Kinder in der Migrationsgesellschaft
Überblick und Einführung in die Veranstaltung - Schwerpunkt Migration, Kindheit und Kindheitsforschung - ein pädagogischer Überblick, Zur Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen: Ein Überblick aus psychologischer Perspektive
Überblick und Einführung in die Veranstaltung - Schwerpunkt Migration, Kindheit und Kindheitsforschung - ein pädagogischer Überblick, Zur Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen: Ein Überblick aus psychologischer Perspektive
Kartei Details
Karten | 78 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Pädagogik |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 12.02.2017 / 28.05.2021 |
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Wie sind die Bindungsgruppen in Deutschland verteilt ?
Gloger-Tippelt, Vetter, Rau
- 45% Sichere Bindung
- 28% Unsicher-vermeidende Bindung
- 7% Unsicher- ambivalente Bindung
- 20% desorganisierte Bindung
Lohaus und Vierhaus
- 60/70% Sichere Bindung
- 15-20% Unsicher-vermeidene Bindung
- 10-15% Unsicher ambivalente Bindung
- 5-10% desorganisierte Bindung
Wie ist Bindung nach Lohaus und Vierhaus definiert?
- Aktivierung durch Bedrohung der Sicherheit --> Ziel: Nähe Sicherheit
- Bindung: Internes Arbeitsmodell <-> Arbeitsspeicher -> Ziel: Nähe Sicherheit -> Funktionale Konsequenz: Physische Sicherheit und Schutz des Kindes
- Ziel: Nähe Sicherheit -> Arbeitsspeicher
Wie wird die Aufmerksamkeit in den unterschiedlichen Bindungstypen reguliert?
- Unsicher-vermeidene Bindung: Schwerpunkt: sachumwelt, Kognition überwiegt
- Sichere Bindung: ausbalanciert, flexibel
- Unsicher-ambivalente Bindung: Schwerpunkt: Personen, Affekt überwiegt
Was sind diagnostische Kristerien für eine raktive Bindungsstörung im Säuglingsalter oder in der frühen Kindheit?
- Kriterium A: Eine deutlich gestörte und entwicklungsmäßig inadäquate soziale Bindung, die in den meisten Bereichen auftritt und vor dem Alter von 5 Jahren beginnt.
- andauerne Unfähigkeit, in entwicklungsmäßig angemesssenen zwischenmenschlichen Beziehungen zu reagieren, manifestiert sich durch widersprüchliches verhalten. (Annährung, Meidung, Abwehr, Wachsamkeit)
- diffuse Bidnungen, die sich durch unkritische Zutraulichkeiten zeigen, undifferenzierte Auswahl der Bezugspersonen
- Kriterium B: Die in Kriterium A beschriebene Störung ist nicht lediglich auf einen Entwicklungsrückstand (wie bei der geistigen Behinderung) zurückzuführen. Sie erfüllt auch nicht die Kriterien einer Tiefgreifenden Entwicklungsstörung.
- Kriterium C: Pathologische Fürsorgemerkamle, die durch mindestens einen der folgenden Punkte deutlich werden
- andauernde Missachtung der grundlegenden emotionalen Bedürfnisse des Kindes nach geborgenheit, Anregung und zuneigung
- Andauernde Missachtung der grundlegenden körperlichen Bedürfnisse des Kindes
- Wiederholter Wechsel der wichtigsten Pflegepersonen des Kindes, was die Ausbildung von stabilen Bindunge verhindert (z.B häufiger Wechsel der Pflegefamilie)
- Kriterium D: Es besteht die Vermutung, dass die in Kriterium C genannten Fürsorgemerkmale für das gestörte Verahlten das in Kriterium A beschrieben wird, verantwortlich sind.
- Gehemmter Typus: Kriterium A1 herrscht vor
- Ungehemmter Typus: Kriterum A2 herrscht vor
Was sind andere klinisch relevante Probleme?
- Missbrauch/Misshandlung und Vernachlässigung
- Körperliche Misshandlung eines Kindes
- Sexueller Missbrauch eines Kindes
- Vernachlässigung eines Kindes
- Psychische Misshandlung eines Kindes
- Probleme im Zusammenhang mit Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung Erwachsener
- S.O nur durch Ehe. bzw. Lebenspartner sowie durch Dritte
Was sind Umweltfaktoren?
Stark ausgeprägte soziale Vernachlässigung ist einerseits eine Vorraussetzung für die Diagnose einer Reaktiven Bindungsstörung uns stellt andererseits den einzig bekannten Risikofaktor für die Entstehung der Störung dar. Allerdings entwickelt die Mehrheit der massiv vernachlässigten Kinder diese Störung nicht, sodass die Prognose von der Qualität der Fürsorge nach der Vernachlässigung abzuhängen scheint.
Wie stehen Bindung und Schule miteinander im Zusammenhang?
- Bereits sehr frühe Erzieher-bzw. Lehrer-Kind-Beziehungen wirken sich mittelfristig auf das prosoziale Verhalten der Kinder und eine geringere Aggressionsdichte anderen Peers gegenüber aus (Pianta, Stuhlmann 2004)
- Verhaltenprobleme und belastete Beziehungen können den späteren Schulerfolg, insbesondere bei Jungen vorhersagen, die Fähigkeit, stabile Beziehungen zum Lehrer eingehen zu können, hat einen höheren prädikativen Wert für den Schulerfolg als kognitive Fähigkeitsvariablen (Hamre, Pianta 2001)
- Pianta, Steinberg, Rollins (1995) sprechen von einem "passive prevention effect for child-teacher-relationships" Kinder, die negative Beziehungen zu Erziehern und Lehrkräften aufweisen, haben mit höherer Wahrscheinlichkeit auch im weiteren Verlauf ihrer Schulkarriere schlechtere Beziehungen zu Erwachsenen.
Wie häufig kommen psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen vor?
- "About one adolescent in five has a psychatric disorder." (Costelleo, Copeland und Angold)
- "Die Pubertät ist durch viele biologische, psychische und soziale Veränderungen charakterisiert. In dieser Lebensphase beträgt die Prävelenz gravierender psychischer Störungen etwa 10%." (herpertz-Dahlmann, Bühren und Remschmidt 2013)
- Internale Störungen
- Depressionen, soziale Ängstlichkeit, Essstörungen
- Prävelenz: 12-23%
- Externale Störungen
- Störungen des Sozialverhaltens
- bei Jungen häufiger
- Prävelenz: 5-10%
- 1-Jahres-Prävelenzvselbstverletzendes Verhalten: Mädchen ca.25%, Jungen ca. 14% (Herpertz-Dahlmann 2013)
Womit beschäftigt sich Entwicklungspathologie?
- Beeiträchtigung im schulabschluss durch psychische Störungen
- hohe Stabilität im Lebenslauf
- Gerade im Kindes- und Jugendalter ist Therapie sehr wichtig, da die noch rasch verlaufende Entwicklung immer neue Entwicklungsaufgaben und damit Herausforderungen bereithält." (Ettrih, Etrich 2006)
Wann ist ein Kind Auffällig und wann gestört?
- "Es geht nicht nur darum, wer sich vom jeweiligen Verhalten des Kindes gestört fühlt, sondern darum, ob und in welcher Weise das Kind durch seine Verhaltensweisen seine eigene Entwicklung stört oder behindert." (Ettrich, Ettrich 2006)
- Wem fällt es auf? Wen stört es?
- Wird das Kind in seiner Entwicklung beeinträchtigt?
- Wie häufig kommt es vor?
- auf einzelne Zeitabschnitte begrenzt oder situationsübergreifend?
- auffälliges Verhalten
- gibt es in jeder Entwicklungsphase
- ist als Signal in Richtung gestörtes Verhalten zu werten.
- ist keine Spielart normalen Verhaltens, aber auch kein gestörtes Verhalten.
- Beispiele für auffälliges Verhalten
- (gelegentliche) Rauferein
- Protest "Rebellion" gegen/ Austesten von (von anderen/Erwachsenen aufgestellten) Regeln
- Erproben/ Austesten von Fähigkeiten und Grenzen
- nicht jedes depatzierte Verhalten hat gleich Störungswert und ist damit behandlungsbedürftig
- solche auffälligen Verhaltensweisen können oft nicht dem Slebstlauf überlassen werden, eine erzieherische Einflussnahme des jeweiligen Umfeldes ist unerlässlich (Ettrich & Ettrich)
Was sind die Konsequenzen kritischer Lebensereignisse für Kinder und Jugendliche nach Wild und Lorenz?
- Krisen können aus kritischen Lebensereignissen (Erkrankung des Kindes oder eines Elternteils) oder innerfamiliären Konflikten (Trennung, Scheidung) erwachsen.
- Stets sind Anpassungsleitsungen erforderlich, die zumindestens vorübergehend das Erleben und Verhalten der Betroffenen beeinträchtigen können.
- Ob eine Krise erfolgreich gemeistert wird oder langfrisitg negative Folgen insbesondere für die Persönlichkeitsentwicklung der betroffenen Kinder nach sich zieht, hängt jedoch wesentlich von den jeweils verfügbaren (personalen und sozialen) Ressourcen ab.
- Insgesamt sprechen Befunde für eine hohe Anpassungsfähigkeit auch und gerade von Kindern und Jugendlichen.
Was bedeutet Rsilenz?
- Wustmann: Resilenz als "psychische Widerstandfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken" (2004)
- "Das Konstrukt der Resilenz ist ein dynamischer Prozess postiver Anpassung bei ungünstigen Entwicklungsbedinungen und dem Auftreten von Belastungsfaktoren. Charakteristisch für Resilenz sind außerdem ihre variable Größe, das situationsspezifische Auftreten und die damit verbundene Multidimensionalität." (Fröhlich-Gildhoff, Rönnau-Böse)
- Personale Ressourcen: postive Temperamentsfaktoren, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, postives Selbstwertgefühl und überdurchschnittliche Intelligenz (Laucht 2005)
Was sind psychologische Charackteristika resilenter Individuen nach Meichenbaum 2011?
- Sie erleben vorwiegend positive Emotionen und sind in der Lage, starke negative Emotionen zu regulieren.
- Sie adaptieren einen aufgabenorientierten Coping-Stil und sind in Problemsituationen eher handlungs- als lageorientiert.
- Sie sind kognitiv flexibel und besitzen die Fähigket, Sachverhalte oder Problemlagen perspektivisch neu zu betrachten, Erlebnisse und Erfahrungen adäquat abzurufen und situationsspezifische Vorteile zu erkennen sowie Unterstützung einzufordern.
- Sie konstruieren und folgen einen Sinn und Ziel im Leben, sind befähigt, altruistisch (uneigennützig) zu handeln und besitzen ein generelles Vertrauen in Andere.
Was sind internale Schutzfaktoren?
- erstgeborenes Kind
- weibliches Geschlecht
- postives Temperament, emotionale Ausgeglichenheit
- aktives Bewegungsverhalten, gute Planungs- und Selbsthilfefähigkeiten
- postives Sozialverhalten
- hohe impulskontrolle
- gut entwickeltes Selbstwertgefühl
- gute Distanzierungsfähigkeit
- realistische Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, angemessene Leistungsorientierung
- überdurchschnittliche Intelligenz, hohe Sprachfertigkeiten
Was sind externale Schuzfaktoren?
- stabile Beziehungen zu Bezugspersonen
- intakte Familie, familiärer Zusammenhalt, Eltern als positive Modelle
- gute Ausbildung der Mutter
- kleine Familiengröße
- Strukur in häuslicher Umgebung
- angemessene elterliche Kontrolle
- soziale Unterstützung
- positive Peer-Beziehungen
- positive Schulerfahrungen
Welche Zahlen, Daten und Fakten in Bezug auf Kinder psychisch kranker Eltern gibt es?
- Ca. 1,5 Mio. Kinder leben in Deutschland mit mindestems einem psychisch kranken Elternteil
- Ca. 3 Mio. Kinder erleben innerhalb eines jahres eine akute psychische Störung eines Elternteils
- Jeder 5. Psychatriepatient steht in der Erziehungsverantwortung für ein miderjähriges Kind
- 18,6 Mio. Menschen in der EU leiden innerhalb eines Jahres (Ein-Jahres-Prävelenz) an einer klinisch bedeutsamen Depression (Wittchen, Jakobi 2005)
- Zwei Drittel der Betroffenen bleiben unbehandelt. (Wittchen, Pittrow 2002)
Depressionen sind häufiger
- bei Frauen im Vergleich zu Männern
- bei allein- oder getrennt lebenden, geschiedenen und verwitweten Personen.
- bei einem geringen sozioökonomischen Status.
- in Städten.
- bei einer Vielzahl vorangehendet belastender psychosozialer Lebensereignisse.
Was sind wichtige Beschwerden von Depressionen?
- Stimmungseinengung
- Antriebshemmung
- eigeschränktes Denkvermögen und Konzentrationsstörungen
- Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle
- Schlafstörungen
- Energieverlust und Müdigkeit
- Gewichtsveränderungen
- psychomotorische Veränderungen
- Suizigedanken-versuche
Verhalten (Emotion, Kognition, Körper)
Was sind Konsequenzen für die kindliche Entwicklung?
- Kennzeichen des Erziehungsverhaltens:
- inkonsitenter Erziehungsstil
- vernachlässigender Erziehungsstil
- häufige Kritik und Abwertung kindlicher Bedürfnisse
- wenig positive und häufig negative Rückmeldung
- offen ausgetragene Konflikte zwischen den Eltern
- Kindliche Bedürfnisse bleiben unbefriedigt
- Dysfunktionale kognitive und handlungsleitende Denkmuster ("Ich bin nicht liebenswert.")
- Dysfunktionale Schlussfolgerungen ("Mich mag sowieso niemand.")
- Stress: (u.a. Ausschüttung von Stresshormonen in Regionen des Gehirns, die für die Emotionsregulation verantwortlich sind)
- Meladaptive Stressbewältigung/Coping
- Schwierigkeiten in der sozialen Beziehungsgestaltung
- Verantwortungsübernahme der Kinder (Parentifizierung), hohe Aufmerksamkeit auf depressionrelevante (störungsrelevante) Umweltreize
Was sind psychosoziale Folgen?
- Erschwerte Bedingungen der Alltagsgestaltung
- (Partieller) Verlust des sicherheitsempfindens
- Schuldgefühle, für elterliche Erkrankung verantwortlich zu sein
- Desorientierung und Verängstigung aufgrund der nicht nachvollziehbaren Situation
- Tabuisierung und Isolation
- Betreungsdefizit
- Abwertungserlebnisse
- Loyalitätskonflikte innerhalb und außerhalb der Familie
- Parentifizierung
Mattejat, Remmschmitt 2008, Schneider 2009, Trunk 2013
Was sind Resilenzfaktoren?
- Robustes, kontaktfreudiges, aktives Temperament
- Emotionale Einfühlungs- und Ausdrucksfähigkeit
- Konstruktives Problemlöseverhalten
- Postives Selbstwertgefühl und internale Kontrollüberzeugungen
- Alters- und entwicklungsorientierte Aufklärung über die elterliche Erkranung
- Emotional sichere Bindung an die elterliche Bezugsperson
- Positives Erziehungss- und Familienklima mit festen Verhaltensregeln
- Gute Paarbeziehung der Eltern
- (Affektive) Präsenz des nicht-erkrankten Elternteils
- Soziale Unterstützung und Integration in ein Netzwerk
Was gilt für psychisch gestörte Eltern?
Psychische Störungen von Eltern unterscheiden sich substanziell von kinderlosen Erwachsenen auf den Dimensionen:
- Schuldempfinden
- Leidensdruck/ Angst vor (erweiterter) Stigmatisierung
- Befürchtung das Sorgerecht zu verlieren
Was sind Fazit und Implikationen der Forschung?
- Spezifizierung intergenerationaler Transmissionsmechanismen und störungsspezifischer Effekte einer elterlichen psychischen Erkrankung auf die kindliche Entwicklung
- Rolle und Funktion erkrankter Elternteile im Familiensystem
- Genaue Erfassung des kindlichen Entwicklungsstatus
- Betrachtung von Resilenz und Vulnerabilitätsfaktoren für eine gelingende Entwicklung
- Bewältigungsforschung
Was kann man als Praxistransfer festhalten?
- Kein flächendeckendes Versorgungsangebot mit spezifischen Angeboten für Familien mit psychsich erkrankten Eltern(-teilen)
- Mangelnde empirische Überprüfung umgesezter Angebote --> Empfehlungen kaum möglich
- Angehörigenarbeit (Kinder als Angehörige der Erwachsenenpsychatrie)
- Stärkung regionaler Kooperationen
- Mutter-Kind-Behandlungen
- Präventionsarbeit (vgl. Programme zu Frühen Hilfen in Deutschland)
Welche Aufgaben beinhaltet das Jugendalter?
Mittlere Kindheit (6-12 Jahre)
- Erlernen körperlicher Geschicklichkeit zum Spielen
- Aufbau einer positiven Einstellung zu sich
- Soziale Beziehungen zu Peers aufbauen
- Erlernen des männlichen/weiblichen Rollenverhaltens
- Erlernen basaler kognitiver Fertigkeiten (z.B Lesen)
- Entwicklung von Konzepten und Denkschemata
- Entwicklung moralischer Werte und eines Gewissens
- Erreichen persönlicher Unabhängigkeit
- Entwicklung sozialer Einstellungen in Gruppen
Adoleszenz (12-18Jahre)
- Neue Beziehungen zu Peers beiderlei Geschlecht
- Übernahme der männlichen/weiblichen Geschlechterrolle
- Akzeptanz der eigenen körperlichen Erscheinung
- Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern
- Vorbereitung auf eine berufliche Karriere
- Vorbereitung auf Ehe und Familienleben
- Entwicklung einer eigenen Ideologie
- Entwicklung eines sozial verantowrtlichen Verhalten
Frühes EA (18-30Jahre)
- Auswahl eines Partners
- Zusammenleben mit dem Partner
- Grüdnung einer Familie
- Versorgung und Betreuung der Familie
- Heim herstellen, Organisation des Haushalts
- Berufseinstieg
- Verantwortung als Staatsbürger ausüben
- Ausbau sozialer Netze
Was gilt für Risikoverhalten im Jugendalter?
- Verdichtung von Verhaltensweisen zwischen 12 und 22 Jahren
- Teil der Jugendkultur, Häufig entwicklungsfunktional zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
- Gesundheitliches Risikoverhalten: Selbstverletzendes Verhalten
- Delinquentes Risikoverhalten
- Finanzielles Risikoverhalten
Was ist selbstverletzendes Verhalten und wo und wie äußert sich dieses?
Was?
- Selbstverletzendes Verhalten (SVV) ist die direkte und offene Verletzung oder Beschädigung des eigenen Körpers, die nicht sozial akzeptiert ist und die nicht mit suizidalen Absichten einhergeht. (Petermann 2009,2015)
Wo?
- Arme, v.a Unterarme, Handgelenke
- Beine, v.a Unterschenkel
- Bauch
- Kopf, Gesicht
- Brust
- Genitalbereich
Wie?
- Schneiden mit scharfen Gegenständen
- Gegen die wand schlagen
- Mit Scherben die Haut einritzen
- Wiederholtes Kopfschlagen
- Ins Gesicht schlagen
- In die Augen bohren
- Beißen/Zwicken/Klemmen in die Hände, Lippen und andere Körperpartien
- Aufkratzen der Haut
- Verbrühungen
- Sich mit Zigaretten, Bügeleisen u.a. Verbrennungen zufügen
- Extremes Nägelkauen, Abbeißen von Fingerkuppen
- Chemische Substanzen, oder Gegenstände schlucken usw.
Was ist die Epidemiologie von SVV?
- 25% der SuS der 9.Klasse haben sich schon einmal vorsätzlich selbst verletzt.
- Davon setzen 4% SVV als Problembewältigung regelmäßig ein
- Prävelenz in der Kinder und Jugendpsychatrie wird auf 40-60% geschätzt (DE in Europa Länder mit der höchsten Prävelenz)
- Einstiegsalter: 14 Jahre
- Höhepunkt zwischen 14 und 18 Jahren
- Je früher das Einstiegsalter desto ungünstiger die Prognose
Was sind Funktionen von SVV?
Selbstregulation
- Ausdruck, Kontrolle und Regulation von Gefühlen
- Erleichterung, Beruhigung, Entspannung
- Abnahme von innerem Druck
- Glücksgefühle
- Selbstbestrafung
- Selbstfürsorge
- Identität
Soziale Aufmerksamkeit
- Zuwendung von Bezugspersonen
- Regulation von Nähe und Distanz
- Gruppenzugehörigkeit
- manipulativ, um z.B geschont, nicht kritisiert zu werden
Was ist denn überhaupt Selbstregulation nach Erkwoh 2016?
- Anspannung gering
- Jemanden kennenlernen.
- Sich heftig verlieben.
- Das ist der ideale Partner für mich.
- Problementstehung:
- Wenn das der ideale Partner ist, dann ist er auch für andere Ideal.
- Er wird sich schnell auf andere einlassen.
- Er wird mich verlassen, und das ertrage ich nicht.
- Bevor ich das ertragen muss, mach ich Schluss.
- Kontrollerschwerniss
- Ich liebe ihn noch immer, ich kann nicht Schluss machen.
Welche Risikofaktoren gibt es?
- Psychische Erkrankung eines Elternteils
- Trennung der Eltern
- Arbeitslosigkeit
- Missbrauch und Misshandlungen in der Kindheit
- Somatische Beschwerden
- Depression
- Aggressivität
- Ängste
- Alexithymie
- Geringer Selbstwert
- Selbstabwertung
- Hoffnungslosigkeit
Wie sieht ein Modell von SVV bei Jugendlichen aus?
Kindheit
- biologische Einflussfaktoren
- psychosoziale Einflussfaktoren
- --> Ungünstige sozio-emtionale Entwicklung und Problemlösefähigkeit, negative Selbstannahmen, niedriger Selbstwert, geringe Selbstwirksamkeitserwartung
Jugend (SVV)
- Hormonelle Veränderungen
- Akute emotionale Belastung
- Lerneinflisse
- Zufällige Einflüsse
- Langfristig negative konsequenzen
- Kurzfristig verstärkende aufrechterhaltende Konsequenzen
Welche Abhängigkeit kann bei einer nicht stoffgebunden Sucht bestehen?
- Dringlichkeit, Verlangen
- Tolerantentwicklung: Wunden werden tiefer und zahlreicher
- Kontrollverlust
- Entzugssymptomatik
- Zeitlicher und gedanklicher Aufwand für Beschaffung der Instrumente
- Frustrierter Wunsch Verhalten zu kontrollieren/ zu ändern
- Beibehaltung des Verhaltens trotz bewussten Schadens
Was sind Frühwarnsignale?
- Tragen von langärmeliger Kleidung auch im Sommer und beim Sport
- Weigerung bei Aktivitäten wie Baden und Schwimmen teilzunehmen
- Weigerung, gemeinsame Wasch- und Umkleiden zu benutzen
- Häufiges und lange andauerndes Einschließen im eigenen Zimmer oder im Bad
- Heimliches Aufbewahren oder Mitführen von z.B. Rasierklingen, Messern, Scheren, Scherben, Nadeln, Bügeleisen, Kerzen, Zigaretten, Injektionsinstrumenten, Chemikalien (Schwefelsäure, Salzsäure)
- Heimliches Aufbewahren von Utensilien zur Wundversorgung (wie. zB Desinfektions- und Verbandmaterial
- Verletzungen, Verbrennungen, Kratzer und Narben, für die es keine plausible Erklärung gibt
- meist an für die Personen leicht zugänglichen Körperstellen (vor allem Extremitäten)
- am nicht dominanten Arm sind Narben gehäuft, sie können aber auch beide Arme sowie Bauch, Brust, Beine, Genitalien oder auch das gesicht von Narben übersät sein
- langsame und schlechte Heilung, weil die Betroffenen die Wundheilung stören
- Mustr aus zahlreichen Schnitten in unterschiedlichem Grad der Abheilung
- Bagatellisierung der Gründe für die Wunden, wie z.B Folgen von Unfällen
Was kann man tun bei SVV? (Basics)
Dos
- Empathie und Ruhe
- Akzeptanz der Person vermitteln, auch wenn das konkrete Verhalten nicht akzeptiert wird.
- Sorge des Umfeldes transparent machen
- Individuelle Gründe für SVV transparent machen
- Worte des Gegenübers für SVV verwenden
- Bereitschaft zum Zuhören vermitteln
Donts
- Aktionismus
- Schock, Ablehnung, oder Panik zeigen
- Ein Ultimatum stellen
- Zu viel Interesse zeigen (CAVE: soziale Verstärkung)
- Erlauben, dass Jugendliche sich über SVV austauschen
- Über SVV vor anderen oder in der Klasse austauschen
- Über SVV vor anderen oder in der Klasse sprechen
- Schweigepflicht fest zusagen
Welche Verhaltenregeln zur Vorbeugung von Epidemien gibt es?
- Narben oder offene Wunden sollen nicht offen gezeigt werden. Auf entsprechende Kleidung achten.
- Blutende SuS verlassen den Unterricht.
- Vereinbarung von "EXIT"-Karten, die eine kurze Auszeit außerhalb des Klassenzimmers ermöglichen, wenn ein negativer affektiver Zustand nicht mehr ausgehalten werden kann (CAVE: Nur, wenn sich die Person alleine stabilisieren kann, z.B. mit dem Einsatz von Skills).
- Die Kommunikation über SVV soll reduziert werden, da Mitschüler/innen dadurch das Verhalten für sich entdecken oder verstärken können.
Was kann man im Notfall machen?
- Ruhe bewahren
- Wundversorgung
- Eltern, Freund/innen informieren
- Falls die Versorgung aus persönlichen Gründen schwerfällt: Betonen, dass es sich nicht um Ablehnung der Person handelt! Trennung von Handlung (SVV) und Person wichtig
Was kann man als Take Home Message mitnehmen?
- SVV ist kein geschlechtsspezifisches Problem, keine Modeerscheinung und tritt unter allen sozio-ökonomischen Bedingungen auf
- Risikofaktoren reichen bis in Frühe Kindheit
- Auslöser sind meistens Überforderungserlebnisse (u.a. durch dysfunktionale Problemlösefertigkeiten) begünstigt durch rasche biopsychosoziale Veränderungen im Jugendalter
- Langfristig werden keine funktionalen Problemlösefertigkeiten bei emotionaler Anspannung gelernt --> Beibehaltung dysfunktionaler Bewältigungsstrategien
- Offener und unterstützender Umgang mit betroffenen Jugendlichen unter Aufzeigen von Grenzen