Sachenrecht 6 - Der Besitz
Studer/Sigerist, Übungsbuch Sachenrecht, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2012 Allgemeines, Arten des Besitzes, Erwerb des Besitzes, Verlust des Besitzes, Bedeutung des Besitzes
Studer/Sigerist, Übungsbuch Sachenrecht, 2. Aufl., Orell Füssli, Zürich 2012 Allgemeines, Arten des Besitzes, Erwerb des Besitzes, Verlust des Besitzes, Bedeutung des Besitzes
Kartei Details
Karten | 32 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Recht |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 23.03.2016 / 16.06.2025 |
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1. Nennen Sie die Elemente, die für den Begriff des Besitzes an einer Sache erfüllt sein müssen?
- tatsächliche Gewalt (räumliche Nähe, nach Verkehrsanschauung in der Einflussphäre)
- Wille zur Sachherrschaft
2. Erklären Sie den Unterschied zwischen dem Besitz und den dinglichen Rechten
Besitz ist kein dingliches Recht.
Er vermittelt kein absolutes Recht (dauerndes) an einer Sache, sondern nur vorübergehende Rechte.
3. Nennen und erklären Sie zwei Funktionen, die dem Besitz zukommen.
- Besitzesschutz (Defensivwirkung; ZGB 926-929)
- Eigentumsübertragung an Fahrnis (Translativwirkung; ZGB 714 I)
- (Eigentums-)Vermutungswirkung (ZGB 930)
- Rückforderungsrecht (Offensivwirkung; Art. 934 ZGB)
4. Was ist der Unterschied zwischen Sachbesitz und Rechtsbesitz?
ZGB 919 I: wer den Willen zur Sachherrschaft hat und tatsächliche Gewalt darüber hat, hat Sachbesitz
ZGB 919 II: wer aus einer Grundlast oder einer negativen Dienstbarkeit (Grunddienstbarkeit/Personaldienstbarkeit an einem Grundstück) berechtigt ist, hat Rechtsbesitz
5. Was ist der Unterschied zwischen selbstständigem und unselbstständigem Besitz?
Selstständiger Besitz: Wer die Sache als Eigentümer besitzt (ZGB 920 II; das Besitzer tatsächlich Eigentümer ist, ist nicht vorausgesetzt).
- Besitzer & Eigentümer einer Sache
- Besitzer, der sich für den Eigentümer einer Sache hält/als solcher auftritt
Unselbstständiger Besitz: Wer eine Sache nicht als Eigentümer sondern aufgrund eines beschränkten dinglichen oder persönlichen Recht besitzt.
- Der Berechtigte eines beschränkt dinglichen Rechts in Bezug auf die Sache
- Der Inhaber eines obligatorischen Rechts mit Sachbezug (z.B. Mieter einer Wohnung)
6. Nennen Sie drei Beispiele von unselbstständigem Besitz.
- Mieter gegenüber dem Vermieter
- Nutzniesser einer Sache gegenüber dem Eigentümer einer Sache
- Pfandgläubiger gegenüber dem Eigentümer einer Sache
- Bank, die Wertschriften für Eigentümer verwaltet
7. Was ist der Unterschied zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz?
unmittelbarer Besitz: Wer die direkte Sachherrschaft ausübt
mittelbarer Besitz: Wer die Sachherrschaft nur indirekt, über eine andere Person ausübt
pro memoria:
Mittelbarer Besitz spielt insbesondere bei der Übertragung einer Sache durch Besitzanweisung , beim Besitzesschutz un dBesitzrechtsschutz eine Rolle.
8. Nennen Sie drei Beispiele von mittelbarem Besitz.
- Eigentümer eines Faustpfandes
- Vermieter einer Sache
- Eigentümer einer mit einer Nutzniessung belasteten Sache (in Bezug auf die Nutzniessungsrechte)
9. Was ist der Unterschied zwischen Eigenbesitz und Fremdbesitz?
Eigenbesitz: Wer die tatsächliche Sachherrschaft über sein Eigentum ausübt.
Fremdbesitz: Wer die tatsächliche Herrschaft über eine fremde Sache ausübt (z.B. Faustpfandgläubiger).
9a. Was ist der Unterschied zwischen Fremdbesitz und unselbstständigen Besitz resp. Eigenbesitz und selbstständigem Besitz?
die Begriffe sind deckungsgleich
10. Nennen Sie drei Beispiele für Fremdbesitz.
- Faustpfandgläubiger
- Pächter
- Nutzniesser
11. Was ist der Unterschied zwischen Mitbesitz i.e.S. und Gesamtbesitz?
Gesamtbesitz: Mehrere Besitzer können nur gemeinsam die tatsächliche Sachherrschaft ausüben
Mitbesitz: Mehrere Besitzer können jeder für sich die tatsächliche Sachherrschaft ausüben
pro memoria:
unerheblich ist, ob sie alleine/nur gemeinsam über die Sache verfügen dürfen
12. Was ist ein Besitzdiener?
Wer den Besitz im Namen und für Rechnung eines anderen (dem Besitzer) ausübt, ohne selbser Rechte auf die Sache geltend zu machen.
12a. Was ist ein Besitzmittler?
Der unselbstständige unmittelbare Besitzer wird auch Besitzmittler genannt (Stark, BK ZGB 920 N 7). Er hat ein eigenes
Recht auf den Besitz an der Sache und ist daher nicht nur Besitzdiener.
Die tatsächliche Gewalt des mittelbaren selbstständigen Besitzers (keine Sachherrschaft, als Eigentümer) wird durch den unmittelbaren unselständigen Besitzer (tatsächliche Sachherrschaft, als Nichteigentümer) vermittelt.
13. Nennen sie zwei Beispiele eines Besitzdieners.
- Die Post in Bezug auf ihre Packete
- Kellner der den Wein serviert
- Putzfrau in Bezug auf das Mobiliar
14. Was ist eine offene Besitzlage?
Wenn zwischen dem Berechtigten und der Sache eine lockere räumliche Beziehung besteht, also auch andere Personen eine tatsächliche Herrschaft über die Sache ausüben könnten.
15. Nennen Sie zwei Beispiele einer offenen Besitzlage.
- Geschlagenes Holz, dass im Wald liegt
- gestapeltes Baumaterial auf dem Bauplatz (nicht abgesperrt/unzugänglich gemacht)
16. In welchem Zusammenhang ist die offene Besitzlage von Bedeutung?
bei der Besitzübertragung durch die longa manu traditio.
17. In welchem Moment erlangen die Erben des verstorbenen Eigenbesitzers eine eigene Besitzerstellung?
Die Erben erhalten kraft Gesetz durch Universalsukzession im Zeitpunkt des Todes des Erblassers den gleichen (originären oder derivaten) Besitz, den der Erblasser hatte (ZGB 560 II).
Eine tatsächliche Sachherrschaft ist damit nicht nötig.
18. In welcher Situation spricht man von derivativem Erwerb des Besitzes?
Wenn der eigene Besitzerwerb vom Besitz eines früheren Besitzers abgeleitet ist.
Er liegt vor, wenn der Besitz mit Willen des früheren Besitzers auf den neuen Besitzer übergeht (z.B. durch physische Übergabe von Fahrnis)
19. Was versteht man unter den Traditionssurrogaten?
Wenn der Besitz einer Sache ohne Übergabe erworben wird, muss anstelle der Übergabe (traditio, Tradition) ein Traditionssurrogat treten, um den Besitz zu übertragen.
Dies geschieht durch Austausch übereinstimmender Willenserklärungen (sog. Besitzvertrag).
20. Nennen Sie drei Traditionssurrogate.
- Übertragung der offenen Besitzlage (longa manu traditio; ZGB 922 II)
- Besitzübertragung kurzer Hand (brevi manu traditio; nicht gesetzlich geregelt)
- Besitzanweisung (ZGB 924 I 1. Fall)
- Besitzeskonstitut (constitutum possessorium; ZGB 924 I 2. Fall)
21. Wie wird der Besitz an Sachen, die in einem Lagerhaus liegen oder sich auf dem Transport befinden übertragen?
Sonderfall der Besitzanweisung (ZGB 924 I 1. Fall): Übergabe von Warenpapiere (ZGB 925)
Statt der tatsächlichen Sachherrschaft resp. einem Traditionssurrogat kann eine besondere Urkunde (Konnossement, Lagerschein, Ladeschein) übergeben werden.
22. In welcher Situation spricht man von originärem Erwerb des Besitzes?
Wenn der eigene Besitz unabhängig vom Besitz des früheren Besitzers erworben wurde.
23. Nennen Sie drei Beispiele von originärem Erwerb des Besitzes.
- Fund
- Aneignung
- Ersitzung
- Zuführung
24. Nennen Sie drei Fälle, die zum Untergang des Besitzes führen.
- Wenn der Wille zur Sachherrschaft aufgegeben wird (z.B. bei Übertragung, Dereliktion)
- Wenn die tatsächliche Sachherrschaft dauerhaft verloren geht (nicht aber der vorübergehende Verlust ZGB 921)
Die Tatbestände des Besitzesverlusts ergeben sich durch argumentum e contrario aus ZGB 921.
25. Was kann der Berechtigte mit der Besitzesschutzklage verlangen?
ZGB 927:
Ziel: Rückgabe der Sache oder Beseitigung/Unterlassung einer Störung (Bewahrung/Wiederherstellung der tatsächlichen Situation)
Aktivlegitimation: bisherige/gestörter Besitzer
Passivlegitimation: neuer Besitzer/Störer
Voraussetzungen:
- (vormaliger) Besitz
- Entziehung/sonstige Störung
- verbotene Eigenmacht (widerrechtlich)
26. Wann hat eine Besitzesschutzklage keinen Erfolg?
Wenn der Entzieher/Störer ein besseres Recht an der Sache beweisen kann (ZGB 927 II).
Beispiel:
Ein Hund wird gestohlen und die Eigentümerin holt sich das Tier heimlich zurück. Der Dieb kann gestützt auf seinen vormaligen Besitz nicht gegen das bessere Recht der Eigentümerin durchsetzen.
27. Welche zwei gesetzlichen Vermutungen gelten für den Besitzer einer Fahrnissache?
Es wird vermutet, dass der selbstständige (als oder wie Eigentümer) Besitzer Eigentümer der Sache ist.
Es wird vermutet, dass der unselbstständige Besitzer ein dingliches oder obligatorisches Recht an der Sache hat (wenn er dies behauptet)
28. Was versteht man unter der Defensivwirkung des Besitzesrechtsschutzes?
ZGB 932: Der Besitzer einer Sache muss nur den Besitz der Sache geltend machen, welche die Vermutung seines Eigentums/seines dinglichen oder obligatorischen Rechts nachsichzieht.
Es ist mit anderen Worten muss bei der Klage auf Herausgabe der Sache/Unterlassung einer Störung der nichtbesitzende Kläger beweisen, dass kein Recht des Beklagten auf Besitzes besteht.
29. Was versteht man unter der Offensivwirkung des Besitzesrechtsschutzes?
Dem bisherigen Besitzer ist es erlaubt die Sache vom gegenwärtigen Besitzer herauszuverlangen (ZGB 933 ff.).
Er muss dazu nachweisen, dass er ein besseres Recht an der Sache hat. Insbesondere weil:
- der momentane Besitzer den Besitz bösgläubig erwarb
- die Sache dem bisherigen Besitzer gegen seinen Willen abahnden kam
pro memoria:
Die Besitzesrechtsklage (Offensivwirkung) bezieht sich immer nur auf Fahrnis, niemals auf Grundstücke (deshalb auch Fahrnisklage)
30. Nennen Sie zwei Unterschiede zwischen Besitzesschutz und dem Besitzesrechtschutz.
Klagen aus Besitzesschutz (ZGB 926 ff.):
- sind zulässig bei Fahrnis und Gründstücken
- stützt sich auf den Besitz als solchen
- nur zulässig wenn der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wird
- Klagefrist: ZGB 929 (Verwirkungsfrist)
- relativ: sofort nach Kenntnis des Eingriffs & Täters
- absolut: 1 Jahr nach Eingriff
Besitzesrechtsklage (ZGB 934-936):
- ist nur zulässig bei Fahrnis (bei Grundstücken, Vermutung nach ZGB 937)
- stützt sich auf das im Besitz verkörperte Recht an der Sache/die gesetzliche Vermutung
- zulässig bei jedem unfreiwilligem Besitzverlust
- Klagefrist:
- 5 Jahre nach ab Besitzverlust (abhanden gekommene Sachen; ZGB 934 I)
- keine Frist (bösgläubiger Erwerb; ZGB 936 I)