Europarecht HS 17 VL5
Grundfreiheiten & Grundrechte der Unionsbürger
Grundfreiheiten & Grundrechte der Unionsbürger
Set of flashcards Details
Flashcards | 20 |
---|---|
Language | Deutsch |
Category | Law |
Level | University |
Created / Updated | 09.01.2018 / 13.05.2018 |
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Die Grundfreiheiten der Unionsbürger
Art. 26 Abs. 2 AEUV:
"Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem (1) der freie Verkehr von Waren, (2) Personen, (3) Dienstleistungen und (4) Kapital gemäss den Bestimmungen dieses Vertrags gewährleistet ist."
- Erleichterung der Handelsbeziehungen im Gebiet der Gemeinschaft
- um damit einen grossen gemeinsamen Markt zu schaffen
- alle Beteiligten können dadurch den wirtschafltich grössten Vorteil erlangen
Die "vier Grundfreiheiten (oder Marktfreiheiten"):
- (1) Freiheit des Warenverkehrs
- Art. 28 f., Art. 34 ff. AEUV
- die wichtigsten Freiheiten sind: Freiheit des Warenverkehrs & Freiheit des Personenverkehrs
- Art. 28 f., Art. 34 ff. AEUV
- (2) Freiheit des Personenverkehrs
- Arbeitnehmerfreizügigkeit
- Art. 45 ff. AEUV
- Niederlassungsfreiheit
- Art. 49 ff. AEUV
- bei Berufen wie Ärzte, Architekten, Wirtschaftsprüfer etc.waren die grenzüberschreitenden Aktivitäten lange Zeit sehr begrenzt
- Arbeitnehmerfreizügigkeit
- (3) Dienstleistungsfreiheit
- Art. 56 ff. AEUV
- (4) Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs
- Art. 63 ff. AEUV
Verwirklichung des Binnenmarktes durch Sekundärrecht, insb. Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten
- Soweit Sekundärrecht vorhanden ist, geht dies als Prüfungsmassstab den vertraglichen Grundfreiheiten vor
Die Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote
Die Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote:
- Grundsatz der Inländergleichbehandlung
- keine Ware, DL etc. darf wegen ihrer Herkunft anders behandelt werden als ein inländisches Pendant (= entsprechendes Gegenstück)
- gleichermassen verboten sind:
- offene Diskriminierungen
- d.h. Anknüpfen an Staatsangehörigkeit
- versteckte Diskriminierungen
- z.B: Abstellen auf Wohnsitz oder Sprache
- knüpfen an mit der Staatsangehörigkeit zusammenhängende Tatbestandsmerkmale (wie Herkunftsland od. Wohnort) an
- z.B: Abstellen auf Wohnsitz oder Sprache
- offene Diskriminierungen
- das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) ist unmittelbar anwendbar
- ist gg. den spezielleren Verboten der Grundfreiheiten aber subsidiär
- allg. Diskriminierungsverbot ist gg. den Verboten der einzelnen Grund-freiheiten subsidiär
- ist gg. den spezielleren Verboten der Grundfreiheiten aber subsidiär
(1) Freiheit des Warenverkehrs
wird ermöglicht:
- nach aussen: durch Zollunion (Art. 28 I AEUV) mit gemeinsamem Zolltarif:
- besteht seit 1968 aufgrund von Verordnungen gem. Art. 31 AEUV
- Abgrenzung zur Freihandelszone (z.B. EFTA, NAFTA):
- dort ist Warenverkehr zwischen den Staaten zollfrei
- aber nach aussen setzt jeder Staat die Zölle autonom fest
- notwendige Folge: Gemeinsame Aussenpolitik
- auch wenn die Produktionsbedingungen unterschiedlich sind unterliegt jeder Mitgliedstaat im Aussenhandel denselben Zollbedingungen
- im Inneren der EU: durch
- Verbot von Ein- und Ausfuhrzöllen oder Abgaben gleicher Wirkung (bspw. Verwaltungsgebühren) zw. den Mitgliedstaaten (Art. 30 AEUV)
- Verbot mengenmässiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen oder Massnahmen gleicher Wirkung zw. den Mitgliedstaaten (Art. 34 & 35 AEUV)
(2) Freiheit des Personenverkehrs
- Arbeitnehmerfreizügigkeit (1/2)
Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV)
- Umfang des Rechts (Art. 45 II + III AEUV):
- Aufenthalt (auch zur Suche einer Arbeitsstelle) und
- Inländergleichbehandlung bei Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit
- unmittelbare Anwendbarkeit
- zahlreiche Verordnungen auf Grundlage von Art. 46 + 48 AEUV
- bspw. Verordnung über die Freizügigkeit der AN innerhalb der Union (Freizügigkeitsverordnung)
- Begriff des "Arbeitnehmers":
- Leistungen gegen Entgelt
- ohne Rücksicht auf die Höhe
- über eine gewisse Dauer
- ohne Rücksicht auf den Umfang der Tätigkeit - auch Zeilzeitarbeit
- weisungsgebunden
- Unterschied zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit
- Leistungen gegen Entgelt
(2) Freiheit des Personenverkehrs
- Arbeitnehmerfreizügigkeit (2/2)
Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV) (Fortsetzung):
- Ausnahme: "Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung" (Art. 45 IV AEUV)
- aber: nicht jede Art von "öffentlicher Verwaltung"
- lediglich tatsächliche Ausübung hoheitlicher Befugnisse
- bspw. Polizei; Militär; Richter
- diese Ausnahme soll die in der Staatsangehörigkeit liegende besondere Loyalitätsbeziehung als Voraussetzung für die Wahrnehmung best. staatl. Funktionen sicherstellen
- nicht aber:
- Lehrer; Krankenschwester in staatlichem Krankenhaus
- lediglich tatsächliche Ausübung hoheitlicher Befugnisse
- aber: nicht jede Art von "öffentlicher Verwaltung"
- Eingriff (in die Arbeitnehmerfreizügigkeit):
- staatliche Massnahme (als Eingriff)
- aber auch Regelungen privater Verbände, wenn es um kollektive Regelung von Arbeitsverhältnissen geht
- bspw. UEFA; Kammern; Gewerkschaften
- UEFA: "Bosman-Entscheidung" => Profi-Fussballer können in der EU nach Ende des Vertrags ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln
- bspw. UEFA; Kammern; Gewerkschaften
- Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit
- offen/direkt oder versteckt/indirekt
- Beschränkung oder Behinderung des Zugangs zum Arbeitsmarkt durch andere Massnahmen
- bspw. hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennung von Zeugnissen und Diplomen
- Rechtfertigung von Eingriffen:
- Geschriebene Rechtfertigungsgründe in Art. 45 III AEUV
- aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (kodifizierte Rechtfertigungsgründe)
- "zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses"
- umstritten ist, ob aich diskriminierende Massnahmen aus solchen Gründen gerechtfertigt werden können
- aber: Wahrung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes
- Geschriebene Rechtfertigungsgründe in Art. 45 III AEUV
(2) Freiheit des Personenverkehrs
- Niederlassungsfreiheit
Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV):
- Begriff der Niederlassung:
- auf Dauer, Erwerbserzielungsabsicht, selbstständig
- auch hier umfangreiche sekundärrechtliche Harmonisierung
- Erlass von Vorschriften zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit v.a. in Art. 50 AEUV
- bspw. Anerkennung von Berufsabschlüssen; Gesellschaftsrecht
- Fülle von Massnahmen zur Angleichung der mitgliedstaatl. Rechtsvorschriften
- bspw. Regelung zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts (Art. 50 II lit. g AEUV)
- Fülle von Massnahmen zur Angleichung der mitgliedstaatl. Rechtsvorschriften
- Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit:
- Element der Dauerhaftigkeit!
- Im Einzelfall schwierig, wenn jmd. ständig DL an einem Ort erbringt, ohne sich "niederzulassen" => "verkappte" (verdeckte) Niederlassung
- fällt unter Niederlassungs- und nicht Dienstleistungsfreiheit
- Im Einzelfall schwierig, wenn jmd. ständig DL an einem Ort erbringt, ohne sich "niederzulassen" => "verkappte" (verdeckte) Niederlassung
- Element der Dauerhaftigkeit!
- gilt auch für Gesellschaften (Art. 54 AUEV):
- weiter Begriff der "Gesellschaften"
- 2 Voraussetzungen:
- (1) nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet
- (2) Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung innerhalb der Union
(3) Dienstleistungsfreiheit (1/2)
Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV):
- Begriff der Dienstleistung:
- Art. 57 I AEUV (Definition)
- (1) Erbringung von Leistungen
- Abgrenzung zur Ware - allg. nach dem Schwerpunkt: geht es mehr um den Verkauf einer Ware oder um die DL:
- z.B.: Werbung für Ware => Warenverkehr; Verlegen von Parkett => noch von DL-Freiheit gedeckt, da Verlegen vordergründig ist
- Abgrenzung zur Ware - allg. nach dem Schwerpunkt: geht es mehr um den Verkauf einer Ware oder um die DL:
- (2) gegen Entgelt
- (3) Erwerbserzielungsabsicht
- (4) selbstständige Erbringung
- Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit
- (5) vorübergehend
- Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit (ist im Einzelfall aber schwierig)
- (1) Erbringung von Leistungen
- Art. 57 II AEUV (Beispiele)
- sind aber nicht abschliessend
- Art. 57 I AEUV (Definition)
- Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit (Art. 57 I Halbs. 2 AEUV):
- wenn ein Verhalten zu einer anderen Grundfreiheit zutifft, ist diese vorrangig
- Sonderregelungen für einige Sektoren:
- Art. 58 AEUV:
- Verkehr, Banken und Versicherungen
- Art. 51 i.V.m. Art. 62 AEUV:
- hoheitliche Aufgaben
- Art. 58 AEUV:
(3) Dienstleistungsfreiheit (2/2)
- Arten von Dienstleistungen
Arten von Dienstleistungen
- aktive Dienstleistungsfreiheit:
- der Dienstleistende begibt sich in einen anderen Mitgliedstaat, um dort eine DL zu erbringen
- z.B. Errichtung eines Dachstuhls im Ausland
- der Dienstleistende begibt sich in einen anderen Mitgliedstaat, um dort eine DL zu erbringen
- passive Dienstleistungsfreiheit:
- eine Person begibt sich in einen anderen Mitgliedstaat, um dort eine DL zu erhalten
- z.B. Zahnarztbesuch
- eine Person begibt sich in einen anderen Mitgliedstaat, um dort eine DL zu erhalten
- Korrespondezdienstleistung:
- nur die DL selbst überschreitet die Grenze
- z.B. Fernsehsendungen, Sportwetten
- nur die DL selbst überschreitet die Grenze
- auslandsbedingte Dienstleistung:
- ein DL-Empfänger und -Erbringer begeben sich gemeinsam ins Ausland
- z.B. Reisender und Reiseleiter; Tauchlehrgangsteilnehmer und Tauchlehrer
- ein DL-Empfänger und -Erbringer begeben sich gemeinsam ins Ausland
Unionsbürgerschaft und Freizügigkeit (1/2)
- Unionsbürgerschaft
Unionsbürgerschaftn (Art. 20 AEUV) - eingeführt mit dem Vertrag von Maastricht
- Unionsbürger ist jeder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats
- die Unionsbürgerschaft leitet sich aus der nationalen Staatsangehörigkeit ab und tritt zu dieser hinzu
- Idee: "Vom Europa der Staaten zum Europa der Bürger"
- Art. 20 II AEUV gewährt verschiedene Rechte
- z.B. Wahlrecht zum EP; Kommunalwahlrecht; Petitionsrecht
Unionsbürgerschaft und Freizügigkeit (2/2)
- Freizügigkeit
Freizügigkeit (Art. 21 AEUV):
- Unionsbürgerschaft vermittelt ein allgemeines Freizügigkeitsrecht:
- Art. 21 AEUV
- sowie Art. 45 I GRCh
- Art. 21 AEUV
- dieses tritt zu den von den Grundfreiheiten gewährten Freizügigkeitsrechten (Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit) hinzu
- anders als die Freizügigkeit aufgrund der Grundfreiheiten ist das allgemeine Freizügigkeitsrecht nicht an eine wirtschaftliche Tätigkeit gebunden
- allgemeines Freizügigkeitsrecht:
- Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten
- unmittelbar anwendbar
- ausgestaltet durch Sekundärrecht
- aber:
- Art. 21 AEUV gilt nur "vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen"
- danach kann der Aufenthalt auch sekundärrechtlich an bestimmte Bedingungen geknüpft werden
- bspw. Krankenversicherung
- danach kann der Aufenthalt auch sekundärrechtlich an bestimmte Bedingungen geknüpft werden
- vgl. insb. die AufenthaltsRL 2004/38: (Gesetz 10)
- diese begrenzt Recht auf Aufenthalt ohne Voraussetzungen auf drei Monate
- Art. 21 AEUV gilt nur "vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen"
(4) Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs (Art. 63 ff. AEUV) (1/2)
Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs (Art. 63 ff. AEUV)
- Art. 63 I AEUV:
- Kapitalverkehrsfreiheit
- Art. 63 II AEUV:
- Freiheit des Zahlungsverkehrs
- Begriff des Kapitalverkehrs: insb.
- Direktinvestitionen
- Immobilienerwerb
- Finanzdienstleistungen
- Wertpapierhandel
(4) Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs (Art. 63 ff. AEUV) (2/2)
- Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit:
- bei Erwerb von Gesellschaftsanteilten:
- wenn Einfluss auf die Unternehmenspolitik genommen werden soll (Direktinvestitionen):
- Niederlassungsfreiheit
- wenn nur investiert wird (Portfolioinvestitionen):
- Kapitalverkehrsfreiheit
- wenn Einfluss auf die Unternehmenspolitik genommen werden soll (Direktinvestitionen):
- bei Erwerb von Gesellschaftsanteilten:
- Zahlungsverkehrsfreiheit:
- Zahlungsverkehr ist eine qualifizierte Form des Kapitalverkehrs:
- Zahlungsverkehr dann, wenn das bewegte Kapital Gegenleistung für eine andere Leistung ist
- Zahlungsverkehr ist eine qualifizierte Form des Kapitalverkehrs:
- keine Beschränkung auf Kapitalbewegungen zw. den Mitgliedstaaten
- Art. 63 I AEUV: "sowie zw. den Mitgliedstaaten und dritten Ländern"
- Rechtfertigung von Beschränkungen:
- nach den geschriebenen Gründen der Art. 64 - 66 AEUV sowie ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen
- ungeschriebene Rechtfertigungsgründe:
- z.B. Schutz des Staates in Kriesensituationen - Einfluss auf Energieversorgungsunternehmen
- ungeschriebene Rechtfertigungsgründe:
- nach den geschriebenen Gründen der Art. 64 - 66 AEUV sowie ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen
Der Schutz der Grundrechte in der EU (1/2)
Der Schutz der Grundrechte in der EU:
- Art. 6 Abs. 1 EUV (Lissabon):
- verweist auf die Charta der Grundrechte der EU vom 7.12.2000 in der am 12.12.2007 in Strassburg angepassten Fassung (GRCh)
- Charta ist Teil des Primärrechts:
- "Die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtl. gleichrangig." (Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 letzter Satz)
- Genese (Entstehung):
- Zunehmende "Herrschaft" der EG/EU über den Einzelnen, ohne dass wie im nationalen Recht korrespondierende (übereinstimmende) Grundrechte existieren
- EuGH entwickelte im Laufe der Zeit einen Grundrechte-Standard, den er aus den nationalen Grundrechten der Mitgliedstaaten (als allg. Rechtsgrundsätze) und der EMRK ableitete
- Zunehmende "Herrschaft" der EG/EU über den Einzelnen, ohne dass wie im nationalen Recht korrespondierende (übereinstimmende) Grundrechte existieren
- Entstehung der GRCh:
- Konvent unter Vorsitz des früheren deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog (2000) erarbeitete die Charta
- die Charta wurde dann vom EP und vom Rat der EU gebilligt
- Rechtskraft erlangte die am 7. Dezember 2000 erstmals feierlich proklamierte Charta – nach dem Scheitern des Europäischen Verfassungsvertrages – jedoch erst am 1. Dezember 2009, gemeinsam mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon.
- Konvent unter Vorsitz des früheren deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog (2000) erarbeitete die Charta
Der Schutz der Grundrechte in der EU (2/2)
(Fortsetzung)
(Fortsetzung)
- Die Charta der Grundrechte bindet:
- "die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union" (Art. 51 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GRCh) sowie
- die Mitgliedstaaten "bei der Durchführung des Rechts der Union" (Art. 51 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GRCh)
- Ausnahme:
- Polen & Grossbritannien (Protokoll über die Anwendung der Charta der Grundrechte der EU auf Polen und das Vereinigte Königreich)
- Ausnahme:
- die Charta der Grundrechte regelt die von der EU (bzw. den Mitgliedstaaten bei der Durchführung und Anwendung des EU-Rechts) zu beachtenden Grundrechte nicht abschliessend:
- Art. 6 Abs. 3 EUV:
- "Die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts."
- Art. 6 Abs. 2 S. 1 EUV:
- "Die Union tritt der EMRK bei."
- Art. 52 Abs. 2 GRCh:
- "Die Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, erfolgt im Rahmen der dort festgelegten Bedingungen und Grenzen."
- Art. 6 Abs. 3 EUV:
Übersicht übern den Inhalt der Charta der Grundrechte der EU
Präambel
Titel I: Würde des Menschen
- u.a. Menschenwürde; Recht auf Leben; Unversehrtheit; Folterverbot
Titel II: Freiheiten
- u.a. Recht auf Freiheit & Sicherheit; Achtung des Privat- und Familienlebens; Datenschutz; Religionsfreiheit; Meinungsfreiheit; Versammlungsfreiheit; Berufsfreiheit; Eigentumsrecht; Asylrecht
Titel III: Gleichheit
- u.a. Gleichheit vor dme Gesetz; Nichtdiskrimminierung; Rechte des Kindes; Rechte älterer Menschen
Titel IV: Solidarität
- u.a. Rechte im Arbeitsleben; soziale Sicherheit; Gesundheit; Umweltschutz; Verbraucherschutz
Titel V: Bürgerrechte:
- Rechte der Unionsbürger; u.a. Wahlrecht zum EP; Kommunalwahlrecht; Recht auf eine gute Verwaltung; Freizügigkeit; diplomatischer und konsularischer Schutz
Titel VI: Justizielle Rechte:
- u.a. Recht auf wirksamen Rechtsbehelf; Unschuldsvermutung; ne bis in idem (nicht zweimal gegen dasselbe)
Titel VII: Allgemeine Bestimmungen über Auslegung und Anwendung
- u.a. allgemeine Schrankenregelung (Art. 52 Abs. 1 GRCh)
Der (zunächst gescheiterte) Beitritt der EU zur EMRK (1/3)
Rechtsgrundlagen:
- Art. 6 Abs. 2 EUV (Lissabon)
- Protokoll (Nr. 8) zu Art. 6 II EUV über den Beitritt der Union zur EMRK vom 13. Dezember 2007 (Lissabon)
- Art. 17 des Protokolls Nr. 14 zur EMRK vom 13. Mai 2004
- In Kraft getreten am 1. Juni 2010
- Entwurf eines Abkommens über den Beitritt der EU zur EMRK vom 5. April 2013
- Prüfung durch EuGH im Gutachten-Verfahren auf Antrag der KOM
- Gutachten 2/13 des EuGH vom 18.Dez.2014
- Prüfung durch EuGH im Gutachten-Verfahren auf Antrag der KOM
Was ist die EMRK?
- internationaler Vertrag
- jeder Staat, der Vertrag unterzeichnet, verpflichtet sich, jedem Menschen unter seine Hoheitsgewalt bestimmte Rechte & fundamentale Rechte zuzuweisen
- entstand nach dem 2. Weltkrieg
- da der Schutz von Menschenrechten auf staatl. Niveau nicht immer effektiv war
- daher beschlossen mehrere Staaten, diesen Schutz auf das internationale Niveau zu erheben => internationaler Vertrag zum Schutz d. Menschenrechte wurde geschaffen
- EMRK beinhaltet Katalog grundlegender Rechte & Freiheiten
- bspw. Recht auf Leben; Verbot der Folter; Meinungsfreiheit; Recht auf faires Verfahren etc.
- Rechte der EMRK sind auch in den meisten Verfassungen der europäischen Staaten verankert
- Inernationales Gericht kontrolliert, ob die Staaten ihren Verpflichtungen nachkommen
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
- EGMR wurde 1959 von den Mitgliedstaaten des Europarats errichtet
- Urteil des Gerichtshofs ist für den betroffenen Staat verbindlich
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
- EMRK wurde von 47 Staaten unterzeichnet
- auch CH
- EMRK ist kein Vertrag der EU!!!
Der (zunächst gescheiterte) Beitritt der EU zur EMRK (2/3)
- Der Gerichtshof der EU wird von der Europäischen KOM um ein Gutachten zu folgender Frage ersucht:
- "Ist der Entwurf des Vertrags über den Beitritt der EU zur EMRK mit den Verträgen vereinbar?"
- vgl. Art. 216 Abs. 1 AEUV:
- "Die Union kann mit einem oder mehreren Drittländern oder einer oder mehreren internationalen Organisationen eine Übereinkunft schliessen (...)
- vgl. Art. 218 Abs. 11 AEUV:
- "Ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission können ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit den Verträgen (d.h. EUV & AEUV) einholen. ISt das Gutachten des Gerichtshofs ablehnend, so kann die geplante Übereinkunft nur in Kraft treten, wenn sie oder die Verträge geändert werden."
Der (zunächst gescheiterte) Beitritt der EU zur EMRK (3/3)
Ergebnis des Gutachtens
- die geplante Übereinkunft ist in folgenden Punkten nicht mit Art. 6 Abs. 2 EUV und dem EU-Protokoll Nr. 8 vereinbar:
- sie ist geeignet, die besonderen Merkmale und die Autonomie des Unionsrechts zu beeinträchtigen
- da sie nicht sicherstellt, dass Art. 53 EMRK und Art. 53 GRCh aufeinander abgestimmt werden
- sie ist geeignet, Art. 344 AEUV zu beeinträchtigen
- sie verstösst gegen die besonderen Merkmale des Unionsrechts bzgl. gerichtlicher Kontrolle der Handlungen, Aktionen oder Unterlassungen der Union im Bereich GASP
- da gerichtliche Kontrolle einiger dieser Handlungen ausschliesslich einem unionsexternen Organ anvertraut wird
- sie ist geeignet, die besonderen Merkmale und die Autonomie des Unionsrechts zu beeinträchtigen
Der Schutz der Grundrechte im EU-Mehrebenensystem
- HRC:
- Menschenrechtsrat (HRC) (Human Rights Council)
- zwischenstaatliches Gremium innerhalb der Vereinten Nationen
- besteht aus 47 Staaten
- Der Rat setzt sich dafür ein, dass die Menschenrechte weltweit vermehrt gefördert und geschützt werden.
- Gegründet wurde der HRC am 15. März 2006 von der UN-Generalversammlung mit dem vorrangigen Ziel, in Situationen von Menschenrechtsverletzungen zu reagieren und entsprechende Empfehlungen abzugeben."
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