IPR der Schweiz 4 - Anerkennung und Vollstreckung
Drobnjak/Weingart-Schneider, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2014
Drobnjak/Weingart-Schneider, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2014
Set of flashcards Details
Flashcards | 10 |
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Students | 13 |
Language | Deutsch |
Category | Law |
Level | University |
Created / Updated | 18.09.2015 / 24.06.2025 |
Weblink |
https://card2brain.ch/box/ipr_der_schweiz_4_anerkennung_und_vollstreckung
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1. Wozu dient die Anerkennung eines ausländischen Urteils?
Die Souveränität jedes Staates ist auf sein Hoheitsgebiet beschränkt. Durch Anerkennung eines ausländischen Entscheid wird dessen Gültigkeit auf das Staatsgebiet des anerkennenden Staates ausgeweitet.
2. Wodurch unterscheiden sich Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung?
Anerkennung: Erstreckt die Wirkung eines Ausländischen Entscheides auf das Schweizer Staatsgebiet.
Vollstreckbarerklärung: Ermöglicht die Inanspruchnahme des schweizerischen Vollstreckungsapparats (z.B. Betreibung) zur Vollstreckung eines ausländischen Leistungsurteils.
Vollstreckung: Stellt den eigentlichen Vorgang der Durchsetzung dar (Geldschulden/Sicherheitsleistungen nach SchKG, alle anderen Schulden nach ZPO 335 ff.).
3. Was ist der favor recognitionis?
Der (in der Schweiz geltende) Grundsatz, dass ausländische Entscheide wann immer möglich anerkannt werden sollen (um hinkende Rechtsverhältnisse zu verhindern).
Ausnahmen bilden die Verweigerungsgründe: LugÜ 34, LugÜ 35 bzw. IPRG 27.
4. In welchem Verfahren kann ein ausländischer Entscheid in der Schweiz anerkannt werden?
- Vorfrageweise im Rahmen eines Hauptverfahrens (LugÜ 33 II und III, IPRG 29 I und III)
- in einem separatem Verfahren aus Anerkennung (LugÜ 33 II und III; IPRG 29 I)
5. Wodurch unterscheidet sich die inzidente (vorfrageweise) Anerkennung von derjenigen im separaten Verfahren auf Anerkennung?
- die inzidente Anerkennung erscheint nicht im Dispositiv und erwächst dadurch nicht in Rechtskraft.
- Im separaten Verfahren auf Anerkennung prüft das Gericht ausschliesslich die Anerkennungsvoraussetzungen und entscheidet darüber mit materieller Rechtskraft. Die Frage der Anerkennung wird zur res iudicata.
6. Welche Arten von Urteilen können anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden?
nur Leistungsurteile.
Gestaltungs- und Feststellungsurteile haben in der Regel keinen vollstreckbaren Inhalt.
7. Wie wird ein (separates) Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckung eingeleitet?
LugÜ:
- auf Antrag eines Berechtigten (LugÜ 38)
- beim Gericht nach LugÜ Anhang II (sachlich; LugÜ 39 I)
- am Wohnsitz des Schuldners/Ort der Zwangsvollstreckung (örtlich; LugÜ 39 II)
- der dem Recht des Vollstreckungsstaat genügt (LugÜ 40 I)
- unter Beilage der Urkunden nach LugÜ 53
- ohne Prüfung der Anerkennungsverweigerungsgründe (LugÜ 41)
- ohne Anhörung der sich widersetzenden Partei (LugÜ 41)
IPRG
- Begehren der interessierten Person (IPRG 29 I)
- an die zuständige Behörde (IPRG 29 I)
- unter Beilage
- einer vollständigen & beglaubigten Ausfertigung des Entscheids
- einer Bestätigung, dass keine ordentlichen Rechtsmittel offenstehen/die Entscheidung endgültig ist
- bei Abwesenheitsurteil: Nachweis der gehörigen & rechtzeitigen Ladung
- unter Anhörung der sich widrersetzenden Partei (IPRG 29 II)
8. Wie kann sich eine Person gegen die Anerkennung & Vollstreckung eines ausländischen Entscheides zur Wehr setzen?
LugÜ
erst im Rechtsmittelverfahren (LugÜ 43 I), da das Anerkennungsverfahren ohne Prüfung der Anerkennungsverweigerungsgründe und ohne Anhörung der sich widersetzenden Partei geschieht.
IPRG
Im Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung (IPRG 29 II). Dieses wird unter Anhörung der sich widersetzenden Partei durchgeführt, welche die Anerkennungsverweigerungsgründe (IPRG 25 & 27) vorbringen kann.
9. Welches Rechtsmittel steht den sich widersetzenden Personen in der Schweiz gegen einen anerkannten Entscheid zu?
LugÜ: Rechtsbehelf gegen Anerkennungsentscheid (LugÜ 43 I) an das obere kantonale Gericht (LugÜ 43 II i.V.m. Anhang II). Beim Rechtsbehelf gemäss Art. 43 LugÜ handelt es sich um ein Rechtsmittel sui generis (ZPO 327a). Es wird durch die Vorschriften der Beschwerde ergänzt.
IPRG: Gegen den Exequaturentscheid ist die Beschwerde an die zweite kantonale Instanz möglich (ZPO 319 lit a, 309). Gegen den letztinstanzlichen kantonalen Exequaturentscheid ist die Beschwerde in Zivilsachen zulässig (BGG 72 II b 1).
10. Unter welchen Voraussetzungen ist ein Entscheid in der Schweiz anerkennbar?
LugÜ
- Entscheidung in Zivil- oder Handelssachen (nicht: öff.-rechtl., strafrecht. oder zwangsvollstreckungsrechtl.)
- vollstreckbar (≠ rechtskräftig)
- keine Anerkennungsverweigerungsgründe (LugÜ 34/35), d.h.
- keine offensichtliche Verletzung ordre public
- Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten
- kein Widerspruch zu Entscheidung im Anerkennungsstaat (inländische Entscheide haben immer Vorrang, d.h. auch später ergangene)
- keine res iudicata in einem LugÜ-Staat oder Drittstaat (nur frühere Entscheidungen)
- keine Verletzung der ausschliesslichen (zwingenden) LugÜ Zuständigkeiten
IPRG
- Entscheid in Zivilsachen (nicht vollstreckungsrechtlich, öff.-rechtl., strafrechtl.)
- Urteile
- Vergleiche (IPRG 30)
- Entscheide/Urkunden d. freiwilligen Gerichtsbarkeit (IPRG 31)
- örtlich zuständige ausländische Behörde (indirekte Zuständigkeit; Marginalie: "Ausländische Entscheidungen" oder IPRG 25 a i.V.m. IPRG 26)
- Wohnsitz im Urteilsstaat
- Gerichtsstandsvereinbarung
- vorbehaltslose Einlassung
- Widerklagezuständigkeit begründet
- kein ordentliches Rechtsmittel (= formell rechtskräftig; IPRG 25 b)
- Kein Verweigerungsgrund (IPRG 25 c i.V.m. IPRG 27), d.h. keine offensichtliche Verletzung d. formellen & materiellen ordre public