkommen. Ein Kennzeichen einer überzeugenden Rechtsordnung ist ihre Beständigkeit und das damit Verbundene Vertrauen der Rechtsunterworfenen in gesetzliche Garantien und behördliche Zusagen ist Ausdruck der materiellen Gerechtigkeit (Treu und Glauben, Rechtsgleichheit, Willkürverbot).
94.
Wie ist die Durchsetzbarkeit des Rechts als Charakteristikum der Rechtsordnung zu verstehen?
Verbindlichkeit und Erzwingbarkeit sind grundsätzliche Wesensmerkmale des Rechts. Das Recht hat eine praktisch nicht durchsetzbare Ordnung zu vermeiden. Allerdings bleibt bei der Ausgestaltung eines Rechtsinstituts stets zu beachten, welche Auswirkungen es voraussichlich in der Praxis haben wird und die Durchsetzungsmechnismen entsprechend weich oder hart zu gestallten (z.B. keine unnötige Verzögerung der Rechtsausübung durch Einsprache im Falle rechtlich nicht zu beanstandenden Handlungen).
95.
Wie ist das Verhältnis zwischen der Durchsetzbarkeit des Rechts und der Einzelfallgerechtkigkeit zu beurteilen?
Es kann unter Umständen und ausnahmsweise angebracht sein der Durchsetzbarkeit rechtlicher Ansprüche konsequent und unter Opferung der üblichen Garantien für eine gerechte Entscheidfindung den Vorrang zu geben. Dies ist insb. in Fällen in denen der Zeitfaktor eine grosse Rolle spielt angezeigt.
96.
Welche Verfahrensart ist am geeignetsten der Durchsetzung von Rechtsansprüchen unter Opferung der Üblichen Garantien zum Durchbruch zu verhelfen? Wie ist mit dieser umzugehen?
Das Mittel zur konsequenten Durchsetzung rechtlicher Ansprüche sind vorsorgliche (superprovisorische) Massnahmen, welche im Summarischen Verfahren erlassen werden. In solchen summarischen Verfahren wird regelmässig gegen formelle Gerechtigkeitsgebote verstossen (z.B. Beweis, Stellungnahmen, Verfahrensregeln). Vorsorgliche Massnahmen sind daher nur in sehr engen Grenzen zulässig und sollen nur dazu dienen, den bestehenden Zustand zu erhalten, nicht diesen zu ändern. Zudem ist das ordentliche Verfahren so bald wie möglich nachzuholen und die vorsorgliche Massnahme allenfalls rückgängig zu machen, wenn dies als geboten erscheint.
97.
Welchem Recht liegen ähnliche Überlegungen wie den vorsorglichen Massnahmen zugrunde?
- Gegendarstellungsrecht
98.
In welchem Bereich kann eine Überschneidung zwischen den Real- und Idealfaktoren des Rechts gesehen werden?
- Wirtschaftliche Effizienz als Ziel des Rechts (ökonomische Analyse des Rechts)
- z.B. Ausrichtung der Rechtsordnung auf effiziente Volkswirtschaft (Realfaktor) unter Beachtung einer gerechten Güterverteilung (Idealfaktor)
1.
Welches sind die Realfaktoren bei der Betrachtung des Rechts als Tatsache bzw. Phänomen der gesellschaftlichen Wirklichkeit?
- Gesellschaft (soziologische Betrachtungsweise)
- Ökonomie (wirtschaftliche Betrachtungsweise)
- Geschichte (historische Betrachtungsweise bzw. Entwicklung)
2.
Womit beschäftigt sich die Rechtssoziologie?
Die Rechtssoziologie befasst sich mit der Erforschung der sozialen Wirklichkeit des Rechts. Ihr Gegenstand ist die wechselseitige Abhängigkeit (Interdependenz) von Recht und Sozialleben. Es geht also nicht darum die Rechtsnormen, sondern die Rechtswirklichkeit, das Recht so wie es tatsächlich gelebt und befolgt wird (law of action), zu betrachten.
3.
Wie ist das Recht als soziales Erscheinungsbild der Rechtsordnung gestaltet?
Recht ist ein Ordnungssystem für soziales Zusammenleben. Es kommt ihm zum einen Steuerungsfunktion in der Gesellschaft zu und zum anderen ist es von den Wertvorstellungen des sozialen Umfelds abhängig. Einerseits entfaltet es für die Rechtsnormen, die in vielen Bereichen ein Abbild der herrschenden Überzeugungen einer Epoche sind seine Wirkung. Andererseits gilt es für die Rechtswirklichkeit, indem Recht, das den gängigen Vorstellungen widerspricht, auf Akzeptanzprobleme stösst und auf die Dauer nicht durchsetzbar ist.
4.
Wovon hängt das Recht in sozialer Hinsicht ab?
Recht hängt von der Umwelt, in der es seine Wirkung entfalten soll, ab. Weiterhin hängt das Recht von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, welche zu einer Veränderung der Rechtsordnung, sowohl betreffend der Gesetze, als auch der Gerichtspraxis führt, ab.
5.
Worauf ist die soziale Steuerungsfunktion des Rechts gerichtet?
Recht kann von seinem sozialen Umfeld geprägt sein und kann somit selbst auf die gesellschaftliche Ordnung einwirken, sowie das Verhalten der Menschen bestimmen (Sitte oder herrschende Moralvorstellung durchzusetzen). Es kann dabei auch eine Vorreiterrolle einnehmen und der Wirklichkeit vorausgehen.
6.
Wie ist die Rechtswirklichkeit mit Blick auf das Begriffspaar normiertes Recht - gelebtes Recht gestaltet?
Im Idealfall würden das normierte und das gelebte Recht übereinstimmen (identisch sein). Allerdings ist es häufig so, dass Rechtsnormen entweder zu weit von den allgemein anerkannten Vorstellungen entfernt sind und deshalb nicht mehr befolgt werden oder bestimmte Normen trotz ihrer Übereinstimmung mit diesen allgemeinen Überzeugungen nie angewendet werden. Weiterhin ist es so, dass bestimmte Normen zwar konsequent angewandt werden, ihre Durchsetzung aber aufgrund praktischer Probleme (z.B. Beweisführung) schwierig ist.
7.
Wozu dient Rechtstatsachenforschung?
Rechtstatsachenforschung ist erforderlich, um feststellen zu können, ob ein Gesetz in der Praxis ausschliesslich jene Auswirkungen hat, die man sich von ihm bei seinem Erlass erhofft hat und um nötigenfalls korrigierende Massnahmen treffen zu können (Evaluation staatlichen Handelns).
8.
Durch die Evaluation welcher Begriffe soll das geltende Recht verwesentlicht, vereinfacht und flexibilisiert werden?
- Notwendigkeit
- Relevanz
- Dichte
- Qualität
- Wirksamkeit
- Wirtschaftlichkeit
- Wiederholungen
- Widersprüche
9.
Was wird bei der Auseinandersetzung mit gelebten Recht teilweise postuliert und was wird damit bezweckt?
Es wird postuliert, dass Recht identisch mit den richterlichen Urteilen sein soll. Damit wird die richterliche Tätigkeit ins Zentrum der Beschäftigung mit dem Recht gerückt und versucht, rechtliche Inhalte aus der Persönlichkeit, der Herkunft und dem sozialen Umfeld der Richter zu erklären.
10.
Wieso ist die Betrachtungsweise des Rechts aus seiner bloss gelebten Seite für eine umfassende Auseinandersetzung zu eng?
Für eine zu enge Betrachtungsweise des Rechts aus bloss seiner gelebten seite sprechen folgende Gründe:
- einseitige Betrachtung lässt Verhalten weiterer Personenkreise über Richter hinaus, sowie die Allgemeinheit der Rechtsunterworfenen schlechthin ausser acht
- Verständnis von Recht wird unsachlich eingeschränkt, d.h. Recht wird ausschliesslich als Faktum verstanden und seine normative Seine vernachlässigt
11.
Welche Tendenzen sind für die Fortbildung des Rechts in der Schweiz aus soziologischer sicht von besonderer Wichtigkeit?
- Anpassung an gewandelte soziale Vorstellungen
- Erfassen des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts
- Vereinheitlichung der Rechtsordnug
- Spezialisierung und Professionalisierung des Rechtsstoffes
12.
Welches sind die wichtigsten Eckpfeiler der Anspassung des Rechts an gewandelte soziale Vorstellungen?
- Anpassung des schweizerischen Rechts an die geänderten Vorstellungen in Ehe und Familie, sowie den Beziehungen zw. den Mann und Frau
- Zunehmende Bestrebung des Rechts für materielle Gleichheit zu sorgen, sozial schwächere zu schützen und Nachteile Auszugleichen (denn formale Rechtsgleichheit bedeutet noch keine inhaltliche Chancengleichheit, vlg. Art. 8 Abs. 1 BV)
13.
Auf welchen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen die Bestrebungen den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt systematisch zu erfassen?
- Entwicklung einer neuen Umweltschutzgesetzgebung als Reaktion auf die Gefährdung der Umwelt durch die Technik und ihre verschiedenartigste Nutzung in der Gesellschaft
- Zunehmende Nutzung der elektronischen Datenverarbeitungs- und modernen Informations- und Kommunikationtechnologie durch das Recht
- Einführung neuer rechtlicher Regelungen (Gesetze/Verordnungen) als Reaktion auf die moderne Fortpflanzungs- und Transplantationsmedizin sowie die Möglichkeit des Einsatzes der Gentechnologie (im Human- und Ausserhumanbereich)
14.
Welche Tendenzen im Bereich der Vereinheitlichung der Rechtsordnung lassen sich als Ausdruck und Abbild gesellschaftlicher Veränderungen feststellen?
- Recht des Bundes wird gegenüber dem der Kantone immer stärker und überwiegt
- Tendenzen zur internationalen Rechtsvereinheitlichung
- zunehmende Rechtsvereinheitlichung im Rahmen der Rechtsentwicklung durch Private (z.B.AGB, Standardverträge)
15.
Welche Ausprägungen hat die zunehmende Spezialisierung und Professionalisierung des Rechtssaats im Zuge der Rechtsvereinheitlichung angenommen?
- Ersetzen von allgemein gehaltenen Normen durch detaillierte Ordnung (Gesetzesreformen)
- massive Erweiterung des Rechtsstoffes im Zuge der Spezialisierung
- professionalisierung dadurch, dass selbst verhältnismässig einfache (rechtliche) Vorgänge nicht mehr ohne Mitwirkung von Juristen sachgerecht geregelt werden können (Spezialisierung auch innerhalb der einzelnen Rechtsberufe)
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