FUH SS15
Kartei Details
Karten | 44 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 08.08.2015 / 02.11.2019 |
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persönliche Kultur
Der personenseitige Prozess der Auseinandersetzung mit kollektiver Kultur und gleichzeitig des Parti-
zipierens an der Schaffung kollektiver Kultur wird als persönliche Kultur bezeichnet (Valsiner; Sim-
mel: subjektive Kultur).
30. In der Psychologie werden im weitesten Sinne zwei Modi der Ich-Welt Beziehung oder auch zwei Modi des Denkens unterschieden. Wie können diese beschrieben werden?
o Die Differenzierung der Ich-Welt-Beziehung in 2 Modi des Denkens geht zurück auf E. Bleuler
(1911)
1. ein im Piagetschen Sinne dezentrierter, also ein objektiver, logisch-rationaler und
realitätsangepasster Modus. Hierzu gehört:
- Informationsverarbeitung
- analytisch-/abstraktes Denken
- Logik
- rationale Planung und Problemlösung = logisch–rationales Denken nach Bleuler sowie
2. ein emotional getönter, realitätstranszendierender, ja sogar realitätsschaffender Modus. Hierzu
gehört:
- Träumen
- Phantasie
- Spiel
- Vorstellung und Poesie = autistisches Denken (nicht im pathologischen sondern im Sinne von In-sich-Gekehrtheit, Denken mit einer emotionalen Tönung) nach Bleuler
Beide Modi sind miteinander verwoben (STERN, 1935):
- Denken UND Fantasie
- Wie ein Mensch phantasiert, so ist er
- Phantasie schafft neue Objektivation als Werk, ändert die Wirklichkeit
- Mensch gestaltet sich mittels Phantasie selbst um
1. Realitätsangepasster Modus:
- Objektiv, logisch-rational
- Im Piagetschen Sinne dezentrierter Modus
- Informationsverarbeitung, Planung, Problemlösen
- Logisch-rationales Denken
- Analytisch-abstraktes Denken
2. Realitätsschaffender Modus:
- Emotional, realitätstranszendierend
- Träumen, Fantasie, Spiel, Vorstellung, Poesie, „Als-ob“
- Autistisches Denken (emotionale Tönung, Symbolspiel)
Beide Modi sind miteinander verwoben (William Stern, 1935):
- Denken UND Fantasie
- Gelichstellung beider Modi
- Phantasie schafft neue Objektivation als Wer, ändert die Wirklichkeit
- mittels Phantasie gestaltet sich der Mensch auch selbst um und handelt entsprechend
Zwei Modi der Ich-Welt-Beziehung (zwei Modi des Denkens):
- Ein dezentrierter Modus (objektiv, logisch, rational, realitätsangepasst; im Piagetschen Sinne)
Wir denken an Informationsverarbeitung, an analytisches und abstraktes Denken, an Logik, an rationale Planung und Problemlösen
- Ein emotional getönter, realitätstranszendierender, realitätsschaffender Modus
Wir denken an unser Versinken in Träumen, Phantasien uns Spiel, an Vorstellung und Poesie
Mögliche Verknüpfung der beiden Modi des Denkens (Fürsprecher des Verwobenseins beider Modi
des Denkens):
Eugen Bleuler unterscheidet zwischen:
- Logischem, rationalem Denken
- Autistischem Denken
Autistisches Denken nach Bleuler:
Bezieht sich auf einen normalen Modus des Denkens, der sich sowohl bei Kindern als auch bei Er-
wachsenen findet. Es hat eine emotionale Tönung und zeigt sich laut Bleuler im Symbolspiel von Kin-
dern, in den Träumen und Tagträumen normaler Erwachsener, aber auch in den Phantasien, Trug-
und Wahnvorstellungen von schizophrenen Patienten. Nach seiner Ansicht ist es ein relativ sophisti-
zierter Modus, der in der Entwicklung erst langsam entsteht und über die Lebensspanne hinweg
seine Gültigkeit behält.
Drei Schritte der Denkentwicklung (Piaget, 1922):
1. Autistisches Denken
2. Übergangsformen zwischen autistischem und logischem Denken
3. Logisches Denken
Heinz Werner unterscheidet (1933):
- Physiognomisches Denken
- Formaltechnisches Denken
Die beiden Modi werden laut Werner nicht voneinander abgelöst, sondern sind sogar
miteinander verwoben.
Hans Vaihinger (1911/1986):
Wissenschaft, Kunst, Religion und auch Menschen in ihrem Alltag bedienen sich laut
Vaihinger „bewusstfalscher Konzepte“ - Fiktionen - , die aber dennoch von hohem
pragmatischen Nutzen sind. Die Hypothese muss laut ihm verifiziert, „bewahrheitet“
werden, die Fiktion muss als zweckmäßig gerechtfertigt „justifiziert“ werden.
Die Dimension der Zeit in der Ontogenese
Dem Alter als den "bestimmten Orten des zeitlichen Kontinuums" kommt in der
ontogenetischen Betrachtung eine große Rolle zu. Entwicklung wird – in den
allermeisten Fällen – in Abhängigkeit vom Lebensalter betrachtet. In den empiri-
schen Designs spielt Alter dabei die Rolle der unabhängigen Variablen, deren
Einfluss auf ein bestimmte psychisches Phänomen – der abhängigen Variablen –
studiert wird. Das Alter ist dabei im eigentlichen Sinne keine "richtige" Variable:
Niemand kann Ihr Alter variieren; Sie haben nur eines!
Erickson vs Freud
Entwicklung
Erikson wendet sich jedoch in mancherlei Hinsicht von Freud ab. So beschreibt er
Entwicklung nicht in Form von psychosexuellen, sondern psychosozialen Phasen.
Der Mensch wird also nicht von sexuellen Trieben dominiert, sondern entwickelt
sein ICH in Auseinandersetzung mit und in Relation zu sozialen Beziehungen in
sozialen Kontexten. Auch hört Entwicklung nicht – wie bei Freud – mit der Ado-
leszenz einfach auf, sondern erstreckt sich über die gesamte Lebensspanne.
Für jede Phase werden Entwicklungsthemen formuliert, die positiv oder negativ
bewältigt werden können. Das jeweilige Thema einer Phase ist von Geburt an
angelegt, wird aber erst in der entsprechenden Phase dominant. In jeder Phase
kommt es zu einer Krise. Damit eine gesunde Persönlichkeit entsteht, müssen die
einzelnen Krisen erfolgreich bewältigt werden. Bewältigung heißt, dass sowohl
Erfahrungen bzgl. des positiven als auch negativen Pols der entsprechenden Phase
gemacht werden müssen, wobei erstere dominant sein sollten.
Definitionen von Kultur
Zwar gibt es zahlreiche und sehr komplexe Definitionen von Kultur, werfen wir
jedoch einen Blick auf konkrete Forschungsdesigns, so erscheint Kultur hier in
Form einer oder mehrer Variablen, die häufig schlicht den Kriterien von enger
zeitlicher, räumlicher und sprachlicher Kohärenz folgend Kultur als Land, als
Nation bestimmen. Toomela (2003) spricht in diesem Sinne auch von einer
"cross-country" Psychologie. Ein solcher Kulturbegriff ist statisch und verdingli-
chend, auch impliziert er die Annahme, Kultur sei eine homogene Einheit. So
betitelt Jaan Valsiner (1988) denn auch mit Emphase einen Vortrag: "Culture is
not an independent variable!" Zudem wirken unabhängige Variablen bekanntlich
nur im statistischen, nicht aber im psychologischen Sinne, zwei Ebenen, die gerne
und häufig miteinander verwechselt werden. Von "wirken auf" zu sprechen, lässt
zudem darauf schließen, dass das Objekt dieses kausal gedachten Prozesses – die
abhängige Variable? die einzelne Person? – nicht schon an und für sich ganz und
gar infiltriert vom "Wirkstoff Kultur" ist, eine Sichtweise, die aus kulturpsycholo-
gischer Sicht (s. u.) höchst bedenklich erscheint.
William Stern (1935)
Gleichstellung beider Modi des Denkens durch „Denken und Phantasie“ in seinem späten Werk „All-
gemeine Psychologie auf personalistischer Grundlage“
Studie: Der Dialog mit den Toten (Josephs, 1998)
18 Vpn im Alter zwischen 20 und 80 Jahren, die einen ihnen nahestehenden Menschen in der Ver-
gangenheit verloren haben (ausführliches Interview)
Resultat:
mehr als der Menschen stellen sich die Verstorbenen lebendig vor (Als-Ob-Vorstellung). Sie schaffen
damit eine vorgestellte Realität, die ihnen im Leben hilft.
Der vorgestellte Dialog mit dem Toten schafft eine neue psychische Realität. Die Person konstruiert
dabei die Person des Toten. Die Konstruktion des Toten und die vorgestellte Kommunikation mit ihm
regulieren ihrerseits wiederum das aktuelle Wohlbefinden der Person (z.B. „ich höre ihn (den Toten)
zu mir sprechen, und das beruhigt mich dann“). Vorstellung verzerrt also nicht (notwendigerweise)
die Realität, sondern ist an ihrem Schaffen vielmehr beteiligt.
Akkulturationsprozess
Triandis jedoch, selbst nicht Entwicklungspsychologe, versucht sich auch letzterer
Frage zu stellen: Wie kommt es etwa, dass ein individueller Mensch (nämlich er
selbst) im Laufe der Zeit "mehr individualistisch" und "weniger kollektivistisch"
wird? Triandis führt für seinen eigenen Akkulturationsprozess, der hier indirekt
als Entwicklungsaufgabe gesehen wird (siehe auch Sam & Oppedal, 2002), drei
Gründe auf drei unterschiedlichen Ebenen an: 1. Kulturwechsel generell (von
Griechenland nach Kanada), 2. Erfahrung von kulturell andersartigen Institutionen
(französisches Gymnasium; siehe auch die Analyse von Institutionen als Mittler
zwischen Kultur und Individuum in Valsiner, 2003) und 3. Eigenaktivität des
Individuums (kritische Auseinandersetzung mit Religion). Gerade die letzte Ebene
– die Konzeption eines aktiven, versus passiv Kultur rezipierenden Individuums –
ist interessant, da Kultur und Entwicklung nicht mehr als etwas statisch Gegebe-
nes, sondern als ein Prozess individuellen Wandels erscheinen. Veränderung wird
allerdings hier nicht weiter analysiert, sondern lediglich konstatiert. Die Analyse
von Veränderung hingegen steht im Zentrum einer entwicklungspsychologischen
Orientierung, die eng mit der Kulturpsychologie verknüpft ist.
Thematische Gliederungen der Ontogenese
Die Lebensspanne – die Ontogenese – lässt sich nicht nur anhand des Lebensalters
betrachten. Man kann sie auch inhaltlich entlang der in bestimmten Lebensphasen
auftretenden und dominanten Themen gliedern. Dazu möchte ich zwei prominente
Beispiele geben: Robert Havighursts Konzept der Entwicklungsaufgabe und Erik
Eriksons Modell lebenslanger psychosozialer Entwicklung.
25. Konzept der Entwicklungsaufgabe: Erläuterung und kritische Diskussion!
Robert Havighurst
Das Konzept der Entwicklungsaufgabe ist schon „alt“ und geht auf Robert Havighurst
(1948) zurück.
Erläuterung:
Der menschliche Lebenslauf lässt sich – jenseits des Alters – auch durch die in
bestimmten Phasen auftretenden zentralen Themen beschrieben. Dies geschieht durch
das Konzept der Entwicklungsaufgabe
Eine Entwicklungsaufgabe ist eine Aufgabe, die sich in einer bestimmten Lebensperiode
des Individuums stellt.
Ihre erfolgreiche Bewältigung führt zu Zufriedenheit und Erfolg, ein Versagen zu
Unzufriedenheit, Ablehnung durch die Gesellschaft und Schwierigkeiten bei der
Bewältigung späterer Aufgaben.
Havighurst unterscheidet 3 Quellen der Entstehung einer Entwicklungsaufgabe:
1. Physische Reife (individ. Leistungsfähigkeit inkl. körperl. Entwicklung)
2. Kultureller Druck / Erwartungen der Gesellschaft (soziokulturelle Entwicklungsnorm)
3. Indiv. Zielsetzungen oder Werte
Entwicklung beinhaltet also ein lebenslanges Überwinden von Problemen, wobei dem
Individuum eine aktive Rolle bei der Gestaltung eingeräumt wird.
Kritische Diskussion:
- Keine universelle Gültigkeit
- Bewältigung in bestimmten Kontexten beschreibt nicht menschl. Entwicklung allgemein
- Ein derart generiertes Wissen ist lokal und zeitgebunden
- Lebensstil muss zyklisch immer wieder gefunden werden
Entwicklungsperioden nach Havighurst:
Auf den ersten Blick wird hier die gesellschaftliche, historische und kulturelle
Dimension des Konzeptes der Entwicklungsaufgabe deutlich. Das, was 1948 im
westlichen Kontext für Erwachsene gelten mochte, besitzt ganz sicherlich keine
universelle Gültigkeit. Wenn ich also die Bewältigung von bestimmten Entwick-
lungsaufgaben in bestimmten Kontexten beschreibe, beschreibe ich nicht mensch-
liche Entwicklung ganz allgemein. Ein solcherart generiertes Wissen ist lokal und
zeitgebunden. So muss man heute womöglich nicht nur einziges Mal einen "Le-
bensstil" finden, sondern zyklisch immer wieder neu. Dasselbe gilt für die berufli-
che Festlegung, aber auch für das Eingehen (und Lösen) von Partnerschaften.
Drei Quellen der Entstehung einer Entwicklungsaufgabe:
Erik Erikson: Themen und Krisen über die Lebensspanne
Wie Havighurst gliedert auch Erikson den Lebenslauf in dominante Themen, die er als Krisen konzipiert. Er beschreibt Entwicklung nicht in Form von psychosexuellen Phasen wie Freud, sondern in psychosozialen Phasen.
Der Mensch wird demnach nicht von sexuellen Trieben dominiert, sondern entwickelt sein ICH in Auseinandersetzung mit und in Relation zu sozialen Beziehungen in sozialen Kontexten. Auch hört die Entwicklung nicht – wie bei Freud – mit der Adoleszenz einfach auf, sondern erstreckt sich über die
gesamte Lebensspanne.
Für jede Phase werden Entwicklungsthemen formuliert, die positiv oder negativ bewältigt werden können. Das jeweilige Thema einer Phase ist von Geburt an festgelegt, wird aber erst in der entsprechenden Phase dominant. In jeder Phase kommt es zu einer Krise. Damit eine gesunde Persönlichkeit entsteht, müssen die einzelnen Krisen erfolgreich bewältigt werden. Bewältigung heißt, dass sowohl Erfahrungen bzgl. des positiven als auch des negativen Pols der entsprechenden Phase gemacht werden müssen, wobei erstere dominant sein sollten.
26. Erik Eriksons Theorie stellt sicherlich den umfassendsten Versuch dar, den gesamten Lebenslauf entwicklungspsychologisch aus "psychosozialer Sicht" zu konzipieren. Was sind die Kernaussagen und Kernbegriffe seines Ansatzes?
Tradition der psychoanalytischen Schule → Schüler Freuds, Weiterentwicklung von Freud´s Lehre.
Lebenszyklus in 8 Phasen: → individuelle Entwicklung durch Auseinandersetzung mit lebensphasenspezifischen Themen.
Ich-Entwicklung entsteht nach epigenetischen Prinzip, d.h. vorbestimmte Reihenfolge ist
universell. Es gibt eine Stufenfolge, bei der jede Stufe auf die vorangegangene aufbaut. Die
kritische Phase muss zuerst überwunden werden, wobei auch negative Erfahrungen
gemacht werden müssen. Die positiven sollten dominieren.
Zentraler Begriff: Identität
Zentrales Konzept: psychosoziale Krise: Entwicklung über Lösung von Grund-Konflikten
Kritik:
• normativer Identitätscharakter → spezieller kultureller und gesellschaftlicher Kontext von Erikson hat
diese Theorie mit geprägt.
• Ziel einer gesunden Persönlichkeit ist problematisch: Unterstellung eines allgemeingültigen und
akzeptierten Ideal der Persönlichkeit
• Modell ist nur in einem speziellen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext zu verstehen -
"heutzutage" wird das Thema Identität eher nicht mehr in der Adoleszenz ein für alle Mal erledigt,
sondern tritt zyklisch immer wieder (in allen Lebensphasen) auf und führt zu unterschiedlichen
Antworten auf die Frage "wer bin ich?".
Verdienst: schlüssiges Gesamtmodell der Entwicklung, Benennung der wichtigen
Entwicklungsthemen, Erweiterung der theoretischen Tradition der Psychoanalyse auf alle
Lebensphasen, Ergänzung um eine soziale Dimension
Kritik an Eriksons Modell:
Die Frage der Identität lässt sich nicht auf die Adoleszenz beschränken. Wir definieren uns in Abhän-
gigkeit von sozialen Beziehungen und Kontexten immer wieder neu.
Zur Identität von Identität: Ein Konstrukt und seine Operationalisierung am Beispiel des Identitätsstatus-Ansatzes von James E. Marcia
Der Ausgangspunkt in aller Kürze: Erik Erikson
Identitätskonstruktion ist für Erikson das zentrale, krisenhaft erlebte Entwicklungsthema der Adoles-
zenz.
Erik Eriksons Identitätskonzept:
- Beantwortung der Fragen „Wer bin ich? Wer will ich sein?
- Raum-zeitliche Dimension der nicht starr gedachten Selbstgleichheit, also der gefühlten
Selbstkontinuität und -konsistenz trotz Veränderungen, der gefühlten Kohärenz trotz einer
Vielfalt möglicher Identitätsentwürfe
- Gefühlte und von außen anerkannte Unterscheidbarkeit von anderen (wahrgenommene Ein-
zigartigkeit, sowie die gefühlte und von außen anerkannte Zugehörigkeit zu anderen)
In der Adoleszenz findet eine krisenhaft erlebte kritische Auseinandersetzung mit alten und neuen
Identitätsalternativen statt, die dann im Idealfall zu einer Festlegung auf „eine Identität“ führt.
Alternativ dazu können aus der Kindheit resultierende oder soziale/gesellschaftliche/kulturell bereit-
gestellte/angetragene Identitätsentwürfe ohne Exploration und kritische Prüfung übernommen wer-
den. Erfolgen weder Exploration noch Verpflichtung, resultiert ein Zustand der Identitätsdiffusion,
der durch fragmentierte, nur wenig konsistente und kohärente Identitätsentwürfe gekennzeichnet
ist, sowie mit Gefühlen von Leere und Orientierungslosigkeit einhergehen kann, aber nicht muss.
Zur Identität von Identität: Ein Konstrukt und seine Operationalisierung am Beispiel des Identitätsstatus-Ansatzes von James E. Marcia
Die Operationalisierung: James E. Marcia
Auf Basis von Eriksons Theorie konstruierte Marcia eine Methode zur empirischen Erfassung von
Identität und Identitätsentwicklung.
- Identity Status Approach (ISA) und Identity Status Interview (ISI) sind bis heute aktuell ISA: Denkansatz bzw. Methode zu empirischen Erfassung von Identität und Identitätsentwicklung ISI: von Marcia entwickeltes Interview zur Erfassung von Identität und Identitätsentwicklung
Den von Erikson postulierten Prozessen der Exploration und der Verpflichtung/Festlegung
(Commitment), v.a. aber ihrer Beziehung zueinander, kommt eine zentrale Rolle zu.
Für Marcia findet Identitätskonstruktion in thematischen Kontexten/Domänen statt. Innerhalb dieser
Kontexte können Identitätsentwürfe stark exploriert (auch krisenhaft erlebt) werden, bevor eine
innere Verpflichtung und (relative) Festlegung stattfinden kann, nicht muss.
Durch halbstrukturierte, kontext-/domänenspezifische Interviews wird durch eine Gewichtung des
Ausmaßen von Exploration und Commitment (hoch/niedrig) ein entsprechender Identitätsstatus
diagnostiziert.
27. Beschreiben Sie die Methode zur empirischen Erfassung von Identität? und Identitätsentwicklung? von James E. Marcia!
James E. Marcia widmete sich auf der Basis der Theorie Eriksons (Stufenmodell) der
Konstruktion einer Methode zur Erfassung von Identität und Identitätsentwicklung.
und das damit einhergehende Identity Status Approach Identity Status Interview (ISI)
sind bis heute aktuell.
Eine besondere Rolle kommt den beiden Dimensionen Exploration und Commitment
(Verpflichtung/Festlegung) sowie deren Beziehung zueinander zu.
Die temporale Dimension der gefühlten Selbstgleichheit über die Zeit hinweg wird
vergleichsweise vernachlässigt.
Für Marcia findet Identitätskonstruktion in thematischen Kontexten oder Domänen
statt.
Innerhalb dieser Kontexte können Identitätsentwürfe mehr oder weniger stark exploriert
(krisenhaft erlebt werden oder nicht) werden, bevor eine innere Verpflichtung und
relative Festlegung stattfinden kann, allerdings nicht muss.
Durch halbstrukturierte, kontext- oder domänenspezifische Interviews wird durch eine
explizite oder implizite Gewichtung des Ausmaßes von Exploration und Commitment (je
hoch/niedrig) ein entsprechender Identitätsstatus diagnostiziert.
Probleme im Rahmen des Identitätsstatus-Ansatzes:
1. Allgemeiner Identitätsstatus oder Kontextspezifität?
Erikson ging von einem allgemeinen, kontextübergreifenden Identitätskonstrukt aus. Eine domänen-
spezifische Auswertung der Interviews zeigt aber häufig eine mal mehr, mal weniger ausgeprägte
Kontextspezifität: die Identitätsstatus variieren intraindividuell über die Domänen hinweg. Intuitiv
ist ein solcher Befund leicht nachvollziehbar. Für den einen Jugendlichen mag der Bereich der eige-
nen politischen Überzeugung weniger identitätsrelevant sein als der Bereich beruflicher Orientie-
rung, für den anderen Jugendlichen mag sich die genau umgekehrt darstellen. Trotz dieser Variation
wird gerne und oft ein „overall identity status“ durch entsprechende Gewichtung berechnet oder
aber auch „direkt“ diagnostiziert. Bei der Berechnung kann das subjektive Urteil der Interviewteil-
nehmer hinsichtlich der Gewichtung der Domänen eingehen. Alternativ wird schlicht die Auftretens-
häufigkeit der entsprechenden Status über die Domänen hinweg als Grundlage eines „allgemeinen
Identitätsstatus“ berücksichtigt. Haußer (2007) bspw. plädiert entschieden für die subjektive Ge-
wichtung der unterschiedlichen Kontextdomänen (Flensburg Identity Status Interview (FISI)). Die
interviewten Untersuchungsteilnehmer können und sollen selbst die entsprechenden Domänen in
eine Rangreihe ihrer Bedeutsamkeit bringen und darüber hinaus die Beziehung zwischen den Do-
mänen diskutieren.
Forschungspragmatisch gesehen ist das Festhalten an einem wie auch immer generierten „allgemei-
nen Identitätsstatus“ durchaus nachvollziehbar. „Ein“ Status – Variation hin oder her – lässt sich
leichter kommunizieren und auch in der Folge unproblematisch mit anderen Maßen in Zusammen-
hang bringen. Bei quantitativen Verfahren ist im Übrigen die domänübergreifende Mittelwertbildung
ein gängiges Verfahren, was im Blick auf die zugrunde liegende „psychologische Realität“ allerdings
nur schwer zu rechtfertigen ist.
Bis heute ungeklärt ist auch die Frage, welche Domänen sinnvollerweise einzubeziehen und zu the-
matisieren sind. So schlägt Haußer (2000) bspw. vor, den Lebensbereich „Heimat/Gefühl regionaler
Identität“ zu ergänzen. Besonders im Zuge der Migration erscheint der Hinweis auf „Ortsidentität“
(räumlicher Kontext) relevant zu sein.
Probleme im Rahmen des Identitätsstatus-Ansatzes:
2. Kohärenz als Artefakt? (Kohärenz = Zusammenhang)
Interviews, wie ISI oder FISI generieren narrative Daten. Die Untersuchungsteilnehmer erzählen Ge-
schichten über Entscheidungen/Entscheidungsfindungsprozesse. Der narrative Modus folgt allerdings
seiner eigenen Logik, produziert z.B. mehr Kohärenz als das aktuelle Erleben kennzeichnet. Auch
muss erlebte „Gleichzeitigkeit“ in eine sequentielle Sprachstruktur gebracht werden. Welchen Ein-
fluss hat dies bei der Bestimmung des Identitätsstatus?
Einerseits lässt sich fragen, ob sich eine „diffuse Identität“ gegen den dem Geschichtenerzählen im-
manenten „Kohärenzzwang“ überhaupt ausdrücken kann. Wird nicht vielmehr alles Ungeordnete,
Chaotische, Zerstreute in einen kohärenten Geschichtenablauf gedrängt und damit nicht mehr „hör-
und auffindbar“? Muss man demzufolge nicht, wie es Kraus (2007) im Rahmen seiner Forschungsmethode (problemzentriertes Interview) vorschlägt, den Teilnehmern einer Untersuchung explizit sa-
gen: „It´s ok to be incoherent!“?
Auch andersherum lässt sich fragen, ob Kohärenz als Merkmal der „erarbeiteten Identität“ nicht
vielmehr ein Artefakt der Methode ist. Forscher innerhalb des Identitätsstatus-Ansatzes diskutieren
solche Themen sehr selten. Zuviel Skepsis scheint aber auch nicht gerechtfertigt zu sein: So nahm
bspw. Über die Dekaden der Forschungsaktivitäten mit dem ISI die Auftretenshäufigkeit des Diffusi-
onsstatus systematisch zu.
Probleme im Rahmen des Identitätsstatus-Ansatzes:
3. Identitätsstatus oder Identitätsentwicklung?
Bei Erikson ging es um Identitätsentwicklung, bei Marcia um die Diagnose eines Identitätsstatus.
Der Entwicklungsgedanke kommt daher erst „hintenherum“ wieder ins Spiel und erfordert Längs-
schnittstudien, die Marcia (und Erikson) zufolge eine gewisse Entwicklungslogik beim Durchlaufen
der Status aufweisen sollten (z.B.: vom Moratorium hin zu einer erarbeiteten Identität). Allerdings
zeigt der Identitätsstatus keinen eindeutigen Zusammenhang mit dem Alter, und auch die Verläufe
sind heterogen. Spätestens hier muss gefragt werden, ob mit dem Identitätsstatus-Ansatz überhaupt
das Konstrukt erfasst wird, das zu erfassen vorgegeben wird: Identität.
Vielleicht geht es vielmehr um Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsstile, wie die Arbeiten
von Berzonsky (1989) zumindest indirekt nahelegen. Vielleicht geht es aber auch um doch um das
Identitätskonstrukt, nur die moderne Annahme einer Entwicklungslogik hin zum „Zielzustand“ der
„erarbeiteten Identität“ stimmt nicht bzw. nicht mehr. Eine „erarbeitete Identität, so wird gelegent-
lich argumentiert, macht wenig Sinn oder ist gar kontraproduktiv in einer Welt der Individualisierung
und des Wandels, die lebenslange Flexibilität und eben keine maximal weitreichenden Festlegungen
erfordert. In dieser Argumentation fügt sich die relativ junge „Entdeckung“ und Diskussion unter-
schiedlicher Diffusionsstatus ein, die aus Marcias (1989) Beobachtungen des rasant ansteigenden
Auftretens des Diffusionsstatus ab 1984 resultierte.
Marcia unterscheidet dabei nun vier Substatus:
- Störungsdiffusion,
- Entwicklungsdiffusion,
- sorgenfreie Diffusion und
- kulturell-adaptive Diffusion.
Quantitative Ansätze: Exploration, Commitment, Identitätsstatus
Daher quantitative Erfassung durch Fragebogen
Vorgehensweise:
a) Erfassung des jeweiligen Status direkt über entsprechende Items
b) Erfassung des jeweiligen Status indirekt über die Verrechnung der Ausprägung der direkt er-
fassten Dimensionen Commitment und Exploration Beispiel für direkte Erfassung :
Utrecht-Groningen Identity Developmental
Scale II (U-GIDS II; Meeus & Dekovic, 1995)
Beispiel für die indirekte Erfassung:
Ego Identity Process Questionaire (EIPQ; Balistreri, 1995)
Beispiel für direkte Erfassung des Identitätsstatus:
Extended Objective Measure of Ego Identity Status II (EOM-EIS-II; Bennion & Adams, 1986)
Hier zeigt sich auf den ersten Blick ein Zusammenhang mit dem Identitätsstatus-Modell. Der Zu-
sammenhang zu den vorher genannten Fragebögen ist weniger deutlich, wurde aber auch durch
entsprechende Korrelationsstudien untersucht. Dabei ergab sich bspw. keine überzeugende Überein-
stimmung mit dem EIPQ.
28. Welche Erhebungsmethoden zur Erfassung von Identität gibt es?
Narratives Interwiev
o Befragter erzählt seine Geschichte zu Entscheidungen /Prozessen
- Unstandardisiert, Erzählaufforderung
- Interviewer kommt wichtige Rolle zu: seine Fragen müssen Aufforderungscharakter haben ohne zu Beeinflussen, also nicht-direktiv sein
Halbstrukturiertes Interwiev (ISI)
o Der Anfang der Frage ist festgelegt und muss vom Befragten ergänzt werden
- Einerseits durch die Vorgaben noch (halbwegs) standardisiert, anderseits ohne komplette Antwortvorgabe noch sehr offen
- Gegebene Antworten werden durch Zusammenfassung in Kategorien ausgewertet
Fragebogen
o Erhoben werden vergleichbare Antworten von Befragten, bei identischer Befragungssituation und
Antwortgleichheit durch Ratingscala
- Standardisiertes Erhebungsinstrument
Qualitativ (Interview):
• Identity Status Interview (ISI) von James E. Marcia
• Flensburg Identity Status Interview (FISI) von Haußer (2007)
• Zusätzlich zum ISI: subjektive Gewichtung der Kontextdomänen
- Für Marcia findet Identitätskonstruktion in thematischen Kontexten oder Domänen statt, die er bei seiner Untersuchungsmethode auch berücksichtigt
- Marcia diagnostizierte über die Zeit hinweg einen Anstieg/Zunahme des Status der Identitätsdiffusion
- Für Marcia findet Identitätskonstruktion in thematischen Kontexten oder Domänen statt, wobei er ursprünglich lediglich die Kontexte der beruflichen/ schulischen Orientierung und politischer und religiöser Überzeugungen einbezog.
- Der Status der Identitätsdiffusion hat für die Entwicklung adaptive Funktion.
Qualitativ durch Interview:
ISI = Identity Status Interview
FISI = Flensburg Identity Status Interview
Quantitativ durch Fragebögen:
U-GIDS-II = Utrecht Groningen Identity Development Scale II
EIPQ = Ego Identity Process Questionnaire
EOM-EIS-II = extended Objective Measure of Ego Identity Status II
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