OR AT 4 - Mängel des Vertragsschlusses
Feit/Peyer/Stauber, Übungsbuch Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2013 Irrtum, absichtliche Täuschung, Furchterregung, Rechtslage bei einseitiger Unverbindlichkeit des Vertrags
Feit/Peyer/Stauber, Übungsbuch Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2013 Irrtum, absichtliche Täuschung, Furchterregung, Rechtslage bei einseitiger Unverbindlichkeit des Vertrags
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Cartes-fiches | 25 |
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Utilisateurs | 12 |
Langue | Deutsch |
Catégorie | Droit |
Niveau | Université |
Crée / Actualisé | 05.03.2016 / 27.02.2024 |
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1. Welche Arten von Willensmängeln unterscheidet das Gesetz?
- Irrtum (OR 23 ff.)
- Erklärungsirrtum
- Übermittlungsirrtum (OR 27)
- absichtiliche Täuschung (OR 28)
- Furchterregung (OR 29 f.)
2. Setzt ein Willensmangel einen (tatsächlichen oder normativen) Konsens voraus?
Ja. Ein Vertrag kann nur dann mit einem Willensmangel behaftet sein, wenn der Vertrag überhaupt zustande gekommen ist. Ein Vertrag kommt nur dann zustande, wenn ein (tatsächlicher oder normativer) Konsens vorliegt.
3. Wann liegt ein Erklärungsirrtum vor?
Wenn die nach dem Vertrauensprinzip ausgelegte Erklärung einer Vertragspartei nicht ihrem Willen entspricht.
- Erklärend meint A sagt aber B.
- Erklärender meint A sagt aber etwas, dass der Empfänger nach dem Vertrauensprinzip als B verstehen muss und darf.
3a. Wann liegt ein Motiv- oder Grundlagenirrtum vor?
Das Erklärte deckt sich mit dem Willen des Erklärenden, aber der Wille wurde aufgrund falscher oder fehlender Vorstellungen gebildet.
Beispiel:
A kauft an der Tankstelle Salatöl, weil er glaubt, damit sein Auto betanken zu können.
4. In welche Unterarten kann der Erklärungsirrtum unterschieden werden?
- Irrtum im Erklärungsakt
- Irrrtum über den Inhalt der Erklärung (Inhaltsirrtum)
4a. A schliesst mit B einen Kaufvertrag über einen handgefertigten Tonkrug auf Spanisch für "cincuenta" (fünfzig) Franken ab, weil er meint "cincuenta" bedeute fünfzehn. Liegt ein Irrtum im Erklärungsakt oder ein Inhaltsirrtum vor?
A irrt sich über die Bedeutung des Wortes "cincuenta". Damit irrt er sich über den Inhalt seiner Erklärung (Inhaltsirrtum).
4b. A mietet von B ein Fahrzeug. Dabei verspricht er sich und mietet das Auto aus Versehen für zehn statt für zwei Tage. Liegt ein Irrtum im Erklärungsakt oder ein Inhaltsirrtum vor?
A verspricht sich. Damit misslingt ihm die "technische Umsetzung" seines Willens in eine Erklärung. Es liegt daher ein Irrtum im Erklärungsakt vor.
5. OR 24 Abs. 1 Ziff. 1-3 zählt vermutungsweise wesentliche Erklärungsirrtümer auf. Wie lauten die lateinischen Bezeichnungen dieser drei Tatbestände?
- error in negotio (Ziff. 1); Irrtum über die Natur des Rechtsgeschäfts
- error in corpore vel in persona (Ziff. 2); Irrtum über die Identität der Sache oder der Person
- error in quantitate (Ziff. 3); Irrtum über den Umfang von Leistung oder Gegenleistung
6. Fällt der Erklärungsirrtum eines Stellvertreters unter OR 27?
Nein. OR 27 behandelt den Übermittlungsirrtum. Davon erfasst ist nur die unrichtige Übermittlung durch eine Übermittlungsperson (z.B. Bote, Dolmetscher oder Mäkler).
Der Stellvertreter übermittelt nicht die Erklärung des Vertretenen sondern gibt eine eigene Erklärung ab, welche den Vertretenen wie eine eigene Erklärung bindet. Ein Erklärungsirrtum des Stellvertreters hat der Vertretene deshalb wie einen eigenen Erklärungsirrtum geltend zu machen.
7. Der Grundlagenirrtum ist ein qualifizierter Motivirrtum. Worin bestehen die qualifizierenden Merkmale?
Ein Grundlagenirrtum setzt subjektive & objektive Wesentlichkeit voraus. Das BGer setzt zudem voraus, dass die Wesentlichkeit für den Irrtumsgegner erkennbar war.
Der irrtümlich vorgestellte Sachverhalt muss für den Irrenden eine notwendige Grundlage des Vertrags bilden (conditio sine qua non; subjektive Wesentlichkeit).
Nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr darf der irrtümlich vorgestellte Sachverhalt auch als notwendige Grundlage betrachtet werden (objektive Wesentlichkeit).
8. Kann sich der Grundlagenirrtum auch auf Umstände beziehen, die ausserhalb des angefochtenen Vertrags liegen?
Ja. Der Irrtum kann Umstände betreffen, die sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Vertrages liegen.
Der Irrtum muss lediglich für den Irrenden subjektiv wesentlich, nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr objektiv wesentlich sowie nach umstrittener Ansicht des BGer für den Irrtumsgegner erkennbar sein.
9. Ist die Anfechtung wegen Grundlagenirrtums möglich, wenn die Fehlvorstellung einen zukünftigen Sachverhalt betrifft?
umstritten, da die Zukunft per se unsicher ist.
BGer: Hoffnungen, übertriebene Erwartungen oder Spekulationen bewirken keinen Grundlagenirrtum.
Ausser: Wenn Irrender das zukünftige Ereignis als sicher (und wesentlich) annahm und der Irrtumsgegner nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr erkennen musste, dass diese Sicherheit für den Irrenden eine Vertragsvoraussetzung war.
10. Wann liegt ein blosser Rechnungsfehler i.S.v. OR 24 Abs. 3 vor?
Wenn die Berechnungsgrundlage Vertragsinhalt bildet und das Resultat der Rechnung auf einem Fehler beruht.
Wurde die Berechnungsgrundlage higegen nicht Vertragsinhalt (versteckter Kalkulationsirrtum), findet OR 24 Abs. 3 keine Anwendung. In diesem Fall handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum.
11. Kann der Irrende einen Vertrag anfechten, wenn er den Irrtum seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben hat?
Ja. Nach OR 26 trifft den fahrlässig Irrenden aber eine Schadenersatzpflicht, sofern der Anfechtungsgegner den Irrtum nicht erkannt hat und auch nicht hätte erkennen müssen.
12. Was ist die Rechtswirkung eines wesentlichen Irrtums?
Bei einem wesentlichen Irrtum ist der Vertrag einseitig unverbindlich. Das heisst, dass der Irrende während der Frist von OR 31 (1 Jahr ab Kenntnis) frei über die Gültigkeit des Vertrages entscheiden kann.
13. Kann sich ein Käufer, der die kaufrechtlichen Sachgewährleistungsansprüche geltend macht, nachträglich auf einen Grundlagenirrtum berufen?
BGer: Durch die Geltendmachung von Sachgewährleistungsansprüche (welche einen gültigen Vertrag voraussetzen), genehmigt der Käufer den Vertrag. Eine Berufung auf einen Grundlagenirrtum ist deshalb nicht mehr möglich.
14. Wann stellt das Verschweigen vorhandener Tatsachen ein täuschendes Verhalten i.S.v. OR 28 dar?
Wenn den die Gegenseite eine Aufklärungspflicht trifft. Sie ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Gegenseite erkennt, dass ihr Gegenüber einem wesentlichen Irrtum unterliegt.
Eine Aufklärungspflicht kann sich sodann aus
- Vertrag
- Gesetz
- Treu und Glauben
- herrschender Anschauung ergeben.
15. Kann die fehlende Erfüllungsbereitschaft einer Vertragspartei Gegenstand der Täuschung bilden?
Ja. Das täuschende Verhalten kann sowohl äussere Eigenschaften des Vertragsgegenstands (z.B. Qualität) als auch innere Umstände (z.B. fehlende Erfüllungsbereitschaft) betreffen.
16. Kann eine "gegründete" Furcht nach OR 30 Abs. 1 auch vorliegen, wenn der Drohende gar nicht in der Lage ist, seine Drohung zu verwirklichen?
Ja. Es genügt, wenn der Bedrohte die Verwirklichung für möglich halten darf, wobei dies nicht objektiv sondern aus der Perspektive des Bedrohten zu beurteilen ist.
17. Ist eine Anfechtung wegen Furchterregung möglich, wenn die Drohung von einem Dritten ausgeht und die Gegenpartei keine Kenntnis von der Drohung haben konnte?
Ja. Der Bedrohte muss diesfalls nach OR 29 Abs. 2 nach Billigkeit Schadenersatz leisten. War die Drohung erkennbar ist folglich kein Schadenersatz geschuldet.
Anders bei der absichtlichen Täuschung, wo die Täuschung durch den Dritten für den Vertragsgegner erkennbar sein muss, um überhaupt relevant zu sein.
18. Welche drei Theorien bestehen zur Rechtslage bei einseitiger Unverbindlichkeit?
Ungültigkeitstheorie: Vertrag ist von Beginn an ungültig (ex tunc). Macht der Übervorteilte/vom Willensmangel Betroffene die Unverbindlichkeit nicht innert Frist geltend, wird der Vertrag ex tunc wirksam. Es liegt ein aufschiebend bedingter Vertrag vor.
Anfechtungstheorie: Vertrag anfänglich gültig. Der Vertrag wird durch Anfechtung ex tunc aufgehoben. Es liegt ein auflösend bedingter Vertrag vor.
Theorie der geteilten Ungültigkeit: Vertrag für die betroffene Partei von Anfang an ungültig, für die andere bis zur Geltendmachung der Unverbindlichkeit gültig.
BGE 114 II 143: Ungültigkeitstheorie (offengelassen ob volle oder geteilte Ungültigkeitstheorie)
h.L.: Anfechtungstheorie
19. Was gilt für die versprochenen und bereits erbrachten Leistungen nach erfolgter Anfechtung wegen einseitiger Unverbindlichkeit des Vertrags?
Nach Anfechtung sind die versprochenen Leistungen nicht mehr zu erbringen.
Bereits erbrachte Leistungen sind Zug um Zug zurückzuerstatten (Sachleistungen ZGB 641 Abs. 2 und ZGB 975 Abs. 1 [Beachte ZGB 661 und ZGB 728]; für nicht restitutierbare Sachleistungen OR 62 ff.).
neuere Lehrmeinung: Umwandlung in vertragliches Rückabwicklungsverhältnis. Der frühere Zustand ist danach nicht über Vindikations- und Kondiktionsansprüche, sondern über einheitliche vertragliche Grundsätze wiederherzustellen.
19a. Welche Besonderheit besteht bei der Anfechtung ganz oder teilweise erfüllter Dauerschuldverhältnisse?
Grundsatz: Die Anfechtung bewirkt eine ausserordentliche Kündigung (ex nunc).
Ausnahme: Wenn "der Willensmangel sich im Synallagma selbst auswirkte, d.h. für das Leistungsversprechen des Irrenden in quantitativer Hinsicht bestimmend war" (BGE 129 III 320, E. 7.1.4). Bewirkt die Kündigung wegen Willensmangel also eine Störung des Austauschverhältnisses, so muss die Äquivalenz der Leistungen durch gerichtliche Vertragsanpassung analog zu OR 20 Abs. 2 wiederhergestellt werden.
Beispiel:
Der Irrende glaubt er miete eine 5-Zimmer Wohnung und bezahlt die entsprechende Miete jeden Monat. Tatsächlich ist es eine 3-Zimmer-Wohnung. Ficht er den Vertrag nach 3 Monaten an, wäre der Vertrag bis dahin gültig. Gemäss BGer muss nun der Vertrag (i.c. Mietpreis) gerichtlich angepasst werden (was hätten Parteien vereinbart, wenn der Irrende gewusst hätte, dass es sich um eine kleinere Wohnung handelt).
20. Wann liegt bloss eine Teilunverbindlichkeit des Vertrags vor?
BGer: analog zur Teilnichtigkeit OR 20 Abs. 2; wenn anzunehmen ist, dass die Parteien den Vertrag auch ohne die unverbindlichen Klauseln geschlossen hätten.
Dafür muss der Vertrag objektiv und subjektiv teilbar sein, d.h. der "Restvertrag" muss noch immer ein sinnvolles Vertragswerk darstellen (vgl. BGE 130 III 56; 107 II 423 f.).
Umstritten ist, ob der Drohende/Täuschende/Übervorteilende Teilunverbindlichkeit geltendmachen kann, wenn der Bedrohte/Getäuschte/Übervorteilte ganzheitliche Unverbindlichkeit fordert.
21. Wie lange nach Vertragsabschluss kann die vom Willensmangel betroffene Partei den Vertrag anfechten?
relative Verwirkungsfrist: 1 Jahr ab Entdeckung des Willensmangels/Beseitigung der Furcht (OR 31)
absolute Verwirkungsfrist: keine. Allenfalls kann die Anfechtung ab einem gewissen Zeitpunkt gegen Treu und Glauben verstossen (Irrtum: OR 25 Abs. 1; Täuschung/Drohung: ZGB 2 Abs. 2).
Zu Beachten: Rückleistungsansprüche können verjähren/untergehen. Bei ungerechtfertigter Bereicherung nach OR 67, bei Vindikationsansprüchen durch Ersitzung.
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