Block 11

Freiheit: Bürger*innen wollen frei sein, frei von Vorschriften / Verboten der Obrigkeit der Kirche

Verstehen: Bürger*innen sahen ihr sexuelles Verlangen und ihre sexuelle Besonderheit ihrer Persönlichkeit und wollten sie verstehen, psychologisch wie kulturell. 

Leiden lindern: Beratung, Behandlung und Prävention

psychologisieren: mit Wünschen, Sehnsüchten, Leiden, Fantasien ausstatten

biografisieren: einen Platz in der Lebensgeschichte des bürgerlichen Individuums bekommen. Sexualität wurde Teil der Identität. Sexualwissenschaftler:innen schufen Ermutigungen, Muster, Vorlagen, über die eigene Sexualität nachzudenken und lieferten einen theoretischen und kulturellen Rahmen. 

Homo-/Heterosexualität ist Teil der Identität, Charakter, Biologie («3. Geschlecht») 

forderte die Abschaffung antihomosexueller Gesetze

• Eröffnete 1919 ein Institut für Sexualwissenschaften als beratende, behandelnde und aufklärende Einrichtung 

• Theorie vom dritten Geschlecht und Lehre von den Zwischenstufen: Unter sexuellen Zwischenstufen versteht man Männer mit weiblichen und Frauen mit männlichen Einschlägen/ diese sind angeboren und unveränderlich 

• Setzte sich für die Entkriminalisierung der Homosexualität, denn Homosexualität ist angeboren und völlig wertfrei 

• Stand in der Kritik wegen Eugenik: er warb für sexuelle Selektion, um die geistige Tüchtigkeit der Nachkommenschaft zu verbessern

• Prostitution als sittenwidrig erklärt (Deutschland)

• Sigmund Freud: drei Abhandlungen zur Sexualtheorie («infantile Sexualität in der Kindheit») 

• Helene Stöcker: Gründung Bund für Mutterschutz und Sexualreform 

   

• Reformation und Transformation (erste sexuelle Revolution des 20. Jhd.) 

• Gründung Ärztliche Gesellschaft der Sexualwissenschaften (erste Fachgesellschaft, wissenschaftliche Basis für Sexualreformbewegung) 

• Magnus Hirschfeld: Gründung Institut für Sexualwissenschaften in Berlin (Forschung, Beratung, Aufklärung, Zufluchtsstätte) 

• Sexualreformbewegung: gegen die bürgerliche Doppelmoral, gegen fehlende Verhütungsmittel und Schutz 

1920 (goldene 20er Jahre)

• Rassenhygiene (keine Rassendurchmischung Fortpflanzung)
• Sexualität dient der Fortpflanzung
• Wiedereinführung der Strafe bei Schwangerschaftsabbruch
• Institut für Sexualwissenschaften wurde zerstört
• Eheverbot zw. Christen / Juden
• strafrechtliche Verfolgung v. Homosexualität

--> Zuchthausstrafe

--> Todesstrafe bei gewerblicher Abtreibung

• grosse Kluft wurde deutlich zwischen tatsächlichem Verhalten und normativen Vorgaben von Kirche/Staat.
• Masturbation, vorehelicher, ausserehelicher, gleichgeschlechtlicher oder oraler Sex waren sehr viel üblicher als angenommen.

• Gründung pro Familia (Familienplanung, Sexualpädagogik, Sexualberatung)
• neues Gesetz: kein Verkauf von Pornos / Heftlis an <18y
• Verbot für Jugendliche, sich an sittenwidrigen Orten aufzuhalten (Tanzveranstaltungen)
• FKK in der DDR
• Verkauf und Werbung von Kondomen wird verboten

• vom negativen zum positiven Verständnis (Lust, Glück, Gesundheit)
• Einführung Pille
• Trennung von Lust- und Fortpflanzungsfunktion
• sexuelle Selbstbestimmung
• weibl. Emanzipation
• Entpathologisierung (dass man etwas nicht mehr als krankhaft sieht) von vorehelichem Sex, Masturbation, Homosexualität
• Eröffnung Beate Uhse (Sexshop)

• Abtreibung wieder strafffrei
• freie Abgabe der Pille (DDR)
• Schutzaltersgrenze bei homosexuellen Handlungen bei 18 Jahren
• Lesbenkultur, Literatur / Forschung
• Gesetz: sexueller Missbrauch von Kindern und Vergewaltigungen wird bestraft
• feministische Bewegungen

In den reichen Gesellschaften des Westens wird die gesellschaftliche Sexualform seit zwei Jahrzehnten so einschneidend transformiert, daß Sigusch von einer »neosexuellen Revolution« spricht. Deren Auswirkungen sind möglicherweise gravierender als die der »sexuellen Revolution« der sechziger und siebziger Jahre. Die neosexuelle Revolution zerlegt die alte Einheit Sexualität und setzt sie neu zusammen. Dadurch treten Dimensionen, Intimbeziehungen und Sexualfragmente hervor, die bisher verschüttet waren oder gar nicht existierten. Insgesamt verlor die Sexualform an symbolischer Bedeutung. Heute ist Sexualität nicht mehr die große Metapher der Lust und des Glücks. Während die alte Sexualität positiv mystifiziert wurde als Medium der Befreiung, als Rausch und Ekstase, wird die neue negativ mystifiziert als Ungleichheit der Geschlechter, als Mißbrauch, Gewalt und tödliche Infektion. Während für die »Paläosexualität« Trieb, Orgasmus und die Liebe des heterosexuellen Paares kennzeichnend waren, bestehen die »Neosexualitäten« vor allem aus Geschlechterdifferenz, Selbstliebe, Thrills und Prothetisierungen. 

• die Dissoziation der sexuellen Sphäre
• die Dispersion der sexuellen Fragmente
• Diversifikation der Beziehungsformen

• Trennung von Sexualität und Geschlecht 

• Trennung von sexuellem Erleben und körperlicher Reaktion (z.B. Viagra) 

• Trennung von Libido und Destrudo (Überblendung durch Diskurs um sexuelle Gewalt/Missbrauch) 

• Trennung von Beziehungs- und Lustfunktion 

• Entpathologisierung der Perversionen 

• Aus GV werden sexuelle Praktiken 

• Aus einer Sexualkultur werden viele Subkulturen 

• Flexibilisierung 

• Sexuelle Identitäten (Homo/Hetero/Bi/Queer/Neo/Trans/Zis/Metro…) 

• AIDS wird entdeckt, es wird geforscht, Prävention

• Homosexualität wird vermehrt thematisiert und enttabuisiert

• Staatlich finanzierte Sexualpädagogische Projekte

• Besitz von Kinderpornografie wird unter Strafe gestellt, sowie sexueller Missbrauch von Kindern

• Erfassung von Straftaten innerhalb der Familie (Vergewaltigung in Ehe wird strafbar) 

• Weltfrauenkonferenz 

• Eingetragene Partnerschaft für jegliche Konstellationen (zu zweit)

• Bundesrecht zur Gleichstellung von Mann und Frau, Gleichstellung von Mädchen und Jungen gefördert

• Prostitution nicht mehr sittenwidrig

• Verschärfung des Sexualstrafrechts 

• Online Pornos kommen auf

• Zunahme der Informations- und Beratungsportale im Internet

Zunahme an Erfahrungen mit sexuellen Praktiken, aber ohne Gewohnheitsbildung 

Gegenläufige Entwicklungen aufgrund Polarisierungen 

• Mehr Selbstbestimmtheit vs. Traditionalisierungen 

• Mehr Sensibilität für Grenzen vs. mehr Übergriffe 

• Entpathologisierung (Perversion wird zu BDSM, Lustlosigkeit zu Asexualität) vs. Neopathologisierung (Pornosucht) 

• Entdramatisierung der Sexualität 

• repressiv
• negativ
• christlich
• konservativ
• normativ

• mit Enthaltsamkeitsprogrammen
• Jugendliche werden zur Beherrschung erzogen
• Kinder von sex. Infos fernhalten
• Verurteilung Selbstbefriedigung / Homosexualität

• vermittelnd-liberal

• Umfassende Sexualaufklärung (Sex, Enthaltsamkeit, Verhütung, geschützter GV) 

• Sexuelle Beziehungen unter Jugendlichen werden anerkannt 

• Verbalisierungsfähigkeit, Körperkenntnis als Erziehungsziel 

• Tolerante Haltung gegenüber Homosexualität und Selbstbefriedigung 

• Sexualerziehung ja, Sexualisierung nein 

• Ablenken von genitalen Bereichen 

• Ganzheitliche Sexualaufklärung (primäres Ziel ist Persönlichkeitsentwicklung) 

• Zielt auf ein mündiges, manipulationsresistentes und selbstbestimmtes Individuum ab 

• Ganzheitliche Betrachtung (kognitive und emotionale Aspekte) 

• Fordert Überwindung von Rollenstereotypen und Doppelmoral 

• Ist bedürfnisorientiert und partizipativ 

• Heranwachsende unter Berücksichtigung ihrer Lebensumwelt durch Bildungsinhalte zu selbständigen, informierten Entscheidungen zu befähigen und ihnen so die Kontrolle über ihre eigenen Lebensumstände in den Grenzen des Gegenübers und der Gesellschaft zu ermöglichen. 

• Rechte-basiert, Gender-sensitiv, Sexualitätsbejahend 

• Beispiele sind: Doktorspiele, Masturbation, Geschlechtsrollen, sexuelle Gewalt, Übungen zu Vielfalt/Toleranz, Nähe-Distanz