Rationalität
Vertiefung
Vertiefung
Kartei Details
Karten | 210 |
---|---|
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 25.07.2025 / 27.07.2025 |
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mental model theory
(Johnson-Laired; 1983)
- Aufbau mentaler Modelle bei Bewertung von Argumenten.
- Implausibel, wenn Zweifel entstehen bzw. eigenes mental model "nicht aufgeht" (=kognitive Dissonanz)
- Unterteilung des Zweifels in 3 Arten
3 Arten des Zweifels
1. Zweifel an der Wahrheit von Prämissen ("stimmt das überhaupt?")
2. Zweifel an der logischen Stützung der Schlussfolgerung ("wenn das so ist, warum bedeutet das unbedingt..."?)
3. Zweifel an Konsistenz im Modell ("da passt was nicht zusammen")
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 1): Methodik
- 93 VP
- Text über Gesundheitspsychologie in 22 Argument-Passagen (=schrittweise präsentiert)
- Nach jeder Präsentation Einschätzung: (im)plausibel
- Leseprozess aufgezeichnet über Eye-Tracking
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 1): Hypothese
Das Erkennen von implausiblen Argumenten ist kognitiv aufwändig und zeigt sich in bestimmten Eye-Tracking Mustern
= bestätigt
- Reading-Time: kein Haupteffekt
- Lookbacks: kein HE, aber Interaktionen mit Plausibilität
> implausibel: mehr lookbacks + höhere Genauigkeit
> plausibel: mehr lookbacks + niedrigere Genauigkeit
-Rereading Time: signifikante Interaktion
> implausibel: längeres rereading + höhere Genauigkeit
> plausibel: längeres rereading + niedrigere Genauigkeit
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 1): Fazit
- implausible Argumente = höhere kognitive Anstrengung (siehe lookbacks, rereading)
- Reanalysen sind hilfreich, beim Erkennen von Fehlschlüssen
ABER: bei plausiblen Argumenten evtl. eher Fehlerquelle!
=> kognitive Reanalysen sind entscheidend für die Genauigkeit des Plausibilitäturteils!
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 2): Ziel
alternative Erklärungen von Fehlerquote bei Beurteilung von Argumenten (informell) mit Fehlschlüssen
> Vermutung, dass argumentative Fehlschlüsse schwerer zu erkennen sind
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 2): Modifikation
statt dichotomen Antwortformat (plausibel, implausibel): kontinuierliche Einschätzung
(= dichotom zwingt Menschen dazu Argument als plausibel zu bewerten, auch wenn sie es eigentlich für schwach halten)
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 2): Methodik
- Argument mit oder ohne Fehlschluss
- Einschätzung dichotom vs. kontinuierlich (Argumentstärke)
- Messung der Lesezeit (VP drückt selber weiter) > Indikator für kognitiven Aufwand
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 2): Hypothese 1
Plausibilitätsurteile und eingeschätzte Argumentstärke korrelieren stark positiv miteinander
= bestätigt
> plausible Argumente = starke Argumente
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 2): Hypothese 2
Fehlurteile bei fehlerhaften Argumenten (= "plausibel" trotz Fehlschluss) gehen mit niedrigeren Argumentstärken einher
= NICHT bestätigt
> Teilnehmer, die Fehlschluss als plausibel empfanden, bewerteten auch das Argument als stark (=erkennen Fehler gar nicht)
Rationalität und Textverstehen Studie 2) (Experiment 2): Hypothese 3
längere Lesezeiten bei implausiblen Argumenten (=höhere Urteilsgenauigkeit gefragt)
= bestätigt
> Hinweis auf intensivere Verarbeitung: mehr Nachdenken hilft bei Erkennen eines Fehlschlusses
Studien: Rationalität und Verschwörungsglaube
1) "The usual suspect - COVID-19 conspiracy beliefs" - Gligaric, Da Silva, Eker (2021)
2) "Social Media, cognitive reflection and conspiracy beliefs" - Stecura, Pickup (2021)
Defi Verschwörungsglaube
= alternative Überzeugungen, die offizielle Erklärungen infragestellen
> bestimmte Ereignisse seien absichtlich böswilligen Handelns einer mächtigen Gruppe
(besonders Aufschwung ind Krisenzeiten: Unsicherheit, Bedrohung, Angst)
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 1): theoretischer Hintergrund
- psychologische Motive: epistemisch, existenziell und sozial
- Spiritualität
- kognitive Faktoren
+ dual process theory (analytisches (weniger) vs. intuitives (mehr) Denken)
+ P-Eigenschaft: Offenheit/Openness
epistemisches Motiv
= Bedürfnis, Welt zu verstehen/Sinn in Ereignissen zu erkennen
hierzu gehören:
> Illusory Pattern Perception (IPP)
> Need for cognitive Closure
Illusory Pattern Perception (IPP)
= Erkennen von Mustern in zufälligen Ereignissen
Need for cognitive Closure
= Wunsch nach eindeutigen Antworten
+ Vermeidung von Unsicherheit
existenzielles Motiv
= Bedürfnis nach Kontrolle der eigenen Umgebung und Sicherheit
hierzu gehört:
> need for control
Need for control
- negatives Gefühl bei Machtlosigkeit, daher:
= Abgabe von Kontrolle an externale Agenten (compensation control theory) um psychologisches Ungleichgewicht zu kompensieren
soziales Motiv
=Bedürfnis, sich selbst oder Ingroup im Vergleich zu anderen positiv zu bewerten/wahrzunehmen
> Need for Uniqueness
> Narzissmus
Need for Uniqueness
= Wunsch, sich von anderen durch seine Einzigartigkeit abzuheben
P-Eigenschaft: Openness
einerseits: ungewöhnliche, kreative, paranoide Ideen (=Verschwörungsglaube)
andererseits: Intelligenz und kritisches Denken (=Schutz vor Irrationalität)
3 spezifische Facetten von Offenheit
1. Unkonventionalität (ungewöhnliche Ideen)
2. Neugier/Intellektuelle Offenheit (Wissbegierde)
3. Kreativität (künstlerisches, kreatives Denken)
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 1): Ziele
- Untersuchung der gemeinsamen Wirkung der Variablen (Motive, P-Eigenschaften, etc.) auf Verschwörungsglaube
- Erforschung der Rolle von Spiritualität
- Überprüfung der Generalisierbarkeit bekannter Prädiktoren auf COVID-19
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 1): Methodik
- korrelativ, quantitativ (Querschnitt)
- 354 VP (online)
> Erfassung der Variablen (über Selbsteinschätzungsfragebögen):
- Verschwörungsglaube (5 Verschwörungstheorien (VT), 3 COVID-VT, Verschwörungsmentalität)
- psychologische Motive (epistemologisch: IPP + need for cognitive closure, existenziell: need for control, sozial: need for uniqueness + Narzissmus)
- kognitive Verarbeitungsstile (analytisch vs. intuitiv + P-Eigenschaft openness)
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 1): Ergebnisse
3 Hauptprädiktoren sagten sowohl normale VT als auch COVID-VT vorher:
1. hohe Spiritualität geht einher mit hohe Verschwörungsglaube (VG)
> tiefe Verbundenheit mit spirituellen und ökologischen Überzeugungen kann dazu führen, dass alternative Erklärungen bevorzugt werden
2. hoher Narzissmus geht einher mit hohem VG
> übersteigertes Selbstbild geht mit Misstrauen gegenüber offiziellen Infos einher
3. geringes analytisches Denken geht einher mit hohem VG
> geringere Fähigkeit/ Bereitschaft, Infos kritisch und logisch zu analysieren kann W'keit erhöhen, dass an VT festgehalten wird
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 1): Limitationen
- keine Kausalität
- Daten auf Selbstberichten
- eingeschränkte SP
- Item-Inhalte unterschiedlich: COVID-VT waren nicht alle gleich glaubwürdig
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 2): theoretischer Hintergrund
- Typ 1 vs. Typ 2 Prozesse: meisten VT sind so konzipiert, dass sie Emotionen und intuitives Denken ansprechen
> cognitive reflection = Fähigkeit, Bauchgefühle zu unterdrücken (override durch Typ 2)
- Einfluss von Social Media (SM) auf VG: Infodarbietung beeinflusst Infoaufnahme
> Texte = langsam, kontrollierter (Twitter)
> Videos/Bilder = schneller, automatischer (Facebook, Youtube) und damit tendenziell überzeugender
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 2): Methodik
- korrelativ
- 1009 VP
> erhoben wurde:
- SMU (social media use): Youtube, Facebook und Twitter
- VG über populäre VT
- kognitive Reflexionsfähigkeit (über CRT)
- sonstige Variablen
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 2): Hypothese 1
Nutzung von SM als Quelle für Nachrichten hängt positiv mit VG zusammen
> Stärke des Effekts variiert je nach Plattform
= überwiegend bestätigt
> pos. Zusammenhang mit Youtube und Facebook
> kein signifikanter Zusammenhang mit Twitter
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 2): Hypothese 2
Kognitive Reflexion hängt negativ mit VG zusammen
+ moderiert den Effekt von SMU auf VG
= bestätigt
>neg. Zusammenhang zwischen CRT-Scores und VG: Menschen mit höherer kognitiven Reflexion glauben weniger an VT
> neg. Interaktion zwischen Facebook und CRT-Scores (kognitive Reflexion als Moderator)
- niedriger CRT-Score: pos. Zusammenhang
- hoher CRT-Score: neg. Zusammenhang
=> der Einfluss der Nutzung von Facebook hängt davon ab, wie stark kognitive Reflexion ausgeprägt/ausgeführt wird
Rationalität und Verschwörungsglaube - Studie 2): Relevanz der Studie
- immer mehr junge Menschen nutzen SM
- videobasierte Plattformen werden größer
- Inhalte werden automatisch und schnell verarbeitet (weniger Typ 2-Denken)
= weitere Forschung mit anderen Plattformen notwendig!
Fake News
statt Fake News sollten lieber spezifischere Begriffe verwendet werden
> keine eindeutige Defi
> subjektive Anteile
> Autoritär ausgerichtete Politiker verwenden Begriff, um Berichterstattung zu diskreditieren
=> Falschnachrichten sollten daher auf Dimensionen Faktizität (=Grad der Falschheit) und Intentionalität (=Absicht der Verbreitung) eingestuft werden
Misinformation
Infos = falsch
Absicht = keine Absicht jemandem damit zu schaden
Desinformation
Info = falsch
Absicht = starke Intention Person, Gruppe, ... zu schaden
Malinformation
Info = faktisch richtig, aber!
Absicht = trotzdem Intention Person, Gruppe, Organisation Schaden zuzufügen
Defi Verschwörungstheorien (VT)
= Geflecht an Überzeugungen, das die eigentlichen Ursachen für ein Ereignis/Phänomen auf Intrigen mehrerer machtvoller Akteure zurückführt
> Akteure handeln im Verborgenen mit klar definiertem Ziel, das den Interessen von weiten Teilen der Bevölkerung entgegensteht
!"Theorien": i.d.R. nicht falsifizierbar/überprüfbar (deshalb zunehmend von Verschwörungserzählungen die Rede)
Gefahren von VG
1. widersprechen Fakten und erschweren dadurch effektives Handeln (zb. Klimawandel)
2. VT legitimieren Hass und Gewalt (antisemitisch, rassistisch)
3. VT schaden der Gesundheit von Individuen und der gesamten Gesellschaft (zb. Kinderimpfraten)
4. VT können politisches Wahlverhalten und Engagement beeinflussen
5. Zusammenhang mit radikalen, gewaltvollen Verhaltensweisen (zb. Proteste, Vandalismus)
Studien: Rationalität und politische Einstellung
1) "cognitive reflection and the 2016 U.S. presidential election" - Pennycook, Rand (2019)
2) "fake news: fast and slow deliberation reduces belief in false (but not true) news headlines" - Bogo, Rand, Pennycook (2020)
Rationalität und politische Einstellung - Studie 1): Methodik
- explorativ, korreltaiv
> Untersuchung der Beziehung zwischen:
- kognitiver Reflexion/analytischem Denken
und:
- politischer Zugehörigkeit (Partei: affiliation)
- Ideologie (ideology) und
- Verhaltensweisen (Abstimmung in 2016 Wahl)