Deutsche Grammatik im Sprachvergleich

Lernkartei zu einer universitären Vorlesung

Lernkartei zu einer universitären Vorlesung


Fichier Détails

Cartes-fiches 65
Langue Deutsch
Catégorie Allemand
Niveau Université
Crée / Actualisé 04.07.2015 / 30.09.2020
Lien de web
https://card2brain.ch/box/deutsche_grammatik_im_sprachvergleich
Intégrer
<iframe src="https://card2brain.ch/box/deutsche_grammatik_im_sprachvergleich/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>

Definiere die Begriffe "satellite-framed languages", "verb-framed languages" und "equipollently-framed languages"

  • Satellite-framed languages: Bedeutungsgehalt zum Teil in den Satelliten enthalten (z. B. dt: Das Mädchen schwimmt durch den Fluss)
  • Verb-framed languages: Verb übernimmt einen Großteil des Bedeutungsgehalts (z. B. La fille traverse la rivière)
  • Equipollently-framed languages: Gleichwertige grammatische Elemente beschreiben (chin. you guo = swim-cross)

Beschreibe die unterschiedlichen Frames of Reference (nach Stephen Levinson)

Beispielsituation: ein Objekt wird beobachtet.

  • Intrinsischer FoR: Es wird aus der Sicht des Objekts, unabhängig vom Beobachter, beschrieben.
  • Relativer FoR: Bezieht sich auf den Beobachter (bevorzugt durch die meisten indoeuropäischen Sprachen).
  • Absoluter FoR: Das beobachtete Objekt wird in Bezug auf Himmelsrichtungen und andere Fixpunkte angegeben (bevorzugt durch traditionelle Gesellschaft in ländlicher Umgebung)

Besonderheit der deutschen Syntax: Stellung des Verbs. Beschreibe.

Im Deutschen steht generell das Verb an 2. Stelle. Es kann theoretisch jedes Satzglied vor das Verb gezogen werden:

  • Ich fahre jeden Samstag an den See.
  • Jeden Samstag fahre ich an den See.
  • An den See fahre ich jeden Samstag.

Im Nebensatz jedoch steht das Verb an letzter Stelle (Inversion).

Ich weiß, dass das ein sehr guter Vortrag war.

Besonderheit der deutschen Syntax: Welche Satzklammern gibt es in der deutschen Sprache?

Beachte: in der geschriebenen Sprache umfassen die Satzklammern oft mehr Inhalt. In der gehobenen Sprache werden oft sehr umfangreiche Satzklammern gebildet.

1. Verbklammer zwischen Auxiliar und infinitem Verb:

  • Tempusklammer

Ich bin auf einer sehr guten Schule gewesen.

  • Modalklammer

Ich muss meinen braunen, nicht besonders artigen, Hund ausführen.

  • Partikelverbklammer

Er schreibt einen besonders langen Text ab.

2. Negationsklammer

Er machte die vielen Hausaufgaben doch nicht.

3. Nominalklammer

Ein fürchterlich langer Brief.

4. Präpositionalklammer

von diesem düsteren Tage an.

5. Nebensatzklammer

Ich glaube nicht, dass er jemals einen langen Brief geschrieben hat.

 

Was versteht man unter der Extraposition (Syntax)?

In der mündlichen Sprache werden häufig besonders umfangreiche Satzglieder ins Nachfeld gerückt = Ausklammerung.

Schade, dass es so furchtbar laut war im Saal.

Was versteht man unter Verweiselementen (Textgrammatik)?

Verweiselemente sind Pronomen, die auf ein bestimmtes Subjekt verweisen. Sie sind entweder anaphorisch (rückwärtsverweisend) oder kataphorisch (vorwärtsverweisend), je nachdem, ob zuerst das Pronomen genannt wird oder das Subjekt. Vergleiche:

Anaphorisch:

Sokrates war ein berühmter griechischer Philosoph. Er war der Lehrer von Platon.

Kataphorisch:

Er war der Lehrer von Platon: Sokrates war ein berühmter griechischer Philosoph.

 

In welchem dieser Sätze ist eine Proform groß geschrieben?

Schildere die Herkunft von definitem/indefinitem Artikel.

  • Der indefinite Artikel entwickelte sich meist aus der Numerale "eins" (dt. ein, eine)
  • Der definite Artikel entwickelte sich aus dem Demonstrativpronomen (ahd.: ther, thiu, thaz)

Welche textdeiktischen Funktionen sind mit dem Artikel verbunden?

Der unbestimmte Artikel signalisiert eine Neuerwähnung.

Es war einmal ein Müller.

Der bestimmte Artikel impliziert eine Vorerwähnung.

Der Müller hatte eine Tochter.

Außerdem kann der bestimmte Artikel auch in folgenden Fällen verwendet werden:

  • Generalisierende Aussagen (z. B. der Mensch ist ein soziales Wesen)
  • Begriffe, die sich auf eine einzelne Sache beziehen (z. B. die Sonne entstand vor Millionen von Jahren)
  • Bezeichnung eines Referenten, der in einer Kontiguitätsbzeiehung steht:

Otto hatte ein ziemlich altes Auto. Die Karosserie war völlig verrostet.

Wie wird Determination (Un-/Bestimmtheit) in den europäischen Sprachen markiert?

  • Durch eine spezielle Wortart ("Determinativ", z. B. Artikel im Deutschen)
  • Durch das Verb: bei artikellosen Sprachen, z. B. slawische Sprachen, hier durch den Aspekt:
    • imperfektiv (Handlung ist nicht abgeschlossen), perfektiv (Handlung ist abgeschlossen
    • indefinit, definit
  • Durch Suffixe (Suffix markiert Definitheit: Ausnahme im Persischen, hier gibt es ein indefinites Suffix)
  • Über unterschiedliche Adjektivformen
  • Durch Partikel

Erkläre die Semantik der Tempusformen nach Eisenberg.

Eisenberg unterscheidet drei "Zeiten":

  • Aktzeit/Ereigniszeit: der von der Satzbasis beschriebene Sachverhalt
  • Sprechzeit: Zeitpunkt der Äußerung (zeitliche origo) des Sprechers - immer in der Gegenwart!
  • Betrachtzeit/Referenzzeit: Begrenzung der Ereigniszeit

Beispiel:

Karl schlief, als wir ankamen.

Sprechzeit: Gegenwart, Ereigniszeit (des Schlafens) wird durch die Ankunft (Referenzzeit) beschnitten.

Wie drücken die Sprachen der Welt Zeitstufen aus? Gib einige Beispiele aus dem Deutschen.

  • Durch das Verb: Stammänderung, Anbringen von Affixen, Verwendung von Auxiliaren (HIlfsverben)
  • Durch Zeitadverbien
  • Durch Adverbialsätze

Beispiel aus dem Deutschen:

  • Durch die entsprechende Zeit (z. B. Futur, Präteritum ...)
  • Durch eine Zeitangabe (z. B. Ich höre in zwei Stunden auf)
  • Durch eine Zeitadverbie (z. B. Ich höre gleich auf)
  • Durch den entsprechenden Kontext (z. B. Keine Lust? Ich gebe auf!)

Warum darf man Tempusformen nicht mit der physikalischen Dimension der Zeit verwechseln?

Die grammatischen Zeiten stimmen nicht immer mit der wahren physikalischen Zeit überein. Zum Beispiel gibt es Tendenzen, andere Tempusformen für eine Zeitstufe einzusetzen:

Ich putze mir die Zähne. (Statt: Ich werde mir jetzt die Zähne putzen).

Im Finnischen beispielsweise gibt es überhaupt keine Futurformen! Auch bei anderen Sprachen ist es sehr unterschiedlich, welche Zeitformen existieren und überhaupt verwendet werden. Im mündlichen Deutsch wird das Perfekt eindeutig bevorzugt, während im Schriftlichen eher das Präteritum gesetzt wird.

Erkläre, was es mit der grammatikalischen Kategorie des "Aspekts" auf sich hat und welche Unterarten es davon gibt.

Der Aspekt ist eine verbale Kategorie, die die Haltung des Sprechers zur zeitlichen Struktur von Handlungen oder Ereignissen ausdrückt. Nicht der Zeitpunkt des Vorgangs, sondern die Art und Weise der Betrachtung liegt im Vordergrund.

  • Imperfektiver Aspekt: Betrachtung einer Handlung ohne Beachtung ihrer Abgeschlossenheit
    • Durativ (Zustand dauert an)
    • Iterativ (Zustand wiederholt sich dauernd)
    • Habituativ (Zustand findet für gewöhnlich statt)

engl. George goes to school every day. He loves sports.

  • Perfektiver Aspekt: Die Handlung gilt als Ganzes oder ist vollendet
    • Punktuell: Einmaliges Ereignis
    • Ingressiv: Beginn eines Ereignisses
    • Resultativ: Ende eines Ereignisses

engl.: George arrived in London last week. He has visited the whole city.

 

Wie wird die Kategorie Aspekt in den europäischen Sprachen realisiert?

  • Durch Präfixe / Suffixe / Zirkumfixe
  • Durch Wortzusätze
  • Durch Partikel

Ich schreibe gerade einen Brief.

  • Syntaktisch

Ich bin am Schreiben.

Wie wird zwischen Tempus und Aspekt unterschieden?

Meistens sind Tempus und Aspekt eng miteinander verwoben.

  • In den romanischen Sprachen ist der Aspekt nur eine bestimmte Eigenschaft des Verbes
  • Viele Sprachen kennen morphologisch nur den Aspekt und haben keine grundsätzlichen Tempusformen
  • In den slawischen Sprachen beispielsweise existieren zu jedem Aspekt drei Zeitstufen
  • Das Deutsche kennt gar keinen Aspekt, hatte aber Aspektformen im Germanischen

Was versteht man unter der Diathese (in der Grammatik)?

Die Diathese ist eine Kategorie des Verbs. Sie beschreibt, wie das Verb semantische Rollen an seine Ergänzungen vergibt. Bekanntes Beispiel im Deutschen ist das Genus Verbi, die morphologisch-syntaktische Umsetzung einer Diathese.

Der Mann (Agens) schenkt dem Kind (Patiens) ein Buch = 3-wertiges Verb

Diathesen reglen, ob und in welcher Form die Ergänzungen im Satzbau erscheinen.

Im Aktivsatz entspricht das Agens dem Subjekt, das Patiens einem Objekt. Im Passivsatz erscheint das Patiens als Subjekt.

Warum wird im Passiv das Agens ausgeblendet?

Welche Passivarten gibt es im Deutschen?

  • Vorgangspassiv: häufigste Form des Passiv. Ein Vorgang, der gerade vor sich geht.

Die Tür wird geschlossen.

  • Zustandspassiv: Es wird ein Ergebnis vorgestellt. Meist gibt es kein präpositionales Objekt als Agensangabe.

Die Tür ist geschlossen.

  • Unpersönliches Passiv: nur möglich bei einem Verb, das eine persönliche Tätigkeit enthält. Es muss ein ausgeblendetes Agens geben.

Gestern wurde gefeiert. Es wurde getanzt und gelacht.

Welche Verben können kein Passiv bilden?

Verben ohne Patiens, also:

  • Besitzverben: haben, besitzen, bekommen, erhalten
  • Mengenrelationen: kosten, enthalten, fassen (Mengen sind kein Patiens)
  • Intransitive Verben mit Sachsubjekt: beruhen, erstaunen, freuen, schmerzen 
  • Reflexivverben
  • Ausnahmen:
    • energisches Auffordern, z. B. Jetzt wird aber gegessen!
    • Rezipientenpassiv: Er bekommt eine Urkunde ausgehändigt.

Welche Besonderheiten hat das Passiv gegenüber dem Aktiv (semantisch, syntaktisch, pragmatisch)?

Syntaktisch: mehr Varianten, durch Aussparung des Agens wird der Satz kürzer. Akzentuierung des Verbs, weil es in der Endstellung steht.

Pragmatisch: Das Patiens wird vorgezogen, das Verb steht in der Endstellung und ist dadurch betont (z. B. Das Spiel wurde gewonnen)

Semantisch: Geschehens- und Zustandsakzentuierung, täterferne Sicht, vorgangsbetonte Sicht

Wie kann man das Agens (außer durch die Verwendung des Passiv) noch ausblenden?

  • Konstruktion mit "man ..."
  • Nominalisierungen
  • Adjektive (z. B. das ist lernbar)
  • Reflexivkonstruktionen mit unpersönlichem Subjekt; vertragen sich nicht mit Agens!
    • Die Tür öffnet sich
    • Das Buch verkauft sich gut
  • Funktionsverbgefüge: Signalisierung von Aktionsarten durch Positions- und Bewegungsverben mit Richtungspräpositionen und Nomina actionis
    • Kausativ: Das Pferd setzt sich in Bewegung.
    • Inchoativ: Das Pferd kommt in Bewegung.
    • Durativ: Das Pferd hält sich in Bewegung.
  • Modalpassiv:
    • Aufgaben sind zu erledigen
    • Probleme sind lösbar
    • Aufgaben lassen sich lösen
    • Nur eine Frage ist noch zu klären

Anfänge der kontrastiven Linguistik: Welche Theorie zum Fremdsprachunterricht lieferte Lado (1957)?

Durch den Vergleich der Muttersprache mit der Zielsprache können Fehler vorausgesagt werden.

  • Ähnlichkeiten führen zu positivem Transfer (es wird schneller und besser gelernt)
  • Unterschiede führen zu negativem Transfer (es werden Fehler gemacht)

Kritik: Die Vorhersagen treffen häufig nicht zu. Extreme Unterschiede prägen sich beim Lerner besser ein, Ähnlichkeiten führen zu Verwechslungsgefahr.

In welche Typen teilt Corder Fehler ein? (Fehleranalyse, 1967)

  • Interlinguale Fehler: Fehler sind auf die Struktur der Erstsprache zurückzuführen.
  • Intralinguale Fehler: Fehler sind auf die Zielsprache zurückzuführen. Diese Fehler sind von allen Lernern einer Sprache zu erwarten. Beispiele im Deutschen:
    • Übergeneralisierung bei der Präteritumsbildung: Ich machte, ich *gehte
    • Vereinfachung durch Abkürzung der Endung: Ich lerne Deutsch seit zwei *Jahr
    • Paraphrase bei fehlendem Wortschatz
    • Induzierte Fehler, die aus einem Lehrwerk oder vom Lehrer übernommen wurden

Welche Fehler sind typisch für Deutschlerner?

  • Monoflexion: nur ein Glied wird mit dem ausdrucksstarkem Flexiv versehen. Zusammenhang mit der starken/schwachen Adjektivflexion
  • Determinativkomposita: Stellung des Kopfes
  • Mehrfachkomposita: z. B. Autobahnraststätte
  • V2-Stellung im Aussagesatz
  • Verbalklammer und andere Klammertypen
  • Bestimmter/unbestimmter Artikel
  • Gebrauch von Perfekt und Präteritum
  • Passiv: Unterscheidung zwischen Vorgangs- und Zustandspassiv:
    • Die Tür wird geschlossen (Handlung) - Die Tür ist geschlossen (Zustand)