Rationalität
Vertiefung
Vertiefung
Kartei Details
Karten | 210 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 25.07.2025 / 27.07.2025 |
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Rationalität und politische Einstellung - Studie 1): theoretischer Hintergrund
> verbreitete Annahme, dass:
- Liberale (=Demokraten): reflektiert und analytisch - Konservative (=Republikaner): intuitiv
(aber empirische Befunde umstritten)
- dual-process theory (CRT als Maß der Neigung/Bereitschaft zum analytischen Denken (=kognitiver Stil) und spontane intuitive Reaktionen zu hinterfragen)
- mehrere Studien zeigen Korrel zwischen Unterschieden in analytischem Denken und Vielzahl versch. Überzeugungen (religiös, moralisch, ...) > vermutlich auch Einfluss auf politische Einstellung
Rationalität und politische Einstellung - Studie 1): theoretische Ansätze
> analytisches Denken führt zur Korrektur von Überzeugungen (= gerichteter effekt)
> analytisches Denken führt zur Verstärkung bestehender Überzeugungen (= motivated reasoning)
Rationalität und politische Einstellung - Studie 1): aktuelle Studien
Unterscheidung in: sozialen vs. ökonomischen Konservatismus
> sozialer Konservatismus: negativer Zusammenhang mit cognitive reflection
- sozialer Konservatismus = zb. Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehe
- Personen mit intuitivem Denkstil (= niedriger CRT-Score) tendieren eher zu moralischen Überzeugungen, die mit sozialem Konservatismus übereinstimmen
- analytisches Denken also nicht generell mit "Liberatismus" assoziiert, sondern spezifisch mit sozialer Offenheit/sozial-liberaler Einstellung
> ökonomischer Konservatismus: nahezu kein Zusammenhang mit cognitive reflection
Rationalität und politische Einstellung - Studie 1): Ergebnisse
Wahlverhalten: Personen, die Trump gewählt haben: niedriger CRT-Score
> niedrigste Werte: Demokraten, die Trump gewählt haben
Parteizugehörigkeit: Republikaner (Konservative) im Durchschnitt geringere CRT-Werte (statistisch signifikant aber geringe Effektstärken)
politische Ideologie: negativer Zusammenhang zwischen CRT und sozialem Konservatismus
> Liberale = höchste CRT-Werte
> konsistent Moderate (=weder D/Liberal noch P/Konservativ) = niedrigste CRT-Werte
+ Interaktionenen:
- Demokraten + Trump und politisch moderate Nichtwähler: niedrigsten CRT-Werte
- Republikaner + Drittpartei und Liberale + Drittpartei: höchste CRT-Werte
Rationalität und politische Einstellung - Studie 1): Interpretation der Ergebnisse
- Liberale sind im Durchschnitt analytischer als Konservative
+ 3 weitere Mechanismen entdeckt/vermutet:
- Engagement vs. Apathie
- Orthodoxie vs. Heterodoxie
- kognitiver Stil der Kandidaten
Engagement vs. Apathie
- Personen mit hohen CRT-Werten sind politisch engagierter
- indifferente, moderate Nichtwähler haben die niedrigsten CRT-Werte
> hohe cognitive reflection kann politische Teilnahmsloigkeit überwinden, führt jedoch nicht zur Stärkung extremer politischer Situationen
Orthodoxie vs. Heterodoxie
- analytische Personen sind eher dazu bereit, parteiorthodoxe Positionen zu verlassen (= außerhalb des Partei-Mainstreams zu wählen)
> Fähigkeit zur cognitive reflection hilft, sich von standard politischen Überzeugungen zu lösen (> Weg zur Heterodoxie)
kognitiver Stil der Kandidaten
- niedriger CRT-Wert: Demokraten, die Trump gewählt haben (= intuitiver Kommunikationsstil von Trump als mögliche Erklärung)
- Clinton: sachlich-analytischer Stil hat eher reflektierte Wähler angesprochen (= hoher CRT-Wert)
> Hypothese: Wähler bevorzugen Kandidaten mit ähnlichem kognitiven Stil
Rationalität und politische Einstellung - Studie 1): Fazit
- kognitive Reflexion als wichtiger psychologischer Prädiktor für politische Einstellung (= unabhängig von klassischer Parteizugehörigkeit)
- es besteht ein komplexerer Zusammenhang statt bloß: Liberal = analytisch
> zwar sind Liberale (D) im Allgemeinen analytischer, so kann man aber auch speziell den Punkt des sozialen Konservatismus nennen (analytisch = sozial-liberaler)
- nicht-Wähler und politisch Moderate besonders intuitiv
Rationalität und politische Einstellung - Studie 1): Limitationen
- rein korrelativ
- fragliche Generalisierbarkeit auf andere Länder
- SP nicht so repräsentativ
- Studie ca. 1 Jahr nach Wahl (Verzerrungen?)
Rationalität und politische Einstellung - Studie 2): theoretischer Hintergrund
- Fake News = gefälschte Infos, absichtlcih erfunden + erwecken Anschein echter, vertrauenswürdiger Nachrichten
-2 Prozess Theorie: analytisch (langsam, überschreibt und korrigiert intuitive) vs. intuitiv (schnell, automatisch, Heuristik)
> analytisches Denken = Deliberation
2 Ansätze: Glauben an Fake News
1) klassisches Denkmodell: Deliberation hilft, Falschinfos zu erkennen (intuitives Denken eher fehleranfällig) - wenn Menschen nachdenken, hilft es, Wahheit aufzudecken
2) motivated system 2 reasoning (MS2R): Menschen versuchen durch analytisches Denken ihre eigene (politische) Position zu schützen/verteidigen
> glauben eher an Fake News, wenn sie zu eigenen Überzeugungen passen
Rationalität und politische Einstellung - Studie 2): Forschungsfrage
Führt Deliberation zu mehr Polarisierung (MS2R) oder Genauigkeit (klassisches Denkmodell)?
Rationalität und politische Einstellung - Studie 2): Methodik
- 1012 VP: Bewertung von 16 Schlagzeilen aus sozialen Medien
> wahr/falsch und pro-Demokrat/pro-Republican (entspricht dann Überzeugungen der VP oder nicht)
- zwei Antworten-Paradigma: jede Schlagzeile 2x präsentiert
> 1. Mal: schnell, intuitive Beurteilung gefördert (Zeitdruck)
> 2. Mal: (deliberativ) uneingeschränkt = kein Zeitdruck
- Kontrolle: Baseline: 1 Antwort pro Schlagzeile (ohne Zeitdruck, also deliberativ)
+ Erhebung CRT als Indikator für trait-Deliberation (analytisches Denken)
Rationalität und politische Einstellung - Studie 2): Hypothese 1
(im Sinne des klassischen Denkmodells)
Falsche Schlagzeilen werden nach Deliberation als weniger akkurat eingeschätzt als zuvor
= bestätigt
Pretest (neutrale Schlagzeilen)
> signifikante Interaktion zwischen tatsächlicher Richtigkeit und Antworttyp (initial: intuitiv und final: deliberativ)
> deliberative Verarbeitung verbesserte Fähigkeit, wahre von falschen politisch neutralen Schlagzeilen zu unterscheiden
Haupttest (politisch gefärbte Schlagzeilen)
> bei 2-Antwort deutlich bessere Einschätzung: sowohl finales deliberatives Denken als auch initiales (Anregung zur Reflexion)
=unabhängig von eigener politischen Orientierung (wie nach klassischem Modell vermutet)
Rationalität und politische Einstellung - Studie 2): Hypothese 2
(im Sinne des MS2R)
Schlagzeilen, die nicht mit politischen Überzeugungen übereinstimmen werden nach Deliberation als weniger akkurat eingeschätzt (unabhängig davon, ob Schlagzeile wahr oder falsch)
= NICHT bestätigt
> keine Interaktion zwischen politischer Übereinstimmung und Antworttyp oder zwischen Antworttyp, politischer Übereinstimmung und Wahrheitsgehalt der Schlagzeile
> Deliberation reduzierte den Glauben an Fake News, unabhängig von politischer Übereinstimmung
= Keine Unterstützung für MS2R (= Deliberation führt NICHT zu stärkerer Polarisierung bestehender Überzeugungen)
Rationalität und politische Einstellung - Studie 2): Zusammenfassung
- Deliberation führt zu verbesserter Fähigkeit, wahre von falschen politisch neutralen und gefärbten Schlagzeilen zu unterscheiden (=unabh. von politischem bias)
- in 2-Antwort deutlich besser als in 1-Antwort (hier: weniger treffsichere Unterscheidungen - überschätzten Wahrheitsgehalt falscher Aussagen)
- Deliberation verstärkte nicht den Effekt politischer Passung (keine Polarisierung) = Deliberation ist nützlich und nicht schädlich!
- signitfikante Interaktion: bessere Trennung von wahr und falsch bei erhöhten CRT-Werten
Rationalität und politische Einstellung - Studie 2): Limitationen
- SP nicht international repräsentativ
- SP enthielt nicht die Personen, die anfällig für Fake News sind (ersichtlich durch pretest)
Studien - Rationalitätsentwicklung
1) "Resistance to kV: longitudinal trajectors and associations with cognitive abilities and academic achievement across development" - Toplak, Flora (2021)
2) "longitudinal study on the stability of the NFC" - Bruinsma, Crutzen (2018)
Rationalitätsentwicklung - Studie 1): Ziel der Studie
Untersuchung der Entwicklung von RCB (=resistance to cognitive Biases) bei Kindern und Jugendlichen (8-20 Jahre)
Resistance to cognitive Biases (RCB)
> reflektiertes, analytisches Denken trotz intuitiver, irreführender Reize
erfordert:
- Erkennen von Konflikten
- Unterdrücken von spontanen Antworten
- Generieren einer rational begründeten Antwort
Rationalitätsentwicklung - Studie 1): Methodik
- Längsschnitt (3 MZP mit jeweils 3 Jahren Abstand
> MZP1: 204 VP > MZP2: 156 > MZP3: 135
> erhobene Maße
- RCB-Index:
- Ratio Bias: falsche Einschätzungen von W'keiten
- Belief Bias: logische Fehler wegen eigener Überzeugungen
- Attribut-Framing: untersch. Bewertung derselben Info je nach Framing
- Base-Rate-Sensitivität: Vernachlässigen von Grundw'keiten
- Temporales Discounting: Präferenz für kleinere sofortige Belohnung, statt größerer, verzögerter
=> Bei Übungen muss primär "misery processing" und feindselige Bedingungen überwunden werden
- kognitive Fähigkeiten (als Einflussfaktoren):
- verbale und nonverbale Intelligenz (Wechsler-Abkürzungstest: WAS-I)
- EF (Trailmaking und Stroop)
- rationale Denkpositionen:
- AOT
- Aberglaube
- akademische Leistung
- Selbst- und Elternbericht
- Durchschnittsnoten
miserly processing
=fehlende oder unzureichende kognitive Überprüfung
Rationalitätsentwicklung - Studie 1): Ergebnisse
- RCB-Werte steigen mit dem Alter (zwischen 8 und 15 Jahre) deutlich an und bleiben dann relativ stabil (15-20 Jahre)
Einflussfaktoren: sagten keine langfristigen Veränderungen vorher, sondern nur individuelle Unterschiede
> pos. Prädiktoren: kognitive Fähigkeiten und AOT (signifikant zwischen 12 und 15 Jahren)
> neg. Prädiktoren: Aberglaube
- positiver Zusammenhang zwischen RCB und schulischen Leistungen
Rationalitätsentwicklung - Studie 1): Limitationen
- Altersgerechte Stimuli für RCB zu entwickeln = Schwierigkeit
- psychometr. Stabilität d. RCB-Maßes
- SP sehr homogen
- Drop-Out Rate
Rationalitätsentwicklung - Studie 1): Ausblick
- verbesserte Messinstrumente (RCB)
- diversere, größere SP
- Entwicklung von Modellen, wie rationales Denken im Kindesalter entsteht
Rationalitätsentwicklung - Studie 2): theoretischer Hintergrund
- NFC = intrinsische Motivation, Infos durch den zentralen Verarbeitungsweg zu verarbeiten und die Tendenz kognitiv aufwendige Denkprozesse durchzuführen und zu genießen
> hohes NFC (korreliert mit kognitiven Fähigkeiten, Intelligenz, Offenheit, Gewissenhaftigkeit):
- nachdenken und reflektieren
- Offenheit gegenüber neuen Ideen
- aktives Suchen nach neuen Infos
=> Frage, ob NFC ein stabiles P-trait?: bisher keine Evidenz, aber überraschend, weil NFC mit kognitiven Fähigkeiten assoziiert und kognitive Fähigkeiten nicht alterkorreliert sind
Rationalitätsentwicklung - Studie 2): Forschungsfragen
1. Zu welchem Ausmaß verändert sich NFC mit der Zeit?
2. Zu welchem Ausmaß unterscheiden sich Veränderungen, je nach Altersgruppen?
Rationalitätsentwicklung - Studie 2): Methodik
- Längsschnitt (5 MZP)
- 5746 VP (aus Datenbank)
- unterteilt in 3 Altersgruppen: U24, 25-49 und Ü50
-Erhebung von:
- NFC
- demografische Daten
Rationalitätsentwicklung - Studie 2): Hypothese 1
Kleine Veränderungen d. NFC auf individueller Ebene über der Zeit (basierend auf Annahme der Veränderbarkeit von Persönlichkeit)
= bestätigt, ABER nicht im Sinne der Veränderbarkeit von Persönlichkeit
> NFC ist KEIN absolut stabiler P-trait, sondern verändert sich mit dem Alter
> hierbei zeigte jede Altersgruppe ein fixes Veränderungsmuster (= Infoverarbeitung über zentralen Verarbeitungsweg verändert sich mit der Zeit):
- U24: pos. Trend, niedrige Stabilität
- 25-49: leichter Rückgang, höchste Stabilität
- Ü50: neg. Trend, niedrige Stabilität
Rationalitätsentwicklung - Studie 2): Hypothese 2
NFC von Jüngeren nimmt zu, während NFC von Älteren abnimmt
(basierend auf:
- Veränderungen des NFC ist altersspezifisch und verbunden mit kognitiven Ressourcen
- P-Merkmale entwickeln sich in Jugend und sind im Erwachsenenalter stabiler)
= bestätigt
> Zunahme des NFC in jungem Alter: kognitive Reifung, geistige Offenheit
> Abnahme im Alter: kognitive Alterung, weniger Motivation für kognitive Anstrengung
Rationalitätsentwicklung - Studie 2): Limitationen
- selektiver Ausfall von Subgruppen (keine gute Generalisierbarkeit)
- Untersuchungszeitraum von 6,5 Jahren bildet nicht gesamten Lebenslauf ab
- Selbstberichte des NFC
Rationalitätsentwicklung - Studie 2): Ausblick
- längere Zeiträume (mögliche Erkennung von NFC-Wendepunkten)
- Ergänzung um obj. Verfahren
- differenzierte Altersanalyse (Veränderungen laufen nicht stufenweise ab)
Rationalitätsentwicklung - Studie 2): Fazit
- NFC verändert sich leicht aber systematisch über Zeit
> Richtung dieser Veränderungen = altersabhängig
- Konzept des NFC bleibt inhaltlich über Altersgruppen konstant
=> Ergebnisse stützen Theorien, dass P-Entwicklung im Lebensverlauf besteht
Erfassung von rationalem Denken bei Kindern und Jugendlichen
- NFC-Kids (Preckel und Strobel, 2017):
- Selbstbeurteilungsfragebogen (Smiley Skala)
- 10 Min Bearbeitung
- CRT-D (CRT - developmental version; young und Skultman, 2020)
Studien: Rationalität und Mediennutzung
1) "should educators be concerned? the impact of short videos on rational thinking and learning" - Otto (2025)
2) "agency over social media use can be enhanced through brief abstinence but only in users with high cognitive reflection tendencies" - Turel (2021)
Rationalität und Mediennutzung - Studie 1): theoretischer Hintergrund
- Beliebtheit von "Shorts" (=Kurzvideos) bei Kindern und Jugendlichen
- nutzergeneriert und fesselnd (=personalisierte Inhalte), flüchtig und schnelle Verarbeitung
(= sofortige Befriedigung bei minimal kognitivem Aufwand)
- short video use (SVU) = eine Reihe an Shorts (SVC; short video collection) anzuschauen
- Swiping und Algorithmus = digital crack cocaine
- Einsatz im Unterricht = geteilte Meinung
Implikationen zu SVU im Unterricht
1. rationales Denken (=System 2 Prozesse) werden nicht gefördert/genutzt, da SVU Typ 1 Prozesse anspricht (schnell und assoziativ)
2. academic delay of gratification (ADOG)
= Fähigkeit, unmittelbarr Belohnungen zugunsten langfristiger akademischer Ziele aufschieben (bsp. Lernen für Klausur)
> SVU auf kurzfristige Belohnung ausgelegt
3. oberflächliches Lernen: auswendig, statt vertieft auf Verständnis
> Annahme, dass SVU Konzentration sowie vertieftes Lernen hemmt
4. Bildung: könnte Interesse und Motivation fördern, aber evtl auch reflektiertes Denken untergraben (> system 1 verarbeitend fokussiert)
5. Lernvideos vs. -texte:
> Videos bei leichtem Material mit Texten vergleichbar bzw. leicht überlegen (CTML)
> Videos aber oft schnell und redundante Reize (= kognitive Belastung)
Rationalität und Mediennutzung - Studie 1) (Teil A): Methodik
- 169 VP
> erhobene Variablen:
- SMU (social media use)
- problematische SMU über SM disorder test (SMDT)
- SVU (wie lange schaust du shorts/videos)
- rationales Denken: Testbatterie CART
- ADOG-Scale
- oberflächliches Lernen (R-SPQ-2F)
-
Rationalität und Mediennutzung - Studie 1) (Teil A): Hypothese1
SVU korreliert negativ mit rationalem Denken
= bestätigt