Klinische I
08: Psy. Störungen im Alter
08: Psy. Störungen im Alter
Kartei Details
Karten | 11 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Grundschule |
Erstellt / Aktualisiert | 23.05.2013 / 11.03.2015 |
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Wann ist ein Mensch alt?
• Biologische Sicht: das Altern beginnt mit der Pubertät und endet mit dem Tod
• Soziologische Sicht: Zeit nach der Berentung
• WHO: Menschen ab dem 60. Lebensjahr werden zum älteren Teil der Bevölkerung gezählt
• biol. und psy. Verständnis entsprechen der „Stufenleiter der Natur“ d.h. „Natura non facit saltum“: Natur kennt keine Sprünge
• Abgrenzung eines eigenen Lebensabschnitts „Alter“ ist im Grunde nicht möglich.
Zum Alter:
- Subjektives Erleben des Alterns
- Qualitativer Wandel des Alterns in verschiedenen Kohorten
- Mehrdimensionalität des Alterns (u.a. körperlich, seelisch)
Sichtweisen zum Altern
- Psychologie der menschl. Entw. bis vor 20 Jahren fast nur auf Entwicklung im Kindes- und Jugendalter bezogen
- Das Erwachsenenalter wurde als Phase der vollständig entwickelten, sozusagen fertigen Person betrachtet
- Altern ist zumeist mit der Vorstellung von Abbau, Defiziten, Krankheit und Abhängigkeit verknüpft und scheint geradezu das Gegenteil von Entwicklung zu sein (Entwicklungsumkehr)
Veränderung der Sichtweise auf Altern:
Im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte fand ein Paradigmenwechsel statt.
Gründe:
- zunehmender Anteil alter Menschen in der Bevölkerungsstruktur -> damit verbundene gesellschaftliche und politische Herausforderungen
- Modelle der lebenslangen Entwicklung -> der alte Mensch im Spannungsfeld von Defiziten und neuen Entwicklungschancen
u.a. Entpflichtung aus beruflichen und familiären Rollen Freiheit des Alters nutzen lernen, neue familiäre Rollen finden
Altern als narzistische Krise:
- Fantasie „aufzubrechen“ -> im Alter verschließen sich Möglichkeiten
- Fantasie von Unverletzlichkeit -> körperliche Veränderungen beeinträchtigen
- Fantasie der Unsterblichkeit -> die verbleibende Zeit verkürzt sich
- Wunsch nach Anerkennung -> soziale Anerkennung schwindet, gesellschaftliche Abwertung im Alter
SOK Modell (Baltes und Carstensen, 1996)
SOK= Selektive Optimierung und Kompensation
-> störungsübergreifend lassen sich aus SOK-Modell u.a. Strategien bei der psychotherapeutischen Arbeit mit älteren Menschen ableiten
• Selektion: Auswahl und Neuanpassung von Zielen und neuen, mögl. Verhaltensalternativen unter Berücksichtigung indiv. Ressourcen
• Optimierung: aktiviert eben solche Ressourcen und verbessert die Lebenssituation, um im Rahmen der
• Kompensation: neue Handlungswege zu schaffen und zu fördern, die den jeweiligen Verlusten und Einschränkungen entgegenwirken.
SOK- Modell in der Praxis:
• Der 80-jährige Arthur Rubinstein ist in verschiedenen Interviews gefragt worden, wie er immer noch ein so guter Konzertpianist sein könne.
• Aus seinen Antworten lässt sich das SOK-Prinzip herauslesen:
- Selektion: Auswahl von Stücken (Repertoire veringert)
- Optimierung: mehr üben als früher
- Kompensation: nicht mehr so schnell wie früher spielen: d.h. vor besonders schnellen Passagen verlangsamte er sein Tempo; im Kontrast erschienen diese Passagen dann wieder ausreichend schnell
Epidemiologie
• Demenz >64 Jahre ca. 12 % dementielle Prozesse, ca. 6% mittelgradige und schwere Demenzen, 90-94 Jahre 30%
• Depression häufigstes Problem: Prävalenzen 65+ ca. 20%
- schwere Depressionen zwischen 0,45 und 3,7% (Punktprävalenz)
- Geschlechterunterschied: Prävalenzraten w fast doppelt so hoch wie bei m
• Somatoforme Störungen
• Substanzbezogene Störungen Alkoholabhängig 2-6%, Pflegeheime 10-20% Medikamentabhängigkeiten (mehr w)
Depression
Ätiologie: Alterstypische Verlusterlebnisse:
- Aufgabe der Berufstätigkeit durch Berentung
- Räumliche Trennung von Kindern und Enkelkindern
- Tod des Ehepartners und von Freunden
- Finanzielle Einbußen durch den Rentenstatus
- Einschränkung der unmittelbaren Kommunikationsfähigkeit durch Schwerhörigkeit oder Sehbehinderung
- Einschränkung der sozialen Kontakte durch Immobilität oder schambesetzte Inkontinenz
klinisches Bild und Verlauf:
häufig ein „atypisches“ Erscheinungsbild: häufig nicht von trauriger Verstimmtheit, sondern von körperlichen Beschwerden und Schmerzen geprägt („somatisierte Depression“)
„atypischer“ Verlauf: depressive Episoden dauern länger, freie Intervalle werden kürzer, Schweregrad flacht ab
--> ungünstigerer Verlauf
--> differentialdiagnostisch nur schwer von Demenz zu unterscheiden
Demenz
Dementielle Syndrome nach ICD-10:
Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen F0
- Demenz vom Alzheimer Typ (ca. 50-70%)
- Vaskuläre Demenz (20-30%)
- Demenz gemischter Ätiologie (10-20%)
- Frontotemporale Demenz (ca. 10%)
Demenzen:
• stellen den Verlust einer zuvor einmal erreichten kognitiven Fähigkeit dar
• Verlauf progredient
• Störung des Gedächtnisses
• Beeinträchtigung zumindest eines weiteren neuropsychologischen Teilbereichs
• eine damit verbundene alltagsrelevante Einschränkung der Lebensführung
- Demenz bei anderen Krankheiten (Creutzfeld Jacob, Huntington)
Demenz II
Neuropsychologische Testung:
- Uhren- Test
- MMTS
- DemTect
Risikofaktoren:
• Lebensalter
• Vorhandensein weiterer neurologischer Erkrankungen in der Familie
• geringe Schulbildung
• geringe psychosoziale Betätigung im mittleren Lebensalter
• Schädel-Hirn-Traumata
• Geschlechterverhältnis: Frauen 3:2 häufiger betroffen
Schutzfaktoren?!
• Hinweise aus epidemiologischen Daten auf eine protektive Wirkung von antiinflammatorischen Substanzen und Östrogenen
• Patienten mit rheumatoider Arthritis: Risiko halbiert
Medikamentöse Therapie:
1. Antidementiva
Wichtig: Halten degenerativen Prozess nicht auf; verbessern jedoch Kognition gering, Auswirkung auf Alltagsfunktionieren mäßig
2. Antidepressiva (SSRI – eher keine Trizyklika)
3. Neuroleptika (atypische Neuroleptika (z.B. Risperidon)
Nicht-medikamentöse Therapie von kognitiven Defiziten:
• ständige Übungen der zu erhaltenden Fähigkeiten
• hinreichende Motivation
• kombinierte Aktivierung mit kognitiven und körperlichen Tätigkeiten besonders hilfreich (erhöhte Gehirndurchblutung)
• wenn möglich sollte eine kombinierte körperliche und kognitive Therapie in einer spezialisierten Tagesstätte erfolgen
Handlungsmöglichkeiten bei einzelnen Symptomkomplexen
• Misstrauen, paranoide Verhaltensweisen: klare Ordnung zur Aufbewahrung bestimmter Gegenstände
• Aggressivität: Analyse auslösender Situationen, beruhigende Ansprache
• Rufen und Kreischen als Ausdruck von Schmerz, Isolation, Depression: Massagen, Dehnung
• Apathie und Rückzug, depressive Symptome: anregende Gestaltung der Tagesstruktur und der Umgebung
• Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus: Verkürzung der Wachzeit im Bett
• „Wandertrieb“: ausreichende, regelmäßige körperliche Aktivierung
Alzheimer
Pathogenese
• über mehrere Jahre stattfindender neurodegenerativer Prozess (Abbau von Hirnsubstanzen, Reduktion der Synapsendichte)
• neurofibrilläre Degeneration der Nervenzellen und kortikale Plaques als Korrelat der Demenz
• Veränderungen betont im Bereich des Temporal- und Parietallappens
• vor allem Abbau in der Hippocampus-Region führt zu Lern- und Gedächtnisdefiziten
• ähnliche Prozesse finden auch bei der normalen Hirnalterung statt, jedoch in geringerem Ausmaß
Klinisches Bild:
• schleichender Beginn mit Merkfähigkeitsstörungen
• gleichförmige Progression
• diskrete Verhaltensänderungen in der Frühphase der Alzheimer- Demenz:
- nachlassende Aktivität
- vermehrt sozialer Rückzug
- verminderte Sorgfalt
• im Frühstadium schwer von sog. Pseudodemenz im Rahmen einer Depression zu unterscheiden (Möglicher Hinweis: Alzheimer Pat. eher bagatellisierend-fassadär, Depr. eher klagend über kognitive Defizite)
Verhaltenstherapie
Indikationskriterien
- Wille zum Erlernen selbstverändernder Fähigkeiten
- Fähigkeit, Beziehung zwischen Gedanken und Gefühlen herzustellen
- Fähigkeit und Bereitschaft zum Ausführen von Übungen
->Förderung des Gegenwartsbezugs älterer Menschen durch problemorientierte Therapie
Zielsetzung:
- Entwicklung neuer Fähigkeiten (z.B. Zuwachs an Selbstständigkeit)
- Akzeptanz des eigenen Älterwerdens
- Rollenwechsel
- Bewältigung von Verlust und Trennung
- Auseinandersetzung mit dem Tod
Anpassungen des psychotherapeutischen Vorgehens bei alten Menschen
Ältere Menschen sind in psychotherapeutischen Behandlungen deutlich unterrepräsentiert
Anpassung der VT:
1. auf ein Gesprächsthema fokussieren und eine aktive, strukturierte Gesprächsführung zeigen
2. Langsames Vorgehen: langsame Sprechgeschwindigkeit, häufiges Whlg und Instruktionen auf verschiedenen Wegen (multimodal)
3. Gedächtnishilfen (z. B. Audioaufnahmen der Sitzungen)
4. Einsatz verschiedener Strategien des Aufmerksamkeitserhalts (z. B. verkürzte Sitzungsdauer)
5. Therapeutische Sitzungen finden u. U. in unkonventionellen Settings statt (z. B. Hausbesuche)
6. Vorhandensein eines soliden medizinischem Grundwissens und in Kontakt mit behandelnden Ärzten
7. Beachtung der Ressourcen und Kompetenzen
subj. erfahrene Gewinne im Alter
• 25%: geringeres Maß an Verpflichtungen in Familie und Beruf und höheres Maß an Freiheit in Bezug auf Lebensgestaltung
• 28%: sich an Dingen freuen, denen man in früheren Lebensjahren geringere Bedeutung beigemessen hat