Kriminologie I

Prüfungsfragen der Vorlesung Kriminologie I bei Prof. Dr. M. Killias an der Universität Zürich.

Prüfungsfragen der Vorlesung Kriminologie I bei Prof. Dr. M. Killias an der Universität Zürich.

Roland Schenkel

Roland Schenkel

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Langue Deutsch
Catégorie Criminologie
Niveau Université
Crée / Actualisé 06.07.2011 / 28.05.2023
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Warum haben die zahlreichen Massnahmen gegen Geldwäscherei den Drogenhandel und andere

profit-orientierte Kriminalitätsformen nicht zum Verschwinden gebracht?

Kriminelle haben es gar nicht nötig, Geld zu waschen, denn:

- Kriminelle (z.B. im Drogenhandel) verdienen gar nicht so viel

- was Kriminelle verdienen, wird umgehend verprasst

- Geld waschen muss nur, wer grössere Summen illegaler Einku?nfte anspart

und dann für kontrollierte Transaktionen (z.B. Kauf eines Hauses) ausgibt

Sind die Schweizer(innen) in Steuersachen eher ehrlich oder unehrlich? Bitte begründen Sie kurz Ihre Antwort.

eher ehrlich

- tiefste Rate der Schattenwirtschaft innerhalb der OECD (tiefe Arbeitslosigkeit,

weniger Anreiz zu Schwarzarbeit)

- tiefe MwSt (allgemein tiefere Steuern als andere Länder)

- wenig Korruption

Wofür eignen sich Polizeistatistiken eher:

- für einen Querschnitt-Vergleich (z.B. mit anderen Ländern, Regionen oder Städten)

- für einen Längsschnitt-Vergleich.

Bitte begründen Sie kurz Ihre Antwort.

für einen Längsschnitt-Vergleich

- Polizeistatistiken abhängig von Legaldefinitionen, Verfahrens- und

Zählregeln

- deshalb nicht geeignet für Querschnitt-Vergleiche (unterschiedliche

Polizeien)

- geeignet für Längsschnitt-Vergleich (immer gleiche Polizei), da dann

immer nach den gleichen Richtlinien erhoben wird

In der Schweiz treten Migrant(inn)en laut Statistiken häufiger als Tatverdächtige

und Verurteilte auf, als aufgrund ihres Anteils an der Bevölkerung zu

erwarten wäre. Warum?

Wie ist die tatsächliche Übervertretung von Migranten (im Vergleich zu ihrem Anteil an der Bevölkerung) zu verifizieren?

- Aufschluss geben Daten der CVS (Crime Victimization Surveys): messen

„reale“ Ausländerquote von Tätern bei Delikten, bei denen es zu einem

direkten Kontakt zwischen Täter und Opfer kommt (z.B. Gewaltdelikte)

- Übereinstimmung zwischen offiziellen Statistiken (z.B. Polizeistatistiken)

und CVS-Daten

- Folglich keine Diskriminierung durch Polizei und Justiz (aber: bis

jetzt keine integrierten Datenbanken zur Klärung dieser Frage)

- betreffend Anzeigeverhalten vor allem die Deliktsschwere, die Bekanntheit

des Täters und das Alter des Opfers entscheidend (eher angezeigt

werden schwere Delikte mit unbekannten Tätern und älteren Opfern)

Wie war die Entwicklung der folgenden Kriminalitätsformen im Verlauf der letzten 50 und der letzten 20 Jahre in der Schweiz und generell in Westeuropa:

- Raub

- Einbruch in Wohnungen

Erklären Sie kurz, wie es zu den von Ihnen vermuteten Entwicklungen kam.

Raub

-starke Zunahme (Explosion) in den letzten 50 Jahren (seit ca 1950)

-Stagnation/leichte Zunahme in den letzten 20 Jahren

Einbruch

-Zunahme in den letzten 50 Jahren

-Stagnation/leichte Abnahme in den letzten 20 Jahren am besten durch situative Faktoren erklärbar

-ab 1950: Konsumgesellschaft (Freizeitaktivitäten, Ausgang, elektronische

Geräte, etc.)

Raub

-Zunahme, da Leute mehr wertvolle Sachen auf sich tragen

-Stagnation, da Leute durch Aufkommen von Kreditkarten weniger Bargeld auf sich tragen

-Problem: Beschaffungskriminalität

Einbruch

-Zunahme, da mehr Wohnungen tagsüber (und auch abends) leer stehen, wegen

-Zunahme der Frauenarbeitsquote

-Zunahme von ausserhäuslichen Freizeit- und Ausgangsaktivitäten

-Zunahme, da elektronische Geräte handlicher wurden (geringeres Gewicht,

etc.)

-Stagnation, da Absatzmärkte für gestohlene Ware stark an Attraktivität

eingebüsst haben (gebrauchte elektronische Geräte bringen praktisch

nichts mehr ein)

-Abnahme durch bessere Sicherung des Objekt

Wie sollte man Korruption in Ländern, wo diese sehr verbreitet ist, bekämpfen?

Durch Verwaltungsreformen

- Korruption ist in erster Linie eine Folge gewisser Strukturen und nicht

„Charaktersache“

- Korruption entsteht bei einem Übermass an Kontrollmechanismen und

übertriebenen, aber im Einzelfall doch immer wieder unangemessenen,

Reglementierungen

- eine funktionierende Verwaltung hilft gegen Korruption

- es braucht eine demokratische Kontrolle über die Verwaltung: reale

Beschwerdemöglichkeiten und Sanktionen gegen fehlbare Beamte

Nach weit verbreiteter Ansicht sind Jugendliche mit geringen Geldmitteln eher geneigt, Diebstähle (z.B. in Läden) zu begehen. Trifft dies zu? Wie kann man sich die Befunde erklären?

Nein, trifft nicht zu

- mehr Geld heisst mehr Freiheit betreffend Freizeit (Ausgang etc.) und

dies führt eher zu mehr Kriminalität

Warum sollte die Strafe stets einen „Ausnahme“-Charakter bewahren? Was wäre die Folge, wenn alle „Sünder“ öffentlich sanktioniert würden?

Die sozialen Institutionen (resp. die Gesellschaft überhaupt) können nur

erhalten bleiben, wenn die Leute glauben, dass die (Rechts)Normen/Regeln

eingehalten werden

- sonst würde eine kognitive Dissonanz erzeugt werden

- Tatsache ist aber, dass sich viele Leute nicht an die Normen halten

- um die Fiktion aufrechtzuerhalten, dass die Normen eingehalten

werden, darf nur ein geringer Teil der Normverstösse sanktioniert werden

- dies geht nur, wenn die Normverstösse nicht zu offensichtlich sind

- Die Begehung von Delikten gefährdet Normen nicht, wohl aber die

Kommunikation daru?ber

Nach weit verbreiteter Ansicht hat die Angst vor Kriminalität nichts mit der „realen“ Kriminalität zu tun. Stimmt dies uneingeschränkt? Wie kann man sich die Befunde erklären?

Nein, stimmt nicht uneingeschränkt

- Kriminalitätsfurcht ändert sich aber nur bei starken Veränderungen der

Kriminalitätsraten (z.B. von einem Quartier zum anderen)

- dagegen haben konkrete Erfahrungen einen grossen Einfluss auf die

Kriminalitätsfurcht

Frauen und ältere Menschen fürchten sich in der Regel mehr vor Kriminalität als jüngere Männer, obwohl nicht sie, sondern letztere häufiger Opfer werden. Wie kann man sich dieses Paradox erklären?

Entscheidend ist die Verwundbarkeit

- Frauen und Ältere sind verwundbarer als junge Männer

- Kriminalitätsfurcht hängt von der Wahrscheinlichkeit eines schädigenden

Ereignisses, der Einschätzung ob man sich wehren kann, der Schwere der Folgen desselben und der Bewältigung der Folgen ab

Je nach Studie entfallen nur 20-40 Prozent der Fälle von sexuellem Missbrauch auf Täter, die dem Kind unbekannt waren. Sind also Unbekannte ungefährlich? Begründen Sie kurz Ihre Antwort.

Nein, Unbekannte sind nicht ungefährlich

- Risiko, von Unbekannten missbraucht zu werden, ist nicht so gering, wenn man die durchschnittlich sehr kurze Risikoexposition berücksichtigt

(nur kurze Momente, in denen ein Unbekannter mit einem Kind ungestört

Kontakt aufnehmen kann)

- Deliksrate pro Zeit sehr hoch (höher als bei bekannten Tätern)

Welche Lerntheorie steckt hinter der Theorie der Generalprävention und welche hinter der

Theorie der Spezialprävention? Bitte begru?nden Sie kurz Ihre Antwort.

Generalprävention: kognitive Lerntheorie (andere Ausdrücke: vicarious

learning, Lernen am Modell, Beobachtungslernen, Nachahmungslernen,

imitationslernen, soziales Lernen, Identifikationslernen, Rollenlernen,

stellvertretendes Lernen)

- Mensch lernt von Vorbildern und ahmt ihr Verhalten, wenn es zu den

gewünschten Folgen führt, nach

- mittels Bestrafung eines Täters werden andere von der Begehung ähnlicher

Taten abgeschreckt

Spezialprävention: operante/instrumentelle (negative) Konditionierung

- durch positive (Belohnung) oder negative (Bestrafung) Konsequenz

wird die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens erhöht oder gesenkt

- durch Bestrafung nach einer Straftat soll eine Person davon abgehalten

werden, eine erneute Straftat zu begehen

Warum bringen häufigere Kontrollen (z.B. im Strassenverkehr) auf die Dauer meistens nicht viel? Was braucht es, damit vermehrte Kontrollen nu?tzen?

Generalprävention: Ob eine Tat begangen wird, hängt von der Schwere und

der Wahrscheinlichkeit der Strafe ab

- aber: kein linearer Verlauf

- Um einen Effekt zu erzielen, muss der kritische Schwellenwert (treshold)

überschritten werden, was nur selten erzielt wird

- Es braucht eine massive Erhöhung der Kontrollen

- Im Strassenverkehr fehlen die finanziellen und personellen Mittel,

um die Kontrollen so stark zu erhöhen, dass sie den kritischen Schwellenwert

überschreiten

- Vermehrte Kontrollen würden evt. nützen, wenn sie an neuralgischen

Orten (Hotspots) oder zu neuralgischen Zeiten punktuell stark erhöht

würden

Rückfälle sind häufiger nach Freiheitsstrafen als nach anderen (nicht freiheitsentziehenden) Sanktionen. Wie muss man sich dies erklären?

- Meistens wird kein kontrolliertes Experiment durchgeführt, d.h. Personen

werden nicht zufällig den verschiedenen Strafarten zugeteilt

- Personen, die schlechtere Prognosen aufweisen (z.B. aufgrund häufigerer

Vorstrafen), erhalten eher eine freiheitsentziehende Strafe, deshalb

Rückfälle bei ihnen häufiger

- Freiheitsstrafe gar nicht ausschlaggebend

Welchen Vorteil hat ein kontrolliertes Experiment, wenn es darum geht, eine neue Sanktion zu testen?

- Kausale Interpretation ist möglich

Kontrolliertes Experiment heisst:

- Messung vor und nach der Sanktion

- inkl. Kontrollgruppe

- wobei Personen zufällig auf Experimental- und Kontrollgruppe verteilt

werden (Gruppen vor Sanktion identisch)

- spätere Nachevaluation des Experiments ist möglich

- Evaluation kann auch ungeplante Variablen aufnehmen

Wie soll man vorgehen, wenn verschiedene Experimente zu derselben Frage widersprüchliche Ergebnisse liefern?

Durchführen einer Metaanalyse

- nur Berücksichtigung von methodisch einwandfreien Studien

- Beru?cksichtigung von möglichen Unterschiedenen in Zeit und Raum