Europarecht HS 17
Vorlesung 3
Vorlesung 3
Set of flashcards Details
Flashcards | 23 |
---|---|
Language | Deutsch |
Category | Law |
Level | University |
Created / Updated | 05.01.2018 / 05.01.2018 |
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Woraus bildet sich das Primärrecht
Gegenwärtgie gültige Fassung des EUV
Vertrag über die Europäische Union (EUV) vom 7. Februar 1992
- wurde zuletzt durch die EU-Beitrittsakte 2013 (Kroatien) vom 9. Dezember 2011 geändert
Exkurs Kroatien:
- bereits 2003 hat Kroatien einen Beitrittsantrag gestellt --> erhielt im Juni 2004 Kandidatenstatus
- Verhandlungen dauerten von Oktober 2005 - 30. Juni 2011 (In diesem Zeitraum musste Kroatien das gesamte Recht der EU, den sog. "acquis communautaire" übernehmen), mit Ausnahme der landesspezifischen Sonderbestimmungen
- Die Unterzeichnung des Beitrittvertrages beim Europäischen Rat am 9. Dezember 2011 in Brüssel bildete den formellen Abschluss der Verhandlungen
- nachdem alle 27-EU-Mitgliedstaaten den Vertrag ratifiziert hatten, konnte Kroatien der EU am 1. Juli 2013 beitreten
Gegenwärtige gültige Fassung des AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) vom 25. März 1957
- zuletzt geändert durch die EU-Beitrittsakte 2013 (Kroatien) vom 9. Dezember 2011
Beitrittsvertrag von Kroatien vom 9. Dezember 2011
(Artikel 1)
- Abs. 1: Republik Kroatien wird Mitglied der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft
- Abs. 2: Republik Kroatien wird Vertragspartei (in ihrer jeweiligen geänderten oder ergänzten Fassung) von:
- Vertrag über die Europäische Union
- Vertrag die Arbeitsweise der Europäischen Union
- Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft
- Abs. 3: Die Aufnahmebedingungen und die aufgrund der Aufnahme erforderlichen Anpassungen der in Abs. 2 genannten Verträge sind in der diesem Vertrag beigefügten Akte festgelegt
- die Bestimmungen der Akte sind Bestandteil dieses Vertrags
Vertrag über die Europäische Union (EUV)
(Inhalt und Aufbau)
Inhalt:
- Grundlagenbestimmungen zu Zielen, Werten, Ermächtigungen, Zuständigkeit, Fundamentalprinzipien und Organen der EU
Aufbau EUV:
- Präambel
- Gemeinsame Bestimmungen (Art. 1-8)
- Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze (Art. 9-12)
- Bestimmungen über die Organe (Art. 13-19)
- Bestimmungen über eine verstärkte Zusammenarbeit (Art. 20)
- Allg. Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union und besondere Bestimmungen über die gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (Art. 21-46)
- Schlussbestimmungen (Art. 47-55)
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
(Inhalt und Aufbau)
Inhalt:
- zahlreiche institutionelle und materielle Ausführungsbestimmungen zur konkreten Umsetzung der EU-Politiken
- institutionell: Organe, Verfahren
- materiell: Zuständigkeiten/Kompetenzen
Aufbau:
- Präambel
- Grundsätze (Art. 1-17)
- Nichtdiskriminierung & Unionsbürgerschaft (Art. 18-25)
- die internen Politiken & Massnahmen der Union (Art. 26-197)
- die Assoziierung der Überseeischen Länder und Hoheitsgebiete (Art. 198-204)
- das auswärtige Handeln der Union (Art. 205-222)
- institutionelle Bestimmungen und Finanzvorschriften (Art. 223-334)
- allgemeine Schlussbestimmungen (Art. 335-358)
Allgemeine (Rechts-) Grundsätze
Hauptfunktion:
- Ergänzung des Primärrechts
- EuGH hat die allg. Rechtsgrundsätze in richterlicher Rechtsfortbildung geschaffen (Bezugspunkte sind die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten)
Beispiele:
- Art. 340 Abs. 2 AEUV: ausservertragliche Haftung der Union (Amtshaftung) richtet sich "nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind"
- Grundsatz der Verhältnismässigkeit
- ist jezt aber ausdrüklich in Art. 5 Abs. 4 EUV geregelt
Grundrechtschutz:
- Vor dem Vertrag von Lissabon dienten die allgemeinen Rechtsgrundlagen als Grundlage des Grundrechtschutzes
- der EuGH hat durch Fallrecht aus dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten sowie der EMRK einen gemeinsamen Bestand von Grundrechten entwickelt
- mit dem Vertrag von Lissabon wurden die Grundrechte kodifiziert
- vgl. nun Art. 6 Abs. 3 EUV
- "Die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts."
Völkerrechtliche Übereinkommen der Union
Art. 216 Abs. 2 AUEV
- "Die von der Union geschlossenen (internationalen) Übereinkünfte binden die Organe der Union und die Mitgliedstaaten."
Völkerrechtliche Verträge der EU nehmen einen Zwischenrang unterhalb des Primärrechts. aber über dem Sekundärrecht ein
Entscheidend für eine unmittelbare Wirkung eines völkerrechtlichen Vertrags in der Unionsrechtsordnung ist, ob eine Vertragsbestimmung eine klare und unbedingte Verpflichtung begründet, deren Wirkung nicht von weiteren Akten abhängt.
Sekundärrecht
Sekundärrecht:
- abgeleitetes Unionsrecht (vom Primärrecht abgeleitet)
- Rechtsakte, die auf Grundlage des Primärrechts (aufgrund primärrechtlich übertragener Kompetenzen) von den EU-Organen erlassen werden
- Sekundärrecht darf nicht gegen Primärrecht verstossen
- bei einem Verstoss kann der EuGH das Sekundärrecht für nichtig erklären
- Art. 288 AEUV sieht verschiedene Rechtsakte vor
Art. 288 AEUV
- Abs. 1: Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nehmen die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen an
- Abs. 2: die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
- Abs. 3: die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel.
- Abs. 4: Beschlüsse sind in all ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich.
- Abs. 5: Die Empfehlung und Stellungnahmen sind nicht verbindlich.
Verordnungen (Sekundärrecht)
- sind so wie verabschiedet verbindlich
- sind unmittelbar anwendbar
- keine Umsetzung in nationales Recht erforderlich
- sind abstrakt-generell
- für eine Vielzahl von Personen (generell) und eine Vielzahl von Fällen (abstrakt)
- allgemeine Gültigkeit von Verordnungen
Richtlinien (Sekundärrecht)
- sind für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des Ziels verbindlich
- Form und Mittel der Erreichung des Ziels wird aber den Mitgliedstaaten überlassen
- allgemeine Regelung, die von den Mitgliedstaaten innerhalb einer bestimmten Frist in staatl. Recht umzusetzen ist
- Aber: Möglichkeit der Vorwirkung einer Richtlinie
- Bspw. Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie 1992 => Naturschutzrichtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere & Pflanzen => keine Genehmigung einer Autobahn in zukünftig geschützem Gebiet
- Vorwirkung: EuGH hat entschieden, dass ein Mitgliedstaat während der laufenden Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen darf, die geeignet sind, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen
- Aber: Möglichkeit der Vorwirkung einer Richtlinie
- bedürfen der Umsetzung in Form verbindlichen nationalen Rechts
- z.B. nicht durch Verwaltungsanweisungen
- ist gegenüber der Verordnung die "schonendere Massnahme", da den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungs-spielraum bei der Umsetzung gewährt wird
- begründen eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts
- auch wenn eine Richtlinie i.d.R. nicht unmittelbar angewendet wird, ist sie bei der Auslegung + Anwendung des nationalen Rechts zu berücksichtigen
- Begründung: Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit von Union & Mitgliedstaaten (Art. 4 III EUV)
- Verpflichtung gilt für das gesamte nationale Recht
- auch wenn es älter als die Richtlinie ist
- auch wenn eine Richtlinie i.d.R. nicht unmittelbar angewendet wird, ist sie bei der Auslegung + Anwendung des nationalen Rechts zu berücksichtigen
Richtlinien (Sonderfall) - unmittelbar Anwendbarkeit
Begründung:
- Der Einzelne soll durch das Versäumnis des Mitgliedstaates, eine Richtlinie nicht rechtzeitig umgesetzt zu haben, nicht schlechter gestellt werden
- der Mitgliedstaat soll dazu angehalten werden, eine Richtlinie rechtzeitig umzusetzen
- sonst hat Mitgliedstaat auch keinen Gestaltungsspielraum mehr
- die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts soll sichergestellt werden ("effet utile")
- effet utile: Effizienzgebot; eine Norm soll so ausgelegt und angewendet werden, dass das Vertragsziel am besten und einfachsten erreicht werden kann
Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendbarkeit:
- Umsetzungsfrist ist abgelaufen
- die betreffende Richtlinie verleiht dem Einzelnen Rechte
- die Richtlinie ist inhaltlich unbedingt und hinreichend genau bestimmt ("self-executing")
Beschlüsse (Sekundärrecht)
- früher: "Entscheidung"
- verbindliche Regelung im Einzelfall
- wie eine Verfügung in der Schweiz oder ein Verwaltungsakt in Deutschland
- konkret-individuell
- Abgrenzung zur Verordnung
- konkret: umfasst einen Einzelfall
- individuell: gilt nicht für eine Vielzahl von Personen; gilt nur für die darin bezeichneten Adressaten
- Eine Entscheidung ist nur für die darin bezeichneten Adressaten verbindlich
- hauptsächlich Anwendung dort, wo EU-Organe direkt auf Unionsbürger einwirken
- insbesondere: Agrarsubventionen, Wettbewerbsrecht
- Bsp.: Beschluss über Gewährung einer Beihilfe
- insbesondere: Agrarsubventionen, Wettbewerbsrecht
Vorrang des Unionsrechts (vor dem nationalen Recht)
- in den Verträgen nicht ausdrücklich geregelt
- vlg. aber "Erklärung zum Vorrang" in der Schlussakte zum Vertrag von Lissabon
- vgl. auch Art. 1-6 des Entwurfs des Verfassungsvertrages von 2004
- "Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der der Union übertragenen Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten."
- gefordert durch EuGH im Fall: Costa/E.N.E.L. sowie Simmenthal II
- Anwendungsovorrang des Unionsrechts
- "Verwerfungskompetenz" der nationalen Gerichte und Behörden für entgegenstehendes nationales Recht
- im Kollisionsfall darf nationales Recht nicht angewendet werden
- nationale Gerichte und Behörden haben die Befugnis zur Nichtanwendung des entgegenstehenden nationalen Rechts
- nur "Anwendungsvorrang"
- kein "Geltungsvorrang" (der zur Ungültigkeit oder Nichtigkeit des nationalen Rechts führen würde)
- entgegenstehendes nationales Recht wird nicht ungültig, sondern bleibt in Kraft und kann auf Fälle, in denen keine Kollission besteht (weil das Unionsrecht sie bspw. gar nicht erfasst) weiter angewendet werden
- kein "Geltungsvorrang" (der zur Ungültigkeit oder Nichtigkeit des nationalen Rechts führen würde)
Die unmittelbare Wirkung des Unionsrechts
Bedeutung:
- Begründung von Rechten & Pflichten der einzelnen Angehörigen der Mitgliedstaaten
Zu unterscheiden:
- unmittelbare Wirkung des Primärrechts
- unmittelbare Wirkung von Verordnungen
- unmittelbare Wirkung von Richtlinien
unmittelbare Wirkung des Primärrechts
EuGH, van Gend & Loos:
- Die Gemeinschaft stellt eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts dar (...), zu deren Gunsten die Staaten Souveranitätsrechte eingeschränkt haben
- eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind
Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung einer Bestimmung des Primärrechts:
- Vorschrift muss klar und vollständig sein
- den Mitgliedstaaten muss darin eine Handlungs- und Unterlassungspflicht auferlegt sein
- ... deren Erfüllung den Behörden oder Gerichten ohne weitere Zwischenschritte (z.B. Durchführungsverordnung der Kommission) möglich ist
Drittwirkung (horizontale Wirkung) des Primärrechts (Wirkung im Verhältnis der Bürger untereinander)
- unproblematisch, wenn im Primärrecht ausdrücklich angeordnet
- bspw. Art. 101 un 102 AEUV - Wettbewerbsrecht
- vom EuGH zusätzlich anerkannt für bestimmte eindeutige und vorbehaltslose Regeln
- vgl. Defrenne
- Verbot von Diskriminierungen zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern
- vgl. Rechtsprechung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit
- vgl. Defrenne
unmittelbare Wirkung von Verordnungen
- stets gegeben
- vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV ("gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat")
- Drittwirkung möglich (Frage der Auslegung)
- Wirkung im Verhältnis der Bürger untereinander
unmittelbare Wirkung von Richtlinien
- grundsätzlich nicht gegeben
- vielmehr Notwendigkeit der Umsetzung in nationales Recht
- ausnahmsweise gegeben im Fall der nicht fristgerechten Umsetzung
- sofern die Bestimmungen keine Bedinungen enthalten
- und sofern die Bestimmungen für eine Anwendung im Einzelfall hinreichend genau bestimmt sind
- keine Drittwirkung
- dies ist der Verordnung vorbehalten
- auch keine Drittwirkung bei der ausnahmsweise unmittelbaren Wirkung!
Die Anwendung des Unionsrechts
In der Regel: Vollzug durch die Mitgliedstaaten
- unmittelbarer mitgliedstaatlicher Vollzug: Verordnungen
- mittelbarer mitgliedstaatlicher Vollzug: Umsetzungsrechtakte zu Richtlinien
- Prüfungs- und Verwerfungsrecht der Gerichte und Behörden für unionsrechtswidriges nationales Recht
Art und Weise des mitgliedstaatlichen Vollzugs
- Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten: Zuständigkeit der Behörden und Verwaltungsverfahren nach nationalem Recht
- Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Durchführung des Gemeinschaftsrechts
- Aber: Effektivitätsgebot und Diskriminierungsverbot
- Effektivitätsgebot:
- nationale Regelungen dürfen die Verwirklichung des Unionsrechts nicht praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren
- Diskriminierungsverbot:
- bei der Anwendung von nationalem Recht im Vollzug des Unionsrechts dürfen keine Unterschiede gemacht werden im Vergleich zu Verfahren, in denen über gleichartige, aber rein nationale Sachverhalte entschieden wird
- Effektivitätsgebot:
- ferner: Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV):
- "die Mitgliedstaaten Ergreifen alle geeigneten Massnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen..."
ausnahmsweise: unionsunmittelbarer Vollzug
- der EU selbst sind Vollzugszuständigkeiten nur im Ausnahmefall zugewiesen
- unionsunmittelbarer Vollzug durch eigene Organe und Einrichtungen der EU
- z.B. im Wettbewerbsrecht, Aussenwirtschaft (Zölle etc.)
Die Kompetenzen der Union (1/2)
Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung
- Art. 4 Abs. 1 EUV:
- "Alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten verbleiben gemäss Art. 5 bei den Mitgliedstaaten."
- Art. 5 Abs. 2 S. 1 EUV:
- "Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben."
- Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung:
- Organe der EU dürfen nur dann Rechtsnormen erlassen, wenn sie durch das Primärrecht explizit dazu ermächtigt sind
- EU kann nicht eigenmächtig Kompetenzen an sich ziehen, sie besitzt keine Kompetenz-Kompetenz
- die Rechtsetzungskompetenz bleibt im übrigen bei den Mitgliedstaaten
- vgl. Art. 42 Abs. 1 BV:
- "Der Bund erfüllt die Aufgaben, die ihm die Bundesverfassung zuweist."
die Kompetenzen der Union (2/2)
Aber:
- Problem der ungeschriebenen Unionskompetenzen ("implied powers")
- implied-powers-Lehre
- stammt vom Völkerrecht und wurde vom EuGH übernommen
- danach muss eine internationale Organisation (EU) auch die Kompetenzen haben, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben zwingend erforderlich sind => diese ungeschriebenen Kompetenzen müssen sich aus anderen (geschriebenen) Kompetenzen ableiten lassen
- der EU steht in den Bereichen, in denen sie die ausschliessliche Gesetzgebungsbefugnis innehat, auch die Befugnis zu, Verträge mit Drittstaaten abzuschliessen
- implied-powers-Lehre
- Art. 352 AEUV Kompetenzergänzungsklausel ("Vertragsabrundungskompetenz", "Flexibilitätsklausel")
- "Erscheint ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen fest-gelegten Politikbereiche erforderlich, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und sind in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erlässt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften." (Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV)
Typologie der Unionskompetenzen (Vertrag von Lissabon)
- auschliessliche Zuständigkeit der Union:
- Art. 3 AEUV:
- insb. Zollunion, Währungspolitik im Euro-Raum, gemeinsame Handels-politik
- Art. 3 AEUV:
- geteilte Zuständigkeit (Union & Mitgliedstaaten)
- Art. 4 Abs. 1 AEUV:
- "Die Union teilt ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten, wenn ihr die Verträge (...) eine Zuständigkeit übertragen."
- z.B. Binnenmarkt, Sozialpolitik, Landwirtschaft & Fischerei, Umwelt, Verkehr, Energie)
- vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV:
- "Die Mitgliedstaaten nehmen ihre Zuständigkeit wahr, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat."
- Art. 4 Abs. 1 AEUV:
- ergänzende Zuständigkeit der Union:
- Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Politik oder Massnahmen der Mitgliedstaaten
- vgl. Art. 2 Abs. 3-5: Art. 5: Art. 6 AEUV
- Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Politik oder Massnahmen der Mitgliedstaaten
- Art. 2 Abs. 6 AEUV:
- "Der Umfang der Zuständigkeiten der Union und die Einzelheiten ihrer Ausübung ergeben sich aus den Bestimmungen der Verträge zu den einzelnen Bereichen."
Ausübung der Zuständigkeiten der Union
nach den Grundsätzen der:
- Subsidiarität:
- Art. 5 Abs. 1 S. 2 + Abs. 3 EUV
- Abs. 3: Union wird in den Bereichen, die nicht in ihre ausschliessliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, wenn aufgrund des Umfangs oder der Wirkung die Regelung auf Unionsebene zu erfolgen hat.
- Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität & Verhältnis-mässigkeit
- in diesem Protokoll wird die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips definiert
- vgl. Art. 5a BV:
- "Bei der Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten."
- vgl. Art. 43a BV:
- "Der Bund übernimmt nur die Aufgaben, welce die Kraft dern Kantone übersteigen oder eine einheitliche Regelung durch den Bund bedürfen."
- Art. 5 Abs. 1 S. 2 + Abs. 3 EUV
- Verhältnismässigkeit:
- Art. 5 Abs. 1 S. 2 + Abs. 4 EUV
- Abs. 4: inhaltlich wie formal gehen die Massnahmen der Union nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Mass hinaus
- Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit
- in diesem Protokoll wird die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit definiert
- Art. 5 Abs. 1 S. 2 + Abs. 4 EUV
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