003 Motivationen - WISE-25

VO_APSY2_MOT_Triebe

VO_APSY2_MOT_Triebe


Kartei Details

Karten 8
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 03.11.2025 / 04.11.2025
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1. Motivation als Druck:Triebtheorie und Allgemeine Konzeption

Grundidee

Die Triebtheorie beschreibt Motivation als inneren Druck, der Verhalten antreibt.

  • Vergleichbar mit einem Tank voller Energie, der geleert werden will.

  • Verhalten tritt auf, um Spannung abzubauen.

Beispiel: Hunger erzeugt inneren Druck → wir suchen Essen → Spannungsabbau → befriedigendes Gefühl.

Instinkte und angeborene Triebe

Menschen haben biologisch verankerte, universelle Antriebe:

  • Sexualität → Fortpflanzung

  • Hunger → Nahrungsaufnahme

  • Durst → Flüssigkeitsaufnahme

  • Aggression → Verteidigung oder Durchsetzung

Diese Triebe:

  • Sind angeboren, nicht gelernt

  • Universell bei allen Menschen vorhanden

  • Evolutionsgeschichtlich selektiert, um Überleben und Fortpflanzung zu sichern

→ Wegbereiter dieser Idee: Charles Darwin.

 

Trieb als Quelle der Energie

  • Trieb ist unspezifische Energie, die Verhalten antreibt.

  • Er ist push-orientiert: Schiebt das Verhalten von innen an, im Gegensatz zu Reizen von außen (pull).

  • Triebzustände sind unausweichlich: Wir können die Spannung nicht dauerhaft ignorieren.

Zustand der Anspannung

  • Ein Trieb erzeugt innere Spannung oder Erregung.

  • Reduktion der Spannung wird als befriedigend oder lustvoll erlebt.

  • Beispiel: Essen nach Hunger → angenehmes Gefühl, da Trieb reduziert.

Triebreduktionshypothese (Katharsis)

  • Verhalten dient der Reduktion innerer Triebspannung.

  • Beispiel: Aggression wird durch Ventilieren („rauslassen“) reduziert.

  • Dieses Prinzip wurde auch später in Freuds Katharsis-Konzept aufgegriffen.

2. Tiefenpsychologische Triebtheorie (Freud), Teil 1

Wer war Freud?

  • Sigmund Freud (1856–1939)

  • Begründer der Tiefenpsychologie und Psychoanalyse

  • Hintergrund: Medizin, stark beeinflusst von der Idee von Energie und Transformation (als wissenschaftliches Konzept des 19. Jhdt.)

Instanzenmodell (1923) 

Die Psyche besteht aus drei Instanzen:

Es: Sitz der Triebe (Lebenstrieb/Eros, Todestrieb/Thanatos). Steuert nach Lustprinzip → sofortige Befriedigung.
Beispiel: Du hast Hunger → greifst direkt nach Schokolade.

Ich: Vermittler zwischen Es, Über-Ich und Realität. Wirkt nach Realitätsprinzip → verzögert oder plant Befriedigung.
Beispiel: Du willst Schokolade, wartest aber, bis du zuhause bist.

Über-Ich: Internalisierte Normen und Werte. Kontrolliert das Es moralisch.
Beispiel: Du verzichtest auf Schokolade, weil du gerade Diät machst.

Merke: Das Ich vermittelt zwischen Wunsch (Es) und Moral (Über-Ich).
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Dampfkesselmodell (1938)

  • Triebe erzeugen Energie, die abgeleitet werden muss.

  • Primärprozess: Unbewusst, sofortige Befriedigung von Trieben.
    Beispiel: Du bist wütend → schlägst sofort jemanden.

  • Sekundärprozess: Bewusst, kontrollierte Handlungen, Ersatzhandlungen, Planung.
    Beispiel: Du bist wütend → gehst joggen statt zu schlagen.

Abwehrmechanismen

Das Ich schützt sich vor Konflikten mit dem Über-Ich oder der Realität. Häufige Mechanismen:

Leugnung: Realität wird ignoriert

Verdrängung: Unerwünschte Gefühle werden ins Unbewusste verschoben

Rationalisierung: Logische Erklärung statt wahres Motiv

Sublimation: Triebenergie auf akzeptable Ziele lenken

Projektion: Eigene Gefühle anderen zuschreiben

Beispiel: Aggression wird durch Sport abgeleitet (Sublimation).

Katharsis-Hypothese

  • Idee: Ausleben von Triebimpulsen reduziert inneren Druck.

  • Freud: Triebe müssen „abgearbeitet“ werden → z. B. durch Kunst, Sport, Gespräche.

3. Tiefenpsychologische Triebtheorie (Freud), Teil 2

Empirische Überprüfung von Freuds Theorien

Anekdotische Evidenz

Freud stützte seine Theorien vor allem auf klinische Beobachtungen, nicht auf Experimente:

  • Einzelfallstudien: Beispiele wie Anna O. oder Elisabeth von R.

  • Sprach-, Traum- und Kunstanalysen

  • Fehlleistungen: Versprecher, Versehen oder Verhören, die unbewusste Motive zeigen sollen

Merke: Freud vertraute stark auf qualitative Beobachtungen, weil er meinte, sie seien „sicherer“ als experimentelle Daten.

Experimentelle Überprüfung

Freud selbst war gegenüber Experimenten skeptisch, schrieb 1934 an Saul Rosenzweig:

„Die experimentellen Bestätigungen kann ich nicht hoch einschätzen, da die klinischen Beobachtungen unabhängig von Experimenten sicher sind. Aber schaden kann es nicht.“

  • Sexuelle Triebreduktion: Tests z. B. von Beach & Jordan (1956), Sheffield et al. (1951)

  • Katharsis-Hypothese: Prüft, ob Aggression durch Ausleben reduziert wird (Geen et al., 1975)

Katharsis-Experiment (Geen et al., 1975)

Ziel: Prüfen, ob das Ausleben von Aggressionen den inneren Druck senkt.

  • UV1 (Provokation): Versuchsperson (Vpn) bekommt vom Komplizen elektrische Schocks (Attack = Provokation) oder nicht (No Attack).

  • UV2 (Aggressionsabbau):

    1. Selbst Schocks austeilen (Katharsis)

    2. Beobachten, wie die Versuchsleitung Schocks gibt

    3. Nur Signale, keine Schocks

  • AV: Intensität der späteren Schocks im Code-Learning-Test + physiologische Messungen (z. B. Blutdruck)

Ergebnis: Aggression durch Ausleben wird nicht zuverlässig reduziert → Katharsis-Hypothese nicht uneingeschränkt bestätigt

4. Behavioristische Triebtheorie, Hulls Motivationstheorie, 1 Teil

Hulls Motivationstheorie
Clark L. Hull (1884–1952) verband Lernen und Motivation in einer naturwissenschaftlich erklärbaren Theorie. Er betrachtete Verhalten als Ergebnis von biologischen Trieben, die durch Erfahrung gelenkt werden. Ein Trieb liefert Energie, gelernte Gewohnheiten bestimmen die Richtung. Hull arbeitete an der Yale University und leitete eine einflussreiche Forschungsgruppe mit Miller, Mowrer und Spence.

Triebe und Lernen

  1. Trieb als Energiequelle
    Ein Trieb entsteht, wenn ein biologisches Bedürfnis (z. B. Hunger, Durst, Schlafmangel) unbefriedigt bleibt. Dieses Defizit erzeugt eine innere Spannung, die den Organismus dazu bringt, aktiv zu werden. Der Trieb stellt also die unspezifische Energie bereit, die jedes Verhalten antreibt. Ohne einen solchen Trieb kommt kein Verhalten zustande, weil keine Aktivierung vorhanden ist.

  2. Defizitmotivation
    Hull bezeichnete alle durch Mangel ausgelösten Triebe als Defizitmotivation. Erst das Erleben eines Mangels (z. B. Nahrung fehlt) erzeugt Motivation zum Handeln. Wird kein Mangel wahrgenommen, bleibt der Organismus passiv.

  3. Triebreduktion als Verstärker
    Wenn eine Handlung das Bedürfnis befriedigt, verringert sich der Triebzustand – es entsteht ein Gefühl der Erleichterung. Diese Triebreduktion wirkt als Verstärker: Das Verhalten, das zur Befriedigung geführt hat, wird gelernt und in Zukunft häufiger gezeigt. Damit erklärt Hull, warum Lebewesen bestimmte Verhaltensmuster beibehalten.

  4. Verhaltensgewohnheiten (Habits)
    Habits sind erlernte Reaktionen, die durch wiederholte Verstärkung stabil werden. Sie zeigen dem Organismus, wie ein Bedürfnis am besten befriedigt werden kann.
    Die Stärke einer Gewohnheit hängt von der Zahl und Regelmäßigkeit vergangener Belohnungen ab. Hull nannte dies Habit Strength (SHR).

  5. Zusammenspiel von Trieb und Gewohnheit
    Motivation entsteht, wenn Triebenergie (Antrieb) und gelernte Gewohnheit (Richtung) zusammenwirken.

    • Der Trieb energetisiert das Verhalten.

    • Die Gewohnheit lenkt die Energie auf eine bestimmte Handlung.
      Dadurch entsteht zielgerichtetes Verhalten, das auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet ist.

 

6. Behavioristische Triebtheorie, Hulls Motivationstheorie, 2 Teil

 

Das Multiplikativen Modells

Grundidee des Multiplikativen Modells

Formel:

D×H=ED \times H = ED×H=E

D = Drive / Antriebsniveau
z. B. Hunger, Durst, sexuelles Bedürfnis.

H = Habit / Verhaltensgewohnheit
z. B. schon gelerntes Verhalten, wie eine Hebelbetätigung.

E = Reaktionspotential
= Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten gezeigt wird (Reaktionsstärke).

Kerngedanke:
Das Verhalten hängt gleichzeitig von Motivation (D) und gelerntem Verhalten (H) ab. Wenn einer dieser Faktoren 0 ist, entsteht keine Reaktion:

Wenn D=0D = 0D=0 (kein Hunger) → E=0E = 0E=0

Wenn H=0H = 0H=0 (kein gelerntes Verhalten) → E=0E = 0E=0

Empirische Befunde zum Modell

  1. Triebe sind substituierbar:
    Verschiedene primäre Motive (Hunger, Durst, Sexualtrieb) können als „unspezifische Triebenergie“ betrachtet werden (Hull, 1943).
    → Motivation kann allgemein gemessen werden.

  2. Reaktionsstärke steigt mit D und H:
    Je hungriger das Tier und je stärker die Gewohnheit, desto stärker das Verhalten (Williams, 1938; Perin, 1942).

  3. Beispiele aus Experimenten:

    • Columbia Obstruction Box (Warden et al., 1936):
      Ratten überqueren ein Gitter, um an Futter oder Sexualpartner zu kommen.

      • Nur Habit, kein Drive → wenig Überquerungen

      • Mit Drive → Überquerungen steigen mit Entzugsdauer (t)

  4. Löschungsresistenz:
    Verhalten wird stabiler, je häufiger es vorher belohnt wurde und je länger der Entzug war.

Erweiterung: Anreize (Cues, Rewards)

Crespi (1942) zeigte:

  • Änderung der Belohnungsmenge führt zu plötzlicher Änderung der Leistung.

  • Beispiel: Ratten bekommen erst 1, 16 oder 256 Futterkörner. Dann alle 16. Leistung springt nicht linear mit Gewohnheit, sondern hängt stark von der aktuellen Belohnung ab.

 

7. Eehavioristische Triebtheorie, Hulls Motivationstheorie, 3 Teil

Modifiziertes Modell (Hull, 1943)

Formel:

D×H×K=ED \times H \times K = ED×H×K=E

  • K = Incentive / Anreiz
    z. B. Menge oder Qualität der Belohnung.

Interpretation:

  • Triebe wirken wie Druckkräfte, Anreize wie Zugkräfte.

  • Zusammen mit der Habit-Stärke bestimmen sie die Reaktionsstärke.

Alternative Darstellung:

(D+K)×H=E(D + K) \times H = E(D+K)×H=E

→ Trieb und Anreiz addieren sich als „Motivationskraft“.

Weiterentwicklung: Spence (1956)

  • Trieb (Drive) nicht mehr zwingend als Energiequelle notwendig

  • Grundlage für Erwartungs-mal-Wert-Modelle (later in Psychology: Motivation = Erwartung × Wert)

8. Kritische Einwände gegen Triebtheorien

Kritische Einwände gegen Triebtheorien

  1. Triebenergie nötig?

    • Verhalten kann auch durch Anreize oder Erwartung erklärt werden.

  2. Bedürfnisabhängige Anreize

    • Tiere handeln, um Belohnungen zu erhalten, nicht nur Triebe zu reduzieren.

  3. Zielgerichtetes Verhalten

    • Tiere nutzen Lernprozesse und räumliche Orientierung, um Belohnungen zu finden.

    • rG–sG-Verkettung: Verhaltensketten, teilweise antizipierend.
      Beispiel: Hebel → Licht → Futter.

  4. Kognitive Erwartung

    • Motivation = Erwartung × Wert der Belohnung (Vorläufer von Erwartungs-mal-Wert-Modellen).

  5. Einwände gegen Triebreduktion

    • Sekundäre Verstärkung (z. B. Geld) motiviert, ohne Trieb zu reduzieren.

    • Intrakranielle Selbststimulation (Olds & Milner, 1954): direkte Hirnreize werden gesucht.

    • Intragastrische Verstärkung (Holman, 1969) und Aversion gegen Unterstimulation (Barnard et al., 1962) zeigen: Trieb erklärt nicht alles.

  6. Exploration & Neugier

    • Tiere handeln auch intrinsisch, z. B. zur Erkundung oder Risikosuche.

Merksatz:

Verhalten wird nicht nur durch Triebe, sondern auch durch Erwartungen, Belohnungen und intrinsische Motivation gesteuert.

9. Aktivationsniveau und Verhalten

Aktivationsniveau und Verhalten

  • Yerkes-Dodson-Gesetz (1908):

    • Beziehung zwischen Aktivierung (Erregung) und Leistung ist nicht linear, sondern umgekehrt U-förmig.

    • Zu niedriges Aktivationsniveau: Leistung sinkt (zu wenig Motivation).

    • Optimales Aktivationsniveau: Höchste Leistung.

    • Zu hohes Aktivationsniveau: Leistung sinkt wieder (Stress/Übererregung).

  • Aktivationstheorie (Berlyne, 1966):

    • Motivation dient nicht nur der Triebreduktion, sondern der Aufrechterhaltung eines optimalen Erregungsniveaus.

    • Tiere und Menschen suchen oft Aktivitäten, die angenehme Aktivierung bringen (Neugier, Exploration).

Theorie der Motivationsintensität

  • Schwierigkeitsgesetz der Motivation (Brehm & Self, 1989):

    • Aufwand/Anstrengung steigt proportional zur erwarteten Schwierigkeit einer Aufgabe.

    • Beispiel: Schwierige, aber lösbare Aufgabe → maximale Anstrengung.

    • Moderator: Die Wichtigkeit des Erfolgs beeinflusst, wie viel Energie investiert wird.

      • Weniger wichtig → weniger Anstrengung

      • Sehr wichtig → mehr Anstrengung, evtl. auch über optimales Niveau hinaus

Merksätze für die Prüfung

  • „Nicht nur Triebe motivieren, auch Aktivierung spielt eine Rolle.“

  • „Leistung ist am besten bei mittlerem Aktivationsniveau (Yerkes-Dodson).“

  • „Anstrengung steigt mit der erwarteten Schwierigkeit und der Bedeutung des Ziels.“

Lernen