Wissenschaftstheorie
para Ylenia
para Ylenia
Kartei Details
Karten | 25 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Philosophie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 20.11.2020 / 17.06.2021 |
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Unser Gesellschaftsleben, dass auf Wissenschaft und Technik basiert:
- setzt Vertrauen in die Wissenschaft voraus
- bringt Abhängigkeit von der Wissenschaft mit sich
zwei Dimensionen der Wissenschaftstheorie
1. Wissenschaft: Erkenntnisgewinn auf Basis wissenschaftlicher Theorien & Methoden
2. Philosophie: kritische Reflexion der Wissenschaft (untersucht die Eigenschaften von wissenschaftlicher Erkenntnis, wissenschaftliche Methoden, präzisiert dazu Annahmen, formuliert Empfehlungen zur Verbesserung wissenschaftlicher Vorgehensweisen)
Wissenschaftstheorie näher sich diesen Fragen auf zwei Ebenen:
- empirisch
- normativ
Theorie rationalen Entscheidens:
kritiker:
Theorie basiert auf unrealistischen Verhaltensannahmen und kann individuelles Verhalten daher nicht kausal erklären.
Vertreter:
Wir wollen nicht individuelles Verhalten, sondern die sozialen Konsequenzen menschlicher Interaktion kausal erklären. Diese Erklärungen beziehen Einfluss von sozialem Kontext bei der Spezifizierung von individuellen Zielen, Motiven, etc. mit ein.
Was macht die Philosophie der Sozialwissenschaften?
Allgemeines Ziel: kritische Reflexion der Sozialwissenschaften
Genauer: untersucht systematisch die Eigenschaften von wissenschaftlicher Erkenntnis, um zu verstehen wie sich wissenschaftliches Wissen von anderen ‚Wissensformen‘ unterscheidet.
die Methoden der Wissenschaftstheorie?
„Theoriebildung“ à Wissenschaftstheorie
Argumentation (Textanalyse, Überprüfen und Formulierung von Argumenten)
Formale und wissenschaftliche Methoden (z.B. Logik, Simulation, math. Modellierung, Experimente).
Fallstudien
Gesellschaftskritik
Begriffsanalyse bzw. Explikation
Was ist der Untersuchungsgegenstand der Sozialwissenschaften?
Soziale Welt = Phänomene, die aus dem Zusammenhang von mehreren Individuen hervorgehen oder durch die Interaktion von mehreren Individuen entstehen
Wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand = Entstehung und Persistenz solcher Phänomene (allgemeine Deutungs-und Verhaltensmuster).
eine mögliche Herangehensweise = Unterscheidet sich die soziale Welt fundamental von der natürlichen Welt?
4 wissenschaftstheoretische Zugänge zu den Sozialwissenschaften?
Sozialontologie: Woraus besteht die soziale Welt?
Erkenntnistheorie: Was können wir über soziale Tatsachen wissen?
Methodologie: Wie können und sollten wir soziale Tatsachen untersuchen?
Ethik: Nach welchen Prinzipien sollten sich WissenschaftlerInnen verhalten?
4 Ebenen von philosophischen Annahmen
Sozialontologische Annahmen: Annahmen über das Wesen sozialer Tatsachen. Beispiel: Gesellschaft besteht aus handelnden Individuen.
Erkenntnistheoretische Annahmen: Annahmen darüber, was wir über soziale Tatsachen wissen können.
Beispiel: Das beobachtete Subjekt ist objektiv beobachtbar und beständig.
Methodologische Annahmen: Annahmen darüber mit welcher Methode wir soziale Tatsachen untersuchen sollen.
Beispiel: Ind. Handeln kann mit empirischen Methoden kausal erklärt werden (z.B. Experimente).
Annahmen über angemessenes ethisches Handeln: Annahmen über die Akzeptanz von Handlungsprinzipien, die wir für ethisch vertretbar halten.
Naturalismus Argumentation nach den 4 philosophischen Annahmen:
Ontologie: Kausale Ordnung der sozialen Weltàsoziale Gesetzmäßigkeiten
Erkenntnistheorie: Objektivität und direkte Beobachtung möglich (à Empirismus)
Methodologie: Formulierung und Anwendung von empirisch testbaren Theorien und Modellen àwissenschaftliche Methode
Ethik: WissenschaftlerIn hat prima facie keine Verantwortung ggü. der Gesellschaft
Antinaturalismus nach den 4 philosophischen Annahmen:
• Ontologie:
- Ontologisch abhängig von subjektiven Sinnes bzw. Bedeutungszuweisungen durch Subjekte
- Handlungsgründe haben besonderen Status; sind konstitutives Element von Handlungen à sinnbasierte Differenzthese; spricht gegen ausschließlichen Kausalnexus zur Charakterisierung der sozialen Welt.
- Hoher Komplexitätsgrad von sozialen Phänomenen
- Nomologischer Skeptizismus; (griech.: nomos = Gesetz)
• Erkenntnistheorie:
ForscherIn ist Teil des Untersuchungsgegenstandesàverhindert ‚objektiven‘ Standpunkt.
Performativität der sozialen Welt: Konstruktion des Phänomens durch die Wahl und Verwendung sozialwissenschaftlicher Theorien, Modelle und Begriffe (und Nichtverwendung von anderen).
Methodologie: Verstehende bzw. hermeneutische Methode.
Ethik: SozialwissenschaftlerIn hat Verantwortung, die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse zu kritisieren und Veränderungsvorschläge zu formulieren (àbsp. Kritische Theorie der Frankfurter Schule).
Nomologischer Skeptizismus
Bezeichnung verweist auf all diejenigen (antinaturalistischen) Positionen, die die Existenz von sozialen Gesetzmäßigkeiten verneinen bzw. ihrer Existenz skeptisch gegenüber stehen.
Argumente für einen nomologischen Skeptizismus
- Menschliches Handeln und die soziale Welt sind so komplex, dass wir bisher keine sozialen Gesetzmäßigkeiten entdecken konnten.
- Methodologische Restriktionen (z.B. keine Experimente möglich).
- Die Existenz von Gesetzmäßigkeiten ist abhängig von der Klassifikation durch die Sozialwissenschaften
- Keine eindeutige Beschreibung eines gegebenen Untersuchungsgegenstandes möglich, da es keine ‚sozialen Arten‘ (engl. social kinds) gibt.
- Zusätzliches Problem bei Klassifizierung: Interaktionseffekte (engl. looping effects).
Verschiedene Erklärungsarten in den Sozialwissenschaften:
- mechanistische Erklärungen
- funktionalistische Erklärungen
- Handlungserklärungen
- gesetzesbasierte Erklärungen
Deduktiv-nomologische Modell der Erklärung
Es geht um die Logik der Erklärung, d.h. um einen allgemeinen Erklärungsbegriff (à Explikation).
Zentrale Idee: Die Erklärungslogik hat die Form eines Arguments.
Definition: Argument
-->Ein Argument ist eine Menge von Aussagen, wobei die Wahrheit eines Teils dieser Aussagen (der Prämissen) für die Wahrheit einer der Aussagen (der Konklusion) sprechen soll.
Allgemein: Form von Argumenten
• Prämissen (Aussagen) P1, P2, P3 --> Konklusion K (Aussage)
Deduktives Argument nach Hempel
Deduktive Argumente (Beckermann 2014)
Ein Argument heißt genau dann deduktiv gültig, wenn die Wahrheit der Prämissen die Wahrheit der Konklusion
garantiert, d.h. Konklusion muss wahr sein, falls die Prämissen wahr sind (Wahrheitstransfer).
also die Konklusion folgt logisch aus den Prämissen; deduktiv gültig!
Die nicht-logischen Begriffe (z.B. Menschen, sterblich) sind für die Gültigkeit des Schlusses unwesentlich.
Ein Argument ist schlüssig, wenn es gültig ist und seine Prämissen wahr sind.
Gültigkeit und Schlüssigkeit sind Gütekriterien für gute deduktive Argumente.
Ein Argument der von Hempel beschriebenen Art ist eine Erklärung, wenn die folgenden vier Adäquatheitsbedingungen erfüllt sind:
Das Explanandum folgt logisch aus dem Explanans, d.h. eine Erklärung ist ein gültiges Argument. (à garantiert Wahrheitstransfer)
Das Explanans enthält mindestens eine Allaussage, die ein Naturgesetz beschreibt und diese Aussage muss zur Ableitung des Explanandums verwendet werden. (à deduktives Argument)
Das Explanans muss empirischen Gehalt haben, d.h. es muss zumindest im Prinzip testbar sein. (à Argument enthält nur synthetische Aussagen)
Die im Explanans enthaltenen Aussagensätze müssen wahr sein. (à garantiert Schlüssigkeit des Arguments)
Definiton: Gesetzmässigkeit
Eine Aussage, die allgemeine Regelmäßigkeiten beschreibt und sich empirisch bewährt hat.
Formulierung als wenn-dann-Aussagen, d.h. ohne spezifischen raum-zeitlichen Bezug.
Beispiel: Wenn der Preis eines Gutes steigt, dann sinkt die Nachfrage nach dem Gut.
was versteht man unter einem "schwachen" und was unter einem "starken" Begriff bei sozialen Gesetzmässigkeiten?
Starker Begriff (‚Naturgesetze‘): Universell gültige und empirisch notwendige Zusammenhänge.
Schwacher Begriff: Stabile empirische Regularitätenàgelten unter bestimmten Bedingungen (ceteris paribus Gesetze).
Wie können wir das Soziale wissenschaftlich untersuchen?
Theoretische Analyse von Methoden und Forschungsstrategien.
Explikation von Argumentationsprinzipien, die sozialwissenschaftlicher Forschung zugrunde liegen.
Wichtige Unterscheidung
• Methodologie (Metaperspektive der Philosophie) ≠ Methode (Realitätsbeobachtung der Wissenschaft)
Beispiele für methodologische Debatten
Methodologischer Individualismus versus methodologischer Kollektivismus
Empirische (oder erklärende) versus hermeneutische (oder verstehende) Wissenschaft
Drei Argumente für methodologischen Dualismus
Kausale Erklärungen und Gesetzmäßigkeiten spielen in den Sozialwissenschaften eine geringe oder gar keine Rolle.
Im Gegensatz zu natürlichen Phänomenen sind soziale Phänomene – d.h., soziale Praktiken, Institutionen, soziales Handeln – inhärent sinnhaft. Dieser Sinn ist subjektiv insofern als dass Akteure auf der Basis von akzeptierten Regeln, Normen und Werten ihren Handlungen Sinn zuschreiben. Dieser Sinn ist konstitutiv für soziale Phänomene.
Soziale Phänomene können nur aus der subjektiven Akteursperspektive verstanden werden. Verstehen tut man, indem man den subjektiven Sinn von Handlungen in ihrem Sinnzusammenhang herausarbeitet. Dies erfordert eine andere Methode, nämlich die interpretative Methode.
Interpretative Methode:
Methodenorientierung an Geisteswissenschaften
Auch genannt: Verstehende Methode, hermeneutische Methode
Ziel: Verstehen von sozialem Handeln durch die Rekonstruktion des kontext- bzw. kulturspezifischen subjektiven Sinnzusammenhanges dieses Handelns
Zentrale Merkmale:
Keine harten Tatsachen in den Sozialwissenschaften: Handlungen haben einen Sinn.
Verstehen der spezifischen Bedeutung von Handlungen ist immer eine Interpretation.
Interpretation findet auf zwei Ebenen statt: Interpretation 1. und Interpretation 2. Ordnung
Interpretation 1. Ordnung: Akteure interpretieren soziale Phänomene und Handlungen anderer und orientieren ihre Handlungen daranàdirekter Zugang ist schwer.
Interpretation 2. Ordnung: Interpretation der Handlung durch die Wissenschaften.
Beide Interpretationen können im Widerspruch stehen (Bsp. historisch: Homosexualität)
Antinaturalismus: Sinnhaftigkeit der sozialen Welt (Interpretation 1. Ordnung)
Eine Besonderheit der sozialen Welt besteht in Möglichkeit zur Selbstbeschreibung der
Untersuchungsobjekte.
Menschen sind in der Lage, andere Personen und sich selbst, ihre Fähigkeiten, ihre Handlungen, ihre
sozialen Kontexte und ihre Identitäten mittels Begriffen zu beschreiben (engl. self-representation).
Für diese Identitäts- bzw. Selbstbeschreibungen verwenden sie Begriffe.
Die Begriffe in diesen Alltagsbeschreibungen spielen eine zentrale Rolle bei der Herausbildung und Reproduktion von sozialen Phänomenen und ihren konkreten Ausprägungen.
Die Eigenschaften sozialer Phänomene und Handlungen sind auch abhängig von wissenschaftlichen Begriffen.
Die Eigenschaften sozialer Phänomene und Handlungen sind auch abhängig von wissenschaftlichen Begriffen.
Der Bedeutungsinhalt von Alltagsbegriffen und ihrer Nutzung werden durch die Interpretation und
Verwendung der Begriffe in der Wissenschaft beeinflusst.
• Beispiele
Die Theorie rationalen Handelns führt zu rationalem Verhalten von WirtschaftswissenschaftlerInnen.
Definition von Homosexualität als psychische Krankheit vs. Homosexualität als sexuelle Orientierungsform.
Anwendung des anthropologischen Kulturbegriffs auf indigene Völker.
Anwendung des Begriff des Islamischen Terrorismus auf die Gemeinschaft der Muslime.
Konsequenzen für die sozialwissenschaften durch Antinaturalismus
Der Einfluss der Begriffsanwendung auf das Untersuchungsobjekt geht in den Sozialwissenschaften über den ‚puren‘ Beobachtereffekt hinaus.
Damit kann die Nutzung von sozialwissenschaftlichen Begriffen mit spezifischem Bedeutungsinhalt zur Veränderung oder Verfestigung gegebener gesellschaftlicher Strukturen beitragen.
Damit wird jede/r Sozialwissenschaftler/in (unfreiwillig) Agent/in sozialen Wandels: Jede sozialwissenschaftliche Verallgemeinerungen kann als (politische) Intervention in die Gesellschaft aufgefasst werden (A. Giddens)àStichwort: social engineering
Looping Effekte sind darüber hinaus nicht voraussagbar oder kontrollierbar, was die Zuschreibung von Verantwortung für gesellschaftlichen Wandel erschwert.
Sozialwissenschaftler/innen müssen sich ihres möglichen Einflusses auf die soziale Welt durch die Definition und Anwendung von wissenschaftlichen Begriffen bewusst sein.
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