Physio


Kartei Details

Karten 344
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 24.10.2023 / 01.02.2025
Weblink
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Stellenwert der Benzodiazepine in Anfangsphase der Therapie von Depressionen und Psychosen  

• Depression: Benzodiazepine bis zum Einsetzen der Wirkung von Antidepressiva (bei antriebsteigernden TZA, SSRI)

• Psychosen: Benzodiazepine bei ausgeprägter Unruhe/Anspannung oder Fremdaggressivität

bevorzugt Benzodiazepine mit schnellem Wirkeintritt (z.B. Lorazepam) alleine oder in Kombination mit Antipsychotika

vorwiegend mit Antipsychotika der 2. Generation (aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsprofils)

Haloperidol in Kombination mit Benzodiazepinen oder Promethazin

Lorazepam, Olanzapin, Ziprasidon und Aripiprazol (in Monotherapie, parenteral) wirksam in der Behandlung aggressiver Erregungszustände.

Mögliche positive Effekte der Kombinationsbehandlung 

1) Geht von additiven Effekten der Pharmako- und Psychotherapie aus

2) Bei schwergradigen Psychosen, Depression, Angst- und Zwangsstörungen macht Pharmakotherapie den Zugang zu Psychotherapie erst möglich

3) Bei sequentiellem Vorgehen werden nach der initialen Behandlung mit einem Verfahren die bestehenden Symptome mit dem zweiten Verfahren additiv behandelt

4) bei schwer ausgeprägten Angst- und Zwangserkrankungen kann Psychopharmakotherapie den Erfolg der Psychotherapie verbessern

5) Kombinationstherapie bei schwer kranken und therapierefraktären Patienten in Akutbehandlungen als auch Rückfallprophylaxe oft überlegen

Mögliche positive Effekte der additiven Psychotherapie  

Erhöhte Symptomreduktion und Verbesserung auf Funktionsebene, damit höhere Remissions- und niedrigere Rückfallrate

Verbesserung der Restsymptomatik nach akuter Pharmakotherapie, damit Reduktion der pathologischen Mechanismen eines Rückfalls (Fava et al., 2002)

Bestimmte Beschwerden gezielter therapierbar als mit Pharmakotherapie: z.B., Hoffnungslosigkeit, Selbstunsicherheit, Schuldgedanken usw.

Unterstützt Verhaltensveränderungen hin zu Gesundheitsförderung und Behandlungsadhärenz

Wirkt in anderen Gehirnregionen als Pharmakotherapie (a.e. kortikolimbische Verbindungen) 

Mögliche negative Effekte der Psychopharmakotherapie auf Psychotherapie

Hypothesen (nach Zurowski und Hohagen, 2009)

1) schnelle Symptomreduktion durch das Medikament verringert den Leidensdruck und damit die Motivation des Patienten, die Psychotherapie weiterzuführen

2) durch die Gabe eines Medikamentes wird sowohl beim Patienten als auch beim Therapeuten eine passive Veränderungserwartung anstatt eine aktive Veränderungsbereitschaft gefördert (Selbstwirksamkeitsüberzeugungen)

3) der Patient kann sich durch die Gabe eines Medikamentes „entwertet“ oder „abgeschoben“ fühlen, wenn er Besserung seiner Störung alleine durch die VT erwartet 

Konsequenzen zur Vermeidung negativer Aspekte

Pharmakotherapie als additive Behandlung im Rahmen eines mehrdimensionalen Störungs- und Behandlungskonzeptes

aktive Rolle des Patienten in der Therapie betonen, einer passiven Veränderungserwartung vorbeugen

Mögliche positive Effekte der Psychopharmakotherapie auf Psychotherapie 

Hypothesen (nach Zurowski und Hohagen, 2009) 

1) Psychopharmaka können den Zugang zur Psychotherapie erleichtern (Beispiel: schwere Depressionen, schwere Zwangsstörungen mit depressiver Symptomatik, Schizophrenie, bipolare Störung)

2) ein mehrdimensionales Krankheitsmodell und ein davon abgeleitetes mehrdimensionales Therapiekonzept mit Berücksichtigung der neurobiologischen Ebene neben der psychischen und sozialen Ebene verbessert die Krankheitsakzeptanz (Vermeidung von Stigmatisierung, Störung „auch biologisch verursacht“)

3) die Kombination (Psychotherapie + Pharmaka) ist der Einzelbehandlung (Psychotherapie vs. Pharmaka) i.d.R. überlegen.

4) Nonresponder auf Psychotherapie oder Pharmakotherapie können mit Kombinationstherapie erfolgreicher behandelt werden

Mögliche negative Effekte der Psychotherapie auf die Pharmakotherapie

Negative Effekte einer Psychotherapie auf eine gleichzeitig durchgeführte Pharmakotherapie müssen dann angenommen werden, wenn Patient und Therapeut der Meinung sind, dass lediglich Psychotherapie helfe und Pharmakotherapie schade“. Zurowski und Hohagen, 2009

Cave: Verhängnisvoll z.B. bei Schizophrenie, bipolarer Störung, wahnhafter Depression!

Kombination PT und Pharmakotherapie

Kombination von PT u. Pharmakotherapie ist mehr als die simultane Anwendung zweier Behandlungsstrategien

mögliche Interaktionen sowie spezielle Formen der Kooperation zwischen Psychotherapeut und Pharmakotherapeut müssen berücksichtigt werden

prinzipiell sind 2 Konstellationen möglich:

− bei ärztlichen Psychotherapeuten, die in Psychopharmakotherapie ausgebildet und erfahren sind, kann VT u. Pharmakotherapie in einer Hand liegen

− VT und Psychopharmakotherapie werden getrennt durchgeführt bei psychologischen Psychotherapeuten oder ärztlichen Psychotherapeuten mit zu wenig Erfahrung in Pharmakotherapie

Kombination von Psychotherapie und Pharmakotherapie mit verschiedenen Behandlern häufiges klinisches Phänomen

nach einer Studie von Chiles et al. (2003) wurden 79% der Patienten psychologischer Psychotherapeuten zusätzlich mit Psychopharmaka behandelt 

Empfehlungen für Kombinationsbehandlung

Engmaschige Zusammenarbeit zwischen Pharmako- und Psychotherapeuten wichtig

Regelmäßige Rückmeldung über den Therapieerfolg, damit Pharmakotherapie angepasst werden kann

Kenntnis des Psychotherapeuten von verwendeten Psychopharmaka, da mögliche Effekte auf den Psychotherapieeffekt (z.B. bei Benzodiazepinen)

Kein Absetzen eines Teils der Therapie ohne Absprache mit Ko-Therapeuten 

Kombinationsbehandlung bei einem Therapeuten

Mögliche Vorteile: 

Interaktionsmöglichkeiten zwischen Medikation und PT können besser erkannt werden

NW können besser von Krankheitssymptomen abgegrenzt werden

Vorbehalte gegenüber PT oder Pharmakotherapie können besser aufgegriffen und geklärt werden

klarere Verantwortungszuschreibung z.B. bei Suizidalität

Zeitersparnis für den Patienten, ökonomische Gesichtspunkte

Kombinationsbehandlung bei einem Therapeuten

Mögliche Nachteile:

fehlende Spezialisierung kann auch Nachteile mit sich bringen

verschiedenen Sichtweisen unterschiedlicher Behandler können sich auch positiv ergänzen

Besprechung der Medikation „stört“ psychotherapeutischen Prozess 

Studien zur Kombination Psychotherapie (v.a. kognitive Verhaltenstherapie: KVT) und Psychopharmakotherapie

Wirksamkeit von PT und Pharmakotherapie als Einzelverfahren in einer Vielzahl kontrollierter Studien gut dokumentiert

für viele Störungen konnte eine vergleichbar gute Wirkung in der Akutbehandlung dokumentiert werden, häufig keine signifikante Überlegenheit des einen oder anderen Verfahrens

als Vorteil der Psychopharmakotherapie in einigen Studien raschere Symptomreduktion im Vergleich zur PT

Vorteil der PT gegenüber der Psychopharmakotherapie ist möglicherweise die Langzeitwirkung

d.h. nach Absetzen der Medikation kommt es bei vielen Erkrankungen zu einem Wiederauftreten der Symptome, verhaltenstherapeutisch behandelten Patienten haben ggf. schon trainierte Lösungsstrategien im Erkennen und Umgang mit Symptomen

Eine Kombinationsbehandlung von Psychotherapie und Pharmakotherapie wäre vor allem dann indiziert, wenn

die Kombinationsbehandlung der alleinigen Pharmakotherapie oder Psychotherapie überlegen wäre

therapierefraktäre Patienten auf Psychotherapie oder Pharmakotherapie mit einer Kombinationsbehandlung besser behandelt werden könnten

differentialindikatorische Faktoren aus empirischen Studien vorlägen, welche Untergruppe der jeweiligen psychischen Störung von einer Kombinationsbehandlung besser profitiert als vom jeweils alleinigen Behandlungsverfahren

Zu diesen Fragestellungen liegen kaum empirische Studien vor, so dass gängige klinische Praxis, beide Verfahren zu kombinieren, häufig aus klinischen Erfahrungen, Einzelfallbeobachtungen oder aus einem Pragmatismus heraus resultiert.

Wenige vorliegende empirische Studien mit vielfältigen methodischen Mängeln weisen auf einen erheblichen Forschungsbedarf in diesem Bereich hin. 

Angsterkrankungen – VT, Pharmakotherapie und Kombination

Generalisierte Angststörung: sowohl pharmakologisch als auch mit VT eher schwer zu behandeln, Daten zu Kombination fehlen fast völlig, sodass keine Aussagen zum Sinn der Kombination getroffen werden können soziale Phobie: insgesamt Datenlage für Überlegenheit der jeweiligen Behandlungsformen oder Kombinationstherapie ungenügend, sodass keine eindeutigen Therapieempfehlungen für oder gegen die Kombinationsbehandlung gegeben werden können spezifische Phobie: bei isolierten Phobien erscheint aufgrund bisheriger Studien die alleinige VT als ausreichend, Psychopharmaka allenfalls bei schweren Fällen Panikstörung u. Agoraphobie: die bisherige Evidenz spricht für Kombinationstherapie (Entscheidungsfaktoren: Schwere sowie Funktionsbeeinträchtigung) deutlichere Hinweise zumindest für die Überlegenheit der Kombination in der Akutphase, langfristige Überlegenheit eher fraglich klinische Erfahrung spricht auch für die Kombinationsbehandlung bei Panikstörung u. begleitender Depression, keine empirischen Befunde

Depression – Psychotherapie, Pharmakotherapie und Kombination 

eine Reihe von Untersuchungen verglich KVT mit Antidepressiva, in diesen Studien konnten meist keine signifikanten Unterschiede gefunden werden Antidepressiva zeigen häufig frühere Effekte auf vegetative Symptome wie Schlaf u. Appetitstörungen, die jedoch auch bei der VT, wenn auch verzögert eintraten bei Patienten mit schwerer depressiver Episode besteht eine klare Indikation für eine Pharmakotherapie, Metaanalysen belegen, dass die Kombination von VT u. Psychotherapie der alleinigen Psychotherapie überlegen ist (zuletzt Cuijpers et al., 2020). auch bei chronisch depressiven Patienten konnte nachgewiesen werden, dass eine Kombinationstherapie den Einzelbedingungen signifikant überlegen ist (Keller et al. 2000) in der Langzeittherapie kann angenommen werden, dass die Kombinations-therapie Rückfallquoten signifikant senkt in der Kombinationsbehandlung von Antidepressiva mit verschiedenen psycho-therapeutischen Verfahren ist die Compliance der Patienten signifikant höher, verbunden mit zuverlässigeren Medikationseinnahmen (Schramm et al. 2007) 

S3 Leitlinie ADHS für KJP und Erwachsene

Empfehlung altersabhängig <6J PT sowie nach Schweregrad Pharmakotherapie effektiv bei Hauptsymptomen Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität PT effektiv bei Störung des Sozialverhaltens sowie weiteren Störungen der sozialen Interaktion In mittel/schweren Fällen oft beides

Zwangsstörungen (Leitlinie 2013)

PT immer empfohlen, Medikation bei schwerer Ausprägung oder nonresponse 

DEPRESSION KJP: Leitlinie 2013, derzeit in Überarbeitung

Psychotherapie ist klar vorzuziehen ab 8.LJ

Vor dem 8 LJ nur Psychotherapie

Medikation v.a. bei schwerer Ausprägung oder non-response 

S3 Leitlinie Bipolare Erkrankung 2019: Manie

Primär Pharmakotherapie

S3 Leitlinie Bipolare Erkrankung 2019: Phasenprophylaxe

Psychotherapie gewinnt an Stellenwert zu in späteren Phasen der Erkrankung

S3 Leitlinie Schizophrenie 2019

In Akutphase Pharmakotherapie PT als add-on Anwendung: Schwerpunkte sind Psychoedukation, Symptomreduktion, Arbeit mit Angehörigen, Soziale Fähigkeiten

Psychoaktive Substanzen und Psychotherapie

Sog. Psychodelische Renaissance Psylocybin (natürliches Psychodelikum, magic mushrooms) LSD (Lysergsäurediethylamid, Halluzinogen „Acid“) MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) Ketamin (NMDA Rezeptor Antagonist) Wirkfaktoren: − Wirkung auf intrapsychische Vorgänge beim Pat. − Wechselwirkung zwischen Pat. und Therapeut − Erfolgreiche psychotherapeutische Integration der Erfahrung − Qualität, Intensität und Dauer der akuten psychodelischen Wirkung

MDMA: 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin

Releaser-Substanz: Ausschüttung von Serotonin, Noradrenalin sowie weniger Dopamin − Verbesserung der Stimmungslage, der sozialen Bindung, Energie Verstärkte Furchtextinktion beschrieben Eingesetzt in der PTBS Psychotherapie, Gabe von kleinen Dosen: − leichtere Modifikation von traumatischen Erinnerungen aufgrund reduzierter affektiver Erregung vermutet − Interferenz mit Rekonsolidierung von Furchtgedächtnis während der Therapie − Angstlösende Effekte erleichtern die Adhärenz zur Therapie

Psychotherapie vs. Pharmakotherapie vs. Kombination

Akute psychotische/manische Symptomatik, Erregungszuständen, Deliren, schwerer Depression mit akuter Suizidalität bedürfen Pharmakotherapeutischer Intervention PT in diesen Phasen adjuvant, je nach Zustand des Pat. Schweregrad, Funktionsbeeinträchtigung, Komorbiditäten aber auch die Präferenz des Pat. sind für das Vorgehen wichtig Im KJP Bereich bei Kindern unter 8 Jahren Psychotherapie Angsterkrankungen, Zwangserkrankungen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen können primär mit PT behandelt werden, bei nichtAnsprechen wird ggf. Wechsel oder zusätzlich Pharmakotherapie empfohlen Wenn Pharmako- und Psychotherapie bei unterschiedlichen Behandlern, ist engmaschige Abstimmung empfohlen, um das beste Vorgehen für den Pat. zu erarbeiten.