V4 Gesundheitspsychologie

Vorlesung 4: Gesundheitskommunikation II: Interventionen im gesellschaftlichen Kontext

Vorlesung 4: Gesundheitskommunikation II: Interventionen im gesellschaftlichen Kontext


Kartei Details

Karten 18
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 08.05.2025 / 08.05.2025
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Prospect Theory (Tversky & Kahneman, 1981)

  • Bei der Entscheidungsfindung mit Risiko wägen Menschen ihre erwarteten prospects, also Gewinne oder Verluste, ab.
  • Ob eine Botschaft gewinn- oder verlustorientiert formuliert ist, beeinflusst Menschen in ihrer Entscheidung.
  • Bei Entscheidungen mit Risiken:
    • Wenn Information gewinnorientiert formuliert: Risiko wird eher nicht in Kauf genommen (Risikoaversion)
    • Wenn Information verlustorientiert formuliert: Risiko wird eher in Kauf genommen (Risikozuwendung)

Message framing: zentrale Idee

  • Zentrale Idee: Die Art, wie eine gesundheitsrelevante Information formuliert wird, kann ausschlaggebend dafür sein, ob sie zur Verhaltensänderung motiviert oder nicht
    • Gewinnorientiert formulierte Gesundheitsinformation (gain-frame): Information über Gesundheitsverhalten, die die Vorteile (= Gewinne) des Gesundheitsverhaltens unterstreicht.
    • Verlustorientiert formulierte Information (loss-frame): Information über Gesundheitsverhalten, die die assoziierten Gefahren/Risiken (=Verluste) bei Nichtausübung des Verhaltens unterstreicht.

Anwendung der Prospect Theroy bei Message Framing: Annahmen

  • Annahmen I: Moderatorvariable für Effizienz von Message Framing: potentielles Risiko des Gesundheitsverhaltens
    • Primär präventives Verhalten: wenig Risiko/Unsicherheit -> behavior with illness prevention function
    • Sekundär präventives Verhalten, Screening: mehr Risiko/Unsicherheit -> behavior with illness detection function
  • Annahmen II:
    • Gewinnorientiert formulierte Information zur Prävention der Entstehung der Erkrankung (= wenig Risiko) ist effektiver als verlustorientiert formulierte Information.
    • Verlustorientiert formulierte Information zur frühen Erkennung von Erkrankungen (= mehr Risiko) ist effektiver als gewinnorientiert formulierte Information.

Anwendung der Prospect Theory bei Message Framing: Empirie

  • Bei primär-präventivem Verhalten -> gewinnorientierte Gesundheitskommunikation tatsächlich effektiver als verlustorientierte
  • Bei sekundär-präventivem Verhalten: keine generelle Überlegenheit der verlustorientierten gegenüber der gewinnorientierten Gesundheitskommunikation (ausgenommen: Trend für Brustkrebsscreening)
    • Erklärung für nicht-hypothesenkonformes Ergebnis?
      • Größe des wahrgenommenen Risikos in Verbindung mit sekundär präventivem Verhalten möglicherweise zu variabel?
  • Keine konsistenten Effekte von Message Framing auf Intentionen (und Einstellungen)
    • Wie kommen die Effekte auf Verhalten dann zustande? Was sind Mediatoren der Effekte?
  • Fazit:
    • Insgesamt recht kleine Effekte
    • Problem der Aufrechterhaltung von Verhalten
    • Berücksichtigung von interindividuellen Unterschieden (auch unabhängig von Risiko) als Moderatoren zur Steigerung der Wirksamkeit?

E-health, M-health, IMIs und DiGAs

  • Bedeutung und Begrifflichkeit

  • Die Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT; engl: informationand communication technology; ICT) haben die Möglichkeiten der Verbreitung von Gesundheitskommunikation und Gesundheitsinterventionen exponentiell gesteigert.
  • E-health: Überbegriff zur Nutzung von Informations-und Kommunikationstechnologie im Rahmen der Gesundheitsförderung.
    • “e-health is an emerging field in the intersection of medical informatics, public health and business, referring to health services and information delivered or enhanced through the Internet and related technologies. In a broader sense, the term characterizes not only a technical development, but also a state-of-mind, a way of thinking, an attitude, and a commitment for networked, global thinking, to improve health care locally, regionally, and worldwide by using information and communication technology.” (Eysenbach2001, e20)
  • M-health: Nutzung mobiler Technologien im Rahmen der Gesundheitsförderung.

Anlass der E-health Informationssuche von Patient:innen

  • Mehrheit sucht Informationen über ihre Erkrankungen im Internet zur Vorbereitung für effektive Nutzung der ärztlichen Expertise
    • ärztliche Konsultation trotzdem wichtig und Vertrauen in Ärzt:in hoch
    • besseres Verständnis der ärztlichen Ratschläge
    • aktivere Rolle im Krankheitsmanagement

  • Effekte der Internet-Informationssuche auf die Ärzt:in-Patient:innen Interaktion:

  • Negative Effekte (Bsp.): Vertrauensverlust in Ärzt:in; Schwierigkeiten, valide Informationen zu identifizieren (ca. 15%)
  • Positive Effekte (Bsp.): verbesserte Adhärenz; höhere wahrgenommene Zufriedenheit mit der Interaktion; mehr Empowerment (Luo et al, 2022). (ca. 60%)

Health Information Seeking: Ideale Folgen für Patient:innen

  • Empowerment:„a process that enables people to ‘increase control over, and to improve, their health’.” (Korp, 2006; p. 79)
  • Veränderung von passiven Rezipient:innen von gesundheits-/krankheitsbezogener Information, hin zu aktiven Konsument:innen
  • Empowerment-Faktoren
    • Zugang zu fortgeschrittenen Erkenntnissen über Gesundheit
    • Anonymität
    • 24/7 Verfügbarkeit
    • Kontakt mit anderen Betroffenen ->Erschließung von Unterstützungsquellen
    • -> Herausforderung und Umgestaltung der Experten:innen-Laien-Interaktion
  • Disempowering Faktoren
    • Notwendige Steigerung der Kontrolle der internetbasierten Gesundheitskommunikation durch Experten:innen und Evaluation der Validität dieser Information
    • Digital divide: steigende Distanz zwischen „sehr informierten“ und „wenig informierten“ Nutzern:innen Vergrößerung gesellschaftlicher „Scheren“?
    • Steigert potentiell Medikalisierung und Healthism

  • IMIs: Internet-und mobilebasierte Interventionen
    • Begriffserklärung

  • IMIs sind vorwiegend Selbsthilfeprogramme, die auf einem instruktiven Online Programmbasieren (via Webseite oder App bereitgestellt) und von Personen genutzt werden, die gesundheitsbezogene Hilfe suchen (Barak et al., 2009).
  • Interventionen bieten gesundheitsbezogene interaktive Programminhalte zur positiven Veränderung, zur Steigerung von Wissen, Bewusstheit und Verstehen.

  • IMIs: Internet-und mobilebasierte Interventionen: 
  • Zentrale Beschreibungsmerkmale

  • 1.Technische Gestaltungsmöglichkeiten
  • 2.Menschliche Unterstützung und Grad der Interaktion
  • 3.Theoretischer Hintergrund
  • 4.Anwendungsfelder und Einsatzmöglichkeiten

  • IMIs: Internet-und mobilebasierte Interventionen: 
    • Zentrale Beschreibungsmerkmale
      • 1.Technische Gestaltungsmöglichkeiten

Gesundheitsförderung via:

  • Internetbasierter Selbsthilfeintervention
  • Internetbasierter Gesundheitskampagne (Public Health)
  • Email, Chat-oder videobasierte Beratung/Therapie
  • Virtuelle Umgebung/Internetspiel zur Vermittlung therapeutischer Inhalte
  • Mobile Interventionsanwendungen/-module (Apps)
  • Erinnerungs-, Feedback-und Verstärkungsautomatismen via App et al. (Handlungskontrolle, Gewohnheitsbildung)
  • Verschiedene Aktivitäten: Blogs, Podcasts, Online-support Gruppen
  • Noch neu: Einsatz von GPS, physiologischen (u.a.) Sensoren, Smartwatches, Smartbrillen

IMIs: Internet-und mobilebasierte Interventionen: 

  • Zentrale Beschreibungsmerkmale
    • 2.Menschliche Unterstützung und Grad der Interaktion

  • E-coaches& guided self-help: Hilfestellungen (technisch, verständnisbezogen, therapeutisch, Programmadhärenz bezogen, Krisenbewältigung) durch Fachleute des Gesundheitswesens, nicht ausgebildete Peers, Studierende
  • -> Synchron: verschlüsselte Chat-, Video/Webcam-Programm, Telefon, persönlich/vorort
  • -> Asynchron: verschlüsselte Email, SMS, geschützte Nachrichtenprogramme
  • -> Initiierung der Interaktion: nach Bedarf der Nutzenden oder nach vorab festgelegtem Algorithmus
  • -> Frequenz und Dauer der Interaktion: programmspezifisch

IMIs: Internet-und mobilebasierte Interventionen: 

  • Zentrale Beschreibungsmerkmale
    • 3.Theoretischer Hintergrund

  • Inhaltliche Ausgestaltungen variieren stark:
  • Bei Theoriebasierung: je nach Theorie
  • IMIs zur Gesundheitsförderung, häufige Theoriebasis: Sozialkognitive Theorie, Transtheoretisches Modell oder Theorie des geplanten Verhaltens
  • Je nach Funktion der IMI: Psychoedukation, Verhaltensänderung, Therapie
  • Häufig modularisierter Aufbau, Ablauf vorgegeben oder frei wählbar
  • Häufig Feedbackfunktion: automatisiert oder durch e-coach

IMIs: Internet-und mobilebasierte Interventionen: 

  • Zentrale Beschreibungsmerkmale
    • 4.Anwendungsfelder und Einsatzmöglichkeiten

  • Anwendungsfelder von IMIs:
    • Prävention & Gesundheitsförderung, Beratung, Therapie, Nachsorge & Rückfallprävention, Rehabilitation
  • Einsatzmöglichkeiten von IMIs:
    • Stand-alone:IMI wird von Nutzenden selbständig durchgearbeitet
    • Blended:IMI wird in Kombination mit klassischen Interventionen eingesetzt
    • Stepped-care: flexibler Bestandteil eines gestuften Präventions-/Behandlungsprogramms, Nutzung der IMI wird individuell angepasst
      • Stepup: niedrigschwellige Nutzung der IMI bei ersten Erkrankungsanzeichen, ggfmit anschließendem face-to-face Angebot, falls IMI nicht ausreicht
      • Stepdown: Im Anschluss an klassische face-to-face Behandlung wird IMI als Nachsorgehilfe und zur Rückfallprophylaxe eingesetzt.

Wirksamkeit IMIs bei Gesundheitsverhalten

kleine bis (selten) moderate Effekte

  • IMI-Sonderfall: Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs)

  • Digitale-Versorgung-Gesetz: § 33a Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V): „Medizinprodukte[n] niedriger Risikoklasse, − deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht − und die dazu bestimmt sind, bei den Versicherten oder in der Versorgung durch Leistungserbringer − die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten − oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zu unterstützen.“
  • Voraussetzung: mindestens eine Indikation (ICD-10)
  • -> Kosten werden von Krankenversicherungen übernommen

  • DIGA-Qualitätsmanagement

  • „positive Versorgungseffekte“
    • Medizinscher Nutzen
    • Patient*innenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung
      • Koordination der Behandlungsabläufe
      • Adhärenz
      • Gesundheitskompetenz
      • Bewältigung krankheitsbedingter Schwierigkeiten im Alltag

E-health, M-health& IMIs: (Zwischen-) Fazit

  • Enorme Möglichkeiten, Tendenz steigend
  • Starke Nutzung, ebenfalls Tendenz steigend
  • Aber auch Risiken: z.B. starkes Adhärenzproblem
  • Einsatz im Rahmen heilberuflicher Tätigkeiten: Seit COVID-19 Pandemie nicht mehr so eingeschränkt (z.B. Fernbehandlungsverbot ist aufgehoben)
  • Qualitätsmanagement z.T. regulierter (siehe: DiGAs)
  • Wirksamkeit im Gesundheitsverhaltensbereich: Sollte gesteigert werden