StrafR
StrafR halt
StrafR halt
Kartei Details
Karten | 142 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 06.03.2014 / 09.03.2014 |
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Kausalität
Nach der herrschenden conditio-sine-qua-non-Formel ist eine Handlung dann kausal für den Erfolg, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Alternative Kausaität
Zwei unabhängige Handlungen führen gleichzeitig den Erfolg herbei. Jede für sich hätte ausgereicht.
Hier können sowohl die Handlung des Täter1 als auch des Täter2 einzeln hinweg gedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Lösung, Modifizierung der Äquivalenztheorie:
Auch solche Bedingungen sind erfolgsursächlich, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweg gedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Beide Bedingungen müssen gleichzeitig wirksam werden, ansonsten abgebrochene/ überholende Kausalität.
Kumulative Kausaität
Ursachen bewirken zusammen den Erfolg.
Jede Bedingung kausal für Erfolg. Aber: I.d.R. keine objektive Zurechnung wegen völliger Atypik des Kausalverlaufs.
Überholende/ abbrechende Kausalität
Die "überholende" Bedingung ist allein ursächlich für den Erfolg (zuvorgekommen).
Aber: Vorverhalten bleibt kausal, wenn die erste Bedingung noch wesentlich fortwirkt. Etwa wenn vorherige Handlung Bedingung für das Eingreifen eines anderen Täter ist (Bedingungstheorie). Aber: Objektive Zurechnung (-)
Hypothetische Kausalität
Der Erfolg wäre auch durch eine andere Ursache eingetreten.
Entscheidend: konkreter Erfolg. Hypothetische Ersatzursachen müssen außer Betracht bleiben.
Objektive Zurechnung
Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn das ursächliche Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.
Unrecht soll von Unglück unterschieden werden.
Objektive Zurechnung: rechtlich relevantes Risiko
fehlt bei:
1) Schaden außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens
2) Risikoverringerung:
a) Keine Risikoverringerung wenn neue Gefahr gesetzt wird.
b) Objektive Zurechnung auch (+) wenn anderes Rechtsgut getroffen wird (aber Rechtfertigung möglich, § 904 BGB, § 34 StGB)
Objektive Zurechnung: Risikozusammenhang
Objektive Zurechnung (-), wenn Risikozusammenhang (-) Bei:
1) Atypischer Kausalverlauf
2) Schutzzweck der Norm
3) Fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang
4) Freiverantwortliche Selbstschädigung
5) Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten
6) Modifizierung der Naturkausaität
Atypischer Kausalverlauf @ Objektive Zurechnung: Risikozusammenhang
Wenn Erfolg nach gewöhnlichem Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht mehr in Rechnung zu stellen ist.
Schutzzweck der Norm @ Objektive Zurechnung: Risikozusammenhang
Schutzzweck der Norm nicht verletzt, wenn sich im Erfolg nicht das verbotene, sondern ein anderes Risiko verwirklicht hat (Höchtgeschwindigkeit überschritten und anderenorts jemanden trotz eingehaltener Geschwindigkeit überfahren; Schutzzweck der Norm umfasst nur das Verhalten im konkreten Straßenbereich).
Fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang @ Objektive Zurechnung: Risikozusammenhang
Liegt vor, wenn der durch eine sorgfaltswidrige Handlung herbeigeführte Erfolg auch dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre, wenn der Täter sich pflichtgemäß verhalten hätte.
Eine Ansicht (h.M.) nach besteht dann kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang: Objektive Zurechnung (-). Gilt auch wenn Erfolg nur möglicherweise eingetreten wäre (on dubio pro reo).
Nach der sog. Risikoerhöhungslehre (Mm) ist ein Verhalten aber immer objektiv zurechenbar, wenn die in ihm liegende Sorgfaltspflichtverletzung das Risiko des eingetretenen Erfolges gegenüber dem erlaubten Risiko erhöht hat. Gegen diese Ansicht spricht, dass sie den in dubio pro reo-Grundsatz einschränkt und Verletzungsdelikte contra legem als Gefährdungsdelikte behandelt.
Freiverantwortliche Selbstschädigung @ Objektive Zurechnung: Risikozusammenhang
Straftatbestände sollen den Rechtsinhaber vor Eingriffen Dritter bewahren, nicht aber vor sich selbst beschützen.
Freiverantwortliche Selbstschädigung von einverständlicher Fremdschädigung abzugrenzen.
Probleme:
a) Fremdtötung in mittelbarer Täterschaft (Sirius-Fall): BGH: Aufgrund überlegenen Wissens als Werkzeug gegen sich selbst gerichtet. (vers. Tötung in mittelbarer Täterschaft, § 25 2. Alt. StGB)
b) Fremdtötung auf Verlangen durch Unterlassen der erforderlichen Rettungsmaßnahmen: BGH spaltet Tatgeschehen auf: Frau ab dem Zeitpunkt der Bewusstlosigkeit verpflichtet Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Lit.: Verneint Strafbarkeit (weil..) Aber noch 323c zu prüfen: Zumutbarkeit bei eigenverantwortlicher Selbsttötung aber dann (-)
c) Der einseitig fehlgeschlagene Doppelsuizid (Autoabgas-/Giselafall): Rspr.: Tötung auf Verlangen weil dominante Stellung inne. Lit.: Tatherrschaft nicht gegeben, Opfer stand es frei den Wagen zu verlassen, nicht gezwungen.
Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten @ Objektive Zurechnung: Risikozusammenhang
Verantwortung des Erstverursachers endet, wenn Dritter neue selbstständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründet, die sich auch allein im Erfolg realisiert: Vorsatztat, im Krankenhaus Behandlungsfehler: Im Normalfall nicht mit groben Behandlungsfehlern zu rechnen, so dass dieser als ein neues Risiko zu bejahen ist. Objektive Zurechnung (-)
Modifizierung der Naturkausaität @ Objektive Zurechnung: Risikozusammenhang
Risikozusammenhang auch dann (-) wenn Modifizierung der Naturkausaliität (umgeleitet auf anderes Gleis, aber so oder so von Lawine erfasst worden)
Vorsatz
Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner Tatumstände.
Vorsatz erfordert Wissen (intellektuelles Element) und Wollen (voluntatives Element) der Tatbestandsverwirklichung.
Vorsatzformen
1) Absicht: dolus directus 1. Grades
2) Direkter Vorsatz: dolus directus 2. Grades
3) Eventualvorsatz: dolus eventualis
4) Alternativer Vorsatz: dolus alternativus
[5) dolus subsequens]
Absicht (dolus directus 1. Grades)
Unter Absicht ist der zielgerichtete Erfolgswille zu verstehen, der zugleich Motiv des Handelns sein kann, damit aber nicht zwangsläufig identisch ist.
Wollen dominiert.
Direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades)
Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß, oder als sicher vorhersieht, dass sein Handeln zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt.
Wissen dominiert.
Unschädlich wenn dem Täter Folge seines Handelns unerwünscht ist.
Eventualvorsatz (dolus eventualis)
Möglichkeitstheorie: dolus eventualis (+), wenn Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung erkannt und dennoch gehandelt. Aber: Zu weit; dehnt Vorsatz zu weit in den Bereich der bewussten Fahrlässigkeit aus.
Wahrscheinlichkeitstheorie: dolus eventualis (+), wenn der Täter die die Rechtsgutsverletzung für wahrscheinlich hält (mehr als möglich und weniger als überwiegend wahrscheinlich). Aber: Auch diese Theorie geht fehl, da sie zu einer klaren Grenzziehung außer Stande ist.
Billigungstheorie (h.M.): dolus eventualis (+), wenn Täter den für möglich gehaltenen Erfolg billigend in Kauf genommen habe. Auch dann, wenn der Erfolg dem Täter unerwünscht ist, er sich jedoch mit ihm abgefunden hat.
Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter es ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass sein Verhalten zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt.
Der Unterschied zur bewussten Fahrlässigkeit liegt darin, dass er die Folge hinnimmt und sich mit dem Risiko der Tatbestandsverwirklichung abfindet ("und wenn schon"), während er bei bewusst fahrlässigem Handeln auf das Nichtvorliegen des betreffenden Tatumstandes oder sonst auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut ("wird schon gut gehen").
Alternativer Vorsatz (dolus alternativus)
Ein alternativer Vorsatz liegt vor, wenn der Täter bei Vornahme einer bestimmten Handlung nicht weiß, ob er dadurch von zwei sich ausschließenden Tatbeständen oder Erfolgen den einen oder den anderen verwirklicht, jedoch beide Möglichkeiten in Kauf nimmt.
1) Tatschwere annähernd gleich: Versuchsstrafbarkeit bzgl. anderem Delikt abgegolten.
2) Unrechtsgehalt wiegt schwerer: Tateinheit zwischen vollendeter Vorsatztat und dem Versuch des anderen Delikts.
3) Kein Delikt vollendet: wegen Versuchs nach dem schwersten Delikts zu bestrafen; im Übrigen Tateinheit.
Klausurrelevanz gering.
dolus subsequens
Spätere Bejahung des Tatverlaufs (sog. dolus subsequens) reicht für den Tatvorsatz nicht aus.
Für den Vorsatz gilt ebenso das Simultanitätsprinzip. Der Vorsatz muss gem. § 16 i.V.m. § 8 StGB bei Tatbegehung vorliegen.
Irrtümer im subjektiven Tatbestand
1) Tatbestandsirrtum
2) error in persona vel objecto
3) aberratio ictus
4) Irrtum über privilegierende Tatbestandsmerkmale, § 16 II StGB
Tatbestandsirrtum
§ 16 StGB
Ein Tatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Täter irrig Umstände für gegeben hält, bei deren Vorliegen der Tatbestand nicht erfüllt wäre.
Keine Strafbarkeit wegen Vorsatztat (§ 16 I 1 StGB), aber Fahrlässigkeit bleibt möglich (§ 16 I 2 StGB).
Aber: Wenn kein Irrtum über die Sachlage, sondern Irrtum über die Rechtslage --> unbeachtlicher Subsumtionsirrtum, Vorsatz (+) (Bsp.: Nicht wissen, dass Klausur = Urkunde)
Für den Tatbestandsvorsatz ist nicht erforderlich, dass der Täter den ihm bekannten Sachverhalt juristisch exakt unter das Gesetz subsumiert, da sonst nur Juristen vorsätzlich handeln könnten. Der Täter muss daher nur die subsumierbaren Umstände kennen, den Subsumtionsvorgang selbst muss er nicht nachvollziehen. (unbeachtlicher Subsumtionsirrtum aber mögl. bei Schuld Bedeutung, wenn er dem Täter die Einsicht nimmt Unrecht zu tun, so dass (direkter) Verbotsirrtum, § 17 StGB).
Aberaber: auch bei normativem Tatbestandsmerkmal?
Normative Tatbestandsmerkmale sind solche, die der Rechtssprache entstammen und eine rechtliche Wertung beinhalten (die also nur unter der logischen Voraussetzung einer Norm gedacht werden können). (Was fremd ist, erklärt sich erst, wenn man eine rechtliche Vorstellung vom Eigentum hat). --> Bsp.: fremd, zuständig (§§ 153, 154)
Deskriptive Tatbestandsmerkmale sind solche, die durch einfache Beschreibung zum Ausdruck bringen, was unter den Tatbestand fällt (die schon vor jeder normativen Ordnung wie Gesetzen, Moral und Gebräuchen existierten und nicht von dieser Ordnung abhängig sind). --> Bsp.: wegnehmen, Sache, Haus, Mensch, Tod, beweglich
Deskriptive TbM: Vorsatz erfordert hier nur Tatsachenkenntnis (und dass der natürliche Sinngehalt erfasst wird, Bsp: Luft aus KFZ-Reifen: irrige Ansicht mangels Substanzverletzung keine Beschädigungshandlung, Subsumtionsirrtum (+) aber Tatbestandsirrtum (-), weil richtig erkannt, dass bestimmungsgemäße Brauchbarkeit beeinträchtigt) und entfällt gem. § 16 nur bei fehlender Tatsachenkenntnis nicht aber fehlender Rechtskenntnis. (oben, nicht wissen, dass Klausur = Urkunde)
Normative TbM: Vorsatz erfordert Tatsachenkenntnis und Rechtskenntnis nach Laienart (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre). Vorsatz entfällt gem. § 16 StGB bei fehlender Tatsachenkenntnis und bei fehlender Rechtskenntnis.
error in persona vel objecto
Irrtum über das Handlungsobjekt: Fehlvorstellung, die sich auf die Identität oder sonstige Eigenschaften des Tatobjekts oder der betreffenden Person bezieht.
a) Bei Gleichwertigkeit der Tatobjekte (Identitätsverwechslung): Irrtum unbeachtlich.
b) Bei Ungleichwertigkeit der Tatobjekte (Objektsverwechslung): Irrtum beachtlich.
Klausur:
1. Tatbestandsirrtum? Nein, bei vorgestellter Sachlage hätte Tatbestand gleichwohl erfüllt werden können. Irrtum über die Identität des Handlungsobjektes lässt Vorsatz unberührt. Im Unterschied zu den Fällen der aberratio ictus, das Objekt verletzt auf das der Vorsatz des Täters im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich bei Vornahme der Tathandlung gerichtet war. Angriffs- und Verletzungsobjekt sind identisch.
2. Versuch: Im für den Vorsatz maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich bei Vornahme der Tathandlung, war Vorsatz nicht auf A sondern auf B gerichtet. Würde man neben dem Mord an B noch einen Mordversuch an A annehmen, würde der Vorsatz doppelt verwertet werden. Der Vorsatz des T hat sich „verbraucht“.
Sind das gedachte und das tatsächlich getroffene Zielobjekt ungleichwertig, so hat sich der Täter hinsichtlich des gedachten Opfers wegen Versuchs und hinsichtlich des tatsächlich getroffenen Opfers wegen eines entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikts strafbar gemacht – natürlich nur, soweit für den jeweiligen Straftatbestand eine Versuchsstrafbarkeit oder ein Strafnorm für die fahrlässige Tatbegehung besteht.
die aberratio ictus
Fehlgehen der Tat: Gewollte Verletzung bleibt aus, nicht-gewollte Verletzung tritt ein.
Die Gleichwertigkeitstheorie (Mm) stellt darauf ab, dass das Gesetz lediglich die Tötung eines anderen verlange und das Opfer gattungsmäßig mit dem anvisierten Ziel übereinstimme. Bei Gleichwertigkeit der Objekte ist daher eine vollendete vorsätzliche Tötung anzunehmen.
Nach der Individualisierungstheorie (h.M.) ist zu berücksichtigen, dass der Täter seinen Vorsatz auf ein anderes als das getroffene Objekt individualisiert hatte. Daher müsse bei Vorliegen einer aberratio ictus der Vorsatz hinsichtlich des tatsächlich verletzten Objekts entfallen.
Die Gleichwertigkeitstheorie setzt sich über den individualisierten Tötungsvorsatz des Täters hinweg. Der Täter hatte sein Objekt aber individualisiert und wollte gerade nicht die Gattung Mensch verletzen. Der fehlende Vorsatz zur Verletzung des getroffenen Dritten kann nicht durch die Vorstellung irgendeinen Menschen zu töten, ersetzt werden. Vorzugswürdig daher Individualisierungstheorie (h.M.).
Aber: Wenn Täter das Fehlgehen der Tat für möglich gehalten hat und sich mit eventueller Verletzung des Zweitobjekts abgefunden hat Eventualvorsatz (+)
Irrtum über privilegierende Tatbestandsmerkmale, § 16 II StGB
Bsp.: Unbedachte Äußerung versteht Tochter als Todeswunsch. Eigentlich § 212 I StGB (+), aber § 16 II StGB (+), deswegen § 212 I StGB (-) und § 216 StGB (+)
Das vorsätzliche Begehungsdelikt
I. Objektiver Tatbestand
1) Taugliches Tatobjekt; bei Sonderdelikten: tauglicher Täter (z.B. Amtsdelikte §§ 331 ff. StGB)
2) Erfolgseintritt (bei Erfolgsdelikten)
3) Tathandlung
4) Kausalität
5) Objektive Zurechnung
II. Subjektiver Tatbestand
1) Vorsatz
2) Eventuell erforderliche Absicht
III. Rechtswidrigkeit
Insbesondere:
1) Notwehr (§ 32 StGB)
2) Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)
3) Einwilligung
IV. Schuld
Insbesondere:
1) Schuldfähigkeit
2) Entschuldigungsgründe
V. Strafausschließungsgründe (z.B. Strafvereitelung, § 258 V, VI StGB) oder Strafaufhebungsgründe (z.B. Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten, § 139 III 1 StGB)
VI. Benannte Strafzumessungsgründe (insbesondere Regelbeispiele, z.B. § 243 I 2 StGB)
VII. Strafantrag (§§ 77 ff. StGB)
Rechtswidrigkeit
Eine Handlung ist rechtswidrig, wenn sie einen Unrechtstatbestand verwirklicht und nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist.
Rechtfertigungsgründe
1) Notwehr, § 32 StGB
2) Defensiv- und Aggressivnotstand, §§ 228, 904 BGB
3) Rechtfertigender Notstand, § 34 StGB
4) Festnahmerecht, § 127 I StPO
5) Einwilligung
6) Mutmaßliche Einwilligung
Exkurs: Ungeschriebenes elterliches Züchtigungsrecht (-) wegen § 1631 II BGB
Notwehr
§ 32 StGB, birgt die Überlegung, dass der Angegriffene den Schutz von Rechtsgütern im Notfall selbst in die Hand nehmen darf (Selbstschutzprinzip) und zum anderen, dass die Rechtsordnung gegenüber dem Angreifer zu verteidigen ist (Rechtsbewährungsprinzip).
1) Notwehrlage (gegenwärtiger rechtswidriger Angriff)
2) Notwehrhandlung (gegen den Angreifer, objektiv erforderlich und normativ geboten)
3) Verteidigungswille (muss in Kenntnis und aufgrund der Notwehrlage gehandelt haben)
Notwehrlage
Notwehrlage (+), wenn gegenwärtiger rechtswidriger Angriff: objektiv ex post zu betrachten, also nach den tatsächlichen Umständen, wie sie sich nachträglich herausgestellt haben, aber: in dubio pro reo.
Notwehrlage, Voraussetzung 1
1) Angriff ist jede durch menschliches Verhalten (keine Tiere!) drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen.
Auch Unterlassen kann Angriff sein, wenn es nach § 13 StGB dem Tun gleichsteht oder wenn das Unterlassen durch irgendeine straf- oder ordnungsrechtlich sanktionierte Pflicht gerügt ist (Autofahrer weigert sich; lässt man § 323 c StGB als ordnungsrechtlich sanktionierte Pflicht genügen, läge ein Angriff des Autofahrers durch Unterlassen vor und der Fahrradfahrer darf mit Gewalt die Herausgabe des Fahrzeugs erzwingen; lehnt man dies ab und fordert Garantenstellung: Rechtfertigung über § 34 StGB).
Notwehr zugunsten der Rechtsgüter Dritter = Nothilfe
Problem: Notwehrfähigkeit von Rechtsgütern der Allgemeinheit
Notwehrfähigkeit ist grundsätzlich jedes Rechtsgut und rechtlich anerkanntes Interesse. Bspw. öffentliche Sicherheit und Ordnung oder Tierschutz begründen jedoch keine notwehrfähigen subjektiven Rechte des Bürgers. Ihr Schutz ist Aufgabe der Staatsorgane: Insofern kommt nur § 34 StGB in Betracht
Notwehrlage, Voraussetzung 2
Gegenwärtig ist der Angriff, der unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch fortdauert. Nicht gegenwärtig ist ein beendeter, fehlgeschlagener, aufgegebener oder vollständig durchgeführter Angriff.
Präventivmaßnahmen von § 32 StGB nicht gedeckt.
Beispielsfälle:
- Diebstahl/Raub erst beendet, wenn der Täter gesicherten und gefestigten Gewahrsam erlangt haben. Bis zur Beendigung der Tat ist der Angriff also gegenwärtig.
- Sachbeschädigung mit Eintritt des Schädigungserfolges beendet, es sei denn es droht Wiederholung
- Angriff auf körperliche Unversehrtheit mit Vornahme der Verletzungshandlung beendet und nicht mehr gegenwärtig, es sei denn es droht Wiederholung
- Beleidigung mit Ausspruch der Äußerung vollständig durchgeführt und nicht mehr gegenwärtig, es sei denn eine Wiederholung droht.
Notwehrlage, Voraussetzung 3
Rechtswidrig ist jeder Angriff, der den Bewertungsnormen des Rechts objektiv zuwiderläuft und nicht durch einen Erlaubnissatz gedeckt ist.
Gegebenenfalls Inzidentprüfung ob Angreifer seinerseits durch Rechtfertigungsgrund gedeckt ist: Keine Notwehr gegen Notwehr!
Notwehrhandlung
Notwehrhandlung muss sich gegen den Angreifer richten, objektiv erforderlich und normativ geboten sein.
Notwehrhandlung, Voraussetzung 1
1) muss sich gegen den Angreifer, nicht gegen Rechtsgüter Dritter richten.
Notwehrhandlung, Voraussetzung 2
2) Erforderlich ist die Handlung, wenn sie geeignet ist, den Angriff abzuwehren und darüber hinaus von mehreren gleichwirksamen Mitteln, das mildeste zur Verfügung stehende Gegenmittel ist. Geeignet ist ein Mittel, wenn es grundsätzlich in der Lage ist, den Angriff entweder zu beenden oder ihm ein wesentliches Hindernis in den Weg zu legen.
Mildestes Mittel: Angegriffener muss nicht das Risiko einer unzureichenden Abwehrhandlung tragen: Bei der Erforderlichkeitsprüfung sind also nur Art und Stärke des Angriffs einerseits und andererseits die Auswahl der Verteidigungsmittel, die dem Angegriffenen zur Verfügung stehen, entscheidend ("sog. Kampflage"). Eine Verhältnismäßigkeit muss also nur zwischen Angriff und Abwehr, nicht aber zwischen dem Rang der beteiligten Rechtsgüter bestehen. Im Zweifel bei der Wahl der Abwehrmittel in dubio pro reo. Da sich der Angegriffene nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 StGB verteidigen darf, das Recht dem Unrecht also nicht zu weichen braucht, sind Nachgeben, Ausweichen und Flucht als Handlungsalternativen bei der Erforderlichkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Zudem gehen Risiken, die sich aus der typischen Gefährlichkeit des Verteidigungsmittels ergeben, zu Lasten des Angreifers. (Bei Schusswaffen: 1. Androhung (ggf. Warnschuss, 2. möglichst geringe Gefährlichkeit (Schuss ins Bein), 3. tödlicher Waffeneinsatz als ultima ratio zulässig) Einsatz einer Waffe ist grundsätzlich anzudrohen --> entfällt wenn Androhung/ Warnschuss aufgrund der Bedrohlichkeit der Situation nicht mehr als gleich geeignete Handlungsalternativen erscheinen. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang muss sich der Angegriffene nicht einlassen. Ist obrigkeitliche Hilfe rechtzeitig zu erreichen, so muss der Täter zunächst versuchen, diese in Anspruch zu nehmen.
Erforderlichkeit der Verteidigung ist ex ante zu beurteilen! Maßgebend ist, wie ein besonnener Dritter in der Lage des Angegriffenen die im Zeitpunkt des Angriffs gegebenen und objektiv erkennbaren Umstände beurteilt hätte.
Notwehrhandlung, Voraussetzung 3
3) Geboten ist eine Verteidigungshandlung, die nicht in krassem Missverhältnis zum drohenden Schaden steht und daher nicht missbräuchlich ist.
(Gegebenenfalls zunächst defensive Schutzwehr, erst dann aggressive Trutzwehr geboten! Bsp.: Gelähmter Gartenbesitzer)
Da das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht, ist die erforderliche Notwehrhandlung grundsätzlich auch geboten. Außnahme: sozialethische Einschränkungen.
Das Notwehrrecht unterliegt sozialethischen Einschränkungen bei:
a) Notwehrprovokation (Absichtsprovokation): Liegt vor, wenn der Täter provoziert, damit der Provozierte ihn angreift und er sich unter dem Deckmantel der Notwehr verteidigen darf.
Rechtsfolge umstritten:
Eine Ansicht (Mm) verlangt, nur, dass der Angegriffene zunächst ausweicht. Genüge dies nicht, soll das Notwehrrecht trotzdem erhalten bleiben.
Diese Ansicht ist mit der Rechtsmissbrauchstheorie (hM) abzulehnen: Das Notwehrrecht entfällt in diesen Fällen gänzlich, da die Verteidigung rechtsmissbräuchlich ist und der Angegriffene in Wahrheit der Täter und damit nicht schützenswert ist.
b) Unabsichtliche (sonstige Provokation): Rechtsbewährungsinteresse verringert, daher 3-Stufen-Modell:
Hier ist auszuweichen, sodann defensive Schutzwehr vorzuziehen und erst dann aggressive Trutzwehr.
Fall Provozierter wehrt sich heftiger als erwartet: Hinsichtlich beabsichtigter Handlung Notwehrrecht (-), Rechtsmissbrauchstheorie. Hinsichtlich darüber hinausgehender Folgen --> unbeabsichtigte Provokation: 3-Stufen-Modell.
c) Weitere Einschränkungen: in familiären Verbindungen, Tätlichkeiten geringer Intensität (Abwehr nur unerheblicher Angriffe auf Sachgüter mit lebensbedrohlichen Verteidigungsmitteln; Grenze bei ca. 500 €), Angriffe von Betrunkenen und Kindern. Auch hier 3-Stufen-Modell.
Verteidigungswille
Der Täter muss in Kenntnis und aufgrund der Notwehrlage gehandelt haben.
Problem 1: Fehlender Verteidigungswille (Umgekehrter Erlaubnistatbestandsirrtum) Bsp.:Frau denkt will nur Kuss geben und schlägt ihn tot obwohl er sie eigentlich umbringen wollte.
Problem 2: Zwar Handeln in Kenntnis und aufgrund der Notwehrlage (kein Irrtum über die Sachlage), sondern Irrtum über die Rechtslage (weil seiner rechtlichen Fehleinschätzung nach kein Notwehrrecht o.ä.). Bsp.: T glaubt wegen Provokation steht ihm kein Notwehrrecht zu, auch gegen Angriff auf sein Leben, tut es aber).
subjektives Rechtfertigungselement (Verteidigungswille), Problem 2
Problem 2: Zwar Handeln in Kenntnis und aufgrund der Notwehrlage (kein Irrtum über die Sachlage), sondern Irrtum über die Rechtslage (weil seiner rechtlichen Fehleinschätzung nach kein Notwehrrecht o.ä.). Bsp.: T glaubt wegen Provokation steht ihm kein Notwehrrecht zu, auch gegen Angriff auf sein Leben, tut es aber). T hat damit die rechtlichen Grenzen des Notwehrrechts zu seinem Nachteil verkannt (umgekehrter Erlaubnisirrtum). Dieser umgekehrte Rechtsirrtum ist als Wahndelikt unbeachtlich.
Aber: Wenn der Täter trotz vorangegangener Provokation gerechtfertigt ist und daher nicht wegen der Vorsatztat haftet, ist immer anschließend das entsprechende Fahrlässigkeitsdelikt zu prüfen!
Unter objektive Fahrlässigkeit unter Sorgfaltspflichtverletzung Bezug auf Provokation nehmen, denn an die Ausführung der Verletzungshandlung kann der Fahrlässigkeitsvorwurf nicht geknüpft werden, da diese Handlung gerechtfertigt ist und ein und dasselbe Verhalten nicht gerechtfertigt und gleichzeitig sorgfaltswidrig sein kann. Vorhersehbarkeit des Erfolges (-), weil auf Provokation mit Angriff auf Leben reagieren liegt außerhalb dessen, was nach allgemeiner lebenserfahrung voraussehbar ist. Die vernunftwidrige Handlungsweise muss aus der Sicht eines besonnenen Menschen nicht in Rechnung gestellt werden.
Bei der Vorhersehbarkeit gilt zwar der Maßstab eines besonnenen Dritten, etwaiges Sonderwissen muss der Täter aber gegen sich gelten lassen.
Aber i.d.R. objektive Zurechenbarkeit (-), weil sich im Erfolgseintritt nicht die rechtlich missbilligte Gefahr verwirklicht hat, die der Täter durch seine Sorgfaltspflichtverletzung geschaffen hat. (Provokationshandlung: Beleidigung o.ä.)