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Set of flashcards Details
Flashcards | 72 |
---|---|
Language | Deutsch |
Category | Psychology |
Level | University |
Created / Updated | 08.02.2022 / 24.02.2022 |
Weblink |
https://card2brain.ch/box/20220208_methoden_und_anwendungsbereiche_der_diagnostik_ii
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Nenne 5 Arten klnischer Diagnostik.
- Klassifikatorische Diagnostik
- Zuweisung von Diagnosen zum Symptomkomplex der Person
- Funktionale Diagnostik
- Bedingungsanalyse zur Mikroplanung der Indikation und Therapie
- Prozessdiagnostik
- Verlaufsmessung und Adaptation
- Strukturdiagnostik
- Zuweisung zu Typen von Behandlungskonstrukten
- Diagnostisches Verhalten
- z.B. Gesprächsführung
Nenne 5 Diagnostische Methoden im klinischen Kontext.
- offenes diagnostisches Gespräch (Probatorik)
- strukturierte und standardisierte klinisch-psychologische Interviews
- genutzt wenn man objektiv klassifizierte Diagnostik machen möchte
- Fragebogen- und Testverfahren
- Beobachtungsmethoden
- psychophysiologische und biologische Verfahren
Was zeichnet ein (offenes) diagnostisches Gespräch aus? (Ziele, Definition)
Ziel der Erstgespräche:
- = Grundlage für alles weitere schaffen.
- Erhebung störungsbezogener Information
- Erhebung der Vorgeschichte der Problematik
- Aufbau einer therapeutischen, problemorientierten Arbeitsbeziehung
Definition:
„Das diagnostische Interview dient zur Erhebung problemrelevanter Informationen mit dem Ziel, das Problem genau zu beschreiben, zu verstehen, wie das Problem gegenwärtig aufrechterhalten wird und Hintergründe der Lebens-, Problem- und Behandlungsgeschichte zu erfassen.“
(Schmidt-Atzert & Amelang, 2012, S. 508)
Welche beiden Klassifikationssysteme psychischer Störungen haben sich durchgesetzt?
Was zeichnet sie aus?
ICD
- International Classification of Diseases (Internationale Klassifikation der Krankheiten)
- Herausgeber: Weltgesundheitsorganisation (WHO) aktuell ICD-10
DSM
- Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen)
- Herausgeber: American Psychiatric Association (APA) aktuell DSM-V
- 5 Achsen:
- Klinische Störungen
- Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderungen
- Medizinische Krankheitsfaktoren
- Psychosoziale und Umweltbedingte Probleme
- Globale Beurteilung des Funktionsniveaus
Merkmale der Systeme
- Diagnostisches Referenzsystem: DSM mit den angegebenen ICD-10 Nummern
- alle Diagnosen werden mehr oder weniger eindeu(g beschrieben (explizit und opera(onalisiert),
- mit ihren zwingend erforderlichen
- und optionalen Merkmalen
- nach Ähnlichkeit oder Kernmerkmalen gruppiert
- und ausführlicher kommentiert
Welche 3 Arten von Klinisch- Klassifikatorischen Interviews gibt es?
- Checklisten
- z. B. Münchner Diagnosen Checklisten (MDCL)
- nur für Dokumentationssicherheit durch erfahrene Kliniker geeignet
- Güte ist stark von Interviewer abhängig. deshalb nur Einsatz durch geschulte und erfahrene Personen.
Sonst Gefahr der Bestätigungsdiagnostik = systematische Verzerrung. So können z.B. komorbide Störungen schnell übersehen werden.
- Strukturierte Interviews
- z.B. Strukturiertes Interview für DSM-IV (SCID-5-CV/PD),
- Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen (DIPS Open Access)
- erfordern klinisch erfahrene Diagnostiker!
- Güte ist stark von Interviewer abhängig. deshalb nur Einsatz durch geschulte und erfahrene Personen. Sonst Gefahr der Bestätigungsdiagnostik = systematische Verzerrung. So können z.B. komorbide Störungen schnell übersehen werden.
- In der Praxis ist das öfter nicht der Fall. Spielraum in diesem IV muss ja durch fachliche Kompetenzen gefüllt werden.
- Mehr Handlungsspielraum = einerseits gut, weil individueller = aber größere Gefahr für Verzerrungen.
- Standardisierte Interviews
- z.B. Composite International Diagnostik Interview (CIDI) bzw. DIA-X
- erfordern trainierte Einführung!
- Hier ist echt alles klar vorgegeben. Kann vorgelesen wirken. Nachteil: Kann nur das erfassen, was darin enthalten ist. (Kein Nachfragen etc.). Vorteil: Auch für unerfahrene Personen valide einsetzbar.
Klinisch-Klassifikatorische Interviews: Strukturierte Formen: Beschreibe das SCID-5-CV
- liegt seit 2019 vor, halbstrukturiertes Interview - es werden allgemeine, aber keine spezifischen Fragen vorgegeben
- Einsatz bei Erwachsenen ab 18 Jahren - Diagnostik psychische Störungen nach DSM-5
- international am meisten verwendet
- Durchführung durch Personen mit klinischer Erfahrung und Kenntnis des DSM-5
- umfasst DSM-5-Diagnosen, die am häufigsten im klinischen Bereich auftreten: zehn relativ eigenständige diagnostische Module
- A Affektive Episoden,
- B Psychotische und Assoziierte Symptome,
- C Differenzialdiagnose Psychotischer Störungen,
- D Differenzialdiagnose Affektiver Störungen,
- E Störungen durch Substanzkonsum,
- F Angststörungen,
- G Zwangsstörung und Posttraumatische Belastungsstörung,
- H Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung - Erwachsene,
- I Screening für andere aktuelle Störungen sowie J Anpassungsstörung.
- (Nachfolger von SKID für DSM-IV, Achse I)
- Variante für Persönlichkeitsstörungen = SCID-5-PD
- Angaben zu BeurteilerübereinsImmung und Reliabilität lediglich zu früheren SCID-Versionen: Reliabilitäten schwanken in Abhängigkeit u.a. von Studiendesign, Basisrate der Störungen, Interviewertraining. Kennwerte überwiegend mindestens .70
- höhere Validität in Vergleich zu klinischem Standard-Interview nachgewiesen
- Dauer zwischen 45 und 90 Minuten, bei komplexer psychiatrischer Vorgeschichte bis zu drei Stunden
Klinisch-Klassifikatorische Interviews: Beschreibe das CIDI.
CIDI (Composite International Diagnostic Interview)
- kann auch durch klinisch unerfahrene trainierte Personen reliabel und valide eingesetzt werden
- ist das weltweit am weitesten verbreitete Instrument (v.a. in der Forschung)
- offizielles Instrument der WHO
- voll standardisiert
- Computerisiert: Man erhält als Ergebnis eine Verdachtsdiagnose, die weiter validiert werden muss (durch weitere Sitzungen).
- Achtung: Computerbasierte Verfahren vermitteln oft Scheinsicherheit.
- DSM 5-basierte Version wird aktuell geprüft
Güte:
- in DSM-III Version: Studie an 575 psychiatrischen Patienten, die in 19 über die ganze Welt verteilten Zentren interviewt wurden
- Objek:vität: gute bis sehr gute Kappa-Werte für die Interrater-Übereins:mmung von 0.67 bis 1.00
- Retest: zufrieden stellende bis gute Kappa-Werte (0.59 – 0.84; Ausnahme: Dysthymie: 0.52).
- Güteprüfungen erfolgreich [vgl. Wi]chen, H.-U. (1994). Reliability and validity studies of the WHO-Composite International Diagnos:c Interview (CIDI): A Cri:cal Review. Journal of Psychiatric Research, 28, I, 57-84.]
- Man muss sich mit Störungsbildern auskennen. Sie zeigt Beispielitem, wo es auf Betonung ankommt.. z.B. Angststörung: die Angstattacke trat GANZ PLÖTZLICH auf (wichtiger Aspekt der Diagnose).
Beispiel:
- eigentlich ein Papier-Bleistift Verfahren:
- bestehend aus dem Interview und einem Listenheft
- Training aufwändig (1 Woche): Man muss den Leitfaden gut kennen, da man je nach Antwort auf verschiedene Seiten springen muss. Deshalb ist die Computervariante einfacher.
- Fehleranfällig auf Seiten des Interviewers
- CIDI:
- einfacher zu lernen ist die computer assisted personal Interview Version (CAPI)
- mit Listenheft
- Training 2 Tage
- Fehler technischer Art möglich
- Learning by doing
Fragebogen und Testverfahren: Nenne Beispiele für 5 Störungskategorien.
(Für Prüfung sollten wir eine Idee bekommen, wie standardisierte und strukturierte Verfahren zusammengehen, damit man umfassende Diagnostik erhalten kann.)
- Ängste und Phobien
- AKV: Fragebogen zu körperbezogenen Ängsten, Kognitionen und Vermeidungen
- BAI: Beck-Angst-Inventar
- SPAI: Soziale-Phobie und Angst-Inventar
- Depressivität
- ADS: Allgemeine-Depressions-Skala
- BDI: Beck Depressions Inventar
- Essstörungen
- FEV: Fragebogen zum Essverhalten
- IEG: Inventar zu Essverhalten und Gewichtsproblemen
- Somatoforme Störungen/Schmerz
- SOMS: Screening für somatoforme Störungen
- KSI: Kieler Schmerz Inventar
- Zwangsstörungen
- HZI-K: Hamburger ZWangsinventar, Kurzform
Nenne allgemeine 8 Regeln für die Darstellung von Gesprächsergebnissen.
- Information Schritt für Schritt danach auswerten, ob sie in Beziehung zu Fragestellung steht + zu welcher Untersuchungsfrage sie etwas aussagt (Sind sie relevant?)
- jede Information zutreffend bei jeder Frage darstellen, zu deren Beantwortung sie beiträgt
- bei jeder Information ist deutlich, woher sie stammt + Kontext wird angemessen berücksichtigt
- adverbialen Modus, Verbalstil, ZeiIormen der Vergangenheit verwenden
- nur gebräuchliche Wörter und Aktivform verwenden
- indirekte Rede
- alle möglichen Leser berücksich(gen
- möglichst sachlich (wenig wertend) formulieren: Sympathie-Empfinden des Gutachters darf nicht erkennbar sein. Sachliche, professionelle Ebene.
Wichtig bei der Darstellung von Gesprächsergebnissen ist die Nutzung der indirekten Rede: Wie wird es umgesetzt?
Unterscheidet Aussage von Fakt. Sie sagt, er schlage das Kind. vs. Er schlägt das Kind.
Werden Auffassungen eines anderen wiedergegeben, dann muss Konjunktiv verwendet werden, um deutlich zu machen, dass es sich um Aussagen der Person und nicht um Schlussfolgerungen/Interpretationen des Gutachters/der Gutachterin handelt. Vorgeschrieben ist Konjunktiv I.
wenn Konjunktiv- und Indikativ-Form des Präsens sich nicht unterscheiden, ist der Konjunktiv II zu wählen.
In undeutlichen Fällen, in denen Konjunktiv II-Formen nicht vom Indikativ zu unterscheiden sind, weicht man aus in den Konditional.
- Stehen in der direkten Rede Formen des Konjunktivs II, so bleiben sie erhalten.
Integration von Ergebnissen - Befund: Beschreibe den Inhalt und die Struktur.
INHALT
- geschieht innerhalb eines psychologischen Gutachtens im sog. Befund
Dort:
- Systematische Zuordnung der gewonnenen Informationen zu den einzelnen Anforderungen bzw. Untersuchungsfragen
- Darstellung der relevanten Informationen der unterschiedlichen Informationsquellen für die jeweilige Untersuchungsfrage
- Integration der Informationen, Beantwortung der Hypothesen sowie Bezug zur Gesamtfragestellung
STRUKTUR = zweigeteilt
- Teil 1: Darstellung der wesentlichen Ergebnisse
- Ergebnisse aller Quellen aus Ergebnisteil zur jeweiligen psychologischen Frage sortieren à pro Ergebnis nur eine Zuordnung, Quelle kann jedoch mehreren Fragen zugeordnet werden
- Schlicht: Infos hintereinander packen
- Teil 2: Integration
- (a) Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse, wenn vorhanden - Diskussion möglicher Widersprüche - Gewichten der Ergebnisse und Interpretation/Bewertung
- Zu Aussagen verdichten (über verschiedene Quellen hinweg). Schauen, ob es in eine Richtung geht. Wenn nicht: diskutieren.
- (b) Beantworten der psychologischen Frage - Gesetzmäßigkeit der psychologischen Frage aufgreifen - qualitative oder quantitative Ausprägung des Kriteriums angeben - Kompensierbarkeit beurteilen
- (c) ausgehend von (b) Bezug zur Gesamtfragestellung herstellen - keine Verknüpfung mit anderen psychologischen
- (a) Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse, wenn vorhanden - Diskussion möglicher Widersprüche - Gewichten der Ergebnisse und Interpretation/Bewertung
Integration von Ergebnissen - Befund: Welche 13 Leitfragen müssen beantwortet werden?
- Wird die Fragestellung beantwortet?
- Werden die aus der Fragestellung abgeleiteten Psychologischen Fragen beantwortet?
- Wird nichts ausgesagt, was über Beantwortung der Fragestellung hinausgeht?
- Werden keine unnötig verallgemeinernden Aussagen gemacht?
- Ist der Befundteil des Gutachtens nach den Psychologischen Fragen gegliedert?
- Ist bei jeder Information für jeden Leser klar, woher sie stammt?
- Sind Widersprüche zwischen Informationen geklärt und diskutiert?
- Sind die Informationen nach ihrer Aussagekraft für die Fragestellung gewichtet?
- Ist die Gewichtung so dargestellt, dass sie jeder Leser nachvollziehen kann?
- Ist bei jeder Variablen Stabilität, Änderbarkeit und Kompensierbarkeit berücksichtigt?
- Werden die Aussagen zu den Variablen schrittweise und für jeden Leser des Gutachtens nachvollziehbar zu Beantwortung der Fragestellung kombiniert?
- Werden notwendige Erläuterungen zum Stand der Wissenschaft allgemeinverständlich gegeben?
- Sind Bezüge zur Fachliteratur nachprüfbar dargestellt (Autor, Jahr)?
Integration von Ergebnissen - Befund: Welche 5 Punkte helfen dem Leser?
Es hilft dem Leser, wenn...
- sprachlich gut zu verstehen ist
- in der richtigen Zeitform steht (Ergebnisse auf Testzeitpunkt relativiert)
- in den angemessenen Aussageformen (Modi) ausgedrückt ist
- möglichst wertneutral formuliert ist, was persönliche Urteile angeht
- Formulierungen wie „es scheint“, „es könnte“, „zu vermuten ist“ etc. vermieden werden
- Man sollte sich trauen Aussagen zu treffen (bezogen auf die Daten). Man entscheidet nicht selber, sondern leitet Entscheidungen ein. Sollte also nicht zu vage sein.
Welche 6 Regeln gelten für die Stellungnahme?
Was wird bei Empfehlungen beschrieben?
Wo können die Empfehlungen stehen?
- Urteile aus Befund aufgreifen - nicht an Ergebnissen „vorbei“ diskutieren
- Verdichtung von Informationen – Mehrwert über einzelne Integrationen hinaus!
- keine persönliche Wertung der Ergebnisse einbringen
- an Feedbackregeln halten
- erst Stärken, positive Aspekte darstellen
- danach Schwächen/Potenziale und wie diese ggf. ausgeglichen werden
- im Indikativ formulieren
- Unterschrift des Verfassers unter der Stellungnahme (Damit übernimmt die Verantwortung und steht für Aussagen ein.)
Bei Empfehlungen und Vorschlägen werden beschrieben:
- die sich anbietenden Verhaltensmöglichkeiten
- die Bedingungen für ihre Verwirklichung
- die damit zu erreichenden Ziele
- die möglichen Folgen jeder beschriebenen Verhaltensmöglichkeiten
Empfehlungen und Vorschläge können im Gutachten
- zur Fragestellung gehören
- notwendig sein
- unangemessen sein
- im Befund stehen oder ein eigener Gliederungspunkt sein
Wo würde man Befunderstellung im diagnostischen Prozess einzuordnen?
Gar nicht so eindeutig. Wir sind nicht im Bereich klinischer Datendeutung. Aber klinischer Anteil bleibt, denn klinische Anteile bleiben. Man bewegt sich auf Kontinuum zwischen statistischer und klinischer Datenerhebung (Tendenz statistisch).
Definiere "Verfälschbarkeit" nach Bortz & Döring (2006).
„[…] wenn getestete Personen sich darum bemühen, ihre Testergebnisse in einer für sie möglichst günstigen Weise zu ‚korrigieren’. Negativ bewertete Aspekte ihrer Persönlichkeit werden verborgen und positiv angesehene überbetont oder erfunden (soziale Erwünschtheit), indem gezielt versucht wird, hohe Testwerte (Simula&on) oder niedrige Punktzahlen (Dissimulation) zu erreichen.“ (Bortz & Döring, 2006)
Wie sieht es aus mit Verfälschbarkeit? Ist das ein Problem oder nicht.
Mehrere Antwortmöglichkeiten, meine:
- Kommt auf Kontext an. In Berufen, wo eine solche Fähigkeit wichtig ist, kein Problem.
- In anderen Bereichen (z.B. Evaluation des Jugendstrafvollzugs - reales Abbild nötig) ist es ein Problem.
Außerdem:
- Bilanz bisheriger Bemühungen zur Bekämpfung sozialer Erwünschtheit eher dürftig
- moralisch begründete Benachteiligung besonders sozial erwünscht antwortender Personen in Auswahlsituationen
fragwürdig (Werturteil als Basis für Bewerber-Beurteilung?) - Begriffe wie „Lügen“, „absichtliche Verfälschung“, „Betrug“ genau genommen nicht angemessen
- Konzept generell zu wenig untersucht und verstanden
- beste Möglichkeit = sich an Umstände anzupassen
- zentrale Anforderung in Bewerbungssituation ist letztlich auch positive Selbstdarstellung – Verhalten von Kandidaten also legitim
- in Berufen, in denen Selbstdarstellungskompetenz wichtige Determinante beruflicher Leistung ist, sollte sie explizit und verhaltensbezogen gemessen werden!
Welche Formen von Verfäschbarkeit kann man grundsätzlich unterscheiden?
- „Korrektur“ von Testergebnissen in möglichst günstige Richtung, insbesondere wenn bedeutsame Konsequenzen für Getestete
- gezielter Versuch, hohe bzw. niedrige Punktzahl zu erreichen (Simulation bzw. Dissimulaton)
- Verbergen negativer bzw. Überbetonung/Erfinden positiver Persönlichkeitsaspekte bzw. absichtlich abweichende, negative Selbstdarstellung
- Erfinden ist weitaus seltener als das Beschönigen.
- Bsp. absichtliche Negativdarstellung: z.B. wenn man in die Frührente gehen möchte oder man versucht eine Pflegestufe zu bekommen.
- Paulhus (1984): zwei Komponenten von sozial erwünschtem Antworten
- vor anderen einen guten Eindruck machen (impression management)
- vor sich selbst gut dastehen wollen (self-deception) = Gutes Bild, was ich glaube was mich ausmacht bringe ich in meine Antworten ein, um keinen Bruch in meinem Selbstbild zu erhalten. Das kann bewusst, aber auch unbewusst passieren.
Welche Formen von Verfäschbarkeit kann man in Abhängigkeit der Verfahren unterscheiden?
Verfahren - soll messen/prognostizieren - erfasst auch
- Persönlichkeitstest - substantiellePersönlichkeitsmerkmale (z.B.-Gewissenhaftigkeit) - Impression-Management, Self-Deception
- Intelligenztest - Kognitive-Fähigkeiten - Testangst, -motivation
- Interview - frühere-Leistung, späteres Verhalten, Qualifikation - Impression-Management, Interviewer-Bias (confirmation bias, Verzerrungen durch Eindrucksbildung)
- Assessment-Center - Fertigkeiten,Persönlichkeit - Impression-Management, Beobachter Bias
- Arbeitsprobe - Typische-Leistung - Maximale Leistung
Beschreibe eine bezeichnende Studie über Simulation und Dissimulation in Konzentrationstests (Leistungstest).
- Inwiefern man Simulation und Dissimulation man in Konzentrationstests/d2 erkennen kann haben sich Schmidt-Atzert et al (2004) in ihrer Studie genauer angeschaut.
- Auszug aus dem Abstract:
- „[...] Dazu bearbeiteten 94 Studierende den Test d2 unter drei Versuchsbedingungen. Sie sollten entweder durch Täuschen ein gutes oder ein schlechtes Ergebnis oder allein durch Anstrengung ohne Täuschen ein gutes Ergebnis erzielen. Nach einer kurzen Pause, in der sich die Probanden erneut eine effektive Strategie überlegen konnten, bearbeiteten sie den Test ein zweites Mal.“
- Sollten nach oben oder unten täuschen, das aber möglichst geschickt
- „[...] Die Testergebnisse in der faking good Bedingung unterschieden sich selbst bei der zweiten Testdurchführung nicht signifikant von denen in der Kontrollbedingung. In der faking bad Bedingung lagen die Leistungen etwa 20 Standardwerte unter denen der Kontrollgruppe.
- Verfälschung nach unten ist keinesfalls trivial. Es ist nicht so leicht systematisch nach unten zu verfälschen, wie man sich das vorstellt
- Denn generell machen Personen bei diesem Testitems sehr wenige Fehler.
- Von den analysierten Fehlertypen erwies sich der „Buchstabenfehler“ (ein p staQ ein d markiert) als der beste Indikator für SimulaTon. Damit konnten 63 (mindestens zwei Fehler, aber 8% fälschliche Einordnung als Simulant) bzw. 47 Prozent (mindestens 10 Fehler) der Simulanten erkannt werden – letzteres ohne eine einzige Fehldiagnose bei den Nichtsimulanten. [...]“
- „[...] Dazu bearbeiteten 94 Studierende den Test d2 unter drei Versuchsbedingungen. Sie sollten entweder durch Täuschen ein gutes oder ein schlechtes Ergebnis oder allein durch Anstrengung ohne Täuschen ein gutes Ergebnis erzielen. Nach einer kurzen Pause, in der sich die Probanden erneut eine effektive Strategie überlegen konnten, bearbeiteten sie den Test ein zweites Mal.“
Wie kann man in Persönlichkeitsverfahren verfälschen?
... durch Antwortstile
- unsystematische Beantwortung von Fragen (z.B. weil Proband durch wahlloses Ankreuzen verhindern will, etwas über sich selbst preiszugeben oder weil durch
- Raten „richtige“ Antwort gefunden werden soll
- Ja-Sage-Tendenzen (Akquieszenz)
- zentrale Antworttendenzen (nur vorsichtige, gemäßigte Antworten, keine eindeutige Festlegung > Ankreuzen mittlerer Antwortkategorien)
- Bevorzugung extremer Antwortkategorien
- besonders nuanciertes Antworten (weder extrem noch mittlere Kategorien)
.. durch Soziale Erwünschtheit
- meisten Items von Persönlichkeitsfragebögen sind durchschaubar, da durchschnittlich intelligenter Mensch erkennen kann, ob zusrimmende oder ablehnende Antwort für ihn vorteilhaft ist
- dadurch Gefahr, dass Person absichtlich versucht, einen schlechten oder einen guten Eindruck zu erwecken
- bei einigen Merkmalen eindeutiger erkennbar, in welche Richtung man verfälschen "sollte" als bei anderen.
- Zum Beispiel bei Gewissenhaftigkeit und Stabilität/ Neurotizismus. Weniger eindeutig ist es bei Extraversion, Verträglichkeit oder Offenheit. In letzteren Fällen könnten sich Verfälschungen nach oben oder unten auch ausmitteln.
Auf welche 7 Arten kann man Verfälschbarkeit/soziale Erwünschtheit kontrollieren?
- Spezielle Instruktionen
- Spezielle Informationen
- Spezielle Skalen
- Overclaiming
- weitere Möglichkeiten
- bei Itemkonstruktion auf Zusammenhänge mit sozialer Erwünschtheit prüfen – bei hohen Korrelationen
ausschließen (z.B. LMI)- Hier muss man der Skala aber gut vertrauen können, also Inventar gut genug anschauen!
- Normen in realem Auswahlkontext erheben
- z.B. BIP-6-F: Verfahren für ganz verschiedene Postionen. Abgleich von Antworten und Verhalten in entsprechender Situation. Vergleich mit anderen Personen in der Situation/ Realauswahl-Norm. Auch Nachteil für die, die nicht verfälschen - aber nicht so große Gefahr wie Faking-Good-Norm.
- Faking-good-Norm in Manual aufnehmen (z.B. Start-P)
- Hier geht es nicht darum, Fälscher zu identifizieren, sondern Vergleich der Antworten mit Faking-Good-Norm. - Problem: Man unterstellt den Menschen schon, dass sie verfälschen.
- bei Itemkonstruktion auf Zusammenhänge mit sozialer Erwünschtheit prüfen – bei hohen Korrelationen
Beschreibe die Kontrolle durch spezielle Instruktionen und spezielle Informationen näher.
1. Spezielle Instruktionen
- Aufforderung zur Eile/Begrenzung der Antwortzeit
- unerwünschter Nebeneffekt: z.T. erhebliche Verringerung der Skalen-Validität
- Annahme, Verfälschung erfordere längeres Nachdenken als ehrliches Antworten, problematisch (widersprüchliche Befunde zu Antwortzeiten auf Items: z.T. kürzere, z.T. längere Zeiten)
- Zusicherung von Anonymität/Vertraulichkeit
- kein Grund zur Verfälschung der Ergebnisse
- Verfälschung ist zwar geringer, aber das klappt eher nicht in Situationen, wo sehr viel auf dem Spiel steht
- Appell an Ehrlichkeit/an korrektes Antwortverhalten
- keine richtigen und falschen Antworten, „offen und ehrlich“ antworten
- Kann es aber auch nicht wirklich richtig kontrollieren.
- Kontrollfragen
- Minimalprüfung – Information über offensichtliche Probleme
2. Spezielle Informationen
- Täuschung der Probanden, Falschantworten seien identifizierbar
- fördert verbreitetes Misstrauen gegenüber Psychologen
- im Vergleich zu Anonymitätsbedingung keine signifikanten Unterschiede in Ergebnissen
- 2. erwartete Wahrheitsprüfung
- experimentell oder im Feld
- In der Praxis jedoch sehr aufwendig und schwer umsetzbar. Statisisch z.B. durch randomized Response-Verfahren. Im Feld: indem man z.B. instruiert, dass man das angegebene dann eventuell in der Praxis zeigen muss.
Beschreibe die Kontrolle durch spezielle Skalen näher.
Spezielle Skalen
- diverse Skalen zur Erfassung sozialer Erwünschtheit (z.B. Kontroll-, Lügen-, Validitätsskalen) mit für Selbstdarstellungstendenzen besonders sensiblen Items
- meist Eigenschaften/Verhaltensweisen, die allgemein negativ/positiv beurteilt werden, aber sehr oft bzw. sehr
selten vorkommen- Ablehnung/Zustimmung unglaubwürdig:
- Es ist schwierig. Denn ja, es antwortet vielleicht ein Großteil so, aber es gibt dennoch Menschen, die z.B. niemals Abfall auf die Straße werfen. Man kann also relativ schnell auf 3 bejahte Items kommen. Die Items funktionieren also für viele, aber dennoch bei weitem nicht für alle.
- Auswertung: Oft - wenn man mindestens 3 entgegen der Erwartung beantwortet Hinweis auf erwünschtes Antwortverhalten.
- Ablehnung/Zustimmung unglaubwürdig:
- Beispiele:
- „Manchmal benutze ich Notlügen.“
- „Ich bin immer freundlich und hilfsbereit.“
- „Ich werfe niemals Abfall auf die Straße.“
- PRO:
- Testwerte fallen bei Studien in Faking-good Bedingung deutlich höher aus
- CONTRA:
- auch andere Gründe für hohe Werte möglich Reliabilität und Validität der Skalen meist gering > erhöhte Werte maximal als Warnhinweis, nicht als Beweis zu interpretieren
- Fazit:
- Großer Ansatz, viel Hoffnung, viel beforscht - aber die Experten und Expertinnen in dem Bereich sind mittlerweile auf Grund der Evidenz weg vom Thema Kontrollskalen zur Kontrolle von sozialer Erwünschtheit.
Beschreibe die Kontrolle durch Overclaming näher.
Overclaiming:
- prüfbar über Vertrautheitsrating mit Items, die für Fakingdomäne relevant sind
- Entweder Items, die etwas mit dem Arbeitsbereich zu tun haben, oder Allgemeinwissen-Items
- Verzerrung wird ausgemacht durch angegebene Vertrautheit für fiktive Begriffe. = Vielversprechende Option.
- Sowohl Akkuratheit als auch Vertrautheit sind konstruktvalide Messungen. Kommt in verschiedenen Kontexten zum Einsatz.
- Beispiele:
- Geschichte: Mesopotamien vs. Sozialmendelismus
- Kunst: Bratsche vs. Leonardo da Vinci
Auf welche 2 Arten kann man Verfälschbarkeit/soziale Erwünschtheit verhindern?
Geeignete Itemkonstruktion/-selektion
- objektive Persönlichkeits-Tests
- Vorgabe von Sachverhalten/Leistungsaufgaben staI personenbezogener Inhalte > Aufforderungscharakter zur Verfälschung gering
- Tests dennoch nicht verfälschungsfrei, Überlegenheit bei Prognose beruflich relevanter Kriterien empirisch (bisher) nicht bewiesen
- Verfälschung nach unten ist nach wie vor gegeben. Setzt aber auch Fähigkeit voraus, zu erkennen um welches Merkmal es sich handelt und in welche Richtung eine Verfälschung überhaupt von Vorteil wäre.
- Forced-choice Items
- Antwortalternativen ausbalanciert (gleiche soziale Erwünschtheit) > erfolgreiche Verhinderung von Verfälschung, sind weniger anfällig für Antworten sozialer Erwünschtheit.
- Konstruktion aufwändig
- Balance ist ausschlaggebend und das ist schwierig - genau auf Formulierung achten.
- Nachteil: Personen mögen diese Art von Fragen nicht. Man muss sich ja festlegen auf eine Antwort, auch wenn sie nicht oder nur unzureichend passen.
Ist es sinnvoll Verfälschbarkeit/soziale Erwünschtheit zu ignorieren?
Nenne auch Befunde einer wichtigen Studie zur Thematik.
- Ansatz besagt: Es ist nicht sinnvoll Effekt zu kontrollieren und zu verhindern.
- Denn Studien geben Hinweise, dass das Antwortverhalten gemäß sozialer Erwünschtheit ein Indikator für relevante Merkmale sein kann (= Fähigkeit relevantes zu erkennen und darzustellen).
- Also ist so ein Antwortverhalten nicht zwangsläufig problematisch, sondern enthält teilweise hilfreiche Informationen (auch motivational) - man entfernt bei verhindern oder kontrollieren als wichtige Varianzanteile.
- Studie von Ones et al (1996):
- Korrelation sozialer Erwünschtheit mit emotionaler Stabilität und Gewissenhaftigkeit minderungskorrigiert: .37 bzw. .20
- bei Bekanntenbeurteilung: rkorr = .18 bzw. .13
- soziale Erwünschtheit ebenfalls korreliert mit Ausbildungserfolg (rkorr=.22)
- d.h. je sozial erwünschter sich jemand im Fragebogen darstellt, desto erfolgreicher wird er seine Ausbildung abschließen
- Befunde, dass Skalen zur sozialen Erwünschtheit Aspekte der Persönlichkeit erfassen, die für den beruflichen Erfolg nützlich sind – bei EnZernen von sozialer Erwünschtheit werden gleichzei[g nützliche Varianzanteile entfernt
- mittlerweile allerdings auch gegenläufige Befunde (u.a. Ziegler et al., 2010, auf Facettenebene)
Definiere das Verfahren Interview allgemein und speziell für den Eignungsbereich.
Definition (Westhoff, 2000, S.18)
„Ein psychologisches Interview ist ein Gespräch zwischen einem oder mehreren Interviewern auf der einen und einem oder mehreren Interviewten auf der anderen Seite, das nach impliziten und expliziten Regeln abläuft und dazu dient, Informationen zur Beschreibung, Erklärung oder Vorhersage individuellen Verhaltens oder der Beziehung zwischen Personen zu erheben oder InformaTonen zu den Bedingungen zu gewinnen, die individuelles Verhalten oder die Beziehung zwischen Personen ändern oder aufrechthalten.“
Eignungsbereich:
„... zweiseitiger Austausch arbeitsrelevanter Informationen zwischen Repräsentanten des Unternehmens und Bewerbern mit dem Ziel, hochqualifizierte Arbeitskräfte für das Unternehmen zu interessieren, zu selektieren und einzustellen“
Definiere Assessment-Center.
Definition (nach Höft & Funke, 2006)
… aus testtheoretischer Sicht (vereinfacht)
- Testbatterie, in der mehrere Einzeltests für die Messung von bestimmten Persönlichkeitseigenschaften verknüpft werden.
… unter Beachtung der Besonderheiten des Verfahrens
- systematische, für jeweiligen Einsatz maßgeschneiderte Verfahrenstechnik, in der simultan mehrere Teilnehmer von mehreren Beobachtern in mehreren Verfahren hinsichtlich mehrerer definierter Anforderungen beurteilt werden
- Einsatzbereich mittlerweile auch im Personalentwicklungsbereich, zum Ausmachen von Stärken etc.
Beschreibe die Einsatzhäufigkeit teilstandardisierter Verfahren.
- In Relation bleibt das Verhältnis ähnlich, aber einige Tendenzen erkennbar. Strukturiertes Interview in ein sehr häufiges Verfahren (80%). Assessmentcenter auch häufig, erlebt Aufschwung. Unstrukturiert wird weniger.
- Fazit: An IVs kommt man nicht vorbei. Auch immer: Analyse der Bewerbungsunterlagen. Leistungstests z.B. Intelligenz ist eigentlich aussagekräftig, aber vglw. wenig eingesetzt (mglw. auf Grund von Akzeptanz- und Praktikabilitätseinschätzung).
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