StrafR
StrafR halt
StrafR halt
Set of flashcards Details
Flashcards | 142 |
---|---|
Language | Deutsch |
Category | Law |
Level | University |
Created / Updated | 06.03.2014 / 09.03.2014 |
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Prüfungsaufbau unechtes Unterlassungsdelikt
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Erfolg
b) Unterlassen: Nichtvornahme der zur Erfolgsabwendung gebotenen Handlung trotz physisch-realer Möglichkeit
c) Hypothetische Kausalität
d) Objektive Zurechnung
e) Garantenstellung
f) Entsprechungsklausel, § 13 StGB (nur wenn relevant)
2. Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Unechtes Unterlassungsdelikt, objektiver TB, Voraussetzung 2
Unterlassen: Nichtvornahme der zur Erfolgsabwendung gebotenen Handlung trotz physisch-realer Möglichkeit
Gebotenheit: Eine Handlung ist geboten, wenn sie in der konkreten Gefahrenlage erforderlich ist und für den Täter die physisch-reale Möglichkeit besteht, das Gebotene in sinnvoller Weise zu tun.
2-Schritt-Prüfung:
1. Schritt: Was hätte ein Dritter in der konkreten Situation getan ("tun müssen")?
2. Schritt: Hat der Täter dies nicht getan, obwohl er dazu physisch in der Lage war?
Problem 1: Abgrenzung aktives Tun/Unterlassen
Seilfälle: Nie Verbindung = Unterlassen; schon ergriffen = aktives Tun
Autofahrer Licht aus --> nach hM Abgrenzung nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit vorzunehmen (Amers Buh-theorie) = aktives Tun (Teilnahme am Straßenverkehr)
Ziegenhaarfall --> aktives Tun durch Übergeben an Mitarbeiter.
Problem 2: Abgrenzung täterschaftliches Unterlassen von der Beihilfe durch Unterlassen
Nach h.M. erfolgt hier die Abgrenzung nach den allgemeinen Kriterien zur Tatherrschaft bzw. dem Täterwillen (subjektive Theorie). (Also (+) bei Tatherrschaft und Täterwillen)
Unechtes Unterlassungsdelikt, objektiver TB, Voraussetzung 3
Hypothetische Kausalität: Zu bejahen, wenn der Erfolg bei pflichtgemäßem Verhalten bzw. dessen Hinzudenken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre. Umstritten, ob auf den konkreten oder den im Gesetz abstrakt umschriebenen tatbestandsmäßigen Erfolg abzustellen ist.
h.L. konkreter Erfolg (Beispiel Vater Kinder 4. Stock Flammentod: In den Flammen wären die Kinder bei Wurf aus dem Fenster mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gestorben)
Begrenzung durch objektive Zurechnung (Beruht der konkret eingetretene Erfolg gerade auf der Pflichtwidrigkeit des Unterlassens? (+) Hätte Vornahme der gebotenen Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Erhaltung des gefährdeten Rechtsguts geführt? (-)
BGH: abstrakter Erfolg (Tod an sich) --> Wären die Kinder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Leben geblieben? (-) = Kausalität (-)
--> Literatur folgen um objektive Zurechnung wie oben beschrieben zu prüfen! (BGH prüft in diesem Fall keine objektive Zurechnung)
Unechtes Unterlassungsdelikt, objektiver TB, Voraussetzung 5
Garantenstellung, zu unterscheiden:
a) Beschützergarant (Obhutsverhältnis)
aa) aus Gesetz, z.B. §§ 1353, 1626, 1800, 666 BGB
bb) Rechtlich fundierte Verhältnisse enger natürlicher Verbundenheit: Insbesondere innerhalb der Familie; auch Verlobte; Reichweite der Schutzpflichten je nach Enge der Verbundenheit unterschiedlich weit (hierfür kann man sich an Angehörigeneigenschaft i.S.d. § 11 StGB orientieren)
Problem: Muss diese Familien- oder Lebensgemeinschaft noch bestehen?
h.L.: (+), da ohne eine enge Beziehung keine Garantenstellung mehr bestehen könne (z.B. Mutter, die keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter hat)
h.M.: (-), zumindest bei Verwandten gerader Linie, soweit Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen, da hier das Opfer schützenswert ist und sich auf ein stillschweigendes Beistandsversprechen verlassen würde. Bei getrennt lebenden Ehegatten Einzelfall: Garantenstellung jedenfalls wenn Trennungswille noch nicht feststeht.; Geschwister wenn in häuslicher Gemeinschaft lebend, teilweise weitergehende Forderung nach tatsächlichem Obhutsverhältnis.
cc) Andere Lebens- und Gefahrengemeinschaften: Bsp.: Nichteheliche Lebensgemeinschaft; Zusammenschluss von Bergsteigern, Tiefseetauchern, aber keine Zufallsgemeinschaft wie z.B. Zechkumpanen, Drogenkonsumenten; WG und passagere (Liebes-)beziehungen (-), bloßes Zusammenleben reicht nicht.
dd) Freiwillige Übernahme von Schutz- und Beistandspflichten: Entscheidend ist allein die faktische Übernahme, nicht die zivilrechtliche Wirksamkeit. Bsp.: Babysitter, behandelnder Arzt.
ee) aus Vertrag: relevant bei Vermögensdelikten. Verlangt wird ein besonderes Vertrauensverhältnis und dauerhafte Geschäftsbeziehungen (um ggf. eine Garantenstellung zu begründen).
ff) Besonderer Pflichtenkreis (aus Stellung als Amtsträger oder Organ einer juristischen Person): Bsp.: Polizist; aber: Umfang der Garantenstellung nach h.M. nur für alle Güter die vom Schutzzweck des Zuständigkeitsbereiches des Amtsträger umfasst sind und nur während der Dienstausübung (außerhalb der Dienstausübung § 138 StGB heranzuziehen).
b) Überwachergarant
Unechtes Unterlassungsdelikt, objektiver TB, Voraussetzung 5
Garantenstellung, zu unterscheiden:
a) Überwachergarant (Verantwortung für Gefahrenquelle)
aa) Verkehrssicherungspflichten: wie im BGB; Bsp.: Streupflicht, Pflicht des Tierhalters zur Überwachung.
bb) Pflicht zur Beaufsichtigung Dritter: Bsp.: Lehrer/Schüler, militärische Vorgesetzte; Gefängnispersonal/Gefangenen, nicht aber: eheliche Lebensgemeinschaft (keine Pflicht, Straftaten des anderen Ehegatten zu verhindern, Begrenzung: § 138 StGB).
cc) Beherrschbarkeit von Räumen (str.): Pflicht des Inhabers der Verfügungsgewalt, in den Räumlichkeiten für Ordnung zu sorgen und Straftaten zu verhindern. Gegenargument: Zu weitgehend; bestehende anerkannte Garantenpflichten reichen aus, um strafwürdige Fälle zu erfassen. (BGH aber Gastwirtin Garantenstellung gegeben bei körperlicher Misshandlung eines Gastes durch andere)
dd) Ingerenz (vorangegangenes gefahrbegründendes Tun): Strittig, ob das Vorverhalten pflichtwidrig sein muss, oder ob auch gefährdendes rechtmäßiges Verhalten die Garantenpflicht begründet.
Nach einer Ansicht (Verursachungstheorie) reicht es aus, dass Täter kausal für die Gefahrentstehung war, da jeder für seine Handlungen die Konsequenzen zu tragen habe (so könnte Benutzung von Kraftfahrzeugen als Eröffnung einer Gefahrenquelle einzustufen sein).
Nach h.M. muss das Vorverhalten pflichtwidrig sein, um einen Angreifer nicht unbillig besser zu stellen als Dritte und die Rechtfertigungsgründe nicht zu relativieren.
Bsp.: Der niedergestochene Vergewaltiger kann nicht von Angegriffener verlangen, dass diese nunmehr als sein Garant verpflichtet ist; So würde die Straflosigkeit einer erlaubten Verteidigungshandlung umgangen. Bei rechtmäßigem Verhalten bleibt also allein eine Strafbarkeit nach § 323c StGB denkbar.
Beim aggressiven Notstand nach § 34 StGB greift der Täter hingegen in fremde Rechtsgüter ein und ist nach allgemeiner Auffassung verpflichtet, die sich daraus für das Opfer ergebenden Gefahren zu beseitigen.
Unechtes Unterlassungsdelikt, objektiver TB, Voraussetzung 6
Entsprechungsklausel, § 13 StGB (nur wenn relevant):
Relevanz hat dies bei den sog. verhaltensverbundenen Delikten:
Bsp.: A hat in Erfahrung gebracht, dass B seine Tochter hinterrücks überfallen und verprügeln möchte. Da A der Auffassung ist, dass seine Tochter dies verdient habe, schreitet er nicht ein.
Hier hat sich A wegen KV durch Unterlassen strafbar gemacht, aber nicht einer gefährlichen KV durch Unterlassen aufgrund hinterlistigen Überfalls, da die besondere Art und Weise der Begehung (hinterlistig) sich im bloßen Unterlassen nicht finden lässt.
Unechtes Unterlassungsdelikt, subjektiver TB
1) Irrtum über Garantenstellung --> § 16 I 1 StGB
2) Irrtum über Garantenpflicht --> § 17 StGB
Unechtes Unterlassungsdelikt, Rechtswidrigkeit
Rechtfertigungsgründe ganz normal, aber hier insbesondere auch rechtfertigende Pflichtenkollision:
1. Objektive Rechtfertigungselemente
a) Konfliktlage
aa) Kollision zweier rechtlicher Handlungspflichten: liegt vor, wenn mehrere rechtlich begründete Handlungspflichten an den Normadressaten herantreten
bb) Gleichwertigkeit der Handlungspflichten: Zur Bestimmung von Rangverhältnissen wird
- der Wert der gefährdeten Güter (Leben, Gesundheit, Eigentum)
- die rechtliche Stellung des Normadressaten zum geschützten Objekt (liegt Garantenstellung vor oder "nur" bloße Hilfeleistungspflicht)
- die Nähe der Gefahr (eine Person direkt in der Nähe, andere Kilometer entfernt)
- die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
gegeneinander abgewogen.
Beachte: Gleichwertigkeit der Handlungspflicht (-) wenn Garantenpflicht vs. "bloße" Hilfeleistungspflicht (Sohn und fremdes Kind in See); dann scheidet rechtfertigende Pflichtenkollision aus.
Auch Abwägung Leben vs. Leben (-) --> freie Entscheidung
b) Erfüllung der einen Pflicht auf Kosten der anderen: Indem der Täter eine Handlungspflicht wahrnimmt, verletzt er (zwangsläufig) die andere ihm ebenfalls obliegende Handlungspflicht.
2. Subjektive Rechtfertigungselemente: Handeln in Kenntnis der rechtfertigenden Umstände
Unechtes Unterlassungsdelikt, Schuld
wie Vorsatzdelikt, aber auch "Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens" möglich: Maßgebend für die Zumutbarkeit sind die Interessenlage und die Schwere der drohenden Rechtsgutsverletzung.
Unechtes Unterlassungsdelikt, unmittelbares Ansetzen
Wann ist unmittelbares Ansetzen (Versuchsbeginn) beim unechten Unterlassungsdelikt anzunehmen?
1. Teilweise wird der Versuchsbeginn schon auf den Zeitpunkt festgelegt, in dem der Garant die erste Erfolgsabwendungsmöglichkeit, die sich ihm bietet, verstreichen lässt (Theorie des erstmöglichen Eingriffs).
2. Nach anderer Ansicht Versuchsbeginn, wenn Täter nach seiner Vorstellung die Rettungshandlung spätestens hätte vornehmen müssen (Theorie des letztmöglichen Eingriffs).
3. Ganz überwiegend wird Versuchsbeginn angenommen, wenn aus Sicht des Täters für das geschützte Rechtsgut eine unmittelbare Gefahr entsteht. Differenziert wird wie folgt:
a) Wo das geschützte Rechtsgut nach der Vorstellung des Garanten bereits unmittelbar in Gefahr geraten und der Eintritt des Erfolges nahe gerückt ist, verlangt das Gesetz die sofortige Erfüllung der Rettungspflicht. Unmittelbares Ansetzen liegt also dann vor, wenn der Garant aufgrund seines Tatentschlusses die erste Rettungsmöglichkeit verstreichen lässt.
b) Bei noch entfernter Gefahr beginnt der Versuch erst in dem Zeitpunkt, in welchem die Gefahr in ein akutes Stadium tritt und der Garant weiter untätig bleibt oder in welchem dieser die Möglichkeit des rettenden Eingreifens aus der Hand gibt und dem Geschehen seinen Lauf lässt.
Unechtes Unterlassungsdelikt, Rücktritt
Rücktrittsregelung des § 24 StGB lässt sich sinngemäß auf den Unterlassungsversuch übertragen:
a) Fehlgeschlagener Versuch: Davon ist auszugehen, wenn der Täter erkennt, dass er den tatbestandsmäßigen Erfolg allein durch das Unterlassen nicht mehr bewirken könnte und ihm auch keine Mittel zur Verfügung stehen, den Erfolg durch positives Tun herbeizuführen.
b) Ein unbeendet Versuch liegt vor, solange der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges nach der Vorstellung des Täters noch durch Nachholung der ursprünglich gebotenen Handlung abzuwenden ist.
c) Beendet ist der Versuch dagegen, sobald nach der Vorstellung des Täters die Nachholung der ursprünglich gebotenen Handlung für sich allein nicht mehr ausreicht, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden, vielmehr andere Maßnahmen erforderlich geworden sind.
d) Rücktritt vom untauglichen Versuch solange möglich, wie der Unterlassungstäter die Untauglichkeit nicht erkennt.
Fahrlässigkeitsdelikt, Grundlagen
Grundlagen:
1. KEIN TATBESTANDSIRRTUM gem. § 16 I 1 StGB möglich, da es ein Auseinanderfallen von subjektiver Vorstellung und objektiven Gegebenheiten nicht gibt.
2. KEIN VERSUCH möglich, da dem Täter Tatentschluss fehlt.
3. KEINE TEILNAHME gem. §§ 26, 27 StGB möglich, da keine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat gegeben ist.
4. KEINE MITTÄTERSCHAFT möglich, da der gemeinsame Tatentschluss fehlt.
5. Mittelbare Täterschaft nur dann denkbar, wenn der Hintermann das fahrlässige Verhalten des Vordermannes zur Tatbegehung ausnutzt. Hintermann handelt dann vorsätzlich. Bsp.: Arzt A nutzt es aus, dass Krankenschwester B vor verabreichen der (Gift-)spritze nicht mehr auf die Aufschrift schaut.
Fahrlässigkeitsdelikt, Differenzierungen
Bewusst fahrlässig, unbewusst fahrlässig, leichtfertig:
a) Bewusst fahrlässig handelt derjenige, der es für möglich hält, den gesetzlichen Tatbestand zu verwirklichen aber dennoch pflichtwidrig darauf vertraut, dass dies nicht eintreten wird.
Für die Abgrenzung des Eventualvorsatzes (dolus eventualis) von der bewussten Fahrlässigkeit (luxuria) kommt es entscheidend darauf an, dass es der Täter in beiden Fällen für möglich hält, dass der Tatbestand erfüllt wird, er die Folge beim Eventualvorsatz aber hinnimmt und sich mit dem Risiko der Tatbestandsverwirklichung abfindet, während er bei bewusst fahrlässigem Handeln (pflichtwidrig) auf das Nichtvorliegen des betreffenden Tatumstandes oder sonst auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut ("wird schon gut gehen").
b) Unbewusst fahrlässig (negligencia) handelt derjenige, der die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, außer Acht lässt und infolgedessen die Tatbestandsverwirklichung nicht voraussieht (kein positives Wissen und Wollen des Täters zum Erfolgseintritt: es fehlt sowohl intellektuelles als auch am voluntatives Element).
c) Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Damit ist in objektiver Hinsicht ein erhöhter Grad an Fahrlässigkeit, vergleichbar mit der groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht, gemeint. Subjektiv ist im Bereich der Schuld jedoch auf die subjektiven Fähigkeiten und Kenntnisse des Täters abzustellen.
Beachte: Fahrlässigkeit ist nur mit Strafe bedroht, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt (§ 15 StGB)!!
Fahrlässigkeitsdelikt, Tatbestand
1. Tatbestand
a) Handlung, Erfolg: wie Vorsatzdelikt. Aufgrund des Einheitstäterprinzips kann bei Reflexen bzw. Spontanreaktionen aber auch an das Vorverhalten angeknüpft werden.
b) Kausalität: wie Vorsatzdelikt
c) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
aa) Obj. Sorgfaltspflichtverletzung (obj. Vermeidbarkeit): Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt; Maßstab: Verhalten eines gewissenhaften und einsichtigen Angehörigen des Verkehrskreises des Täters in der konkreten Tatsituation und sozialen Rolle (ex-ante-Perspektive)
bb) obj. Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolges: (+), wenn nach allg. Lebenserfahrung mit dem Erfolg gerechnet werden musste.
d) Objektiv zurechenbar ist der Erfolg, wenn sich gerade das rechtlich missbilligte Verhalten des Täters in tatbestandsspezifischer Weise in dem verursachten Erfolg niedergeschlagen hat. Besonderes Augenmerk gilt beim Fahrlässigkeitsdelikt häufig der Prüfung des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs und des Schutzzwecks der Norm.
Fahrlässigkeitsdelikt, Rechtswidrigkeit
2. Rechtswidrigkeit: Rechtfertigungsgründe ganz normal möglich. Erlaubtes Risiko und verkehrsrichtiges Verhalten sind allerdings keine Rechtfertigungsgründe sondern bereits im Rahmen der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung zu prüfen.
Problem: subjektives Rechtfertigungselement erforderlich?
Ist im Bereich des Vorsatzdeliktes das subjektive Rechtfertigungselement deshalb erforderlich, um das Handlungsunrecht zu kompensieren, so kann es diese Funktion beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht erfüllen. Schließlich vertraut der Täter darauf, den Tatbestand nicht zu verwirklichen. Der Normbefehl erreicht ihn zwar, doch fehlt die bewusste Auflehnung. Ein subjektives Rechtfertigungselement ist somit nicht zu fordern. Der Täter muss sich lediglich im Rahmen der Befugnisse halten, die ihm der Rechtfertigungsgrund einräumt.
Fahrlässigkeitsdelikt, Schuld
3. Schuld
a) Schuldfähigkeit: wie Vorsatzdelikt
b) subjektive Sorgfaltspflichtverletzung
aa) subjektive Erfüllbarkeit der Sorgfaltspflicht: Die objektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert die subjektive Sorgfaltswidrigkeit; sie kann nur im Einzelfall und nur bei einem besonderen Hinweis im SV entfallen. Geprüft wird, ob der Täter mit seinem individuellen Leistungsniveau in der Lage war, die objektiven Sorgfaltsanforderungen zu erfüllen.
bb) subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts: Täter muss den Erfolg mit seinen persönlichen intellektuellen Fähigkeiten vorhergesehen haben können (meist unproblematisch).
c) Nichtvorliegen eines Entschuldigungsgrundes: Normale Entschuldigungsgründe aber auch "Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens" möglich: Maßgebend für die Zumutbarkeit sind die Interessenlage und die Schwere der drohenden Rechtsgutsverletzung.
Bsp.: Spediteur "zwingt" Fahrer trotz Übermüdung zur Fahrt (Angst vor Jobverlust) -> Die Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer ist als schwerwiegender anzusehen, als der drohende Jobverlust.
Konkurrenzen, der Dreierschritt zum richtigen Ergebnis, 1. Schritt
1. Schritt: Handlungseinheit? (+), wenn:
a) Handlung im natürlichen Sinn: Eine Ausführungshandlung beruhend auf einem Willensentschluss. (Bombenzündung, mehrere Menschen sterben: §§ 212, 211; 308 III; 303; 223 ff. (+) durch dieselbe Handlung).
b) oder Natürliche Handlungseinheit: Mehrere Handlungen im natürlichen Sinne, die aber einen einheitlichen Geschehensablauf darstellen und deren getrennte Betrachtung einen einheitlichen Lebenssachverhalt unnatürlich aufspalten würde. Entscheidend ist hierbei ein enger zeitlicher Zusammenhang sowie ein einheitlicher Willensentschluss bei natürlicher Betrachtung! (Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG), KV (§ 223 StGB), Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 113 StGB) und Unfallflucht (§ 142 StGB) in unmittelbarer Aufeinanderfolge gelten als eine Handlung aufgrund des einheitlichen Fluchtwillens des Täters).
c) oder Juristische Handlungseinheit bei mehraktigen oder zusammengesetzten Delikten, bei Dauerdelikten, bei der fortgesetzten Tat und bei der Klammerwirkung:
aa) Mehraktige oder zusammengesetzte Delikte: Hier hat der Gesetzgeber bereits entschieden, dass die einzelnen Akte nicht isoliert zu sehen sind (z.B. § 249 StGB).
bb) Dauerdelikte: Jeder Tätigkeitsakt, der der Begründung oder Aufrechterhaltung des widerrechtlichen Zustandes dient, stellt eine Handlung dar. (Sperrt A sein Opfer am Montag ein und fesselt er es am Dienstag, so dienen beide Handlungen einer Freiheitsberaubung nach § 239 StGB und bilden eine rechtliche Handlungseinheit).
cc) Klammerwirkung liegt vor, wenn zwei voneinander unabhängige Delikte jeweils mit einem dritten (i.d.R. einem Dauerdelikt) in Idealkonkurrenz stehen. Dabei muss das Klammerdelikt wenigstens so schwer wiegen, wie das leichteste von den zu verklammernden Delikten. Bsp.: B führt eine Waffe unter Verstoß gegen das Waffengesetz (§ 53 I Nr. 3a WaffG, 6 Monate - 5 Jahre), nötigt damit und tötet. --> Der Verstoß gegen das Waffengesetz verbindet den Totschlag und die Nötigung, da sie schwerer wiegt als das leichteste zu verklammernde Delikt der Nötigung. Dass der Totschlag mit schwererer Strafe bedroht ist als der Verstoß gegen das Waffengesetz, ist unerheblich. Wiegen beide Delikte allerdings schwerer, so kommt Handlungsmehrheit in Betracht.
Konkurrenzen
wenn 1. Schritt (+):
2. Schritt: Gesetzeskonkurrenz? (+), wenn:
a) Spezialität: liegt vor, wenn eine Vorschrift begriffsnotwendig sämtliche Tatbestandsmerkmale einer anderen Strafbestimmung enthält, das strafbare Verhalten aber noch unter einem weiteren zusätzlichen Aspekt erfasst:
- Qualifikationen (z.B. § 224 StGB gegenüber § 223 StGB)
- Erfolgsqualifikationen (z.B. § 227 StGB gegenüber §§ 223 ff. 222 StGB)
- Privilegierungen (z.B. § 216 StGB gegenüber § 212 StGB)
- und verselbstständigte Abwandlungen (z.B. § 249 StGB gegenüber §§ 240, 242 StGB)
b) Von Konsumtion spricht man, wenn ein Tatbestand in einem anderen zwar nicht notwendigerweise, aber doch typischerweise und regelmäßig enthalten ist, so dass sein Unrechtsgehalt von dem anderen schwereren Delikt aufgezehrt wird. (Bsp.: Tödlicher Schuss, § 303 StGB der Jacke, § 212 StGB konsumiert den § 303 StGB; besonders schwerer Diebstahl §§ 242, 243 I 2 Nr. 1, 2 konsumiert nicht (immer) die § 303 StGB, wenn diese einen höheren Schaden verursacht hat. Zudem gibt der BGH zu bedenken, dass die Verwirklichung eines Regelbeispiels für die Frage der Konkurrenzen außer Betracht bleiben muss, so dass Tateinheit vorliegt.
c) Subsidiarität liegt vor, wenn eine Vorschrift nur hilfsweise anzuwenden ist, wenn nicht schon eine andere Strafbestimmung eingreift. Formen:
aa) Gesetzliche: Ausdrücklich aus Gesetz (§§ 145d, 316, 246, 248b, 265a, 323a StGB).
bb) Logische, materielle oder stillschweigende Subsidiarität aus dem Sinnzusammenhang: So wird Teilnahme von Täterschaft, Beihilfe von Anstiftung, Versuch von Vollendung, das konkrete Gefährdungsdelikt (z.B. § 221) von Verletzungsdelikt (z.B. § 211), das echte Unterlassungsdelikt (z.B. § 323c) vom unechten Unterlassungsdelikt (z.B. § 212, 13), das Durchgangsdelikt (§§ 223 ff.) gegenüber einem unrechtserschwerenden Delikt (§§ 212, 211) in logischer Subsidiarität verdrängt.
Wenn (+) = kein Erscheinen im Urteil.
2) Wenn (-): Liegt keine Gesetzeskonkurrenz vor, handelt es sich aber um einen Fall der Handlungseinheit --> Tateinheit nach § 52 StGB.
Beachte: vers. Totschlag & vollendeter KV = Tateinheit: verdrängt die KV nicht, da im Urteil deutlich gemacht werden muss, dass bei KV Erfolg eingetreten ist, was bei vers. Totschlag nicht immer der Fall ist.
Konkurrenzen
wenn 1. Schritt (-):
3. Schritt
Liegt keine Handlungseinheit vor, kann nur Handlungsmehrheit gegeben sein. Hierbei ist wiederum zuerst zu klären, ob ein Fall der Gesetzeskonkurrenz in Betracht kommt.
1. Gesetzeskonkurrenz, zu unterscheiden sind:
a) Mitbestrafte Vortat: Bei der mitbestraften Vortat entfällt die Strafbarkeit aufgrund von Subsidiarität oder Konsumtion, da der Unrechtsgehalt des früheren Tuns von dem des späteren Tuns erfasst wird. (Im Januar PKW-Schlüssel, im Februar zugehöriges Auto gestohlen: Schlüsseldiebstahl typische Begleittat in Konsumtion; Versuchtes/Vollendetes Delikt umfasst Verbrechensabredung (§ 30 II StGB); § 265 StGB ist mitbestrafte Vortat in Form der gesetzlichen Subsidiarität zum Betrug nach § 263 StGB).
b) Mitbestrafte Nachtat: Die mitbestrafte Nachtat liegt vor, wenn sich die Nachtat in der Sicherung oder Auswertung der durch die Tat erlangten Vorteile erschöpft, den Schaden nicht oder nicht wesentlich erweitert und kein neues Rechtsgut verletzt wird. Die Nachtat ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass sie der Täter begehen muss, damit die Vortat für ihn einen Sinn erhält (Konsumtion). (z.B. das Passieren der Kasse ohne zu bezahlen nach einem Ladendiebstahl stellt sich als strafloser Sicherungsbetrug (§ 263 StGB) dar. Das Weiterveräußern des Diebesgutes (§ 242 StGB) durch den Dieb (§ 246 StGB) ist mit der Konkurrenzlösung mitbestrafte Nachtat)
Wenn (+) = Kein Erscheinen im Urteil.
2. Ansonsten Tatmehrheit nach § 53 StGB: Nach Aussonderung der mitbestraften Vor- und Nachtat in der Handlungsmehrheit führen die verbleibenden Vorschriften zur Tatmehrheit (Realkonkurrenz) nach § 53 StGB.
IV. Besondere Arten der Konkurrenzen: Wo wie was nicht ganz klar..!
Ist nach Ausschöpfung der Beweis- und Erkenntnismöglichkeiten sicher, dass der Täter einen Tatbestand begangen hat aber unklar, durch welches Verhalten er eine bestimmte Tat verwirklicht hat oder welche Straftat von mehreren verübt worden ist, würde der Grundsatz "in dubio pro reo" zu Unbilligkeiten führen. Deshalb werden von diesem Grundsatz Ausnahmen gemacht:
1) Unechte Wahlfeststellung oder Tatsachenalternativität, wenn in allen denkbaren SV-Varianten derselbe TB verwirklicht worden ist, aber ungewiss ist, welche Handlung konkret den Straftatbestand erfüllt. (Bsp.: Es lässt sich nicht mehr klären, welche der beiden sich widersprechenden Aussagen vom 1.5 und 3.5 des A vor Gericht falsch ist (§ 153 StGB). A wird eindeutig wegen falscher uneidlicher Aussage nach § 153 StGB bestraft).
2) Echte Wahlfeststellung oder Tatbestandsalternativität, wenn zweifelhaft ist, welche von mehreren alternativ in Betracht kommenden Handlungen tatsächlich vorgelegen haben und welcher TB erfüllt ist. (Bsp.: Unklar, ob Beute mittels Täuschung weggenommen (§ 242) oder dem Opfer mittels Vermögensverfügung abgeschwindelt (§ 263).
a) Voraussetzungen:
- Grundsatz "in dubio pro reo" darf nicht eingreifen (= kein Stufenverhältnis; so etwa bei Vorsatz/Fahrlässigkeit, Versuch/Vollendung,Grundtatbestand/Qualifikation).
- Es ist sicher, dass eines von mehreren Delikten begangen wurde.
- Eine eindeutige Feststellung des Tatbestandes darf nicht möglich sein.
- Die Verhaltensweisen müssen rechtsethisch und psychologisch vergleichbar sein.
b) Rechtsfolgen: Der Täter ist wahlweise zu verurteilen. Die Strafe ist dem milderen Gesetz zu entnehmen.
3) Bei einer Postpendenzfeststellung steht der SV einer Nachtat eindeutig fest, es ist jedoch zweifelhaft, ob und inwieweit der Täter bereits an der Vortat beteiligt gewesen ist bzw. ob eine Vortat überhaupt begangen worden ist (doppelte Rechtsnormgewissheit bei nur einseitiger Sachverhaltsungewissheit). Rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der Delikte nicht erforderlich.(A veräußert Diebesgut, aber unklar ob auch an Diebstahl beteiligt: Die Verurteilung bei der Postpendenzfeststellung erfolgt aufgrund des in tatsächlicher Hinsicht feststehenden Verhaltens. Hier: Hehlerei, § 259).
Verbotsirrtum, § 17 StGB
Der Verbotsirrtum ist ein Irrtum des Täters über die Widerrechtlichkeit seiner Handlung. Ein Unterfall ist der Subsumtionsirrtum. Bei Unterlassungsdelikten spricht man entsprechend von einem Gebotsirrtum, wenn der Täter seine Handlungspflicht rechtsirrtümlich nicht für verpflichtend (geboten) hält.
§ 17 StGB differenziert danach, ob der Irrtum vermeidbar oder unvermeidbar war.
Vermeidbar ist der Irrtum, wenn der Täter bei Einsatz aller seiner Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen zur Unrechtseinsicht hätte gelangen können (sog. Gewissensanspannung).
Vermeidbar --> Schuld nach § 17 S. 1 StGB nicht ausgeschlossen --> Schuld also (+) --> Vorsatztat (+)
Nach Schuld, unter Strafzumessung: fakultative Strafzumessung nach § 17 S. 2 StGB beachten (unbedingt machen wegen Praktikern!).
(Irrt der Täter nicht nur über die Widerrechtlichkeit seiner Handlung, sondern zusätzlich noch über die Reichweite eines vermeintlichen Rechtfertigungsgrundes, spricht man von einem Doppelirrtum.)