Einführung in die Sozialpsychologie 1 9 Aggressives Verhalten

Einführung in die Sozialpsychologie 1 9 Aggressives Verhalten

Einführung in die Sozialpsychologie 1 9 Aggressives Verhalten

Alexander Wahler

Alexander Wahler

Kartei Details

Karten 27
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 18.08.2014 / 10.02.2025
Weblink
https://card2brain.ch/box/einfuehrung_in_die_sozialpsychologie_1_9_aggressives_verhalten
Einbinden
<iframe src="https://card2brain.ch/box/einfuehrung_in_die_sozialpsychologie_1_9_aggressives_verhalten/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>

Aggression

Aggression

  • Der Begriff Aggression bezeichnet ein intendiertes Verhalten mit dem Ziel, einem anderen Lebewesen zu schaden oder es zu verletzen, wobei dieses Lebewesen motiviert ist, diese Behandlung zu vermeiden.
  • Intention: aggressives Verhalten wird durch die Intention, nicht die tatsächlich erziele Wirkung definiert
  • Schädigungen auf Wunsch der Zielperson (z.B. sadomasochistische Sexualpraktiken) gelten nicht als aggressives Verhalten

Kontextabhängige Bewertung

Kontextabhängige Bewertung

  • soziale Bewertung eines Verhaltensakts als Aggression hängt vom situativen du normativen Kontext ab
  • antisoziales Verhalten kann in Ausnahmesituationen (z.B. im Kriegsfall, wenn sie gegen einen Feind gerichtet ist) als prosoziales Verhalten oder gar als Heldentat bewertet wird.
  • subjektive Bewertung von aggressivem Verhalten: Perspektive des Akteurs spielt eine entscheidende Rolle. In Konflikten liegen häufig diskrepante Perspektiven vor: Während die eine Partei ihr Verhalten als eine gerecht- fertigte Reaktion auf ein Verhalten der anderen Partei ansieht, interpretiert die Gegenpartei es als feindselig und aggressiv

Formen aggressiven Verhaltens

Formen aggressiven Verhaltens

  • körperliche Aggression vs. verbale Aggression
  • offene Aggression vs. verdeckte Aggression
  • Aggression zwischen Individuen vs. Aggression zwischen Gruppen

Feindselige Aggression

 

Feindselige Aggression

  • resultiert typischerweise aus dem Empfinden negativer Emotionen, wie Ärger, Zorn oder Wut
  • das Verhaltensziel besteht in der Schädigung eines anderen Lebewesens

 

Instrumentelle Aggression

Instrumentelle Aggression

  • zielt zwar ebenfalls darauf ab, ein anderes Lebewesen zu schädigen, ist jedoch in erster Linie ein Mittel zum Zweck (z.B. Schädigung eines Konkurrenten, um sich selbst einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen)

Gewalt

 

Gewalt

  • bezieht sich auf die Unterkategorien aggressiver Verhaltensweisen, die mit tatsächlicher oder angedrohter körperlicher Schädigung einhergehen (z.B. eine Person verprügeln)

 

Primatenforschung

Primatenforschung

  • Häufigkeit aggressiven Verhaltens unter Primaten: Systematische Sichtungen von Studien zum Sozialverhalten tagaktiver Affenarten legen z.B. nahe, dass aggressives Verhalten unter Primaten vergleichsweise selten ist.
  • Kooperatives Verhalten: ist um ein Vielfaches häufiger zu beobachten als Wettbewerb und Streit
  • -> Forscher schlussfolgern dass unter Primaten (Menschen eingeschlossen) entgegen vorherrschender Ansicht nicht Aggressionen, sondern Kooperationen das Zusammenleben regeln
  • Berücksichtigt man  die Vielzahl alltäglicher Interaktionen zwischen Men- schen, dann erscheint der Anteil aggressiven Verhaltens am menschlichen Sozialverhalten insgesamt ebenfalls vergleichsweise niedrig.

Primatenforschung – Kontextabhängiges Sozialverhalten

Primatenforschung – Kontextabhängiges Sozialverhalten

  • elektrische Stimulation von Hirnarealen (besonders Amygdala) führt zu aggressiven Verhaltensweisen
  • -> kann durch sozialen Kontext jedoch modifiziert werden
  • -> männlicher Primat greift Artgenossen dann an wenn sie in der sozialen Rangordnung unter ihm stehen; bei dominanten wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht attackiert sondern die Flucht ergriffen

Verhaltensgenetik

Verhaltensgenetik

  • Wenn eineiige Zwillinge einander in Bezug auf ihre Tendenz zu aggressivem Verhalten stärker ähneln als zweieiige Zwillinge, kann dies als Hinweis gewertet werden, dass das untersuchte Merkmal in besonderem Maße genetisch determiniert ist
  • mathematische Analysen kann der genetische Anteil (die Heritabilität) sowie der Einfluss gemeinsam erlebter Umweltfaktoren (z.B. gemeinsame Sozia- lisation) für die Ausprägung aggressiven Verhaltens geschätzt werden.
  • -> Ergebnisse zeigen signifikanten Einfluss genetischer Faktoren für aggressives Verhalten; verweisen jedoch auch darauf dass aggressives Verhalten auch hochgradig durch Sozialisationserfahrungen beeinflusst wird

 

Neurotransmitter – Serotonin und Testosteron

Neurotransmitter – Serotonin und Testosteron

  • Serotonin: Studien zeigen, dass impulsive Gewalt oft mit geringen Serotoninspiegeln korreliert, wird vermutet, dass Serotonin einen hemmenden Einfluss auf impulsive Aggression hat. Die gegenwärtige Befundlage ist allerdings nicht einheitlich
  • Testosteron: Injizierung von Testosteron bei Tieren verstärkt das Aggressionsverhalten. Untersuchungen am Menschen weisen ebenfalls auf einen positiven Zusammenhang zwischen dem Testosteronspiegel und der Auftretenswahrscheinlichkeit von aggressiven und antisozialen Verhaltensweisen hin. Befundlage ebenfalls nicht eindeutig – Studien mit Jugendlichen weisen nur moderate Korrelation zwischen Aggression und Testosteron hin

 

Frustrations-Aggressions-Hypothese

Frustrations-Aggressions-Hypothese

  • Frustration resultiert, wenn Menschen daran gehindert werden, ein angestrebtes Ziel zu erreichen bzw. die von einem Ereignis erwartete Befriedigung ausbleibt
  • Gemäß der Frustrations-Aggressions-Hypothese erhöht Frustration die Wahrscheinlichkeit des Auftretens aggressiver Verhaltensweisen
  • ->  Frustration allerdings nicht die einzige, sondern lediglich eine von mehreren möglichen Ursachen von Aggression.
  • Ob Frustration zu aggressiven Verhaltensweisen führt (und gegen wen sie sich richtet), hängt von zusätzlichen personalen und situativen Faktoren ab

Feldexperiment Harris

 

Feldexperiment Harris

  • Person drängelte sich vor: Entweder vor einer Zielperson, vor der nur noch zwei andere Wartende standen (d.h. einer Person, die ihr Ziel schon fast erreicht hatte) oder vor einer Zielperson, vor der noch elf andere Wartende standen
  • Variierte Variablen: Das Geschlecht der Person, die sich vordrängelte;
ob er oder sie sich für das Vordrängeln entschuldigten oder nicht, und ihr sozialer Status (anhand der Kleidung).
  • -> wesentlich aggressivere Reaktionen wenn Person Ziel fast erreicht hatte; weniger bei weiblichen oder bei Entschuldigungen, aggressiver bei gleichgeschlechtlicher Interaktion

Aggressionsverschiebung

 

Aggressionsverschiebung

- Die Tendenz Aggressionen gegen unbeteiligte Dritte zu richten, wenn sie nicht gegenüber der ursprünglichen Quelle der Frustration zum Ausdruck gebracht werden können (z.B. aus Furcht davor, dass diese Person sich revanchiert).

Kognitiv-neoassoziationistische Perspektive

Kognitiv-neoassoziationistische Perspektive

  • verbindet Befunde der Aggressionsforschung mit allgemeinen, kognitionspsychologischen Modellen
  • spezifiziert die psychologischen Prozesse, die den Zusammenhang zwischen Frustration und Aggression vermitteln - Frustration ist nur eine von vielfältigen Ursachen aggressiven Verhaltens.
  • Erster Schritt: Unangenehme Erfahrung ruft zunächst unspezifische negative Affektreaktion hervor -> aktiviert zwei unterschiedliche kognitive Netzwerke – Kognitionen, Erinnerungen, Gefühle und motorische Schemata die mit Aggression in Verbindung stehen – Mentale Inhalte die mit Flucht assoziiert sind -> negativer Effekt erhält somit emotionale Qualität von Form von Ärger oder Furcht
  • Zweiter Schritt: Person interpretiert diese rudimentären Gefühle, sie nimmt Kausalattributionen bzgl. des Ereignisses vor und überlegt, welche Gefühle und Handlungen der Situation angemessen sind -> erreicht spezifischeren gefestigteren emotionalen Zustand, der wiederum die weiter Einschätzung der Situation lenkt
  • -> Bevor sich die Person für eine Verhaltensreaktion entscheidet, werden weitere Bewertungsschritte vollzogen, indem die potenziellen Handlungsergebnisse bewertet und soziale Normen berücksichtigt werden

Zwei Lernprinzipien beim Erwerb aggressiven Verhaltens

Zwei Lernprinzipien beim Erwerb aggressiven Verhaltens

  • Operante Konditionierung (Lernen durch direkte Verstärkung)
  • Modelllernen bzw. das Lernen durch stellvertretende Verstärkung
  • -> Die Beobachtung, dass Personen, die aggressives Verhalten zeigen, für dieses Verhalten belohnt werden, kann beim Beobachter die Auftretenswahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens erhöhen.
  • „Rocky“ Experiment

Feindseliger Attributionsstil

 

Feindseliger Attributionsstil

- Die relative zeitstabile Tendenz einer Person, die einen Schaden verursacht hat, eine feindselige oder aggressive Verhaltensabsicht zu unterstellen, auch wenn unklar ist, ob diese den Schaden mit Absicht herbeigeführt hat.

Geschlechterunterschiede

Geschlechterunterschiede

  • Jungen und Männer tendieren in stärkerem Maße zu offener Aggression als Frauen oder Mädchen (sodass sie eine andere Person direkt körperlich oder verbal attackieren)
  • Frauen und Mädchen neigen stärker dazu, aggressives Verhalten in verdeckter Form auszuüben, indem sie z.B. gezielt Gerüchte über die Person, die sie schädigen möchten, in Umlauf bringen
  • Metaanalyse von Bettencout und Miller: Männer reagieren unter normalen Umständen aggressiver; kommt jedoch Provokation ins Spiel reagieren Frauen fast genauso aggressiv wie Männer
  • Eine Erklärung für die Geschlechtsunterschiede in aggressivem Verhalten im Alltag besteht darin, dass Männer mehrdeutige Verhaltensweisen ihrer Interaktionspartner schneller im Sinne einer persönlichen Provokation interpretieren

Aversive Umweltbedingungen

 

Aversive Umweltbedingungen

  • Negativer Affekt kann durch unterschiedliche Situationsfaktoren hervorgerufen werden, v. a. durch solche, die zu einer körperlichen Beeinträchtigung führen und Schmerzen oder Unwohlsein verursachen
  • Vor Allem hohe Temperaturen und räumliche Enge können zu einer Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens führen

 

Aggressive Hinweisreize

Aggressive Hinweisreize

  • In Situation können bestimmte Hinweisreize vorliegen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Personen, bei denen bereits eine Bereitschaft zur Ausführung aggressiven Verhaltens besteht (z.B. weil sie verär- gert sind), dieses Verhalten auch tatsächlich ausführen
  • Aggressive Hinweisreize sind Stimuli oder Objekte, welche üblicherweise mit aggressivem Verhalten assoziiert werden (z.B. Waffen) und aggressives Verhalten begünstigen.
  • Experiment: Personen bekamen Elektroschocks – konnten sich danach rächen – Im Raum waren entweder Waffen/Federballschläger/Nichts -> Ergebnisse bestätigen die vermutete Wirkung aggressiver Hinweisreize

 

Warum wirken aggressive Hinweisreize?

Warum wirken aggressive Hinweisreize?

  • aggressive Hinweisreize können die Interpretation negativen Affekts im Sinne von Ärger oder Aggression begünstigen
  • fungieren vermutlich selbst als „Prime“ für aggressionsbezogene kognitive oder motorische Schemata
  • können vom Beobachter auch als Information über vorherrschende soziale Normen interpretiert werden

Gewaltdarstellung in Medien

Gewaltdarstellung in Medien

  • Daten liefern in ihrer Gesamtheit ein konsistentes Bild: Durch den Konsum von Gewaltdarstellungen in den Medien wird die Wahrscheinlichkeit von aggressivem Verhalten beim Konsumenten erhöht (insbesondere bei Kindern und Jugendlichen) und dies sowohl kurz- auch als langfristig
  • Effekte des Konsums von Gewaltdarstellungen werden allerdings durch eine Reihe von Persönlichkeits- und Situations-aktoren moderiert: größere Auswirkung auf Personen, die von vorneherein schon zu aggressivem Verhalten neigen; stärkere Auswirkungen auf Jungen als auf Mädchen

Mechanismen die Effekte von Gewaltdarstellung in Medien auf das Verhalten vermitteln

Mechanismen die Effekte von Gewaltdarstellung in Medien auf das Verhalten vermitteln

  • Modelllernen:
  • Verfügbarkeit: Der Konsum von Gewaltdarstellungen in Medien stärkt die chronische Verfügbarkeit aggressiver Gedanken und Gefühle
  • Soziale Normen: Die Beobachtung, dass andere ungestraft und erfolgreich Aggressionen einsetzen, kann dazu führen, dass der Zuschauer seine Wahrnehmung geltender sozialer Normen dahingehend verändert, dass er davon ausgeht, Aggression und Gewalt seien sozial akzeptierte – wenn nicht sogar erwünschte – Verhaltensweisen.
  • Abstumpfung: langfristige und wiederholte Konsum von Gewaltdarstellungen kann zu Abstumpfung oder Habituation gegenüber Gewalt und Aggression führen
  • Feindseliger Attributionsstil: Die überproportional häufige Darstellung von Gewalt in Medien kann den Effekt haben, dass der Konsument die Welt zunehmend für einen gefährlichen und feindseligen Ort hält, was sich auf der Ebene von Persönlichkeitsmerkmalen in einem feindseligen Attributionsstil manifestieren kann.

Prävention von Aggression und Gewalt

Prävention von Aggression und Gewalt

  • erfordert koordinierte Interventionen auf unterschiedlichen Interventionsebenen – Individuum, soziales System, organisatorischer oder gesellschaftlicher Kontext

Entschuldigungen

Entschuldigungen

  • Experimente zeigen, dass eine glaubwürdige Entschuldigung, die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass die frustrierte Person aggressiv reagiert
  • Die Effektivität einer Entschuldigung hängt insbesondere von zwei Faktoren ab:
  • vom Schwergrad des Ereignisses– je schwerwiegender die Frustration, desto umfangreicher muss die Entschuldigung typischerweise ausfallen, um Ärger und Aggression zu mildern
  • vom Vertrauen des Adressaten- eine Entschuldigung wirkt nur dann, wenn der Adressat glaubt, dass der Verursacher es mit seiner Entschuldigung ernst meint und sich daher zukünftig anders verhält

Bestrafungen

Bestrafungen

  • Bestrafung (oder Strafandrohung) führt nur dann nachhaltig zu einer Reduktion der Auftretens wahrscheinlichkeit zukünftiger aggressiver Verhaltensweisen führt, wenn:
  • die verabreichte (oder zu erwartende) Strafe muss aus Sicht des Akteurs hinreichend unangenehm sein,
  • die Strafe muss mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf das Verhalten folgen,
  • die Strafe muss in einem für die Zielperson unmittelbar nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem gezeigten Verhalten stehen,
  • die Zielperson muss erkennen, dass in der relevanten Situation alternative und sozial akzeptierte Handlungen zur Verfügung stehen, die nicht zur Bestrafung führen (oder geführt hätten)

Dosierung der Strafe

Dosierung der Strafe

  • Stärke der angedrohten Strafe muss derartig dosiert werden, dass die Zielperson die Möglichkeit hat, das eigene Unterlassen des unerwünschten Verhaltens nicht allein auf die Bedrohung durch die Strafe zu attribuieren (externale Attribution)
  • Drohung mit einer milden Strafe – eine Strafe, die gerade stark genug ist, die Zielperson dazu zu bringen, eine unerwünschte Verhaltensweise kurzfristig zu unterlassen – bietet ihr den Spielraum, das Unterlassen des Verhaltens auf interne Faktoren zurückzuführen („Eigentlich macht mir das Verhalten gar keinen Spaß.“), was die zukünftige Attraktivität der Handlung reduziert.

Ärgerbewältigung

Ärgerbewältigung

  • Erkennen der situativen Auslöser von Ärger („Was genau hat mich an der Bemerkung des anderen wütend gemacht?“)
  • Einüben von Selbstverbalisationen, die dazu beitragen, die Auslöser und die Situation neu zu bewerten (z.B. „Entspann Dich, nimm die Sache nicht gleich so persönlich.“).
  • Erwerb von Kompetenzen, Wut und Kritik angemessen zu kommunizieren und Kompromisse zu schließen, wenn sich Konflikte ergeben („Ich werde in Ruhe sagen, was mich verletzt hat und warum.“)
  • Erlernen des gezielten Einsatzes von alternativen und mit Ärger inkompatiblen Verhaltensreaktionen (z.B. der Erwerb der Fähigkeit, durch den Einsatz von mentalen Strategien auch in Stresssituationen zu entspannen).
  • Einschränkungen: setzt Einsicht voraus, dass aggressives Verhalten mit mangelnder Impulskontrolle zusammenhängt, sowie die Motivation, dies zu ändern. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, zeigt der Ansatz wenig Wirkung