Sitzung 9


Kartei Details

Karten 20
Sprache Deutsch
Kategorie Politik
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 22.12.2015 / 28.12.2017
Weblink
https://card2brain.ch/box/einfuehrung_methoden_politikwissenschaft8
Einbinden
<iframe src="https://card2brain.ch/box/einfuehrung_methoden_politikwissenschaft8/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>

Was ist Beobachtung?

• Jede empirische Methode ist „Beobachtung“.
• Im engeren Sinn: „Die systematische und kontrollierte Beobachtung
menschlicher Handlungen, sprachlicher Äusserungen und
nonverbaler Reaktionen oder anderer sozialer Merkmale“ (Diekmann
2014:548).

Vor und Nachteile von Beobachtungen

Vorteile:
• Das Verhalten der Untersuchungsobjekte wird unmittelbar
beobachtet (und nicht wie bei Befragungen über Erinnerungsfragen
erfragt).


Nachteile:
• Möglichkeit der selektiven Wahrnehmung (es werden nur
Handlungen wahrgenommen, die die Hypothese bestätigen).
• Gefahr der Fehlinterpretation (vgl. Clifford Gertz „Dichte
Beschreibungen“ und das Beispiel des Augenzwinkerns, das vielerlei
Bedeutungen haben kann). Kultur als „selbstgesponnenes
Bedeutungsgewebe“.

Beobachtungstechniken: die Rolle des Beobachters

teilnehmend vs. nicht-teilnehmend

Die Beobachtungstechnik ist von der Fragestellung abhängig. Unterschiede gibt
es zunächst in Bezug auf die Rolle des Beobachters:

• Teilnehmend:

  • Beobachter nimmt innerhalb des Beobachtungsfeldes selbst eine Rolle ein – entweder passiv (der Ethnograf als „Besucher“ eine autochthonen Stammes) oder aktiv (Lehrer, der Verhalten der Schüler beobachtet).
  • Probleme:
  • Identifikation mit den Untersuchungseinheiten („going native“). Dadurch geht die Distanz des Aussenstehenden zum Beobachtungsfeld verloren.
  • Beeinflussung der Beobachtung durch Teilnahme („Doppelfunktion“, „Intrarollenkonflikt“).
  • Kein Zugang zu „Schlüsselpersonen“.

• Nicht-teilnehmend („Gehgeschwindigkeit“ in „Die Arbeitslosen von
Marienthal“):

  • Keine (bzw. nur geringe) Einflussmöglichkeiten (man beobachtet vor allem "natürliches" Verhalten, keine Doppelfunktion
  • Protokollierungsmöglichkeit eher gegeben, weil keine Doppelfunktion.

Beobachtungstechniken: Die (wahrgenommene) Präsenz des Beobachters

Was wissen die Untersuchungsobjekte von der Beobachtung?

• Offen: Die „Probanden“ sind sich der Präsenz des Beobachters
bewusst („Big Brother“). Problem der externen Validität.
• Verdeckt-teilnehmend: Beobachter ist aktiv, aber als solcher
unerkannt („Undercover-Agent“).
• Verdeckt-nicht-teilnehmend: Beobachter ist inaktiv und unbemerkt
(„Schlüssellochmethode“).
• Der Vorteil verdeckter Beobachtung ist, dass das Verhalten durch
den Beobachtungsvorgang nicht beeinflusst wird (nicht-reaktiv).
• Allerdings ist diese Methode aus ethisch-moralischer Perspektive
höchst fragwürdig, erst recht, wenn irreführende Stimuli gesetzt
werden.

Beobachtungstechniken: Feld- vs. Laborforschung

Anwendbarkeit ist von der Forschungsfrage und dem
Untersuchungsgegenstand abhängig (Arbeitslosigkeit kann nicht als
„Treatment“ gesetzt werden).

Vor- und Nachteile von Laborexperimenten

• Der Forscher setzt die Stimuli und kontrolliert die
Randbedingungen.
• Kontrolle von Störfaktoren durch Randomisierung.
• Hohe interne Validität, aber niedrige externe Validität.
„Natürliche“ Langzeitfolgen sind nicht messbar

- Schlüsse von der abhängigen auf die unabhängige Variable können schnell gezogen werden --> hohe interne Validität --> Aussagen zur Kausalität mit grosser Wahrscheinlichkeit bei Experimenten

externe Validität: Ergebnisse die im Labor erzielt worden sind nich ohne weiter übertragbar auf natürliche Umgebung/Umfeld eines Menschen. Langzeitfolgen können nicht erfasst werden

Vor und Nachteile Feldbeobachtung

• Langfristige Untersuchung von Effekten in „natürlicher“ Umgebung.
• Nicht durch Forscher manipulierbare Variablen beobachtbar.
• Komplexe, in Laborexperimenten nicht simulierbare soziale Sachverhalte können
erfasst werden.
• Hohe externe Validität, aber niedrige interne Validität.

Feldexperiment

Kombination von Experiment und Feldbeobachtung

• Das Feldexperiment findet in „natürlicher“ Umgebung (d.h. nicht im Labor) statt.
• In der Regel wissen die „Probanden“ nicht, dass sie teil eines Experiments sind.
• Triangulation möglich: Kombination von Labor- und Feldexperiment, um Resultate
zu validieren

strukturierte Beobachtung

• Präzise und strikte Beobachtungsschemata (Leitfaden).
• Bedarf eines ausgearbeiteten Leitfadens.
• Ziel: Höhere Durchführungsobjektivität und Reliabilität. Gefahr der
verzerrten Wahrnehmung soll eingedämmt werden

unstrukturierte Beobachtung

• Es werden nur ein grober Rahmen und einige Leitlinien vorgegeben.
Zudem ist die Zahl der vorgegebenen Beobachtungskategorien geringer
als bei der strukturierten Beobachtung.
• Ermöglicht eine gewisse Flexibilität und Offenheit des Beobachters für
den Beobachtungsgegenstand.

Kombination möglich: Leitfadenbeobachtung

Inhaltsanalyse

• «Systematische Erhebung und Auswertung von Texten, Bildern und Filmen.»
• Nicht zu verwechseln mit Hermeneutik (=Textinterpretation, „Verstehen des
Sinns“), während Inhaltsanalyse systematische Identifikation von Text-
Elementen und ihre Zuordnung zu Kategorien meint.
• Beschränkt sich nicht notwendigerweise nur auf Inhalte, sondern kann auch
formale Texteigenschaften (Länge der Sätze, stilistische Elemente wie
Verwendung von Konjunktiv, etc.) umfassen.
• Zum Beispiel Aktionsquotient = Verhältnis zwischen Verben und
Adjektiven.
• Type-Token-Ratio: Reichhaltigkeit des Vokabulars

Vor- und Nachteile der Inhaltsanalyse

Vorteile (gemäss Diekmann 2014:586):
• Keine Beschränkung auf Gegenwart. Vergangenheitsbezug möglich: In der
Vergangenheit produziertes Material kann untersucht werden und unterliegt
zumindest keinen Erinnerungsirrtümern wie bei der Befragung.
• Soziale Veränderungen (zum Beispiel Wertewandel, Verschiebung von
Präferenzen) sind erforschbar.
• Nichtreaktivität: Das gesamte Datenmaterial ist nichtreaktiv.


Nachteile:
• Hoher Interpretationsaufwand und hohes Kontextwissen nötig (Bedeutung von
Wörtern hat sich möglicherweise gewandelt, vgl. etwa „links“ und „rechts“ in
der politischen Kommunikation).

Formen und Zwecke der Inhaltsanalysye

Harold Lasswell (1948): "Who says what, to whom, why, to what extent and with
what effect?"

Konzeptspezifikation und OperationalisierungZentrales Werkzeug der
Inhaltsanalyse ist ein
Kategoriensystem. Es muss vor
der Analyse erstellt sein (siehe
auch dimensionale Analyse).
• Operationalisierung = Suche nach
Text-Indikatoren für die
interessierenden Sachverhalte.
• Formulierung von Oberbegriffen
(Kategorien), weitere
Untergliederung in
Teildimensionen. Kategorien sind
das Äquivalent zu den Fragen in
einer Befragung.
• Codierschema als
„Abfrageschema“ für Texte.

Zentrales Werkzeug der
Inhaltsanalyse ist ein
Kategoriensystem. Es muss vor
der Analyse erstellt sein (siehe
auch dimensionale Analyse).
• Operationalisierung = Suche nach
Text-Indikatoren für die
interessierenden Sachverhalte.
• Formulierung von Oberbegriffen
(Kategorien), weitere
Untergliederung in
Teildimensionen. Kategorien sind
das Äquivalent zu den Fragen in
einer Befragung.
• Codierschema als
„Abfrageschema“ für Texte.

ZUverlässigkeitskriterien

• Stabilität (Intracoder-Reliabilität):
Grad der Übereinstimmung
zwischen verschiedenen
Kodiervorgängen derselben
Kodierer. (Re-Test)
• Wiederholbarkeit (Intercoder-
Reliabilität): Grad der
Übereinstimmung zwischen zwei
verschiedenen Kodierern am
selben Material. (Paralleltest)
• Forscher-Kodierer-Reliabilität:
Übereinstimmung zwischen
Forscher und Kodierer.

Hosti Index

Holsti-Index: Reliabilitätsmass für
Intercoder-Reliabilität
• Es gibt keine fixen cut-off values.
Werte nahe 1 sind anzustreben

 

Frequenzanalyse

- Häufigkeit von ausgewählten
Textelementen (Namen von
PolitikerInnen, Parteinamen).
Annahme: Häufigkeit korreliert
mit Bedeutung.
- Können auch rein formale
Texteigenschaften sein (Type-
Token-Ratio).
- Heute: Zumeist
computerunterstützte
Inhaltsanalysen: zum Beispiel
Wordscore und Wordfish.

Kontingenzanalyse

• Kontingenzanalyse: Gemeinsames Auftreten bestimmter
Textmerkmale.
• Beispiel: Kontaktanzeigen im Wandel der Zeit bzw. wie beschrieben
sich die Inserenten selbst?

Valenzanalyse

Valenzanalyse: Bewertungstendenz von Textinhalten (z.B. negative
oder positive Bewertung, pro oder contra)
- Setzt zumindest ordinalskaliertes Niveau voraus.
- In der Regel Schätzurteile, aber heutzutage auch mit entsprechenden
computerunterstützten Analysen möglich.
- Intensitätsanalysen: Nicht nur die Richtung wird hier bewertet,
sondern auch die Intensität (wie stark positiv bzw. wie stark negativ?)

Verhaltensspuren (im Internet)

• Nutzung von prozessgenerierten Daten (d.h. Daten, die nicht zu
wissenschaftlichen Zwecken erhoben wurden).
• Solche Daten gab es schon immer (z.B. Stimmregisterdaten), aber
mit der Nutzung des Internets werden diese Datenmengen und ihre
Vielfalt immer grösser („Big Data“).
• Dazu gehören: Google-Suchbegriffe, Leserkommentare in
Newsforen, Likes in Facebook, Tweets auf Twitter, Wikipedia-Traffic
auf bestimmten Seiten, etc.
• Oftmals fehlen jedoch noch Theorien darüber, wer diese Daten
erzeugt hat, zu welchem Zweck und wer sie nutzt.