Europarecht HS 17 VL4
Vorlesung 4
Vorlesung 4
Kartei Details
Karten | 30 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 07.01.2018 / 18.04.2023 |
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Der Gerichtshof der Europäischen Union
Vertragliche Grundlage:
- Art. 19 EUV
- Art. 251-281 AEUV
- Satzung des Gerichtshofs (Protokoll)
Art. 19 Abs. 1 EUV:
- "Der Gerichtshof der Europäischen Union umfasst den Gerichtshof (Europäische Gerichtshof, EuGH), das Gericht (Gericht der Europäischen Union, EuG) und die Fachgerichte. Er sichert die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge."
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union
Gerichtshof (EuGH)
- amtlich nur Gerichtshof genannt
- oberstes rechtsprechendes Organ der EU
- EuGH wurde 1952 gegründet
- 1952: Gerichtshof der EGKS
- EuGH wurde 1952 durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet
(2) Das Gericht (Gericht der Europäischen Union, EuG)
EuG:
- ist ein eigenständiges europäisches Gericht
- ist dem Europäischen Gerichtshof untergeordnet
- das Gericht wurde zur Entlastung des Europäischen Gerichtshofs geschaffen
- wurde 1989 als Gericht erster Instanz eingerichtet
(3) Fachgerichte:
Fachgerichte:
- vor dem Vertrag von Lissabon wurden sie "Gerichtliche Kammern" genannt
- sind Organe der Rechtspflege in der EU
- Rechtspflege in der EU ist grundsätzlich aufgabe des EuGH und des ihm nachgeordneten EuG
- infolge zunehmender Arbeitsbelastung dieser beiden Gerichte wurde 2001 mit dem Vertrag von Nizza die Möglichkeit geschaffen, unterhalb der genannten Gerichte eine zusätzliche Instanz für bestimmte Kategorien von Klagen oder bestimmte Sachgebiete zu schaffen
- Vertrag von Nizza: Art. 225a EG-Vertrag
- diese Bestimmung wurde aber mit dem Vertrag von Lissabon verändert
- nun Art. 257 AEUV
- infolge zunehmender Arbeitsbelastung dieser beiden Gerichte wurde 2001 mit dem Vertrag von Nizza die Möglichkeit geschaffen, unterhalb der genannten Gerichte eine zusätzliche Instanz für bestimmte Kategorien von Klagen oder bestimmte Sachgebiete zu schaffen
- von 2004-2016 war das Gericht für den öfentlichen Dienst der Europäischen Union das einzige Fachgericht
- war eine Art Arbeitsgericht für Bedienstete
- wurde 2016 "beendet"
Sitze des Gerichtshofs
- Villa Vauban in Luxemburg
- Sitz des Gerichtshofs der EGKS von 1952 bis 1959
- Palais des Gerichtshofs auf dem Kirchberg-Plateau in Luxemburg
- 1973-1999
- der Palais wurde 1973 eröffnet
- war damals das einzige Gebäude auf dem Plateua, mittlerweile wurde er durch weitere Gebäude auf dem Plateau ergänzt
- 1973-1999
- Palais mit Annex-Gebäuden (Anhängsel-Gebäuden)
- 1988-1994 errichtet
- L'Anneau (Ringbau um das Palais)
- abgeschlossen 2008
- Türme A und B
- abgeschlossen 2008
- links von den Türmen wurden dann weitere Verwaltungsgebäude errichtet
Aufgaben des Gerichtshofs
(3 Aufgaben)
Gerichtshof als:
- Verfassungsgericht:
- Entscheid von Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten & Union sowie zwischen Organen der EU (z.B. über Kompetenzen)
- Verfassungsgericht deshalb, da EuGH mit Aufgaben betraut wird, die im nationalen Recht als verfassungsmässige Streitigkeiten betrachtet werden
- Entscheid von Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten & Union sowie zwischen Organen der EU (z.B. über Kompetenzen)
- Verwaltungsgericht:
- Entscheid von Streitigkeiten zwischen Unionsorganen & einzelnen Bürgern und juristischen Personen
- Rechtsmittelinstanz des EuG
- EuG als erstinstanzliches Gerich
- in der Mehrzahl der Verfahren ist eine Überprüfung der Entscheide durch den EuGH möglich
- Fälle vor den europäischen Gerichten kennen höchstens 2 Instanzen
- wenn EuGH zuständig ist, entscheidet er in 1. und letzter Instanz
wenn Gericht (EuG) zuständig ist, ist meistens EuGH in 2. Instanz zuständig
- wenn EuGH zuständig ist, entscheidet er in 1. und letzter Instanz
Schlussanträge der Generalanwälte an EuGH
- Stichwort Schlussanträge:
- der Generalanwalt trägt dem Gerichtshof seine Schlussanträge vor
- schlägt dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit seine Entscheidung vor
- Die Entwürfe der Urteile des EuGH werden von den Generalanwälten geschrieben
- dient zur Entlastung der Richter
- hat man aus dem französischen Recht entnommen
- Urteilsentwurf wird vorbereitet und begründet und den Richtern vorgetragen (sog. Schlussanträge der Generalanwälte)
- in 90% der Fällen ist die Sache mit dem Antrag des Generalanwalts entschieden
- EuGH übernimmt nicht alle Begründungen => für bestimmte Entscheidungen des EuGH muss man die Begründungen in den Schlussanträgen der Generalanwälte suchen
- Schlussanträge werden ebenfalls alle veröffentlicht
- EuGH begründet die "Sachen" des Generalanwalts oft nicht erneut, wurde schon ausführlich begründet
- der Generalanwalt trägt dem Gerichtshof seine Schlussanträge vor
Zusammensetzung des Gerichtshofs: des EuG (2/2)
Zusammensetzung des EuG:
- mindestens ein Richter je Mitgliedstaat
- Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2 EUV, Art. 254 Abs. 1 AEUV
- gegenwärtig 47 Richter
- Aufgrund der über den Zeitverlauf stark zunehmenden Zahl an Verfahren wurde die Anzahl der Richter schrittweise erhöht.
- persönliche Voraussetzungen: Art. 254 Abs. 2 AEUV
- Die Richter werden durch einstimmigen Beschluss der Regierungern der Mitgliedstaaten nach Anhöfung des gemäss Art. 255 AEUV gebildeten Expertenausschusses für eine 6-jährige Amtszeit ernannt
- entspricht de facto einem einstimmigen Beschluss des Rates der EU
- dem Gericht sitzt ein Präsident vor, der aus der Mitte der Richter gewählt wird
- Anders als beim EuGH gibt es beim EuG keine ständigen Generalanwälte
- diese Tätigkeit kann jedoch von einem zu diesem Zweck bestimmten Richter ausgeübt werden
- Die Richter werden durch einstimmigen Beschluss der Regierungern der Mitgliedstaaten nach Anhöfung des gemäss Art. 255 AEUV gebildeten Expertenausschusses für eine 6-jährige Amtszeit ernannt
- Kanzler (Art. 254 Abs. 4 AEUV)
- "Das Gericht ernennt seinen Kanzler und bestimmt dessen Stellung."
Zusammensetzungen des Gerichtshofs - des EuGH (1/2)
- 28 Richter
- ein Richter je Mitgliedstaat (Art. 19 Abs. 2 UAbs. 1 EUV)
- Wenn Amtszeit abläuft schlägt Mitgliedstaat neuen Richter vor, dieser Vorschlag wird dann den anderen Mitgliedstaaten mitgeteilt
- persönliche Voraussetzungen: Art. 253 Abs. 1 AEUV
- ein Richter je Mitgliedstaat (Art. 19 Abs. 2 UAbs. 1 EUV)
- 11 Generalanwälte (Art. 252 AEUV)
- gemäss Art. 252 AEUV nur 8 Generalanwälte, aber Rat hat von seiner Befugnis Gebrauch gemacht und dem Gerichtshof 3 weitere Generalanwälte zugewiesen
- Die Generalanwälte unterstützen den Gerichtshof und legen Rechtsgutachten vor. (Schlussanträge)
- persönliche Voraussetzungen der Richter & Generalanwälte:
- sie müssen unabhängig sein
- sie müssen die in ihrem Land für eine Tätigkeit am höchsten Gericht erforderliche Qualifikation aufweisen oder von „anerkannt hervorragender Befähigung“ seinhervorragender Befähigung" sein
- sie werden durch einstimmigen Beschluss der Regierungen der Mitgliedstaaten nach Anhörung des gemäss Art. 255 AEUV gebildeten Expertenausschusses für eine 6-jährige Amtszeit gewählt (Art. 19 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 EUV)
- Kanzler (Art. 253 Abs. 5 AEUV)
- Der Gerichtshof ernennt einen Kanzler für die Dauer von sechs Jahren.
- ist mit der Entgegennahme, Übermittlung und Aufbewahrung aller Schriftstücke beauftragt & für das Archiv verantwortlich.
- sorgt für die Veröffentlichungen des Gerichtshofs
- Der Gerichtshof ernennt einen Kanzler für die Dauer von sechs Jahren.
Entwicklung des Personals des Gerichtshofs
1952 - Gerichtshof der EGKS
- 7 Richter, 2 Generalanwälte, 57 Bedienstete
- 6 Richter für jeden Mitgliedstaat => daraus wurden 7, damit eine ungerade Anzahl herrscht
1958 - Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
- 7 Richter, 2 Generalanwälte, 73 Bedienstete
1995 - EuGH
- 15 Richter, 9 Generalanwälte
- Gericht erster Instanz der EGen (seit 1989)
- 15 Richter, 950 Bedienstete
2017
- EuGH:
- 28 Richter, 11 Generalanwälte, 1 Kanzler
- Gericht:
- 47 Richter (ab 2019: 56 Richter), 1 Kanzler
- 2'168 Bedienstete (davon ca. 45% im Sprachendienst)
Wichtigste Verfahren des Gerichtshofs (1/3)
- sind nicht alle Verfahren, lediglich die zentralsten Verfahren vor dem Gerichtshof
- diese Verfahren lassen sich mit den nationalen Verfahren nicht gut vergleichen, da sich diese Verfahren aus den besonderen Umstän den der europäischen Gemeinschaft ergeben haben
Vorfragen:
- Gegen wen wird jeweils geklagt?
- Zweck der jeweiligen Klage?
(1) Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat auf Antrag der KOM (Art. 258 AEUV)
- wenn nach Auffassung der Kommission ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstossen hat
- KOM gibt hierzu eine begründete Stellungnahme ab
- KOM gibt dem Staat zuvor Gelegenheit zur Äusserung
- kommt der Staat dieser Stellungnahme innerhalb der von der KOM gesetzten Frist nicht nach, so kann KOM den Gerichtshof der EU aufrufen
(2) Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat auf Antrag eines anderen Mitgliedstaates (Art. 259 AEUV)
- jeder Mitgliedstaat kann den Gerichtshof der EU aufrufen, wenn er der Meinung ist, dass ein anderer Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstossen hat
- bevor Mitgliedstaat Klage gegen den anderen Mitgliedstaat erhebt, muss er die KOM damit befassen
- KOM erlässt eine begründete Stellungnahme
- sie gibt den Staaten zuvor Gelegenheit, sich schriftlich oder mündlich in einem kontradiktorischen Verfahren zu äussern
- gibt KOM binnen 3 Monaten nach Antragstellung keine Stellungnahme ab, so kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof geklagt werden
- KOM erlässt eine begründete Stellungnahme
Wichtigste Verfahren des Gerichtshofs (2/3)
(3) Nichtigkeitsklage (Art. 263 f. AEUV)
- Überwachung der Rechtsmässigkeit der Gesetzgebungsake sowie der Handlungen der Organe auf Antrag:
- eines Mitgliedstaates
- des EP, des Rates oder der Kommission
- des Rechnungshofes, der EZB oder des Ausschusses der Regionen
- soweit deren Rechte betroffen sind
- jeder natürlichen oder juristischen Person (Individualklage
(4) Untätigkeitsklage gegen ein Organ auf Antrag eines Mitgliedstaates oder eines Organs (Art. 265 AEUV)
- Klage ist nur zulässig, wenn Organ zuvor aufgefordert wurde, tätig zu werden
- hat Organ innerhalb v. 2 Monate nach Aufforderung keine Stellung ge-nommen, so kann Klage innerhalb von weiteren 2 Monaten erhoben werden
Wichtigste Verfahren des Gerichtshofs (3/3)
(5) Vorabentscheidungsverfahren auf Antrag eines Gerichts eines Mitgliedstaates (Art. 267 AEUV)
- ein Fall mit europarechtlichem Inhalt kommt vor ein nationales Gericht => das nationale Gericht unterbricht das Verfahren, wenn es sich nicht sicher ist und fragt den EuGH um Hilfe => EuGH entscheidet dann den Fall
(6) Amtshaftungs- bzw. Schadenersatzklage (Art. 268 i.V.m. Art. 340 AEUV)
- der Gerichtshof der EU ist für den Schadenersatz nach Art. 340 Abs. 2 + 3 zuständig
- Abs. 2:
- im Bereich der ausservertraglichen Haftung ersetzt die Union den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen...
- Abs. 3:
- (abweichend von Abs. 2) ersetzt die Europäische Zentralbank den durch sie oder ihre Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen...
- Abs. 2:
- Schadenersatzklagen sind oft Folgeklagen eines Einzelnen
- bspw. wenn der Einzelne glaubt, dass er in seinen Rechten verletzt wurde und dadurch ein materieller Schaden entstanden ist
- diese Entscheidung kann kein nationales Gericht treffen
- es kann nicht einfach ein deutsches Gericht die europäische Union verklagen, dies ist den Gerichten der EU selbst vorbehalten
(7) Rechtsstreitigkeiten zwischen der Union und ihren Bediensteten (Art. 270 AEUV)
- Gerichtshof der EU ist für alle Streitigkeiten zw. der Union und ihren Bediensteten zuständig
Zuständigkeiten zwischen EuGH und EuG (1/2)
(Zuständigkeiten des EuGH)
Zuständigkeiten des EuGH
- Vorabentscheidungsverfahren
- Vertragsverletzungsverfahren
- Rechtsmittelinstanz für Entscheidungen des EuG
Zuständigkeiten zwischen EuGH und EuG (2/2)
(Zuständigkeiten des EuG)
Zuständigkeiten des EuG (seit 1989): Art. 256 AEUV, insbesondere:
- (1) Nichtigkeitsklagen natürlicher und juristischer Personen bzgl. Handlungen der EU, die an sie gerichtet sind oder sie unmittelbar und individuell betreffen
- Art. 263 AEUV
- (2) Klagen natürlicher oder juristischer Personen auf Feststellung, dass EU-Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen es unterlassen haben, einen Beschluss zu fassen
- Art. 265 AEUV
- (3) Klagen von Mitgliedstaaten gegen die KOM
- Art. 265 AEUV
- (4) Klagen von Mitgliedstaaten gegen den Rat in Bezug auf Massnahmen im Bereich der staatlichen Beihilfen, handelspolitische Schutzmassnahmen sowie Massnahmen, mit denen der Rat Durchführungsbefugnisse wahrnimmt
- (5) Klagen auf Schadenersatz für von der EU oder ihren Bediensteten verursachte Schäden
- Art. 268 i.V.m. Art. 340 Abs. 2 AEUV
- (6) auf Rechtsfragen beschränkte Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Gerichts des öffentlichen Dienstes (Fachgericht)
- Art. 256 AEUV
vgl. auch das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der EU (i.d.F. des Vertrags von Lissabon)
- Gesetz Nr. 28
Das Vertragsverletzungsverfahren
- Bei Verstössen eines Mitgliedstaates gegen Unionsrecht
- Bsp.:
- mangelnde Kooperation mit EU-Organen
- nationale Gesetzgebung im Widerspruch zum EU-Recht
- unrichtige Umsetzung von Richtlinien
- Bsp.:
- Wer kann klagen?
- Kommission (Art. 258 AEUV)
- "Aufsichtsklage"
- Mitgliedstaaten (Art. 259 AEUV)
- in der Praxis sehr selten
- Kommission (Art. 258 AEUV)
- Einzelne können nur KOM zu einer Klage auffordern, diese aber nicht erzwingen
- Einzelne Bürger oder Unternehmen können also nicht direkt Klagen
Klagen der Kommission
Klagen der Kommission:
- Zweck:
- KOM als "Hüterin der Verträge"
- Feststellungsurteil (vgl. Art. 260 Abs. 1 AEUV)
- " Der Mitgliedstaat hat dadurh gegen Europarecht verstossen, dass..."
- Verpflichtung des Mitgliedstaats, "die Massnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil... ergeben."
- Art. 260 Abs. 1 AEUV
- Urteil kann als solches nicht verstreckt werden
- Sanktionen im Falle einer Nichtbefolgung
- Art. 260 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV:
- Verhängung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds durch den Gerichtshof
- auf Initiative der KOM (Art. 260 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV)
- Verhängung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds durch den Gerichtshof
- Zahlt der Staat nicht:
- neues Vertragsverletzungsverfahren wegen ausbleibender Zahlung
- Art. 260 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV:
Vertragsverletzungsverfahren KOM gg. Mitgliedstaat
Zulässigkeitsvoraussetzungen:
- Zuständigkeit:
- immer EuGH (Art. 256 Abs. 1 AEUV e contrario)
- Klagegenstand:
- Vertragsverletzung durch Mitgliedstaat, von der die KOM überzeugt sein muss
- Bsp.:
- nationales Recht verstösst gegen Europarecht
- eine Richtlinie wird nicht umgesetzt
- Bsp.:
- Vertragsverletzung durch Mitgliedstaat, von der die KOM überzeugt sein muss
- Aussergerichtliches Verfahren (Art. 258 Abs. 1 AEUV)
- Erstes Mahnschreiben der KOM
- Äusserung des Mitgliedstaates
- Stellungnahmde der KOM
Begründetheit der Klage:
- richtet sich alleine nach objektivem Verstoss
- "Verschulden" des Mitgliedstaats irrelevant
- auch wenn Mitgliedstaat kein Verschulden trifft
- auch innerstaatliche (bspw. verfassungsrechtliche) Probleme sind unmassgeblich
- Argument der Rechtswidrigkeit eines Unionsrechtsaktes greift nicht
- Mitgliedstaat muss anwenden
- kann ggf. Nichtigkeitsklage erheben
- Mitgliedstaat muss anwenden
- keine Möglichkeit der Berufung auf Verstösse anderer Mitgliedstaaten
Die Nichtigkeitsklage (1/4)
Nichtigkeitsklage
- Zweck:
- Beseitigung rechtswidriger Unionsrechtsakte
- gerügt werden können insb.:
- die Unzuständigkeit eines EU-Organs
- die Verletzung wesentlicher Formvorschriften
- die Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm
- ein Ermessensmissbrauch
- häufigster Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sind Rechtsakte gemäss Art. 288 AEUV
- gerügt werden können insb.:
- Beseitigung rechtswidriger Unionsrechtsakte
- Parallelen zur Anfechtungs- und Normenkontrollklage im (deutschen) Verwaltungsrecht
Die Nichtigkeitsklage (2/4)
Die Nichtigkeitsklage
- Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV)
- Zuständiges Gericht:
- grundsätzlich EuG
- Art. 256 Abs. 1 AEUV
- aber: wenn Mitgliedstaat klagt: EuGH
- Art. 51 Satzung EuGH = Protokoll Nr. 3 Lissabon
- grundsätzlich EuG
- Passive Parteifähigkeit:
- alle in Art. 263 Abs. 1 AEUV genannten Organe
- ferner "Einrichtungen" und "sonstige Stellen" (insb. Agenturen)
- ebenfalls in Art. 263 Abs. 1 AEUV aufgelistet
- ferner "Einrichtungen" und "sonstige Stellen" (insb. Agenturen)
- Klage richtet sich direkt gegen das jeweilige Organ
- alle in Art. 263 Abs. 1 AEUV genannten Organe
- Aktive Parteifähigkeit:
- "privilegierte" Klageberechtigte (Art. 263 II AEUV):
- Mitgliedstaat; EP; Rat; KOM
- "teilprivilegierte" Klageberechtigte (Art. 263 III AEUV):
- Rechnungshof; EZB; Ausschuss der Regionen
- "nichtprivilegierte" Klageberechtigte (Art. 263 IV):
- jede natürliche oder juristische Person
- juristische Person untechnisch zu verstehen => Rechtsfähigkeit genügt
- jede natürliche oder juristische Person
- "privilegierte" Klageberechtigte (Art. 263 II AEUV):
- Zuständiges Gericht:
Die Nichtigkeitsklage (3/4)
(Fortsetzung)
(Fortsetzung) Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV):
4. Klagebefugnis (ausser bei den "privilegierten" Klageberechtigen):
- Teilprivilegierte (Art. 263 III):
- wenn es umd die Wahrung ihrer Rechte geht
- Nichtprivilegierte (Art. 263 IV): wenn sie
- Adressaten einer Handlung sind (an sie gerichtet - idR nur Beschlüsse) oder
- wie ein Adressat von einer Handlung unmittelbar und individuell betroffen sind ("Plaumann-Formel", EuGH 1963) oder
- durch einen "Rechtsakt mit Verordnungscharakter" (Gegenbegriff: Gesetzgebungsakte, Art. 289 Abs. 3 AEUV) unmittelbar und ohne Notwendigkeit weiterer Umsetzungs-massnahmen betroffen sind
5. Klagegenstand (Art. 263 II AEUV): (alle möglichen Rechtsverstösse)
- "Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge"
- Verletzung des Sekundärrechts
- Ermessensmissbrauch
6. Klagefrist (Art. 263 VI):
- 2 Monate
Die Nichtigkeitsklage (4/4)
Begründetheit der Nichtigkeitsklage:
- der EuGH prüft umfänglich, auch über das vom Kläger Vorgebrachte hinaus, die
- formelle und materielle Rechtmässigkeit des Unionsrechtsaktes:
- formelle Rechtmässigkeit:
- Zuständigkeit, Verfahren, Form
- materielle Rechtmässigkeit:
- Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht:
- Primärrecht; allg. Grundsätze des Unionsrechts; völkerrechtliche Abkommen
- Verhältnismässigkeit
- Grundrechte
- Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht:
- formelle Rechtmässigkeit:
Rechtsfolge:
- Nichtigkeit der angefochtenen Handlung ex tunc und erga omnes (Art. 264 I AEUV)
- ex tunc: "von Anfang an"
- erga omnes: "absolute Wirkung", gegenüber allen
- Gerichtshof kann einzelne Wirkungen als fortgeltend bezeichnen
Die Subsidiaritätsklage als Sonderform der Nichtigkeitsklage
- Subsidiaritätsklage ist eine Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV), die die Verletzung des Subsidiaritätsgrundsatzes (Art. 5 Abs. 3 EUV) rügt
- keine eigene Klageart
- Klagebefugnis (Art. 8 Subsidiaritätsprotokoll) => Gesetz 18
- (1) Mitgliedstaat
- (2) Mitgliedstaat "im Namen seines nationalen Parlaments oder einer Kammer dieses Parlaments"
- Ausgestaltung: nationales Verfassungsrecht
- vgl. Art. 23 Abs. 1a S. 1 + 2 Grundgesetz (D): "Der Bundestag und der Bundesrat haben das Recht, wegen Verstosses eines Gesetzgebungsaktes der EU gegen das Subsidiaritätsprinzip vor dem Gerichtshof der EU Klage zu erheben. Der Bundestag ist hierzu auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet."
- Ausgestaltung: nationales Verfassungsrecht
- (3) Ausschuss der Regionen
- für Gesetzgebungsakte, für nderen Erlass die Anhörung des Ausschusses vorgeschrieben ist (Art. 8 II SubsProt)
Die Untätigkeitsklage (1/3)
Die Untätigkeitsklage (Art. 265f. AEUV):
- Zweck:
- Sicherung der vertragsgemässen Tätigkeit (insb. Rechtsetzungstätigkeit) der Organe
- Feststellungsklage:
- (Feststellung neiner Vertragsverletzung)
- aber: Pflicht zur Ergreifung der sich aus dem Urteil ergebenden Massnahmen (Art. 266 AEUV)
- Untätigkeitsklage ist gegenüber der Nichtigkeitsklage subsidiär
- soweit gestellte Anträge zurückgewiesen werden (insb. durch Beschlüsse der KOM) ist die Nichtigkeitsklage die richtige Klageart
- Zulässigkeit (gemäss Art. 265 AEUV):
- Zuständigkeit:
- Art. 265 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 51 EuGH-Satzung (Gesetz 28):
- EuGH oder EuG
- Art. 265 I AEUV: Zuständigkeit EuGH
- Art. 51 EuGH-Satzung: Zuständigkeit EuG
- EuGH oder EuG
- Art. 265 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 51 EuGH-Satzung (Gesetz 28):
- Passive Parteifähigkeit:
- Alle in Art. 265 I AEUV genannten Organe
- EP; Europäischer Rat; Rat; KOM; EZB
- auch: Einrichtungen und sonstige Stellen der Union
- insb. die Agenturen
- Klage richtet sich direkt gegen das jeweilige Organ (Einrichtung, Stelle)
- Alle in Art. 265 I AEUV genannten Organe
- Aktive Parteifähigkeit:
- Mitgliedstaaten; Organe; natürliche und juristische Personen
- aber nur unter den Voraussetzungen nach Art. 265 II AEUV
- Beklagter muss zuvor aufgefordert worden sein, tätig zu werden (hat 2 Monate Zeit)
- falls nicht tätig geworden, Frist von weiteren 2 Monaten für Klage
- aber nur unter den Voraussetzungen nach Art. 265 II AEUV
- Mitgliedstaaten; Organe; natürliche und juristische Personen
- Zuständigkeit:
Die Untätigkeitsklage (2/3)
(Fortsetzung: Zulässigkeit)
Zulässigkeit (Fortsetzung):
4. Klagebefugnis
- für Organe und Mitgliedstaaten: immer gegeben
- für natürliche und juristische Personen: gemäss Art. 265 III AEUV:
- nur im Falle der Unterlassung eines Beschlusses (Art. 288 IV AEUV)
- Aber: Rechtsprechung des EuGH gestattet sog. Konkurrenten-klagen im Falle der Unterlassung eines Beschlusses an einen Dritten, der den Kläger unmittelbar und individuell betreffen würde
5. Klagegenstand:
- Unterlassen eines Tätigwerdens (grds. alle Massnahmen)
- Aber: bei Klagen einer natürlichen oder juristischen Person muss ein verbindlicher Rechtsakt unterlassen worden sein
- i.d.R. ein Beschluss i.S.v. Art. 288 IV AEUV
Die Untätigkeitsklage (3/3)
(Fortsetzung: Zulässigkeit)
Zulässigkeit (Fortsetzung):
6. Vorverfahren (Art. 265 II AEUV):
- Aufforderungsschreiben des Klägers:
- Genaue Bezeichnung des begehrten Rechtsaktes und Begründung
- Nach Zugang des Aufforderungsschreibens beginnt 2-monatige Frist zu laufen (Art. 265 II S. 2 AEUV):
- erlässt die KOM den Rechtsakt innerhalb dieser Frist, ist die Klage unzulässig
- Nach Ablauf der Frist ohne Stellungnahme der KOM kann binnen weiterer 2 Monate Klage erhoben werden
- gibt die KOM fristgemäss eine ablehnende Stellungnahme ab, so ist die Untätigkeitsklage unzulässig:
- stattdessen: Nichtigkeitsklage gegen die Stellungnahme
- Vorverfahren: 2 Zwecke => einerseits Entlastung und andererseits gütliche Beilegung i.S. der Zwecke die man beim Mediationsverfahren verfolgt (ohne dass es dabei zu einem Urteil zu Gunsten einer Seite und zu Lasten der anderen Seite kommt)
Begründetheit:
- wenn das Unionsorgan nach den Verträgen zu der betr. Tätigkeit (insb. Rechtsetzung oder Beschluss) verpflichtet gewesen ist
- bei Ermessensentscheidungen nur, wenn Ermessensmissbrauch vorliegt
Zusätzlich zur Untätigkeitsklage kommen Schadenersatzansprüche wegen unterbliebenen Tätigwerdens in Betracht
- Art. 266 II i.V.m. Art. 340 II AEUV
Das Vorabentscheidungsverfahren (1/4)
Art. 267 I AEUV:
Der Gerichtshof der EU entscheidet im Wege der Vorabentscheidung
a) über die Auslegung der Verträge
b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union
- über Fragen des Europarechts entscheidet zunächst das nationale Gericht
- nur ausnahmsweise kann ein nationales Gericht den EuGH im Wege der Vorabent-scheidung in sein Verfahren einbeziehen
- Art. 267 AUEV
- das nationale Gerichtsverfahren wird in der Zwischenzeit ausgesetzt
- Zweck:
- einheitliche Anwendung des EU-Rechts (Rechtseinheit) und Wahrung der Rechte des einzelnen Unionsbürgers
Das Vorabentscheidungsverfahren (2/4)
- Zulässigkeit
Zulässigkeit:
- Zuständig:
- alleine der EuGH (Art. 256 I AEUV e contrario)
- Vorlageberechtigt:
- nur "Gericht eines Mitgliedstaates" (Art. 267 II AEUV)
- Notwendige Eigenschaften eines "Gerichts":
- Unabhängigkeit
- Teil der staatlichen Gerichtsorganisation
- Teil privater Schiedsgerichte: demnach ausgeschlossen
- Urteilsfindung aufgrund der Anwendung von Rechtsnormen
- nicht: Billigkeit
- Bindende Wirkung der Urteile/Entscheidungen
- Notwendige Eigenschaften eines "Gerichts":
- nur "Gericht eines Mitgliedstaates" (Art. 267 II AEUV)
- Antragsgegenstand (Art. 267 I AEUV)
- Buchst. a): Auslegung der Verträge
- gesamtes Primärrecht sowie allgemeine Rechtsgrundsätze
- Buchst. b): Gültigkeit und Auslegung der "Handlungen" der Union
- gesamtes Sekundärrecht
- Massstab für die Prüfung der Gültigkeit sind das Primärrecht und die allg. Rechtsgrundsätze
- bspw. Prüfung einer VO am Massstab des AEUV
- Massstab für die Prüfung der Gültigkeit sind das Primärrecht und die allg. Rechtsgrundsätze
- gesamtes Sekundärrecht
- Keine Auslegung nationalen Rechts!
- die Beurteilung nationalen Rechts obliegt allein den nationalen Gerichten
- Buchst. a): Auslegung der Verträge
Das Vorabentscheidungsverfahren (3/4)
- Zulässigkeit
- Vorlagepflicht?
Zulässigkeit:
4. Entscheidungserheblichkeit der europarechtlichen Frage für die Entscheidung des nationalen Gerichts
- wird vom vorliegenden nationalen Gericht beurteilt
- aber: Missbrauchskontrolle durch EuGH
- insb. im Hinblick auf fingierte (vorgetäuschte) Streitigkeiten
Vorlagepflicht?
- Unter welchen Voraussetzungen wird das Vorlagerecht aller Gerichte zu einer Pflicht?
- (1) Vorlagepflicht eines auf nationaler Ebene in dem betr. Rechtsstreit letztinstanzlich entscheidenden Gerichts
- kann bspw. auch ein dt. Amtsgericht sein
- Ausnahmen davon (von der Rechtsprechung des EuGH entwickelt):
- Frage bereits vom EuGH in einem gleichgelagerten Fall entschieden
- gefestigte Rechtsprechung, ungeachtet des Verfahrens (acte éclairé)
- unionsrechtliche Norm ist eindeutig und lässt nur eine Auslegung zu (acte clair)
- Rechtslage ist offensichtlich
- einstweiliger Rechtsschutz, da Eileintscheidung keine letztverbindliche Entscheidung bewirkt
- Frage kann noch im Hauptverfahren vorgelegt werden, deshalb besteht keine Vorlagepflicht
- aber: Gericht kann vorlegen; bei Nichtanwendung einer Norm muss Gericht vorlegen
- (1) Vorlagepflicht eines auf nationaler Ebene in dem betr. Rechtsstreit letztinstanzlich entscheidenden Gerichts
Das Vorabentscheidungsverfahren (4/4)
- Vorlagepflicht? (Fortsetzung)
- Wirkung der Vorabentscheidung
Vorlagepflicht? (Fortsetzung)
- (2) Vorlagepflicht unterinstanzlicher Gerichte (EuGH - "Foto Frost"), wenn diese an der Gültigkeit eines Unionsrechtsaktes zweifeln und diesen unangewendet lassen wollen
- Wahrung des "Verwerfungsmonopols" des EuGH
- Grund: Verwerfung von Unionsrecht durch nationale Gerichte würde zu einer unterschiedlichen Geltung des Unionsrechts in den Mitglied-staaten führen
- Wahrung des "Verwerfungsmonopols" des EuGH
- Legt ein Gericht entgegen seiner Vorlagepflicht nicht vor, wird dies als Verstoss gegen Unionsrecht dem Mitgliedstaat zugerechnet
- dann ist Vertragsverletzungsverfahren möglich
Wirkung der Vorabentscheidung
- Grds. nur inter partes-Wirkung
- zw. den Parteien
- aber: in der Regel werden die Entscheidungen des EuGH allgemein beachtet
- sekundäres Unionsrecht: Ungültigerklärung mit erga-omnes-Wirkung
- Wirkung für jedermann
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