Rationalität

Vertiefung

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Kartei Details

Karten 210
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 25.07.2025 / 27.07.2025
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Gründe, warum rationales Denken im universitären Kontext wichtig 

- viel eigenverantwortliches Entscheiden (Zeitplan, Kurswahl, Lernstrategien)

- Wissenschaftliches Denken: hierfür wird rationales Denken, statt bloßer Intelligenz benötigt 

Studien zu: Rationalität und Universität

1) "rational thinking a general cognitive ability: factorial structure, underlying cognitive processes and relevance for university academic success" - Grimm, Richter (2024)

2) "learning the hard way - need for cognition influences attitude toward and self-reported use of desirable difficulties" - Weissberger, Reinhard und Schindler (2018)

Rationalität und Universität Studie 1): Forschungsfrage 

- Erfassung von rationalem Denken: einheitliche Fähigkeit mit übergeordnetem faktor? oder nur einzelne unabhängige Faktoren?

 

- Bedeutung von rationalem Denken für Studienerfolg: kann rationales Denken den Erfolg (unabh. von IQ) vorhersagen?

Rationalität und Universität Studie 1): theoretischer Hintergrund 

- Tripartite of Mind 

 

- dual-process-theory (Typ/System 1 und Typ/System 2)

> wichtige Erkenntnis, dass rationalen Reaktionen auch automatisch ablaufen können (Typ 1)

 

- Dispositionen des rationalen Denkens: Denkstile beeinflussen Rationalität (NFC, AOT, zukunftsorientiertes Denken)

> Hier sind Menschen eher bereit heuristische Denkmuster zu hinterfragen/zu ändern

Rationalität und Universität Studie 1): Messinstrumente 

- Rationalitätstests: 

> Subtests des CARTs zur Erfassung von kV (cognitive reflection (=CRT), belief bias (=belief bias syllologism), ratio bias, disjunctive reasoning)

> Test- vs. Kontrollitems (feindselige vs. freundliche Bedingungen)

 

- Fragebögen zu rationaler Denkposition: NFC, AOT, zukunftsorientiertes Denken

 

- Intelligenztest: CFT-20-R (nonverbal) und I-ST-2000 (verbal)

 

- Studienerfolge: aktuelle Durchschnittsnote

 

 

> Intelligenztest und Studienerfolge nur Sample 1, Rest beide Samples 

Rationalität und Universität Studie 1): Ablauf

- 299 Teilnehmer aufgeteilt in zwei Samples

> Sample 1: Studis (Labor): alle 4 Messinstrumente 

> Sample 2: Online: nur Rationalitätstests und Fragebögen zur rationalen Denkposition

Rationalität und Universität Studie 1): Hypothese 1

Jeder der vier Subtests (CART) ist eindimensional aufgebaut (=intern konsistent) 

> zeigen, dass es spezielle Denkfähigkeiten gibt, aber auch übergeordnete Fähigkeit, Denkfehler systematisch zu vermeiden

 

= bestätigt 

Rationalität und Universität Studie 1): Hypothese 2 

Es gibt einen Bifaktor (= allgemeiner Rationalitätsfaktor) + je einen spezifischen Faktor für jeden der vier Subtests (CART)

> zeigen, dass es spezielle Denkfähigkeit gibt, aber auch übergeordnete Fähigkeit, Denkfehler systematisch zu vermeiden

 

= bestätigt (84% durch allgemeinen Faktor erklärt, ABER: cognitive reflection und ratio bias zeigten zusätzliche Eigenvarianz)

Rationalität und Universität Studie 1): Hypothese 3

Testaufgaben (korrekt): längere RT, da Typ 2 

Kontrollaufgaben (korrekt): kürzere RT, da nur Typ 1 nötig

 

= bestätigt

Rationalität und Universität Studie 1): Hypothese 4

rationale Dispositionen (also zb. NFC oder AOT: "Ich denke gerne tief über Dinge nach") sagen Studienerfolg (über IQ hinaus) vorher

 

= bestätigt 

Rationalität und Universität Studie 1): Hypothese 5

Tatsächliche rationale Prozesse (tatsächliche Leistung über Rationalitätstests: CART) sagen Studienerfolg (über IQ hinaus) vorher 

 

= bestätigt 

> Annahme: Dispositionen/rationale Denkpositionen (Hypothese 4) fördern tatsächliche rationale Denkprozesse ("wer rational denken will, tut es auch")

Rationalität und Universität Studie 1): Hypothese 6

Dispositionen/rationale Denkpositionen wirken indirekt (vermittelt durch tatsächliche rationale Denkprozesse)

 

= bestätigt 

Rationalität und Universität Studie 1): Limitationen

- begrenzte Auswahl an bias-Aufgaben 

- Selbstauskünfte

- Studienerfolg nur über eine Durchschnittsnote

 

> zukünftig: mehr biases + feinere Analyse + Messung langfristigen Studienerfolgs 

Rationalität und Universität Studie 2): theoretischer Hintergund

- desirable difficulties (dd)

 

- need for cognition (NFC)

desirable difficulties (dd)

= erschweren das Lernen kurzfristig (hohe mentale Belastung, Anstrengung) aber fördern langfristig das Behalten, Abruf und den Transfer 

Defi Need for Cognition (NFC)

= Tendenz einer Person, sich auf anstrengende kognitive Aufgaben einzulassen und diese zu genießen 

 

> kontinuierliche intrinsische kognitive Motivation

Need for Cognition (NFC) Ausprägungen 

> hoch: 

- Auseinandersetzung mit schwierigen Aufgaben

- hohe Anstrengung bei anspruchsvollen Aufgaben (+Erfolg hierdurch)

- gute Erinnerung an komplexe Lerninhalte 

 

> niedrig: 

- kein Spaß an schweren Aufgaben 

- eher oberflächliche Auseinandersetzung (zb. Auswendiglernen)

Rationalität und Universität Studie 2): Methodik 

- 91 VP (online)

 

> Erhebung von: 

- NFC-Skala 

- akademische Kompetenz: Abschlussnote 

 

- Einstellung zu dd: "attitude" (cognitive: "I think it's important" und affective: "It's fun...")

+ Anwendung von dd: "use" (behavioral: "I use...")

> nutzt Person Strategie wirklich oder findet sie sie nur gut?

 

- demographische Daten 

Rationalität und Universität Studie 2): Hypothese 1

VP mit hohem NFC haben positivere Einstellung (attitude) gegenüber dd

 

= bestätigt: NFC korrelieren signifikant mit Einstellungen zu Faktor A und B

Rationalität und Universität Studie 2): Hypothese 2 

VP mit hohem NFC geben an, dd häufiger zu nutzen (use)

 

= bestätigt, aber deutlich schwächerer Effekt bei Faktor B

Rationalität und Universität Studie 2): Hypothese 3

Zusammenhang zwischen NFC und dd wird nicht durch Abschlussnote erklärt

 

= bestätigt: Abiturnote korreliert nicht signifikant mit use oder attitude gegenüber dd (+ alleiniger signifikanter Prädiktor, auch nach Kontrolle)

Rationalität und Universität Studie 2): Modifikation Ergebnis

Frage, ob ASC den Einsatz von dd erklärt oder alleinig durch NFC erklärbar ist

 

> NFC korreliert signifikant mit attitude und use von dd

> ASC korreliert auch positiv mit attitude, aber NFC bleibt einziger signifikanter Prädiktor 

 

= NFC als entscheidender Faktor für attitude und use gegenüber dd

Akademisches Selbstkonzept (ASC)

= nicht tatsächliche Leistung, sondern subjektives Empfinden/Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten 

 

"Ich glaube, ich bin für mein Studium begabt und meistere es gut"

Rationalität und Universität Studie 2): Interpretation der Ergebnisse 

- hohes NFC geht einher mit positiver attitude und use von dd 

- schwächerer Effekt bei aktiven Strategien (Faktor A: use)

- Zu bedenken: Verhalten bleibt trzd. hinter Einstellung zurück (Überzeugung ist nicht gleich Umsetzung)

- Schulnote und ASC erklären den Zusammenhang nicht 

 

> dd sollten gezielt genutzt werden, sind aber nicht für alle Lernenden geeignet 

+ NFC der Lernenden berücksichtigen (rationale Denkposition bei jedem individuell anders)

Studien: Rationalität und Textverstehen 

1) "Thinking Dispositions moderate adolescent readers' mental model of conflicting sport information" - Karimi und Richter (2023)

2) "Plausible or problematic? Evaluating logical fallacy in scientific texts" - Tiffin-Richards und Richter (2025)

Rationalität und Textverstehen Studie 1): theoretischer Hintergrund 

- widersprüchliche Infos erschweren die Bildung von kohärenten mentalen Repräsentationen 

(hierfür muss: 

> Stärke des Arguments geprüft werden,

> mentales Modell für jedes einzelne Dokument und

> basierend hierauf dann Bildung eines Gesamtmodells) 

= Integration der Einzelmodelle in eine Gesamtmodell bildet Verbindungen, Widersprüche und Argumentgewichtung ab

 

! kV verhindern ausgeglichene Konstruktion mentaler Modelle

Text-Überzeugungs-Konsistenzeffekt 

= Texte, die mit eigenen Überzeugungen übereinstimmen, werden als verständlicher und glaubwürdiger wahrgenommen als Texte, die ihnen widersprechen 

> eine kV, die die ausgeglichene Konstruktion mentaler Modelle verhindert

 

+ Zusammenhang mit confirmation bias (=Suche nach Infos, die eigene Überzeugung stützen sowie das gleichzeitige Abwehren von widersprüchlichen Infos) 

2-Stufen-Modell der Validierung 

Phase 1: 

- standard, nicht strategisch

- implizite Bewertung 

- automatische Aktivierung 

- Effizienz kognitiver Ressourcen durch Plausibilitätsurteile 

=> einseitig verzerrtes Modell zugunsten der eigenen Überzeugungen 

 

Phase 2: 

- optional und strategisch

- Widersprüche zwischen Infos und Überzeugungen werden erkannt und aufgelöst

- nur bei bestimmten Lesezielen, Motivation und Bedürfnissen 

=> umfassendes mentales Modell 

2-Ebenenmodell des Textverstehens

Textbasis: semantischer (wörtlicher) Gehalt 

Situationsmodell: mentale Repräsentation 

 

(=Text-Überzeugungs-Konsistenzeffekt soll kognitive Dissonanz zwischen Infos und Überzeugungen bei Übertragung von Ebene 1 auf Ebene 2 minimieren)

 

> Vorwissen als Moderator: kann Wirkung bestehender Überzeugungen auf mentale Modelle abschwächen 

+ relevant für kognitive Flexibilität, Aufgeschlossenheit und Genauigkeitsmotivation 

Defi Disposition zum kritischen Denken (kD)

= ein metakognitiver Prozess, der durch absichstvolles, reflektiertes Urteilen die W'keit erhöht, zu einer logischen Schlussfolgerung in einem Argument oder einer Lösung eines Problems zu gelangen

 

> kognitive Dimension: Erkennen, Analysieren, Schlussfolgern, ...

(=Fähigkeit, geeignete kognitive Strategien anzuwenden)

 

> dispositionale Dimension: Einstellungsaspekte, Aufgeschlossenheit, Neugier, Engagement, ... 

(= beständige innere Motivation und Neigung, kritische Denkfähigkeit auch tatsächlich einzusetzen)

Rationalität und Textverstehen Studie 1): Methodik 

- 106 VP

- 6 Wochen vorab: Abfrage zu Vorüberzeugungen zu iranischen Fußballmannschaften (E vs. P)

> dadurch 3 Gruppen: P, E und neutral

- Testung: Texte präsentiert, mit jeweils Überlegenheit von P oder E (=randomisiert)

 

> Messung des Situationsmodells und Textdarstellung: Inferenzfragen (Situationsmodell), Paraphrasieren (Textmodell) und Ablenkungen (Kontrolle):

- Textbasisstärke: Verhältnis korrekter Antworten der Paraphrase-Items und falscher Antworten auf Ablenke-Items 

- Situationsmodellstärke: Verhältnis korrekter Antworten auf Inferenz und falscher Antworten auf Ablenkungsitems 

 

+ Skala der kritischen Denkpositionen (Sosu, 2012)

Rationalität und Textverstehen Studie 1): Hypothese 1 

mentale Modelle in Richtung der Textinfo verzerrt sein, die mit ihren vorbestehenden Überzeugungen übereinstimmt

 

= bestätigt 

Rationalität und Textverstehen Studie 1): Hypothese 2 

Dispositionen zum kD mildern den Verzerrungseffekt vorbestehender Überzeugungen auf die Konstruktion mentaler Modelle 

 

= bestätigt für Untergruppe kritische Offenheit (ABER nicht für: Untergruppe reflektierende Skepsis)

Rationalität und Textverstehen Studie 1): Explorative Fragestellung

Werden bereits (vor Konstruktion des Situationsmodells) die propositionalen Textrepräsentationen der widersprüchlichen Texte in Richtung der Vorüberzeugungen verzerrt?

 

= kein Effekt auf Textbasisebene (Paraphrase-Items korrekt)

Rationalität und Textverstehen Studie 1): Übertragung der Ergebnisse auf theoretischen Hintergrund

kD nach 2-Schritte-Modell der Validierung 

 

1. nicht strategische Stufe: 

- schnelle, automatische Validierung 

- stärkere Repräsentation der Inhalte mit vorbestehenden Überzeugungen 

- verlassen auf Plausibilitätsurteil hängt von Bedingungen der Person und Situation ab 

(= Vorwissen, Aufgabenanweisung, Disposition, metakognitive Fähigkeiten)

> dem automatischen Verlassen auf Plausibilität kann entgegengewirkt werden...

 

... 2. kritisches Denken (=das strategische Auseinandersetzen mit den Unvereinbarkeiten) 

- rational, langsam und analytisch 

- fördert unabhängige Bewertung von Informationen 

- Ziel: möglichst objektive mentale Repräsentation

- mentale Modelle = Grundlage für fundierte Entscheidungen und Handeln

Rationalität und Textverstehen Studie 1): Zusammenfassung 

- auf Situationsebene: Neigung zu dem Text, der eigene Vorannahmen unterstützt

- Überzeugungen als Maßstab dafür, ob etwas plausibel ist (=Plausibilitätsurteil) 

> erfolgt schnell und wenig bewusst 

+ hängt mit kognitiven Ressourcen zusammen: Integration "plausibler" Infos in mentales Modell = weniger aufwändig und schneller 

 

- auf Textbasis kein Effekt: weniger glaubensgetrieben, sondern rein semantische Verarbeitung 

 

- kD moderierten Auswirkungen von bestehenden Überzeugungen auf mentales Modell 

Rationalität und Textverstehen Studie 2): theoretische Einordnung 

- besonders dispositionale Unterschiede (zb NFC) wichtiger Einfluss auf rationalen Denkprozess

- rationales Denken (Bias-Resistenz) als Schlüsselkomponente im universitären Kontext

ABER: selbst akademisch gebildete Leute erkennen logische Fehlschlüsse/implausible Argumente in wissenschaftlichen Texten oft nicht

 

> Vermutung: es geht weniger um dispositionelle Unterschiede, sondern mehr um zugrundeliegende Prozesse beim Textverstehen

formallogische Argumente 

= (in)korrekt aufgrund logischer Struktur und Deduktion

 

Bsp: 

Prämisse 1: "alle Menschen sind sterblich"

Prämisse 2: "Sokrates ist ein Mensch"

Schlussfolgerung: "Sokrates ist sterblich" (=zwingend logisch wahr)

informelle Argumente 

- (in)korrekt aufgrund von Plausibilität bzw. (un)sauberer Argumentation

- hauptsächlich in wissenschaftlichen Texten so (Argumente sollen überzeugen)

 

> selbst wenn Prämissen wahr (belegt, nachgewiesen), kann ein Argument als Ganzes implausibel sein, wenn z.B. Fehlschlüsse eingebaut sind 

 

=> können sowohl plausibel als auch implausibel sein 

Arten von Fehlschlüssen

(informelles Argument)

 

> Zirkelschluss: Begründung wiederholt lediglich Behauptung ("Medikament hilft, weil es heilend ist")

> falsche Dichotomie: fälschliche Suggestion von ausschließlich 2 Möglichkeiten trotz vorhandener weiterer Optionen ("... da Menschen sich entweder für Gesundheit oder für Spaß entscheiden")

> Overgeneralization: Schluss von Einzeleffekten auf allgemeine Regel