Insomnische Störungen

Elena Pauli

Elena Pauli

Kartei Details

Karten 23
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 11.12.2016 / 18.12.2016
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1. Entwicklungsperspektive

Ontogenese des Schlafes

  • nach Geburt: Hälfte der Zeit = Schlafzustand --> REM-Schlaf wichtig für Neuroplastizität
  • kleine Kinder: mehrere Schlaphphasen pro Tag
  • Kinder: zwischen 8 und 10h Schlaf
  • Schlaf nimmt mit alter Ab
  • ältere Menschen: 6h, kleine Nickerchen durch Tag machen

1. Entwicklungsperspektive

Tag-Nachtrhythmus beim Kind in Abhängigkeit diverser Altersstufen

10-16 Jahre:

  • identisch Erwachsenenschlaf
  • Tiefschlaf nimmt ab
  • Abnahme REM-/Non-REM-Schlaflatenz --> Statemarker für Depressivität --> hormonelle  Umstellung

ab 13 Jahren:

  • zunehmende Tagesschläfrigkeit
  • Natürliche Phasenverschiebung: durch "ungünstiges" Verhalten Verstärkt (lange wach bleiben, lange ausschlafen)

2. Exkurs: Schlafstörungen im Rahmen von frühkindlichen Regulationsstörungen (Schrei-, Fütter- und Schlafstörung) im Kleinkindesalter

Frühkindliche Regulationsstörungen

  • meisten Säuglinge in ersten 3 Lebensmonaten häufiges und exzessives Schreien --> Dauer und Intensität wichtig
  • 15-30% ansonsten gesunder Kleinkinder = Regulationsstörung im Verlauf des 1. LJ, Fütterungs-, Ein- und Durchschlafstörungen können bis in das 5. Lebensjahr anhalten
  • häufig bei Kindern mit ADHS Problemen und gestörtem Essverhalten retrospektiv frühkindliche Regulationsstörungen festzustellen

2. Exkurs: Schlafstörungen im Rahmen von frühkindlichen Regulationsstörungen (Schrei-, Fütter- und Schlafstörung) im Kleinkindesalter

Diagnostische Kriterien

keine richtigen Kriterien

  • Schreistörung: länger als bis zum 3. Lebensmonat andauernd,  3-er Regel --> Exzessives Schreien an:
    • 3 Tagen die Woche
    • während 3 Stunden pro Tag
    • mindestens für die Dauer von 3 Wochen
  • Schlafstörungen: 6 Monate alten Säugling folgende Merkmale an Gestörtem Schlaf:
    • 5 Nächten die Woche
    • davon mindestens 3x Aufwachen pro Nacht,
    • mindestens 20 Minuten Wachzeit mit Schreien, kein eigenständiges Einschlafen
    • häufiges Schlafen im Bett der Eltern à dann schwierig, wenn Eltern sich gestört fühlen
  • Fütterungssstörungen: Säugling zeigt folgende Auffälligkeiten:
    • Säugling trinkt und isst nicht gut
    • Verlängerte Fütterungsdauer
    • Säugling erbricht Nahrung häufig
    • Säugling hat häufige Probleme mit Saugen, Schlucken etc.

2. Exkurs: Schlafstörungen im Rahmen von frühkindlichen Regulationsstörungen (Schrei-, Fütter- und Schlafstörung) im Kleinkindesalter

Anleitung zur Behandlung

  • Exzessives Schreien: vor 6 Monaten nicht konditionierbar (neurologisch gesehen), Regelhaftiges Verhalten?
  • Schlafstörungne: Regelmässige Abläufe Elternhaus?
  • Fütterungsstörungen: stimmt Fütterungshygiene?

3. Erscheinungsbild und Diagnostik insomnischer Störungen

Schlafprobleme bei Kleinkindern

  • Durchschlafprobleme: bis zum 6. Monat nicht von Auffälligkeiten wenn Ein- und Durchschlafen schwierig ist
    • Kind älter als 6 Monate
    • mind. 5 Nächte pro Woche, Aufwachen mind. 1x pro Nacht
  • Einschlafprobleme:
    • Schlafeinleitungsprobleme: Kind braucht länger als halbe Stunde zum Einschlafen oder schläft nur in Gegenwart von Eltern ein
    • Bettroutineprobleme: Kind braucht länger als 1 Stunde vom Zeitpunkt der Aufforderung bis es ins Bett geht --> oppositionelles Verhalten (Kind lernt, dass nicht einschlafen kann)

3. Erscheinungsbild und Diagnostik insomnischer Störungen

Prävalenz für „ins Bett kommen“ & Erwachen in der Nacht

  • 44% der Kinder (2-7 Jahre) zeigen Bedsharing 
  • Bedsharing/Night waking im Kleinkindalter kein Prädiktor für Bedsharing/Night waking im Kindesalter --> führt nicht unbedingt zur Chronifizierung
  • dann problematisch, wenn Eltern Kind nicht im Bett haben möchten

3. Erscheinungsbild und Diagnostik insomnischer Störungen

Prävalenz: Widerstand ins Bett zu gehen & Einschlafprobleme

  • Wiederstand ins Bett zu gehen und Einschlafprobleme eher vorübergehend
  • wenn aber andauernd = hohe Chronifizierungsrate

3. Erscheinungsbild und Diagnostik insomnischer Störungen

Diagnostische Hilfsmittel zur Erfassung insomnischer Störungen

Bei differentieller Indikation:

  • Polysomnographie
  • ambulantes Assessment

3. Erscheinungsbild und Diagnostik insomnischer Störungen

Insomnie: Diagnostische Kriterien 780.52 (F51.01) (G47.0)*

Siehe diagnostische Kriterien Psychopathologie

A. Unzufriedenheit mit der Schlafquantität oder -qualität, 1 (oder mehreren) der folgenden Symptome:

  1. Einschlafschwierigkeit. (Bei Kindern kann sich dies als Einschlafschwierigkeit ohne Intervention der Bezugsperson äussern.)
  2. Durchschlafstörung (Bei Kindern kann sich dies als Schwierigkeit des Wiedereinschlafens ohne Intervention der Bezugsperson äussern.)
  3. Morgendliches Früherwachen mit der Unfähigkeit, erneut einzuschlafen.

4. Erklärungsmodelle

Aufrechterhaltende Faktoren

  • Stress = Arousal
  • ungünstige Rituale
  • ungünstige Schlafhygiene, -rhythmen
  • Hohe Passivität, wenig Bewegung
  • zu lange Bettzeiten, zu lange Schlafzeiten
  • sensorische Anomalie (Blindheit, Taubheit, ect.)
  • Asthma  = kann Weckreiz sein, bei Erwachsensn Panikattacken (Atemnot)
  • metabolische Ursache (Schilddrüse, Hypophysenanomalie)
  • Verdauungsprobleme
  • Fieber, Schmerzen, Schlafapnoe, Anfälle (Epilepsie)

5. Epidemiologie insomnischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen

Häufigkeiten

Generell: Anstieg in Kindergartenalter, Stabilisierung im Schulalter, erneuter Anstieg im Jugendalter

Hohe Tendenz zu Chronizität (ohne Behandlung) ab mittlerer Kindheit (8-12 Jahren)

  • Insomnische Beschwerden bei Kleinkindern:
    • Prävalenz: 20-25% --> häufige Störung
  • Insomnische Beschwerden bei Jugendlichen:
    • Ca. 30% --> bei Jugenlichen noch häufiger

5. Epidemiologie insomnischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen

Auswirkungen von insomnischen Beschwerden

  • Verhaltensauffälligkeiten --> erhöhte Reizbarkeit, Irritierbarkeit, Aufmerksamkeitsstörung etc.
  • Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme
  • Lernschwierigkeiten
  • Soziale Probleme
  • Beeinträchtigung des somatischen Wohlbefindens, (Immunabwehr?) 

5. Epidemiologie insomnischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen

Insomnie bei Kindern mit psychischen Erkrankungen

 

    • ADHS (25%-50%)
    • Angststörungen (50%-85%)
    • Depressive Störungen (70%)
    • Autistische Störungen (44%-83%)

    --> gibt es Insomnie ohne andere Störung? Ja, wenn insomnische Symptome über Ausmass als das was mit anderer Störung zu erwarten ist

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Warum Psychotherapie?

    1. Insomnische Störungen im mittleren Kindesalter und Jugendalter sind persistent
    2. Psychopharmakabehandlung ist nicht evidenzbasiert, v.a. nicht für Langzeitverlauf (dito bei Erwachsenen)
    3. Eltern sind wichtigste Trainer einer günstigen Schlafhygiene
    4. Insomnie der Kinder belastet Eltern-Kind Beziehung und Geschwister (Teufelskreis)
    5. Schlafhygiene im Kindesalter prägt regelmässigen Tag-Wachrhythmus im Verlauf. Dieser wiederum fördert für psych. Gesundheit

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Behandlungsplan

    1. Somatische Kindanamnese, Erfassung des Schlafverhaltens des Kindes (physiologische Gründe ausschliessen)
    2. Familienanamnese: Familiensituation, Elternpsychopathologie, Kinderfahrungen und -charakteristiken und Komorbiditäten
    3. Besprechung der Hypothesen mit den Eltern, Planung der Behandlung 
    4. Durchführung der Behandlung

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Allgemein: Psychoedukation

    • Information zu normaler Entwicklung der Schlaf-Wachphasen
    • Eltern mit ihrem Problem nicht alleine dastehen = grosse Entlastung dar
    • Schlafmangel und tägliche Stressbelastung = Eltern oft erschöpft und überfordert --> Maßnahmen zur Entlastung: Einbezug des unmittelbaren sozialen Umfeldes
    • bei schweren psychosozial belastenden Lebensumständen: familienentlastende Dienste (Kinderkrankenpflege, Kinderbetreuung) oder sozialpädagogische Familienhilfe einschalten in unters.
    • Klassische lerntheoretische Modelle in ersten Lebensmonaten nur bedingt anwendbar
      • neurologische, physiologische, kognitive Voraussetzungen zum Erkennen von Kontingenz
      • Separation/Erkennen von inneren und äusseren Stimuli und affektive Qualitäten noch nicht entwickelt

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Behandlungsmassnahmen bei Säuglingen bzw. Kleinkindern: Beruhigung und Tagesstruktur

    • Massnahmen zur Reizreduktion
      • angeleitetn nach 1-1.5h Wachzeit Kind zur Ruhe und in Schlaf bringen
      • geregelte Tagesstrukturen (Übermüdung verhindern)
      • Sensibilisierung auf Überreizung
      • dysfunktionale Beruhigungsstrategien erkennen
    • Ermutigung Eltern adäquate Beruhigungsstrategien anzuwenden

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Durchbrechen des Teufelskreises

    • Eltern lernen auf das positive Verhalten des Kindes zu reagieren
    • Durch entspannte Interaktionen sollen aufmerksame Wachphasen verstärkt werden
    • Phasen des Schreiens oder Quengelns soll weniger Aufmerksamkeit geschenkt werden

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Massnahmen nach dem 6. Lebensmonat: Graduierte Löschung

    • Checking in definierten Intervallen
    • Checkind wird graduell reduziert (Kind wird müder)
    • Aufbau von Selbstberuhigungskompetenzen beim Kind
    • bis Kind alleine innerhalb ersten 20min Schlaf findet

    „Faded Bedtime“:

    • Bei Nicht-einschlafen wird das Kind wieder aus dem Bett genommen
    • Bettzeit nach hinten verschoben
    • Sobald schnelles Einschlafen erreicht ist, Bettzeit wieder nach vorne schieben

    Geregeltes Wecken: Ca. 30 Min. vor Aufwachen das Kind wecken (nachts oder am morgen) und unter Trösten wieder ins Bett begleiten

    • Schlafdruck so hoch, dass selber wieder einschlafen
    • Konditionierung: Bett = einschlafen, aufwachen = in Bett wieder einschlafen

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Empirische Validierung von Schlaftrainings

    graduelle Extinktion unerwünschtes Verhalten, graduelle Förderung gewünschtes Verhalten

    • Extinktionsansatz
      • Feste Schlafenszeit, Ignorieren bis zur festgelegten Aufwachzeit
      • RCT-Studien belegen schnelle und effektive Reduktion der Schlafprobleme
    • Graduelle Extinktion
      • Stufenweise Verlängerung der Zeitintervalle zwischen elterlicher Kontrolle
      • 1 RCT-Studie; wahrscheinlich wirksam
      • Hohe Akzeptanz bei Eltern
    • Positive Schlafroutine
      • Ritualisierte, ruhige und angenehme Aktivitäten vor dem Zubettgehen
      • Möglicherweise wirksam
    • Präventives Elterntraining
      • z.B. 2 Trainingssitzungen vor und nach Geburt
      • Sehr effektiv

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Therapieablauf KiSS (Schlarb et al. 2010)

    • Analyse der Eltern-Kind Interaktion
    • Hypnotherapie
      • Aktive Imagination (ex. Kalimba, wird mitkonditioniert)
      • Nutzen der hohen Suggestibilität im Alter von 8-10J.
    • Verhaltenstherapeutische Techniken:
      • Verändern der Schlafsituation
      • Verändern schlafstörender Gedanken
      • Belohnung
      • Loben

    6. Therapeutisches Vorgehen

    Schlafhygiene bei Teenagern

      • Erst ins Bett gehen, wenn müde
      • Nikotin und Koffein vermeiden
      • Körperliche Aktivität 2 Std. vor Bettzeit vermeiden
      • 30 Min. Ruhezeit vor dem Schlafen
      • „Sorgenbuch“
      • Kein „Wecker-checken“ in der Nacht
      • Licht aus
      • Regelmässige Schlaf-Wachzeiten