Ja


Kartei Details

Karten 14
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 31.10.2025 / 31.10.2025
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Klassische Konditionierung

Definition:

Klassische (oder Pawlowsche) Konditionierung ist eine Form des assoziativen Lernens, bei der ein ursprünglich neutraler Reiz (CS, konditionierter Stimulus) durch wiederholte Paarung mit einem unkonditionierten Stimulus (US) — der eine natürliche Reaktion (UR, unkonditionierte Reaktion) auslöst — selbst die Fähigkeit erlangt, eine Reaktion (CR, konditionierte Reaktion) hervorzurufen.

 

Ablauf:

• Zu Beginn: CS → keine besondere Reaktion

• US → UR (angeborene Reaktion)

• Während der Lernphase: CS + US → UR

• Nach dem Lernen: CS → CR (ähnlich der UR)

 

Beispiel – Konditionierung der Hautleitfähigkeit (Champion & Jones, 1961):

In dieser Studie wurde beim Menschen die Hautleitfähigkeit (Skin Conductance Response, SCR) als abhängige Variable genutzt.

• Der US war ein unangenehmer Reiz (z. B. leichter Elektroschock), der eine automatische Erregungsreaktion (Anstieg der Hautleitfähigkeit) auslöste.

• Ein neutraler Reiz (Ton, Licht etc.) wurde mehrfach mit dem US gepaart.

• Nach einigen Durchgängen begann der neutrale Reiz (nun CS), allein eine erhöhte Hautleitfähigkeit (CR) auszulösen – ein Zeichen antizipatorischer Erregung.

 

Abhängige Variable – Hautleitfähigkeit:

• Die Hautleitfähigkeit steigt, wenn die Schweißdrüsen (unter Kontrolle des sympathischen Nervensystems) aktiviert werden.

• Gemessen wird meist die Änderung der Leitfähigkeit (in Mikrosiemens) nach Reizbeginn.

• Da diese Reaktion unwillkürlich und objektiv messbar ist, eignet sie sich gut, um emotionale oder physiologische Konditionierung beim Menschen zu erfassen.

 

Bedeutung:Diese Studie zeigt, dass klassische Konditionierung auch beim Menschen anhand physiologischer Parameter (nicht nur Verhalten) zuverlässig nachgewiesen werden kann.

 

Kontrollgruppen

 

Das Little-Albert-Experiment (Watson & Rayner, 1920):

 

• Ein etwa 9 – 11 Monate altes Kind („Little Albert“) wurde mit einer weißen Ratte (neutraler Reiz) konfrontiert.

• Die Ratte wurde wiederholt mit einem lauten Geräusch (US) gepaart, das automatisch Furcht (UR) auslöste.

• Nach mehreren Paarungen zeigte Albert Furcht bereits bei der Ratte allein (CS → CR).

• Diese Furcht generalisierte auf ähnliche Reize (z. B. Kaninchen, Hund, Pelz).

 

Sensitivierung (sensitization):→ Eine nicht-assoziative Steigerung der Reaktionsbereitschaft durch wiederholte Darbietung eines erregenden Reizes.

Beispiel: Durch die wiederholten lauten Geräusche könnte Albert allgemein schreckhafter geworden sein – nicht nur gegenüber der Ratte.

 

Pseudokonditionierung: → Eine Reaktion auf den CS scheint konditioniert, ist aber eigentlich Folge einer allgemeinen Erregung durch den US oder den Versuchskontext.

Beispiel: Albert reagiert auf die Ratte, nicht weil er gelernt hat, dass sie den Lärm vorhersagt, sondern weil die gesamte Situation mit Angst verknüpft ist.

 

Wie könnten diese Effekte Alberts Verhalten erklären?

• Bei Sensitivierung hätte der Junge generell erhöhte Furcht gezeigt – nicht spezifisch auf die Ratte bezogen.

• Bei Pseudokonditionierung hätte die Ratte nur zufällig Angst ausgelöst, weil der Kontext (Labor, Experimentator) Furcht hervorruft.

 

Welche Kontrollgruppen wären nötig, um das auszuschließen?

1. Ungepaarte Kontrollgruppe: CS und US werden zwar beide präsentiert, aber zeitlich getrennt → zeigt, ob bloße Exposition schon CRs auslöst.

2. CS⁻-Kontrolle: Reiz, der nie mit dem US gepaart wurde → prüft, ob nur der spezifisch gepaarte CS Reaktionen auslöst.

3. US-allein-Kontrolle: Nur der US wird wiederholt gezeigt → zeigt, ob Sensitivierung entsteht.

4. Baseline-Messung: Reaktionen auf den CS vor der Konditionierung erfassen.

 

Watson & Rayner verwendeten keine dieser Kontrollen – deshalb bleibt unklar, ob es sich bei Alberts Furcht wirklich um eine echte konditionierte Reaktion handelte.

Extinktion

Definition: Extinktion bezeichnet den Abbau der konditionierten Reaktion (CR), wenn der CS wiederholt ohne US dargeboten wird (CS → kein US).

Das ursprüngliche Lernen wird dabei nicht gelöscht, sondern durch neues Lernen („CS → kein US“) überlagert.

 

Beispiel: Collins & Brandon (2002) – Biergeruch und Trinkverlangen

• Soziale Trinker reagierten auf alkoholbezogene Reize (z. B. Biergeruch) mit Speichelfluss und Verlangen (CR).

• In der Extinktionsphase wurden die Reize mehrfach ohne Alkohol präsentiert → das Verlangen nahm ab.

• Beim Test in einem anderen Kontext trat das Verlangen jedoch wieder auf → Erneuerungseffekt (Renewal).

 

Erneuerungseffekt (Renewal): Nach Extinktion in einem bestimmten Kontext (z. B. Laborraum B) kehrt die CR zurück, wenn der CS in einem anderen Kontext (z. B. ursprünglicher Raum A) gezeigt wird.

→ Extinktionslernen ist kontextabhängig.

 

Spontane Erholung:Selbst im gleichen Kontext kann die CR nach einiger Zeit wieder auftreten – auch hier zeigt sich, dass die ursprüngliche Assoziation nicht gelöscht, sondern nur gehemmt wurde.

 

Wie erreicht man eine dauerhafte und generalisierte Extinktion?

• Extinktion in mehreren Kontexten durchführen.

• Erinnerungscues (retrieval cues) nutzen, die beim Abruf helfen.

• Viele und variierte Extinktionsdurchgänge (zeitlich verteilt).

• Therapeutisch: Kombination mit kognitiven Strategien, um Rückfälle zu verhindern.

 

Konditionierte Hemmung und Gegenkonditionierung

a) Konditionierte Hemmung (Pawlow):

Pawlow zeigte, dass ein Reiz auch das Ausbleiben eines US ankündigen kann:

• A+ → US (A wird ein „Erreger“)

• AX → kein US → X wird ein Hemmreiz (conditioned inhibitor).

→ X signalisiert: „Wenn ich erscheine, passiert kein US.“

Diese Befunde zeigen: Extinktion ist gelerntes Hemmen, nicht einfach Vergessen.  Darum können alte Assoziationen später wieder auftauchen (Renewal, Spontane Erholung).

 

b) Gegenkonditionierung (Raymond, 1964 – Junge hört auf zu rauchen):

Bei der Gegenkonditionierung wird eine neue, entgegengesetzte Reaktion auf den CS gelernt.

Beispiel:

• Ursprünglich: Zigaretten (CS) → angenehmes Gefühl (US) → Verlangen (CR)

• Neu: Zigaretten (CS) → unangenehmer Reiz (z. B. Ekel, Übelkeit) → Abneigung (neue CR)

 

Warum wirkt das nicht immer dauerhaft?

• Die alte positive Assoziation (CS → Belohnung) bleibt bestehen.

• Die neue negative Verbindung ist kontextabhängig.

• Rückfälle möglich durch Erneuerung oder Spontanerholung.

• Wenn nicht alle Reize (z. B. Gerüche, Orte, Personen) behandelt werden, bleibt Rückfallgefahr.

 

Konditionierung zweiter Ordnung (Second-Order Conditioning)

Mechanismus:

1. Erste Ordnung: CS₁ (Ton) → US (Futter) → CR (Speichelfluss)

2. Zweite Ordnung: CS₂ (Licht) → CS₁ (Ton), aber kein Futter → später: CS₂ → CR

 

Pawlows Originalexperiment:

Ein Licht (CS₂) wurde mit einem bereits konditionierten Ton (CS₁) gepaart. Später löste das Licht allein Speichelfluss aus – obwohl es nie direkt mit dem Futter gekoppelt war.

 

Bedeutung für Suchtverhalten:

• Langjährige Abhängige haben viele Reize, die mit dem Drogenkonsum (US) assoziiert sind (z. B. Orte, Freunde, Musik).

• Diese Reize (CS₁) können wiederum weitere neutrale Reize (CS₂) konditionieren.

• Dadurch entstehen viele Auslöser (Trigger) für Craving und Rückfälle – auch ohne direkte Drogenerfahrung.

Zusammenfassungstabell

Ja

Kontiguität

Definition:bedeutet im Kontext der klassischen Konditionierung die zeitliche (und räumliche) Nähe zwischen dem neutralen/bedingten Reiz (CS) und dem unkonditionierten Reiz (US) während des Lernens.

• Je kürzer das Zeitintervall zwischen CS und US, desto stärker die Konditionierung.

• Nach der frühen Kontiguitätstheorie (z. B. Pavlov, Guthrie) ist diese zeitliche Nähe die entscheidende Bedingung für Lernen.

 

Befunde, die für Kontiguität sprechen:

• Pawlows Hunde: Stärkste Konditionierung, wenn der Ton (CS) kurz vor dem Futter (US) kam.

• Vorwärts- vs. Rückwärtskonditionierung:

• Vorwärtskonditionierung (CS vor US) → starke CR.

• Rückwärtskonditionierung (US vor CS) → schwache oder keine CR.

• Champion & Jones (1961): In ihren Hautleitfähigkeits-Experimenten zeigten sich stärkere Reaktionen bei zeitlicher Nähe von CS und US.

 

Aber: Kontiguität allein reicht nicht aus.

→ Rescorla (1968) zeigte, dass der CS den US vorhersagen muss (Kontingenz).

Fazit: Kontiguität ist notwendig, aber nicht hinreichend – entscheidend ist die Vorhersagbarkeit (Kontingenz).

Überraschung (Surprise)

 

Rolle der Überraschung:

 

• Lernen findet nur statt, wenn das Eintreten des US unerwartet ist.

• Die Stärke der Konditionierung hängt davon ab, wie überraschend der US nach dem CS ist.

• Wenn der US bereits vollständig vorhergesagt wird, findet kein weiteres Lernen statt.

 

Beispiele und Zusammenhänge:

 

Konzept                                                               Bedeutung der Überraschung

Kontingenz (Rescorla, 1968)                              Lernen hängt von der Vorhersagbarkeit des US ab. Überraschung = Lernantrieb.

Blocking (Kamin, 1969)                                      Wenn ein bekannter CS den US bereits ankündigt, ist der US nicht mehr überraschend → neuer CS wird nicht gelernt.

Preparedness (Seligman, 1971)                         Manche Reiz-US-Kombinationen sind biologisch „vorbereitet“, aber Lernen erfolgt nur, solange der US noch überraschend ist.

Extinktion                                                           Der US bleibt aus, obwohl er erwartet wird → Überraschung → neue Hemmung wird gelernt (CS → kein US).

 

Fazit: Überraschung = Lernmotor in der modernen Konditionierungstheorie.

 

 

Das Rescorla-Wagner-Modell

Grundidee:

Das Modell beschreibt Lernen als Veränderung der Assoziationsstärke aufgrund von Vorhersagefehlern („prediction error“).

 

Bedeutung der Variablen:

Symbol Bedeutung

ΔV Änderung der Assoziationsstärke (Lernfortschritt)

V bisherige Stärke der CS-US-Verbindung

λ (Lambda) maximale Stärke des US (z. B. Intensität)

α Salienz des CS (Auffälligkeit)

β Lernrate / Intensität des US

(λ − V₍gesamt₎) Vorhersagefehler = Überraschung des US

 

Wie das Modell Phänomene erklärt:

 

Phänomen Erklärung

Erwerb (Akquisition) Anfangs große Überraschung → schnelle Zunahme von V. Mit jedem Durchgang kleinerer Vorhersagefehler → Lernen flacht ab.

Extinktion US bleibt aus → λ = 0 → ΔV negativ → Assoziation nimmt ab.

Blocking CS₁ sagt US vollständig voraus → (λ − V) = 0 → kein Lernen für CS₂.

Übererwartung (Overexpectation) Zwei starke CSs zusammen sagen zu viel US voraus → negative Korrektur → beide verlieren an Stärke.

 

→ Lernen = Anpassung an Vorhersagefehler.

Wenn keine Überraschung mehr vorliegt → kein Lernzuwachs.

 

Formel Rescorla Wagner 

J

Stimulus-Substitution

• Der CS wird zu einem „Ersatz“ (Substitut) des US.

• Der CS aktiviert dieselbe Reaktion wie der US.

→ CS ruft dieselbe UR hervor (z. B. Speichelfluss bei Ton).

 

Belege:

• Ähnliche körperliche Reaktionen (z. B. Speichel, Pupillenerweiterung).

• Neuronale Aktivierungsmuster von CS und US ähneln sich.

 

Problem:

• CR ist nicht immer gleich der UR (z. B. UR = Schreck, CR = Einfrieren).

Signaltheorie (S-S-Theorie)

• Der CS ist ein Signal, das das Eintreten des US ankündigt.

• CR = Vorbereitungsreaktion auf den erwarteten US.

→ Der CS dient der Erwartungsbildung, nicht dem Ersatz.

 

Belege:

• CR unterscheidet sich oft qualitativ von der UR.

• Timing-Effekte (Vorbereitung auf den Zeitpunkt des US).

 

Zwei-System-Hypothese

Kernidee:

Es gibt zwei parallele Lernsysteme:

1. S–R-System (stimulus-response): direkt, automatisch, emotional/reflexiv.

2. S–S-System (stimulus–stimulus): kognitiv, erwartungsbasiert, bewusst.

 

Belege:

• Devaluations-Experimente: Wird der US nachträglich entwertet (z. B. Futter → unangenehm), sinkt die CR → spricht für S–S-Lernen.

• Nach Übertraining bleibt CR trotz Devaluation → S–R-Lernen.

 

Fazit:

Die Zwei-System-Hypothese vereint die beiden Theorien:

• Frühe, automatische Konditionierung = S–R.

• Spätere, bewusste, flexible Konditionierung = S–S.

 

Höhere kognitive Prozesse

Frage:

Beeinflusst klassische Konditionierung auch Denken, Urteile und Entscheidungen?

→ Ja, zahlreiche Studien belegen Einflüsse auf kognitive und „rationale“ Prozesse.

 

Beispiele:

 

Phänomen                                                      Beschreibung / Befund

Evaluative Konditionierung                          Neutrale Reize (z. B. Logos, Gesichter) werden positiver oder negativer bewertet, wenn sie mit angenehmen bzw. unangenehmen Reizen gepaart werden. → beeinflusst Kaufentscheidungen, Sympathien.

Placebo-Effekte                                            Neutrale Reize (Pille, Arztpraxis) werden mit der Wirkung von Medikamenten assoziiert → körperliche Reaktionen auch ohne Wirkstoff.

Affektives Priming                                         Konditionierte positive/negative Reize beeinflussen spätere Urteile über neutrale Stimuli.

Geschmacksaversion                                   Nach Übelkeit wird ein Geschmack langfristig gemieden – auch ohne bewusste Logik.

Entscheidungsverhalten                              Konditionierte Hinweisreize können „rationale“ Entscheidungen unbewusst lenken (z. B. Annäherung an CS+, Vermeidung von CS−).

 

Neurokognitive Befunde:

• Aktivierung von Amygdala (Emotion), Striatum (Belohnung) und orbitofrontalem Kortex (Bewertung).

→ Klassische Konditionierung wirkt auf dieselben Systeme, die auch bei bewussten Entscheidungen aktiv sind.

 

Fazit:

Klassische Konditionierung beeinflusst auch kognitive, bewusste Prozesse – sie prägt Einstellungen, Bewertungen und Entscheidungen, oft ohne dass wir es merken.

Lernen