7. Vertragsentstehung

Gérard Hertig (ETH Zurich)

Gérard Hertig (ETH Zurich)


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Langue Deutsch
Catégorie Droit
Niveau Université
Crée / Actualisé 07.02.2017 / 06.01.2023
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Rechtsverhältnis

− Beziehung zwischen einer Person und einer anderen Person/Sache, die durch die Rechtsordnung mit Rechten und Pflichten ausgestattet ist

Schuldverhältnis (Obligation)

− Definition: Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner, wonach

  • der Gläubiger vom Schuldner eine Leistung fordern kann (Forderung  -->Recht des Gläubigers)
  • der Schuldner verpflichtet ist zu leisten (Schuld --> Verpflichtung des Schuldners)

Zwei- oder mehrseitiges Rechtsgeschäft

• Beide/mehrere Parteien sind Gläubiger und Schuldner

• Beispiele: Kaufvertrag, Gründung einer Gesellschaft

Einseitiges Rechtsgeschäft

  • Besteht aus einer Willenserklärung
  • Nur eine Partei ist jeweils Gläubiger und Schuldner
  • Beispiele: Errichtung einer Stiftung, Kündigung

Relatives Recht

  • Wirkt zwischen den Parteien eines Schuldverhältnisses („inter partes“)
  • Beispiel: Vertrag, Schadenersatz aus unerlaubten Handlungen

Absolute Rechte

− Wirken gegenüber jedermann („erga omnes“)

− Beispiel: Sachenrecht, Patent- und Urheberrecht

Grundsatz des privatautonomen Handeln

− Wirtschaftsfreiheit (Art. 28 BV)

− Persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV)

Vertragsfreiheit

  • − Abschlussfreiheit
    •  Positiv: Recht, einen Vertrag abzuschliessen
    • Negativ: Recht, keinen Vertrag abschliessen zu müssen
  • Aufhebungs- und Änderungsfreiheit
  • Formfreiheit und Inhaltsfreiheit
  • Auswahl des Vertragspartners

 Inhaltsfreiheit

Der Inhalt des Vertrages kann innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig festgestellt werden. 

Beispiele für schranken: Unmöglichkeit, Widerrechtlichkeit Sittenwidrigkeit, Übervorteilung

Voraussetzungen für wirksamen Vertragsabschluss

  • − Rechts-, Handlungs- und Geschäftsfähigkeit
  • − Rechtsbindungswille der Parteien
  • − Übereinstimmende Willenserklärungen ausdrücklich oder stillschweigend
  • − Gegenseitiger Austausch

Willenserklärung

1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.

2 Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein. 

Willenskundgabe:

  • Erfassung des Rechtsbindungswillens in erkennbarer Weise in der Absicht, eine Rechtsfolge zu erzielen • Innerer Wille und äusserlich erkennbare Erklärung

Arten

  • Ausdrücklich oder konkludent (durch Wort/Schrift oder Verhalten)
  • Empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige (z.B. Testament: Adressatenkreis unbekannt nicht empfangsbedürftig)

Antrag (Synonym: Offerte, Angebot)

  • − Wille, mit Partner einen Vertrag abzuschliessen
  • − Enthält alle wesentlichen Punkte des Vertrags
  • − Empfangsbedürftige Willenserklärung
    • Erst wirksam, wenn bestimmte Person davon Kenntnis erlangt
    • Sobald Erklärung im „Machtbereich“ des Empfängers, z.B. im Briefkasten (Kenntnis des Inhalts nicht erforderlich)
  • Wirkungen eines abgegebenen und zugegangenen Antrags
    • Antrag kann durch Antragsteller grundsätzlich weder widerrufen noch einseitig verändert werden
    • Empfänger kann Vertrag durch Annahme zu den Bedingungen des Antrags abschliessen

Annahme (Synonym: Akzept)

  • − Übereinstimmung mit dem Antrag
  • − Weicht die Annahme vom Antrag ab: Neuer Antrag
  • − Grundsatz: Schweigen ist keine Annahme
  • − Ausnahme : Ist wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten, so gilt der Vertrag als abgeschlossen, wenn der Antrag nicht binnen angemessener Frist abgelehnt wird (Art. 6 OR)

Sonderfälle: Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

  • Vorformulierte Klauseln; auf eine Vielzahl von Verträgen anwendbar
  • Kein zwingendes Gesetzesrecht, sonder private Vereinbarungen
  • Bindend, wenn sie in einen Vertrag ausdrücklich oder global übernommen werden
  • Verbraucherschutz
    • Unklare Klauseln können im Sinne des Verbrauchers gedeutet werden
    • Ungewöhnliche Klauseln werden mitunter nicht angewendet
    • Kontrolle über das Gesetz den unlauteren Wettbewerb (--> Klausel kann nichtig sein)

Formvorschriften

  • Willenserklärungen können schriftlich oder mündlich, ausdrücklich oder konkludent/stillschweigend erfolgen
  • Wer eine Erklärung nicht liest und sie dennoch unterschreibt, ist grundsätzlich an die Erklärung gebunden
  • Verträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. 

Funktionen von Formvorschriften

  • Schutzfunktion: Schutz einer oder beider Vertragsparteien
  • Beweisfunktion: Schaffung eines Beweismittels
  • Rechtssicherheits- und Publizitätsfunktion: z.B. erlaubt Führung eines öffentlichen Registers Einsicht in die Rechtslage
  • Beispiele: Übertragung von Grundstücken, Erteilung/Widerruf von Vollmachten, Gründung einer Aktiengesellschaft

Willensmängel

  • Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
  • Ist ein Vertragschliessender durch absichtliche Täuschung … zu dem Vertragsabschlusse verleitet worden, so ist der Vertrag für ihn … nicht verbindlich....
  • Ist ein Vertragschliessender von dem anderen … widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.

Erklärungsirrtum 

Kennzeichnend für den Erklärungsirrtum ist die Tatsache, dass der Wille des Irrenden nicht mit der Erklärung desselben übereinstimmt. Dies kann sowohl auf einem Irrtum im Erklärungsakt (z.B. Bestellung von 1000 statt 100 Exemplaren) als auch auf einem Irrtum im Erklärungsinhalt beruhen (z.B. X will ein Gebäude vermieten, unterzeichnet aber ei-nen Leihvertrag). Art. 24 OR stellt drei Vermutungen für einen wesentlichen Erklärungs-irrtum auf (Abs. 1 Ziff. 1 bis 3). Für die Vertragspartei, die sich beim Vertragsabschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat, ist der Vertrag grundsätzlich unverbindlich 

Täuschung

  • Ein täuschendes Verhalten nach Art. 28 OR besteht in einer Vorspiegelung falscher Tatsachen oder im Verschweigen von Tatsachen.

gesetzliche Stellvertretung

ergibt sich direkt aus dem Gesetz und umfasst zum Bei-spiel die Vertretung der Kinder durch ihre Eltern.

rechtsgeschäftlichen oder „gewillkürten“ Stell-vertretung

Die rechtsgeschäftliche (oder gewill-kürte) Stellvertretung wird durch Vertrag und Vollmacht begründet (Art. 32 ff. OR). Der Vertretene wird dabei berechtigt und verpflichtet, obwohl der Vertragsschluss vom Ver-treter vorgenommen wird. Nicht alle Rechtsgeschäfte sind der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung zugänglich. Höchstper-sönliche Geschäfte, wie beispielsweise der Eheschluss oder das Verfassen eines Testa-ments, können nicht durch einen Stellvertreter erledigt werden. 

Vertretungsmacht

bezieht sich auf das Ver-hältnis zwischen Vertreter und Dritten. Sie bezeichnet das rechtliche Können des Vertre-ters, für den Vertretenen Verträge abzuschliessen. Bei Handlungen, die über die Vertre-tungsmacht hinausgehen, wird der Vertretene nur dann verpflichtet, wenn dieser den Ver-trag genehmigt.

Vertretungsbefugnis

aus dem Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem. Sie bezeichnet das rechtliche Dürfen des Vertreters. Selbst wenn der Vertreter seine Befugnis gegenüber dem Vertretenen überschritten hat, kann  der Vertretene dennoch verpflichtet werden, wenn die Drittperson in guten Glauben über den Umfang der Vertretungsbefugnis des Vertreters war. Die Vertretungsbefugnis des Vertreters berührt dann die Vertretungswirkung mit Drittpersonen nicht.

Motivirrtum 

Beim Motivirrtum ist der Wille zwar korrekt übermittelt worden, die Willensbildung be-ruhte jedoch auf falschen oder fehlenden Vorstellungen über die tatsächliche Sachlage.