IPR der Schweiz 3 - Anwendbares Recht (Kollisionsrecht)
Drobnjak/Weingart-Schneider, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2014
Drobnjak/Weingart-Schneider, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2014
Kartei Details
Karten | 23 |
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Lernende | 12 |
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 17.09.2015 / 14.12.2024 |
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1. Wo sind die Kollisionsregeln im LugÜ geregelt?
Das LugÜ enthält keine Kollisionsregeln (Vorschriften über das anzuwendende Recht) sondern ausschliesslich internationales Zivilprozessrecht (Vorschriften über die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung).
2. Wo ist das Kollisionsrecht im IPRG geregelt?
im 3. Abschnitt (IPRG 13-19) sowie in den einzelnen Sachgebieten des besonderen Teils (jeweils unter der Marginalie: "Anwendbares Recht").
3. Wie beurteilt ein Schweizer Gericht, welches Recht auf einen internationalen Sachverhalt zur Anwendung kommt?
Prüfungsschema:
- Internationaler Sachverhalt gegeben?
- im Anwendungsbereich eines Staatsvertrag (Vorrang vor nationalem Recht, vgl. IPRG 1 II)
- ansonsten IPRG anwenden
- Anwendbares Recht gem. besonderem Teil
- Beachten der allgemeinen Vorschriften (IPRG 13-19; Weiterverweisung, ordre public etc.)
4. Enthält das IPRG materielles Recht?
Ja. Unter der Marignale "Anwendbares Recht" findet sich in den jeweiligen Sachgebieten auch materielles Recht.
Beispiel:
IPRG 102 II: Gelangt eine bewegliche Sache in die Schweiz und ist an ihr im Ausland ein Eigentumsvorbehalt gültig begründet worden, der den Anforderungen des schweizerischen Rechts nicht genügt, so bleibt der Eigentumsvorbehalt in der Schweiz noch während drei Monaten gültig.
5. Aus welchen Bestandteilen setzt sich eine Kollisionsnorm zusammen?
- Verweisungsbegriff (z.B. Unerlaubte Handlung, Wirkung der Ehe, Entstehung des Kindesverhältnises, etc.; Auf welchen Tatbestand ist die Kollisionsnorm anwendbar?)
- Anknüpfungsbegriff (z.B. Wohnsitz, Staatsangehörigkeit etc; Worauf kommt es an?)
- Verweisung (Rechtsfolge; Welches Recht ist anwendbar?)
6. Wie werden die Verweisungsbegriffe ausgelegt (z.B. Wirkungen der Ehe, Verträge, unerlaubte Handlung)?
4 Möglichkeiten:
- nach lex fori (materiellem inländischem Recht, des angerufenen Gerichts)
- nach lex causae (nach dem auf den Sachverhalt anzuwendenen Recht)
- autonom (aus dem Gesetz/Staatsvertrag selbst, insb. teleologisch)
- Mischform: Ermittlung des anwendbaren Rechts nach lex fori, dann Anwendung der lex causae auf die Begriffe.
Das Bundesgericht qualifiziert grundsätzlich nach der lex fori.
Das LugÜ wird demgegenüber vertragsautonom ausgelegt (vgl. Protokoll 2 "über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens".
Beispiel:
7. Was ist der Wohnsitz im Sinne des IPRG?
IPRG 20 I a : eine Person hat Wohnsitz (im Sinne des IPRG), an dem Ort, an dem sie
- mit der Absicht des dauernden Verbleibs
- sich aufhält (physische Anwesenheit)
Massgend sind jedoch objektive Kriterien, die sich aus dem sozialen, gesellschaftlichen und beruflichen Umfeld einer Person eruieren lassen.
Eine natürliche Person, kann nur einen Wohnsitz haben (IPRG 20 II), der neue Wohnsitz löst den alten ab.
Hat eine Person keinen Wohnsitz, so tritt an dessen Stelle der gewöhnliche Aufenthalt (IPRG 20 II)
pro memoria:
die übrigen Wohnsitze nach ZGB 24 ff. (fiktive und abgeleitete) finden auf intern. SV keine Anwendung (IPRG 20 II)
8. Was ist der Wohnsitz im Sinne des LugÜ?
LugÜ 59: nach der lex fori; d.h. bei einem angerufenen Schweizer Gericht nach IPRG 20
IPRG 20 I a : eine Person hat Wohnsitz (im Sinne des IPRG), an dem Ort, an dem sie
- mit der Absicht des dauernden Verbleibs
- sich aufhält (physische Anwesenheit)
9. Was ist der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne des IPRG?
IPRG 20 I b: Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist der Ort, an welchem sie
- während längerer Zeit (ab 3 Monaten)
- lebt.
Wie beim Wohnsitz gelten objektivierte (für Dritte erkennbare) Kriterien. Im Gegensatz zum Wohnsitz kommt es auf den Willen der Person nicht an.
Verlässt die Person den Ort für kurze Zeit, bleibt der gewöhnliche Aufenthaltsort erhalten.
10. Was ist die Niederlassung im Sinne des IPRG?
IPRG 20 I c: Die Niederlassung einer natürlichen Person ist in dem Staat, in welchem
- sich der Mittelpunkt (nach äusseren Kriterien; z.B. Büro)
- der geschäftlichen Tätigkeit (auf Erwerb gerichtet)
der Person befindet.
11. Was ist der Sitz einer Gesellschaft im Sinne des IPRG?
IPRG 21 II: Der Sitz einer Gesellschaft ergibt sich
- aus den Statuten
- bei Fehlen: am Ort der tatsächlichen Verwaltung (Ort der Willensbildung/Umsetzung der Geschäftsleitung)
pro memoria:
IPRG 21 I: setzt den Sitz einer Gesellschaft/eines Trusts mit dem Wohnsitz einer Person gleich.
12. Was ist die Niederlassung im Sinne des IPRG?
IPRG 21 IV: Die Niederlassung einer Gesellschaft befindet sich in dem Staat, in welchem
- sich der Sitz
- oder die Zweigniederlassung
befindet.
pro memoria:
Stellt eine Norm des IPRG auf den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person ab, so ist für Gesellschaften/Trusts die Niederlassung gemeint.
13. Was ist eine Zweigniederlassung im Sinne des IPRG?
Eine Zweigniederlassung liegt vor, wenn
- kaufmännischer Betrieb
- rechtlich ein Teil der Hauptunternehmung ist
- keine eigene Rechtspersönlichkeit hat (sonst ev. Tochterunternehmen)
- über gewisse geschäftliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit verfügt.
(BGE 117 II 85, E. 3)
14. Was ist der Sitz/Niederlassung einer Gesellschaft/eines Trust im Sinne des LugÜ?
LugÜ 60 I: Gesellschaften und juristische Personen haben ihren Sitz resp. ihre Niederlassung (alternativ)
- am Ort des satzungsmässigen Sitzes
- der Hauptverwaltung
- der Hauptniederlassung
15. Was ist die Staatsangehörigkeit im Sinne des IPRG?
IPRG 22: Die Staatsangehörigkeit bestimmt sich nach dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit infrage steht.
IPRG 23: Bei mehreren Staatsangehörigkeiten
- ZUSTÄNDIGKEIT: nur die Schweizer Staatsangehörigkeit massgebend.
- ANWENDBARES RECHT: Staatsbürgerschaft massgend, mit welcher die Person am engsten verbunden ist (objektive Kriterien, z.B. Wohnsitz, g. Aufenthalt, soziale Bindung).
- ANNERKENNUNG/VOLLSTRECKUNG: jede Staatsbürgerschaft
pro memoria:
Ein Schweizer Bürger kann unter Umständen eine Zuständigkeit allein durch seine Staatsangehörigkeit begründen ohne effektiv Wohnsitz in der Schweiz zu haben (vgl. Heimatzuständigkeit bei Scheidungen resp. Adoption IPRG 60/76).
Staatenlose: IPRG 24
16. Nach welchem Recht beurteilen sich Vorfragen (z.B. gültige Eheschliessung bei Unterhaltsklage)?
Zwei möglichkeiten des Gerichts:
- nach der lex fori
- nach der lex causae
Führen die lex fori und die lex causae zu unterchiedlichen Ergebnissen, so ist dem Grundgedanken des Kollisionsrecht folgend, diejenige rechtsordnung zu wählen, mit welcher der engste Zusammenhang besteht (vgl. IPRG 23 II)
17. Nach welchem Recht beurteilen sich Teilfragen (z.B. Willensmängel beim Vertrag)?
Grundsätzlich dem Recht der Hauptfrage (weitgefasste Verweisungsbegriffe des IPRG), d.h. unter den Verweiusngsbegriff Vertrag, fallen auch die damit verbundenen Teilfragen der Willensmängel, Zustandekommen etc.
Das IPRG sieht teilweise jedoch Sonderanknüpfungen vor: z.B.
- Rechtsfähigkeit (IPRG 34 I)
- Form von Verträgen (IPRG 124)
- Deliktsfähigkeit (IPRG 142)
- Erfüllungs- und Untersuchungsmodalitäten von Verträgen (IPRG 125)
18. Was ist die lex causae?
Das auf die Rechtsfrage anwendbare Recht. Sie wird auch als Statut bezeichnet (z.B. Vertragsstatut, Erbstatut etc).
19. Was ist der Unterschied zwischen Sachnorm- und Gesamtverweisung?
Sachnormverweisung: Die Kollisionsregeln von Staat A verweisen auf die materiellen Normen von Staat B.
Gesamtverweisung: Die Kollisionsregeln von Staat A verweisen auf die Gesamtheit der Normen von Staat B (unter Einschluss dessen Kollisionsnormen).
pro memoria:
Bei Gesamtverweisungen kann es zur Annahme, Rückverweisung (Renvoi) oder Weiterverweisung kommen.
20. Wie ist bei einer Rückverweisung (Renvoi) auf das Schweizer Recht zu verfahren?
h.L.: bei einer Rückverweisung auf Schweizer Recht ist von einer Sachnormverweisung auszugehen, d.h. es kommt Schweizer materielles Recht zur Anwendung, nicht die Kollisionsnormen (ansonsten "Spiegelkabinett" oder "Ping-Pong").
pro memoria:
bei einer Weiterverweisung wird dagegen von einer Gesamtverweisung ausgegangen, d.h. es ist auch das Kollisionsrecht des Drittstaates zu beachten.
21. Wann ist von einer Sachnorm- resp. einer Gesamtverweisung des IPRG auszugehen?
Grundsatz: Sachnormverweisung
Ausnahme: ausdrückliche Gesamtverweisung
- IPRG 37 I (Namensrecht einer Person mit Wohnsitz im Ausland)
- IPRG 91 I (Nachlassrecht einer Person mit Wohnsitz im Ausland)
22. A und B haben ihrem Vertrag gültig Schweizer Recht unterstellt, das IPRG verweist auf Deutsches Recht, welches ist die lex causae?
BGer: Die Rechtswahl schliesst die Weiter- und Rückverweisung aus. Es ist mit anderen Worten von einer Wahlt der materiellen Normen auszugehen.
23. Unter welchen Umständen kann das Gericht von dem anwendbaren Recht nach IPRG abweichen?
- Ausnahmeklausel (IPRG 15): Sachverhalt hat offensichtlich nur geringen Zusammenhang mit anwendbarem Recht (Ausnahme: Rechtswahl, von Amtes wegen)
- Ordre public (IPRG 17): Anwendung des Rechts führt zu einem Ergebnis, das in unerträglicher Weise gegen den Sinn und Geist sowie das Rechtsgefühl des Schweizer Rechts verstösst (BGE 135 III 614, E. 4.2; nicht bei demselben Ergebnis aus anderen Gründen; sog. negativer Ordre public).
- Eingriffsnormen (Berücksichtigung zwingender Normen)
- schweizerische Eingriffsnormen, lois d'application immédiate (IPRG 18): Normen, die den fundamentalen Grundwerten der schweizerischen Rechtsordnung entsprechen sind zwingend anzuwenden (sog. positiver Ordre public; Rechtsmissbrauchsverbot ZGB 2, nicht: Verbot der Familienfideikomissen ZGB 335 II)
- ausländische Eingriffsnormen (IPRG 19): ausländische Normen der lex causae, die interantional zwingend angewendet werden wollen, sind anzuwenden, wenn es das offensichtliche Interesse einer Partei gebietet und der Sachverhalt einen engen Zusammenhang mit dieser Rechtsordnung hat und die Anwendung für eine angemessene Entscheidung erforderlich ist.
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