Völkerrecht

- Grundlagen und historische Entwicklung des Völkerrechts - Quellen des Völkerrechts - Völkerrechtssubjekte (Staat, andere Völkerrechtssubjekte, Völkerrechtssubjektivität, Anerkennung) - Souveränität - Friedenssicherung, Selbstverteidigung, Interv.verbot

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Langue Deutsch
Catégorie Droit
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Crée / Actualisé 09.01.2016 / 24.04.2021
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Welche Konsequenzen sind für den Fall der Nichtbefolgung von Urteilen internationaler Gerichte und Schiedsgerichte vorgesehen?

Für den Fall der Nichtbefolgung eines Urteils, insb. im Rahmen eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens, gibt es grundsätzlich keite zentrale  Vollstreckungsinstanz. Es gibt lediglich die dezentrale Möglichkeit von Gegenmassnahmen oder des Aushandelns von Entschädigungen. Entscheide und Empfehlungen werden trotz dieses Fehlens einer zentralen Zwangsvollstreckung im Allgemeinen Befolgt. Gründe dafür sind vor allem die Sorge um die eigene Reputation und ein gewisser Respekt vor der Weltöffentlichkeit, die Gegenseitigkeitserwartungen und der Wunsch der Erhaltung der gesamten Völkerrechtsordnung.

Welche wichtigen inernationalen Gerichte gibt es neben dem IGH?

  • Seegerichtshof
  • internationaler Strafgerichtshof (ICC)
  • EuGH, EuG, Fachgerichte des EuGH
  • EGMR
  • Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte (AMRK)
  • diverse Verwaltungsgerichte internationaler Organisationen

Welche Rolle spielt die Staatensouveränität im Hinblick auf die Zuständigkeit eines internationalen Gerichts oder Schiedsgerichts dar?

Die Staatensouveränität stellt den Ausgangspunkt für die Zuständigkeit eines internationalen Gerichts oder Schiedsgerichts dar. Aus diesem Grund muss die Zuständigkeit jeder (schieds-)gerichtlichen Zuständigkeit auf der Zustimmung der beteiligten Staaten gründen. Daraus foglt, dass es keine obligatorische Gerichtsbarkeit internationaler (Schieds-)Gerichte gibt.

Welche Arten der Zustimmung zur Zuständigkeit eines interantionalen (Schieds-)Gerichts lassen sich in zeitlicher Hinsicht unterscheiden?

  • Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit nach Entstehen der Streitigkeiten (nur für den Einzelfall)
  • freiwillige (fakultative) vertragliche Unterwerfung zw. mehreren Staaten für den Fall einer Streitigkeit (durch Abgabe einer Erklärung oder Beitritt zu einem fakultativen Protokoll eines bestehenden Vertrags)
  • Sachverträge, deren Ratifikation automatisch die Unterwerfung unter eine Streitbeilegungsinstanz für diesen Vertrag enthält (z.B. Art. 32 ff. EMRK)

Wie ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes internationaler Gerichte geregelt?

Einige interantionale Gerichte können einstweiligen (vorläufigen) Rechtsschutz gewähren. Dieser kann vom Kläger vor oder gleichzeitig mit der Klageerhebung beantragt werden, um seine Rechte vorläufig zu sichern (z.B. Art. 41 IGH-Statut, Art. 290 UNCLOS, Art. 39 EMRK).

Welches sind die Voraussetzungen zur Anordung vorläufiger Massnahmen durch den IGH?

  • Gericht muss prima facie (summarisch) Zusändig sein (IGH muss sonst Zuständigkeit ablehnen)
  • Anordung von Massnahmen muss dringlich sein (insb. wenn irreparable Schäden drohen)

Welche Wirkungen haben Anordungen vorläufigen Rechtsschutzes durch den IGH?

Anordungen vorläufigen Rechtsschutzes sind verbindlich (vgl. La-Grand Fall), wodurch innerstaatliche Gerichtsverhandlungen bis zum entgültigen IGH-Urteil suspendiert werden. Sinn und Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes ist es, die Vereitelung von Rechten (die durch ein Urteil des IGH in der Hauptsache möglicherweise zuerkannt werden) zu verhindern.

Wie sieht das Prüfverfahren bei völkerrechtlicher Verantwortung eines Völkerrechtssubjekts aus?

Zweistufiges Prüfverfahren bei völkerrechtlicher Verantwortung eines Völkerrechtssubjekts:

  • Tatbestand
    • Tatsächliches Verhalten (conduct)
    • Zurechenbarkeit zu einem Völkerrechtssubjekt
    • zurechenbares Ergebnis (Tun/Unterlassen) muss rechtswidrig sein (Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht
  • Rechtsfertigungsgründe (vgl. Art. 20 ff. ILC-Artikel)
    • nicht erforderlich ist, ob das Handeln Schuldhaft war (ein Staat kann nicht schuldhaft handeln)

Wo wird die Zurechenbarkeit (attribution) völkerrechtswidriger Handlungen geregelt?

Die Zurechenbarkeit völkerrechtswidriger Handlugen zu einem Völkerrechtssubjekt (i.d.R. Staat) wird in Art. 4 ILC-Artikel (Zurechenbarkeit zum Handeln von Staatsorganen) geregelt. Nach Art. 7 ILC-Artikel wird auch Ultra-Vires-Handeln dem Staat zugerechnet (Vertrauensschutz). Staatshandeln schliesst auch das Handeln von Organen und Gliedstaaten ein. Ein Staat kann sich somit nicht auf sein innerstaatliches Recht berufen (Art. 27 WVK, Vorrang des Völkerrechts).

Wer haftet im Falle einer "Organ-Leihe"?

Im Falle einer "Organ-Leihe" haftet der Staat, welcher sich das Organ "ausgeliehen" hat (Begünstigter/Entlehner), nicht der ausleihende Staat (Verleiher).

Welche Fallgruppen lassen sich bei der Zurechenbarkeit privaten Handelns zum Staat unterscheiden?

  1. Handeln parastaatlicher Einheiten (Art. 5 ILC- Artikel)
  2. Handeln Privater ohne formal-rechtliche Ermächtigung des Staates (Art. 8 ILC-Artikel)
  3. Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 9 ILC-Artikel) bei faktischer Ausübung öffentlicher Gewalt durch den Privaten
  4. Anerkennung des Verhaltens und Übernahme als das Eigene durch den Staat (Art. 11 ILC-Artikel)
  5. Untätigkeit (Unterlassen) des Staates trotz Verhinderungspflicht und Kenntnis der Störung im konkreten Fall (keine Vermutung der Kenntnis, keine prima-facie-Verantwortung)

Welches sind die, die internationale Verantwortung ausschliessenden, Rechtfertigungsgründe?

Diese Rechtfertigungsgründe werden in den Art. 20-27 ILC-Artikel normiert. Es sind indess folgende:

  1. Einwilligung (Art. 20 ILC-Artikel)
  2. Selbstverteidigung (Art. 21 ILC-Artikel i.V.m. Art 51 UN-Charta)
  3. Gegenmassnahmen (Art. 22 ILC-Artikel, vgl. auch Art. 49 ff. ILC-Artikel)
  4. höhere Gewalt (Art. 23 ILC-Artikel)
  5. persönlicher Notstand (Art. 24 ILC-Artikel i.V.m. Art. 18 UNCLOS)
  6. Staatsnotstand (Art. 25 ILC-Artikel)

Welches sind die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Staatsnotstandes nach Art. 25 ILC-Artikel?

  1. wesentliches Interesse des Staates ist tangiert
  2. schwere, unmittelbare Gefahr droht
  3. keine andere Reaktionsmöglichkeit besteht (Subsidiarität/Erforderlichkeit)
  4. keine ernsthafte Gefährdung von Interessen der Gegenseite erfolgt
  5. Durchbrechung von Ius cogens kann nie gerechtfertigt werden
  6. keine Mitverursachung der Notlage durch den Handelnden (Reaktion auf Reaktion ist unzulässig)

Haben Staaten einen Anspruch auf Beendigung und Nichtwiederholung  völkerrechtswidriger Handlungen durch ein anderes Völkerrechtssubjekt?

Aus Art. 30 ILC-Artikel ergibt sich ein Anspruch des verletzten Staates auf Beendigung und Nichtwiederholung, sowie ein Solcher auf Entschädigung ("reparation") nach Art. 31 und 34 ff. ILC-Artikel.

Welche Formen der Entschädigungsleistugen an einen Staat aus völkerrechtswidrigen Handlugen lassen sich unterscheiden?

Man unterscheidet zwischen drei Möglichkeiten der Entschädigung, wobei der verletzte Staat bei mehreren in Betracht stehenden Möglichkeiten auswählen kann. Diese drei Entschädigungsmöglichkeiten sind folgende:

  • Naturalersatz ("restriktion", Art. 35 ILC-Artikel)
  • Schadenersatz ("compensation", Art. 36 ILC-Artikel), muss geleistert werden falls Naturalersatz nicht möglich ist (inkl. Zinsen)
  • Genugtuung ("satisfaction", Art. 37 ILC-Artikel), für immaterielle Schäden, d.h. solche die weder durch Naturalersatz, noch durch Schadenersatz (ganz oder teilweise) wiedergut gemacht werden können

Auf welche Weise kann eine Staatenverantwortung eingefordert werden?

Die Staatenverantwortung wird primär dezentral, durch die Völkerrechtssubjekte eingefordert. Es können auch kollektive Sanktionen verhängt werden und ein verletzter Staat kann eine Streitbeilegungsinstanz anrufen (z.B. IGH).

Auf welche Weise kann das Feststellungsurteil eines internationalen Gerichts bezüglich Staatenverantwortlichkeit durchgesetzt werden.

Wird durch ein interantionales Gericht die Verletzung eines Völkerrechtssubjekts  durch ein anderes (i.d.R. Staaten und interantionale Organisationen) festgestellt, muss der obsiegende Staat die Zwangsvollstreckung durch Selbsthilfe durchsetzen.

Was sind Gegenmassnahmen?

Gegenmassnahmen (Sanktionen) sind eine mögliche Reaktion auf Völkerrechtsverletzungen für den Fall, dass ein Verletzerstaat sein Verhalten nicht einstellt (Art. 30 ILC-Artikel) oder keine Entschädigung (Art. 35 ff. ILC-Artikel) leistet. Die Anwendung von Gegenmassnahmen beruht auf der dezentralen Beurteilung, dass ein vorgängiger Völkerrechtsbruch begangen wurde.

Wie ist die Durchsetzung von Gegenmassnahmen geregelt?

Die Durchsetzung von Gegenmassnahmen ist in Art. 49 ff. ILC-Artikel, sowie durch gewohnheitsrechtliche Regelungen geregelt.

Welche Gegenmassnahmen gibt es?

  • Retorsion
  • Represalie
  • kollektive Sanktionen/Wirtschaftssanktionen (z.B. Embargo/Boykott)

Was ist unter einer Retorsion zu verstehen?

Eine Retorsion ist ein unfreundlicher Akt in Reaktion auf eine Völkerrechtsverletzung der Gegenseite und muss nach traditioneller Meinung nicht verhältnismässig sein, was aber in Zeiten der Interdependenzen nicht mehr als gerechtfertigt scheint (Art. 51 ILC-Artikel, Verhältnismässigkeitsgebot).

Was ist unter einer Represalie zu verstehen?

Die Represalie ist eine, isoliert betrachtet, ursprünglich völkerrechtswidrige Reaktion auf einen Völkerrechtsbruch, die nach Spezialvorschriften (GATT)oder nach dem allgemeinen Represalienrecht deshalb gerechtfertigt ist, weil sie ihrerseits auf eine Völkerrechtsverletzung reagiert (Gegenmassnahme nach Art. 22 ILC-Artikel). Heute sind nur noch nichtmilitärische Represalien erlaubt (Geltung des Gewaltverbots, Art. 2 Abs. 4 UN-Charta).

Was sind Wirtschaftssanktionen und welchen Stellenwert nehmen sie im Rahmen der Gegenmassnahmen ein?

Wirtschaftssanktionen stellen den wichtigsten Fall von Gegenmassnahmen dar. Der Haupttyp der Wirtschaftssanktion ist das Embargo/Boykott. Dabei handelt es sich um ein Verbot des Exports oder Transports aller oder bestimmter Waren in diesen oder dem Zielstaat (z.B. kollektive Wirtschaftssanktionen). Ein weiterer wichtiger Fall sind unilaterale aber genehmigte Handelssanktionen im WTO-System (Art. 22 DSU).

Sind Gegenmassnahmen völkerrechtswidrig, wenn sei den Handel unterbinden oder einen Staat schlechter stellen?

Gegenmassnahmen (insb. wirtschaftliche) sind nicht schon dann völkerrechtswidrig, weil sie den Handel unterbinden oder einen Staat schlechter stellen als andere. Auf völkerrechtlicher Ebene besteht weder ein Anspruch der Staaten auf internationale Handelsbeziehungen (ius commercii), noch ein völkergewohnheitsrechtlicher Anspruch auf Meistbegünstigung oder Nichtdiskriminierung.

Um welche Form von Gegenmassnahmen handelt es sich wenn diese WTO-Verpflichtungen verletzen?

Verletzen Gegenmassnahmen WTO-Pflichten, handelt es sich um Represalien (nicht blosse Retorsionen), da sie an sich völkerrechtswidrige (da vertragsverletzende) Handlungen darstellen (Art. 22 WTO-DSU, Art. 60 WVK).

Unter welchen Voraussetzungen sind Gegenmassnahmen (Sanktionen) erlaubt?

Gegenmassnahmen sind grundsätzlich zulässig, wenn sie folgende Voraussetzungen (kumulativ) erfüllen:

  • Reaktion auf vorgängige Völkerrechtsverletzung
  • Autor der Gegenmassnahme muss zum Kreis der subjektiv Berechtigten gehören (Problematik des Eingreifens druch Drittstaaten bei Verletzung von erga-omnes Normen, Art. 54 ILC-Artikel)
  • keine Beinträchtigung von Rechten Dritter durch die Gegenmassnahme (Interventionsverbot, Verstoss gegen sanktionsfeste Normen)
  • Ankündigung der Gegenmassnahme und Aufforderung zur Einstellung des Völkerrechtsbruchs des betroffenen Staats (Art. 52 Abs. 1 lit. a und b ILC-Artikel, Art. 30 ILC-Artikel)
  • Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechswegs im Staat gegen den die Massnahme gerichtet ist (Art. 44 lit. b ILC-Artikel)
  • Verhältnismässigkeit der Gegenmassnahme (Art. 51 ILC-Artikel), d.h. Abwägung der Ziel-Mittel Relation

In welchen Fällen sind Gegenmassnahmen absolut unzulässig?

Gegenmassnahmen sind in jedem Fall unzulässig, wenn sie gegen folgende sanktionsfeste Normen verstossen:

  • Gewaltverbot (Art. 2 Abs. 4 UN-Charta)
  • grundlegende Menschenrechte
  • Normen des humanitären Völkerrechts
  • Normen mit Ius cogens Charakter
  • Verletzung des Unverletzlichkeitsgrundsatzes diplomatischer oder konsularischer Einrichtungen

Worin besteht die Problematik bei Gegenmassnahmen?

Die Problematik von Gegenmassnahmen besteht vor allem in der Gefahr von Missbrauch, der Verletzung von Menschenrechten (inbs. Represalien), sowie mangelnder Effektivität bei der der Durchsetzbarkeit (Verletzter muss Zwangsvollstreckung selbst durchfürhe; keine zentrale Vollstreckungsorgane) und ihrer Wirksamkeit.

Was bedeutet der Begriff Dualität?

Dualität bedeutet das prallele Bestehen einer individuellen völkerstrafrechtlichen Verantwortung Einzelner zur staatlichen Verantwortung (Zurechenbarkeit; Art. 58 ILC-Artikel, Art. 25 Abs. 4 ICC-Statut)

Welches sind die Rechtsfolgen bei der Verletzung von erga-omnes Verpflichtungen und wo ist dies normiert?

Die Rechtsfolgen bei Verletzungen von erga-omnes Verpflichtungen sind in Art. 48 Abs. 1 lit. a und b ILC-Artikel geregelt. Danach kann ein Staat auch als nicht Verletzter die Verletzung einer erga-omnes Norm geltend machen, wenn diese ein kollektives Interesse Schützt oder eine Verfpflichtung, welche der gesamten internationalen Gemeinschaft geschuldet ist (erga-omnes, Art. 42 lit. b ILC-Artikel).

Was ist unter einem self-contained regime zu verstehen und welche Wirkungen zeitigt dieses?

Ein self-contained regmime ist ein abgeschlossener Normenkomplex (z.B. Dipolomatenrecht), der unter anderem auch die Reaktionsmöglichkeiten (Gegenmassnahemen/Sanktionen) auf eine Verletzung von Normen dieses Regelungskomplexes (regime) abschliessend regelt. Die Folge ist, dass kein Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze der Staatenverantwortung (und damit zusammenhängenden Gegenmassnahmen, sofern nicht auch im entsprechenden Regelungskomplex enthalten) erlaubt ist. Der Begriff wurde erstmals von IGH im sog. Teheraner-Geisel Fall verwendet und eingeführt.