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B6 Suizidalität PFH20

Defintion, Ursachen, Risikofaktoren, pflegerische Massnahmen, Merkmale, Phasen, NGASR und Pöldinger Assessment,

Defintion, Ursachen, Risikofaktoren, pflegerische Massnahmen, Merkmale, Phasen, NGASR und Pöldinger Assessment,


Kartei Details

Karten 16
Sprache Deutsch
Kategorie Biologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 10.11.2021 / 31.05.2023
Lizenzierung Keine Angabe
Weblink
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Definitionen: Suizid - erweiterter Suizid - begleiterter Suizid - Suizidalität - Suizidgefahr

Suizid: vollzogene, absichtliche Selbsttötung. Erst ab ca. 10-12 Jahren möglich, da vorher das Konzept Tod gar nicht verstanden wird (> vorher: Unfall).
Synonym: sich das Leben nehmen / Selbstmord -> nicht verwenden, da negativ behaftet!

Erweiterter Suizid: z.B. Mann erschiesst zuerst die Frau, danach sich selbst.

Begleiteter Suizid: Selbsttötung nach reiflicher Überlegung i.d.R. mit Suizidihilfeorganisation (z.B. Exit)

Suizidalität: Zustand, in dem jemand sich mit der Möglichkeit sich das Leben zu nehmen beschäftigt.

Suizidgefahr: Risiko für eine Suizidhandlung (akut oder über einen bestimmten Lebensabschnitt beurteilt > „Basis-Risiko“)

 

Merke: Suizidalität ist keine Diagnose sondern ein Zustand!

Auf welche Suizid-Methoden müssen sie im Spital achten?

  • Strangulation (Duschschlauch, Kabel, Vorhäng, Bettglocke, Gurt, Schuhbändel, Badetücher, Infusionsschläuche, Bettlacken etc.)
  • Vergiftung durch Medikamente (Überwachung Medikamenteneinnahme- und Abgabe, Medikamentenschränke abschliessen, durch selbst mitgebrachte Medikamente - immer Zimmer / Taschen kontrollieren)
  • Sprung aus grosser Höhe (Fenster abschliessen, ggf. Fenstergriff abschrauben, Zimmer nur in Begleitung verlassen)
  • Pulsadern aufschneiden (Spitze Gegenstände entfernen, 1:1 Betreuung)
  • Erstickung (Plastiksäcken entfernen, Kissen entfernen bzw. 1:1 Betreuung)

Nenne Motive für einen Suizid(-Versuch).

  • Appell / Hilferuf
  • Hoffnungslosigkeit (keinen anderen Ausweg mehr sehen)
  • Todeswunsch (z.B. wenn man schon sehr schwer krank ist oder schlechte Prognose hat, Bilanzsuizid)
  • Rache
  • Wahn / Halluzination (Stimmen hören die einem dazu zwingen etc.)
  • Opfer, für etwas sterben wollen (z.B. Attentäter)
  • Werther-Effekt (Roman von Goethe, der Massensuizid ausgelöst hat)
  • Flucht, Pause, Zäsur (z.B. wenn Personen das Karussell im Kopf nicht mehr aushalten und nur noch weg davon wollen)
  • Manipulation (z.B. "ich töte mich, wenn du mich verlässt"

a) Nenne den Zusammenhang zwischen Krise und Suizidalität

b) und die drei Phasen der Suizidalität nach Pöldinger

a) Ein subjektiv nicht lösbares, auswegloses Problem führt zu einer Krise. Weil andere Lösungsstrategien fehlen, drängt sich der Suizid als letzte Rettung auf. Protektive Faktoren wie z.B. Unterstützung durch die Familie fehlen.

Input Frau Dr. Krebs: Suizidale Menschen wollen meist nicht sterben, sondern können so nicht mehr weiter leben.

b) Phasen der Suizidalität:

  1. Erwägung: Erwägung von Suizid und anderen Handlungsalternativen. Gute Distanzierungsfähigkeit. Verdeckte Hinweise.
     
  2. Abwägung: Pro und Contra werden abgewogen. Stadium der Ambivalenz (hin und her gerissen zwischen Leben wollen und Problemen entfliehen). Distanzierungsfähigkeit geht verloren. Massive Appelle, Hilferufe, Ankündigungen, evtl. Erpressungsversuche.
     
  3. Entschluss: Ruhe vor dem Sturm > fälschlicherweise oft als Verbesserung missdeutet, Suizidgedanken beherrrschen das gesamte Denken, Zeit und Durchführung werden geplant und vorbereitet, Kommunikation darüber ist eingestellt worden.

Nenne häufige Risikogruppen.

  • Psychische Erkrankungen (Depressionen, Schizophrenie / Psychosen, Borderline Persönlichkeitsstörung und Angststörung)
  • Suchtmittelmissbrauch (Alkohol, Drogen, Medikamente)
  • Krisengruppe: Mobbing, Ausgrenzung, Leistungsdruck, Schmerzpatienten, Existenzängste, Verluste, zunehmende Hilfsbedürftigkeit etc.
  • Sehr alte Menschen -> Bilanzsuizid
  • Chronisch oder unheilbar Kranke
  • Jugendliche, besonders während der Pubertät und während der Phase der Ablösung von zu Hause
  • Flüchtlinge, rassisch oder religiös / politisch Verfolgte
  • Menschen, die bereits einen Suizidversuch durchgemacht haben -> Muster bereits im Hirn abgespeichert, Hemmschwelle tiefer
  • Familiäre Häufung
  • Menschen ohne enge Beziehungen oder ohne soziales Netz / Einzelgänger
  • Wenn Person bereits in Psychiatrie war und immer wieder hin und her geschoben wird

Nenne akute Risikofaktoren.

  • Konkreter Suizidplan mit Vorbereitungshandlungen
     
  • Ankündigungen
     
  • Frühere Suizidversuche („Suizidprogramm“ im Hirn)
     
  • Suizid im Umfeld (Suizidmodell)
     
  • Aktuelle Intoxikation (Enthemmung, beeinträchtigte Urteilsfähigkeit)
     
  • Mental Pain (unerträgliche psychische Qual)
     
  • Dissoziation (z.B. bei Psychose, Person ist wie auf Autopilot, weiss gar nicht was sie macht, ist sehr impulsiv, und unruhig)
     
  • Impulsivität und Unruhe
     
  • Hoffnungslosigkeit
     
  • Autoaggression/Selbsthass
     
  • Aggressionsstau
     
  • Schlafstörung
     
  • Soziale Isolierung und Rückzug
     
  • Aufgeben von Interessen und bisherigen Aktivitäten
     
  • Selbsttötungs- und Katastrophenfantasien
     
  • Verschenken von persönlichen Gegenständen
     
  • Abschiedsbriefe

 

Assessment-Tools (NGASR, Fragenkatalog Pöldinger, 5-Säulen Petzold)

Tools ersetzen NIE das Gespräch mit dem Patienten!!

Vorteil: einheitliche Entscheidungsgrundlage (auch für Medikation), saubere Doku, vereinfachte interdisziplinäre Zusammarbeit (wenn es alle benutzen), Begründungsgrundlage für Visite, Wichtige Infos gehen nicht verloren, Hilft bei Planung (z.b. ob Sitzwache organisiert werden muss), man kann Verlauf nachvollziehen usw.

NGASR (Nurses Global Assessment of Suicide Risk):

Das NGASR ist ein Assessmentinstrument zur strukturierten Einschätzung eines Suizidrisikos. Macht bei jedem Eintritt in die Psychiatrie zur Einschätzung der Basissuizidalität, i.d.R. während den ersten 3 Tagen. Wird der Patient auffällig oder hat man das Gefühl, dass sich etwas geändert hat, füllt man die Skala nochmals aus.

Zu der objektiven Beurteilung ist auch eine subjektive Bewertung möglich.

Hauptgewichtungsfaktoren sind v.a.:

  • Hoffnungslosigkeit
  • Verlust Interesse und Freude (Hinweis Depression)
  • Plan zur Suizidausführung
  • Verlust nahestehender Person oder Bruch einer Beziehung
  • frühere Suizidversuche

Auswertung der NGASR-Skala:
0-5 Punkte = geringes Risiko
6-8 Punkte = mäßiges Risiko
9-11 Punkte = hohes Risiko
12 und mehr Punkte = sehr hohes Risiko

Pöldinger Fragekatalog
Der Pöldinger Fragekatalog ist ein Tool für ein Fokusassessment um das Suizidrisiko einzuschätzen und ein Gesprächsleitfaden.

5-Säulen der Identität (Petzold)

Wenn eine oder mehrere der Säulen wegbrechen, dann steigt die Gefahr von Überforderung und Stress und eine Krise entsteht. Schlimmstenfalls löst es Suizid aus - je nachdem wie schwer die einzelen Säule vom Betroffenen gewichtet wird.

  1. Leiblichkeit (z.B. Erhalt einer schlimmen Diagnose)
  2. Soziales Beziehungsnetz (z.B. Scheidung von Ehefrau)
  3. Arbeit und Leistung (z.B. Verlust Arbeitsplatz)
  4. Materielle Sicherheit (z.B. starke Verschuldung, durch Verlust Arbeitsplatz kann Miete nicht mehr bezahlt werden etc.)
  5. Sinn und Werte (Was für den Betroffenen Sinn im Leben gibt, ihm wichtig ist -> z.B. Familie und Freunde, oder Arbeit)

 

Umgang mit suizidalen Menschen (pflegerische Massnahmen).

Do:

  • Keine Wertung oder Verurteilung, respektvoller und offener Umgang
  • Engmaschige Betreuung durch definierte Bezugspersonen
  • Patient ernst nehmen und aktiv zuhören
  • Selbstwert der Person stärken (jeden kleinen Fortschritt loben)
  • Sicherheit und Hoffnung geben, für Person da sein und das auch klar kommunizieren, Präsenz zeigen, Verlässlichkeit zeigen!
  • Gespräche führen über aktuelle Situation und Gefühle
  • Zukunftsperspektiven geben, immer in kleinen Schritten und kurzfristig -> weiteres Vorgehen, Abmachungen treffen (du meldest dich sofort, wenn es nicht mehr geht oder du einen Zwang verspürst)
  • Sicherheit gewährleisten:
    • Medikamenteneinnahme überwachen
    • Zugriff auf Medis verhindern
    • Pat. Im Blick behalten
    • Scharfe oder spitze Gegenstände beseitigen
    • Fenster in oberen Etagen schliessen / ggf. Fenstergriff abmontieren
    • Team und Arzt informieren
    • Interdisziplinäre Zusammenarbeit (Psychologe!)
    • Gute und klare Dokumentation
  • Regelmässige Risikoeinschätzung anhand Gespräche und NGASR Skala
  • Sitzwache
  • 1:1 Betreuung
  • Ressourcen vom Patient und Angehörigen miteinbeziehen

Don'ts:

  • Nicht darüber sprechen
  • Suizidäusserungen nicht ernst nehmen
  • Vorschnell Aktivitäten planen - es ist wichtig, dass sich Person damit befassen kann wegen der Verarbeitung
  • Keine Ursachen suchen -> das Fragen nach dem "Warum" löst beim Betroffenen meist eine weiter Krise aus, da zusätzlich zu den bereits vorhandenen Gefühlen noch Gefühle von früheren Erlebnissen hochkommen
  • Keine tröstenden Worte oder Floskeln verwenden
  • Belehren oder Beurteilen ("sie hätten schon viel früher Hife holen sollen!" "ja da haben sie auch wirklich viel falsch gemacht")
  • Ratschläge geben ("suchen sie sich doch einfach einen neuen Arbeitsplatz")
  • Keinen Zwang -> sprechen kann man nur mit jemandem der dazu bereit ist
  • Nicht an Asprachen halten und unzuverlässig sein
  • Vorurteile haben und nicht zuhören
  • Alleine lassen
  • Analysieren, Ursachen suchen