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METHODEN UND ANWENDUNGSBEREICHE DER DIAGNOSTIK II

VL

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Kartei Details

Karten 72
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 08.02.2022 / 24.02.2022
Lizenzierung Keine Angabe
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Definiere "Verfälschbarkeit" nach Bortz & Döring (2006).

„[…] wenn getestete Personen sich darum bemühen, ihre Testergebnisse in einer für sie möglichst günstigen Weise zu ‚korrigieren’. Negativ bewertete Aspekte ihrer Persönlichkeit werden verborgen und positiv angesehene überbetont oder erfunden (soziale Erwünschtheit), indem gezielt versucht wird, hohe Testwerte (Simula&on) oder niedrige Punktzahlen (Dissimulation) zu erreichen.“ (Bortz & Döring, 2006)

Wie sieht es aus mit Verfälschbarkeit? Ist das ein Problem oder nicht.

Mehrere Antwortmöglichkeiten, meine:

  • Kommt auf Kontext an. In Berufen, wo eine solche Fähigkeit wichtig ist, kein Problem. 
  • In anderen Bereichen (z.B. Evaluation des Jugendstrafvollzugs - reales Abbild nötig) ist es ein Problem.

Außerdem:

  • Bilanz bisheriger Bemühungen zur Bekämpfung sozialer Erwünschtheit eher dürftig
  • moralisch begründete Benachteiligung besonders sozial erwünscht antwortender Personen in Auswahlsituationen
    fragwürdig (Werturteil als Basis für Bewerber-Beurteilung?)
  • Begriffe wie „Lügen“, „absichtliche Verfälschung“, „Betrug“ genau genommen nicht angemessen
  • Konzept generell zu wenig untersucht und verstanden
  • beste Möglichkeit = sich an Umstände anzupassen
  • zentrale Anforderung in Bewerbungssituation ist letztlich auch positive Selbstdarstellung – Verhalten von Kandidaten also legitim
  • in Berufen, in denen Selbstdarstellungskompetenz wichtige Determinante beruflicher Leistung ist, sollte sie explizit und verhaltensbezogen gemessen werden!

Welche Formen von Verfäschbarkeit kann man grundsätzlich unterscheiden?

  • Korrektur“ von Testergebnissen in möglichst günstige Richtung, insbesondere wenn bedeutsame Konsequenzen für Getestete
  • gezielter Versuch, hohe bzw. niedrige Punktzahl zu erreichen (Simulation bzw. Dissimulaton)
  • Verbergen negativer bzw. Überbetonung/Erfinden positiver Persönlichkeitsaspekte bzw. absichtlich abweichende, negative Selbstdarstellung
    • Erfinden ist weitaus seltener als das Beschönigen.
    • Bsp. absichtliche Negativdarstellung: z.B. wenn man in die Frührente gehen möchte oder man versucht eine Pflegestufe zu bekommen.
  • Paulhus (1984): zwei Komponenten von sozial erwünschtem Antworten
    • vor anderen einen guten Eindruck machen (impression management)
    • vor sich selbst gut dastehen wollen (self-deception) = Gutes Bild, was ich glaube was mich ausmacht bringe ich in meine Antworten ein, um keinen Bruch in meinem Selbstbild zu erhalten. Das kann bewusst, aber auch unbewusst passieren.

Welche Formen von Verfäschbarkeit kann man in Abhängigkeit der Verfahren unterscheiden?

Verfahren soll messen/prognostizieren - erfasst auch

  1. Persönlichkeitstest - substantiellePersönlichkeitsmerkmale (z.B.-Gewissenhaftigkeit) - Impression-Management, Self-Deception
  2. Intelligenztest - Kognitive-Fähigkeiten - Testangst, -motivation
  3. Interview - frühere-Leistung, späteres Verhalten, Qualifikation - Impression-Management, Interviewer-Bias (confirmation bias, Verzerrungen durch Eindrucksbildung)
  4. Assessment-Center - Fertigkeiten,Persönlichkeit - Impression-Management, Beobachter Bias
  5. Arbeitsprobe - Typische-Leistung - Maximale Leistung

Beschreibe eine bezeichnende Studie über Simulation und Dissimulation in Konzentrationstests (Leistungstest).

  • Inwiefern man Simulation und Dissimulation man in Konzentrationstests/d2 erkennen kann haben sich Schmidt-Atzert et al (2004) in ihrer Studie genauer angeschaut.
  • Auszug aus dem Abstract:
    • „[...] Dazu bearbeiteten 94 Studierende den Test d2 unter drei Versuchsbedingungen. Sie sollten entweder durch Täuschen ein gutes oder ein schlechtes Ergebnis oder allein durch Anstrengung ohne Täuschen ein gutes Ergebnis erzielen. Nach einer kurzen Pause, in der sich die Probanden erneut eine effektive Strategie überlegen konnten, bearbeiteten sie den Test ein zweites Mal.“
      • Sollten nach oben oder unten täuschen, das aber möglichst geschickt
    • „[...] Die Testergebnisse in der faking good Bedingung unterschieden sich selbst bei der zweiten Testdurchführung nicht signifikant von denen in der Kontrollbedingung. In der faking bad Bedingung lagen die Leistungen etwa 20 Standardwerte unter denen der Kontrollgruppe.
      • Verfälschung nach unten ist keinesfalls trivial. Es ist nicht so leicht systematisch nach unten zu verfälschen, wie man sich das vorstellt
      • Denn generell machen Personen bei diesem Testitems sehr wenige Fehler.
    • Von den analysierten Fehlertypen erwies sich der „Buchstabenfehler“ (ein p staQ ein d markiert) als der beste Indikator für SimulaTon. Damit konnten 63 (mindestens zwei Fehler, aber 8% fälschliche Einordnung als Simulant) bzw. 47 Prozent (mindestens 10 Fehler) der Simulanten erkannt werden – letzteres ohne eine einzige Fehldiagnose bei den Nichtsimulanten. [...]“

Wie kann man in Persönlichkeitsverfahren verfälschen?

... durch Antwortstile

  • unsystematische Beantwortung von Fragen (z.B. weil Proband durch wahlloses Ankreuzen verhindern will, etwas über sich selbst preiszugeben oder weil durch
  • Raten „richtige“ Antwort gefunden werden soll
  • Ja-Sage-Tendenzen (Akquieszenz)
  • zentrale Antworttendenzen (nur vorsichtige, gemäßigte Antworten, keine eindeutige Festlegung > Ankreuzen mittlerer Antwortkategorien)
  • Bevorzugung extremer Antwortkategorien
  • besonders nuanciertes Antworten (weder extrem noch mittlere Kategorien)

.. durch Soziale Erwünschtheit

  • meisten Items von Persönlichkeitsfragebögen sind durchschaubar, da durchschnittlich intelligenter Mensch erkennen kann, ob zusrimmende oder ablehnende Antwort für ihn vorteilhaft ist
  • dadurch Gefahr, dass Person absichtlich versucht, einen schlechten oder einen guten Eindruck zu erwecken
  • bei einigen Merkmalen eindeutiger erkennbar, in welche Richtung man verfälschen "sollte" als bei anderen.
    • Zum Beispiel bei Gewissenhaftigkeit und Stabilität/ Neurotizismus. Weniger eindeutig ist es bei Extraversion, Verträglichkeit oder Offenheit. In letzteren Fällen könnten sich Verfälschungen nach oben oder unten auch ausmitteln.

Auf welche 7 Arten kann man Verfälschbarkeit/soziale Erwünschtheit kontrollieren?

  1. Spezielle Instruktionen
  2. Spezielle Informationen
  3. Spezielle Skalen
  4. Overclaiming
  5. weitere Möglichkeiten
    • bei Itemkonstruktion auf Zusammenhänge mit sozialer Erwünschtheit prüfen – bei hohen Korrelationen
      ausschließen (z.B. LMI)
      • Hier muss man der Skala aber gut vertrauen können, also Inventar gut genug anschauen!
    • Normen in realem Auswahlkontext erheben
      • z.B. BIP-6-F: Verfahren für ganz verschiedene Postionen. Abgleich von Antworten und Verhalten in entsprechender Situation. Vergleich mit anderen Personen in der Situation/ Realauswahl-Norm. Auch Nachteil für die, die nicht verfälschen - aber nicht so große Gefahr wie Faking-Good-Norm.
    • Faking-good-Norm in Manual aufnehmen (z.B. Start-P)
      • Hier geht es nicht darum, Fälscher zu identifizieren, sondern Vergleich der Antworten mit Faking-Good-Norm. - Problem: Man unterstellt den Menschen schon, dass sie verfälschen.

Beschreibe die Kontrolle durch spezielle Instruktionen und spezielle Informationen näher.

1. Spezielle Instruktionen

  1. Aufforderung zur Eile/Begrenzung der Antwortzeit
    • unerwünschter Nebeneffekt: z.T. erhebliche Verringerung der Skalen-Validität
    • Annahme, Verfälschung erfordere längeres Nachdenken als ehrliches Antworten, problematisch (widersprüchliche Befunde zu Antwortzeiten auf Items: z.T. kürzere, z.T. längere Zeiten)
  2. Zusicherung von Anonymität/Vertraulichkeit
    • kein Grund zur Verfälschung der Ergebnisse
    • Verfälschung ist zwar geringer, aber das klappt eher nicht in Situationen, wo sehr viel auf dem Spiel steht
  3. Appell an Ehrlichkeit/an korrektes Antwortverhalten
    • keine richtigen und falschen Antworten, „offen und ehrlich“ antworten
    • Kann es aber auch nicht wirklich richtig kontrollieren.
  4. Kontrollfragen
    • Minimalprüfung – Information über offensichtliche Probleme

2. Spezielle Informationen

  1. Täuschung der Probanden, Falschantworten seien identifizierbar
    • fördert verbreitetes Misstrauen gegenüber Psychologen
    • im Vergleich zu Anonymitätsbedingung keine signifikanten Unterschiede in Ergebnissen 
    • 2. erwartete Wahrheitsprüfung
      • experimentell oder im Feld
      • In der Praxis jedoch sehr aufwendig und schwer umsetzbar. Statisisch z.B. durch randomized Response-Verfahren. Im Feld: indem man z.B. instruiert, dass man das angegebene dann eventuell in der Praxis zeigen muss.