Einführung Methoden Politikwissenschaft
Sitzung 11
Sitzung 11
Kartei Details
Karten | 21 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Politik |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 23.12.2015 / 28.12.2017 |
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Voll- und Teilerhebungen
Ziele von Umfragen
Das Ziel einer Umfrage ist es, Aussagen über das Verhalten oder die Haltungen
einer Grundgesamtheit (z.B. «alle Schweizer Stimmberechtigten») machen zu
können. Allerdings lässt sich in aller Regel nur ein Teil dieser Grundgesamtheit
befragen. Wie muss nun diese Teilmenge (oder Stichprobe) zusammengesetzt
bzw. beschaffen sein, so dass sich die Stichprobenergebnisse verallgemeinern
lassen? Wie zieht man eine solche, „repräsentative“ Stichprobe?
Die Grundgesamtheit ("target population")
• Die Menge derjenigen Individuen, über die eine Aussage gemacht
werden soll, wird die Grundgesamtheit genannt.
• Die Grundgesamtheit ist demnach von der jeweiligen
Fragestellung abhängig.
• Beispiel: Wer hat wie gewählt bei den Nationalratswahlen 2015?
Gilt die Nicht-Teilnahme ebenfalls als Wahloption, so bilden alle
Schweizer Wahlberechtigten die Grundgesamtheit. Interessiert
man sich indessen nur für das substanzielle Wahlverhalten, so
bilden strenggenommen nur die an den Wahlen 2015
Teilnehmenden die Grundgesamtheit.
Die Auswahlgesamtheit ("frame population")
• Die Menge der Elemente, die eine prinzipielle Chance haben, in die
Stichprobe zu gelangen. Bildet beispielsweise das offizielle
Telefonverzeichnis der Swisscom die Auswahlgesamtheit, so haben nur
die über die darin registrierten Telefonnummern Erreichbaren die
prinzipielle Chance, in die Stichprobe zu gelangen.
• Die Inferenzpopulation wird aus der Auswahlgesamtheit abgeleitet. Sie
ist die Population, über die auf der Grundlage der vorliegenden
Stichprobe tatsächlich Aussagen gemacht werden können.
• Auswahlgesamtheit (bzw. Inferenzpopulation) und Grundgesamtheit
sollten im Idealfall identisch oder zumindest nahezu identisch sein. Je
weiter diese beiden Grössen auseinanderfallen (siehe overcoverage und
undercoverage), desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Umfrageresultate verzerrt sind.
Undercoverage und Overcoverage
• Enthält die Auswahlgesamtheit Elemente (d.h. Befragte), die kein Teil der
Grundgesamtheit sind, sprechen wir von „overcoverage“. Beispiel: Die
Schweizer Stimmberechtigten bilden die Grundgesamtheit. Man befragt
indes alle, die im Swisscom-Verzeichnis enthalten sind (z.B. auch
AusländerInnen).
• Overcoverage ist in der Praxis selten ein Problem. Die «überzähligen»
Fälle können nachträglich aus der Stichprobe entfernt werden.
• Wenn Elemente der Grundgesamtheit nicht in der Auswahlgesamtheit
enthalten sind, spricht man hingegen von „undercoverage“.
• Generell gilt: undercoverage ist ein weitaus schwerwiegenderes Problem
als „overcoverage“. Denn die Verzerrungen, die von „undercoverage“
ausgehen, lassen sich kaum bzw. nur unter Zuhilfenahme bestimmter
Annahmen korrigieren.
Auswahl-, Erhebungs- und Untersuchungseinheit
• Auswahleinheiten beziehen sich auf den Auswahlplan, während
Erhebungseinheiten diejenigen Einheiten sind, bei denen die Informationen
erhoben werden. Diese Einheiten sind oftmals nicht identisch und dies stellt
die Umfrageforscher vor gewisse Probleme.
• Die Untersuchungseinheit ist diejenige Einheit, auf welche sich die
Untersuchung bezieht bzw. an welcher die relevante Messung als solches
vorgenommen wird.
Repräsentativität
• Ein („geschützter“) Fachbegriff „Repräsentativität“ existiert nicht. Es gibt
unterschiedliche Bedeutungen dieses Begriffs in der nichtwissenschaftlichen,
der wissenschaftlichen und der statistischen Literatur
(Kruskal und Mosteller 1979).
1. Repräsentativität gilt landläufig als „Gütesiegel“ für demoskopische
Resultate („Here the investigator gives the data a pat on the back by
using a seemingly scientific term to rise its stature.“). Wenig sinnvoll.
2. Repräsentativität als Strukturkonzept: Stichprobe und Grundgesamtheit
sind gleich zusammengesetzt. Das Sample ist ein verkleinertes, aber
ansonsten strukturgleiches Abbild der Grundgesamtheit. Hohe
Suggestivwirkung, aber ebenfalls wenig sinnvoll.
3. Repräsentativität in der statistischen Literatur: bezieht sich nicht auf die
Struktur der Stichprobe, sondern auf den Prozess der Auswahl. Nur
Zufallsauswahlen ermöglichen die inferenzstatistischen Verfahren zur
Berechnung der Verlässlichkeit, mit welcher man vom Sample auf die
Grundgesamtheit schliessen kann.
Übersicht der Auswahlverfahren
Komplexe Zufallsauswahlen
In komplexen Zufallsauswahlen haben die einzelnen Elemente nicht
mehr dieselbe, aber eine berechenbare Chance, in die Stichprobe zu
gelangen. Komplexe Zufallsauswahlen werden dann bevorzugt, wenn
beispielsweise interessante Untergruppen der Grundgesamtheit nur sehr
geringe Anteil aufweisen und demnach – bei einer einfachen
Zufallsauswahl – nicht gesondert ausgewertet werden können, da die
Fallzahlen schlicht zu gering sind.
Geschichtete Zufallsauswahlen
• Bei einer geschichteten Zufallsstichprobe werden die Elemente der
Grundgesamtheit zunächst einer (und nur einer) Schicht zugewiesen
woraus anschliessend eine Zufallsauswahl gezogen wird.
• Eine geschichtete Stichprobe bietet sich insbesondere in den folgenden
beiden Situationen an:
- Wenn sichergestellt werden muss, dass die Häufigkeitsanteile der Subpopulationen ihren Anteilen in der Population exakt entsprechen (proportionale Schichtung).
- Wenn man an spezifischen Subpopulationen interessiert ist, deren Anteil in der Gesamtpopulation aber klein ist. Eine einfache wie auch eine proportional geschichtete Zufallsstichprobe würden wohl eine zu geringe Fallzahl für die interessierende Subpopulation realisieren. Hier bietet sich die disproportional geschichtete Stichprobe an.
Klumpenauswahl ("cluster sample")
• Klumpen sind "natürlich" auftretende
Gruppen wie beispielsweise Schulen.
• Klumpenstichproben sind in der Praxis
ziemlich häufig, weil eine Liste aller
Elemente der GG nur selten, eine
Liste von Klumpen aber oft vorhanden
ist.
• Vorgehen: Aus der Liste der Klumpen
wird eine einfache Zufallsauswahl von
Klumpen gezogen. Danach wird eine
Vollerhebung der Elemente der so
ausgewählten, einzelnen Klumpen
durchgeführt.
Willkürliche Auswahlen
• Einer willkürlichen Stichprobe fehlt
ein eigentlicher Auswahlplan. Die
Befragten werden aufgrund ihrer
einfachen Verfügbarkeit oder einer
anderen nicht-systematischen
Methode ausgewählt. Beispiele:
Strassenbefragungen, welche vom
Fernsehen ab und an durchgeführt
werden, um zu erfahren, was der
Mann auf der Strasse über ein
Problem denkt.
• Aber auch opt-in Onlineumfragen,
bei denen diejenigen, die sich auf
der entsprechenden Internetseite
aufhalten, selbst entscheiden, ob
sie teilnehmen wollen oder nicht.
Bewusste Auswahlen/Quotenauswahlen
• Bei einer Quotenauswahl wird die Population zunächst nach bestimmten
Schichtungsmerkmalen in verschiedene Subpopulationen unterteilt.
Darauf aufbauend erhalten die Interviewer entsprechende "Quoten“, die
erfüllt werden müssen. Diese Quoten können u.U. auch
Merkmalskombinationen sein (z.B. „25% müssen 18-29-jährige Frauen
sein“)
• Im Gegensatz zu geschichteten Zufallsstichprobe wird keine
Zufallsstichprobe innerhalb der jeweiligen Schichten gezogen, sondern
der Interviewer entscheidet selbst, wie er die vorgegebenen Quoten
erfüllt. Aus diesem Grund sind Quotenstichproben keine
zufallsgesteuerten Auswahlen.
Vor und Nachteile der Zufallswahl
• Anwendung inferenzstatistischer Verfahren nur bei Zufallsverfahren
möglich.
• Nachteil: Praktikabilität (in aller Regel fehlt eine Liste der
Grundgesamtheit).
Vor- und Nachteile der Quotenauswahl
• Setzt Vorwissen über die Grundgesamtheit voraus. Quotenmerkmale sind
mit den anderen interessierenden Merkmalen (oftmals) korreliert.
• Quotierung kann (muss aber nicht) zu höherer Strukturgleichheit führen.
• Wird Quotenplan sorgfältig durchgeführt, wird der Schätzfehler geringer
(weil äquivalent zu einer geschichteten Zufallsstichprobe)
• Verletzung von Quotenanweisungen kaum kontrollierbar.
Vor- und Nachteile der geschichteten Zufallsauswahl
• Verringerung des Fehlerintervalls der Schätzung.
• Setzt Vorwissen über die Grundgesamtheit voraus und hohe
Heterogenität eines Merkmals in der Grundgesamtheit.
Vor- und Nachteile der Klumpenauswahl
• Bei fehlender Liste der Grundgesamtheit, aber vollständiger Liste der
„Klumpen“ empfehlenswert.
• Schätzfehler in aller Regel grösser als bei einfachen Zufallsstichproben
(abhängig von Homogenität innerhalb der Klumpen und Heterogenität
zwischen den Klumpen).
Probleme und Herausforderungen von Bevölkerungsumfragen Fehlerquellen
• Zufallsfehler der Stichprobe (sampling error): ist allerdings berechenbar
(siehe nachfolgende Lektion)
• Non sampling errors:
- Systematischer Fehler aufgrund des Auswahlverfahrens (coverage error)
- Non Response: Verweigerung (item und unit nonresponse)
- Messfehler (measurment error)
- Gewichtung und Datenaufbereitung (processing errors)
Probleme und Herausforderungen von Bevölkerungsumfragen
• Problem I: Eine Liste der Grundgesamtheit existiert nicht (Ausnahme: SRPH,
BfS-Registerdaten). Deshalb weichen so gut wie alle Befragungsinstitute auf
Telefonlisten aus. Diese sind nie (selbst unter Beimischung von RDD) eine
vollständige Liste der Grundgesamtheit. Verknüpft man den
Repräsentativitätsbegriff an die Existenz einer vollständigen Liste der
Grundgesamtheit, kann kaum eine Schweizer Befragung als repräsentativ
bezeichnet werden.
• Praxis: Telefonlisten (bilden dann die Auswahlgesamtheit, vgl.
vorangegangene Folie)
– Nur Festanschlüsse.
– „Geburtstagmethode“.
• Undercoverage und overcoverage-Probleme (vgl. Schnell et al. 2005).
• Problem II: Abdeckung des öffentlichen Telefonverzeichnis: rund 80 Prozent,
Tendenz fallend. Aber Handys sind immer weiter verbreitet. Handynummern
sind viel seltener registriert als Festnetzanschlüsse.
Systematische Verteilung der Antwortverweigerer
ProblemIII: Interviewverweigerung. Ist kein Problem der Stichprobenziehung, denn diese Fälle sind als Untersuchungseinheiten ja vorgesehen! Ausschöpfungsquoten betragen mittlerweile 20-15 Prozent. Allerdings zeigen Untersuchungen, dass höhere Ausschöpfungsquoten nicht notwendigerweise genauere Ergebnisse liefern.
Systematische Verteilung von Interviewverweigerern
• Bekennereffekt (Unit-Ebene): Verlierer einer Abstimmung verweigern Interviews
häufiger als Gewinner
• Generell: Teilnehmende sind überrepräsentiert in der Stichprobe (aus
unterschiedlichen Gründen)
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