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Kartei Details
Karten | 17 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 11.07.2023 / 11.07.2023 |
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TEXT 1 - Chronische Krankheit, Behinderung und Gesundheit
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Bezugssysteme für die Analyse der Phänomene Gesundheit und Krankheit
1. Bezugssystem der Medizin
- Menschliche Körper als Maschine
- Krank = Abweichungen von anatomischen, psychischen oder physiologischen Regelgrößen
- Abweichungen sind vom Arzt/Psychiater messbar
- Klassifiziert in Krankheits- und Störungskonstrukte (ICD, DSM)
2. Bezugssystem der betroffenen Person
- Sich gesund oder krank fühlen
- Gesundheit oft verbunden mit Leistungsvermögen, Wohlbefinden und positivem Erleben
- Subjektive Vorstellungen über Krankheit und Gesundheit unterscheiden sich in Abhängigkeit von Geschlecht, Lebensphase und sozialer Schicht
3. Bezugssysteme der Gesellschaft
- Gesundheit und Krankheit unter dem Aspekt der Leistungsminderung bzw. der Notwendigkeit, Hilfe zu gewähren (Krankschreibungen, etc.)
Salutogenese - positiver Gesundheitsbegriff
- Von Aaron Antonovsky in den 1970er-Jahren entwickelt
- Gegenstück und Ergänzung zur "Pathogenese" (Entstehung und Behandlung von Krankheit/Abweichungen)
Genaueres:
- Gesundheit wird hier im Sinne von relativem Wohlbefinden, relariver Handlungsfähigkeit und Autonomie gesehen
- Ein Mensch bewegt sich während des Lebens zwischen den beiden Polen "gesund" und "krank"
- Belastungen und Ressourcen entscheiden über Gesundheit
- Das Modell erleichtert es chronisch kranke Menschen als "bedingt gesund" wahrzunehmen
Gesundheitsprobleme in den Industrigesellschaften
1. Zunahme der durchschnittlichen Lebenserwartung
- Seit Mitte des 19. Jh. in etwa verdoppelt
- Ursachen: Moderne Medizin, aber vorallem soziale Veränderungen (verbesserte Ernährung und Hygiene)
2. Hauptproblem chronischer Erkrankungen
- Problem: Heute dominieren chronische Krankheiten (auch im Kindes- und Jugendalter)
- Beinträchtigen die Identität, das Rollenhandeln, das psychische Gleichgewicht, und macht abhängig von therapeutischer Unterstützung
3. Zunehmend sozial ungleiche Gesundheitschancen = "Status Syndrome"
- Menschen aus sozial gehobeneren Schichten leben länger und sind weniger durch Krankheiten beeinträchtigt
- Moderatoren: gut gesicherte Jobs, Einkommen und Bildungsabschlüssen
Determinanten von Krankheit und Gesundheit - Belastungen und Ressourcen
- Krankheit als Folge einer gestörten Balance zwischen Belastungen und Bewältigungsressourcen
- Belastungen und Ressourcen entstehen in den unterschiedlichen Lebenswelten
- Besonders belastend: Gewalt, Überforderung, Benachteiligung, Ausschluss
- Besonders schützend: Autonomie, Handlungsspielräume, Partizipation
Belastungen (Risikofaktoren)
- Zentral bedeutend im Erwachsenenalter: Erwerbs- und Familienarbeit, und die damit verbundenen sozialen Beziehungen
- Zentral bedeutend im Kindesalter: Widrige familiäre Lebensbedingungen
Ressourcen (Schutzfaktoren)
- Zentral ist, in welchem Maße ein Individuum sein Leben kontrollieren und gestalten kann und über welche Möglichkeiten der sozialen Teilhabe es verfügt
Im Salutogenese-Modell:
- Kohärenzgefühl als wichtigste Gesundheitsressource
- Kohärenzgefühl entwickelt sich im Laufe der Sozialisation (wenn wiederholt die Erfahrung gemacht wird, das eigene Leben gestalten und meistern zu können)
- Kohärenzgefühl beschreibt eine generelle Lebenseinstellung des Individuums, in der sich ein umfassendes und überdauerndes Gefühl des Vertrauens darin ausdrückt, dass...
1. Ereignisse im eigenen Leben verstehbar sind
2. man in der Lage ist, die gestellten Anforderungen zu handhaben
3. die Anforderungen als bedeutsam/sinnhaft wahrnimmt
- Widerstandsressourcen gibt es auf der Ebene
1. des Individuums
2. des sozialen Nahraums
3. der Gesellschaft
4. der Kultur
- Anschlussfähige Konstrukte:
1. Selbstwirksamkeitserwartung von Bandura
2. Hardiness (Widerstandsfähigkeit)
3. Soziale Unterstützung
4. Dispositioneller Optimismus
Gesundheitsrelevantes Verhalten - Lebensstil
Gesunder Lebensstil sinkt mit dem sozialen Status
-> Erklärung dieses Phänomens durch das "Habitus-Konzept"
- Habitus = gesellschaftlich produzierte innere Natur des Subjekts
- Diese innere Natur wirkt sich auf Vorlieben, Verhalten, Beziehungen zum eigenen Körper, etc. aus
Behinderung und Teilhabe
1. Medizinisches Modell
- Behinderung als Eigenschaft der Person (da individuelles Defizit)
2. Soziales Modell
- Behinderung entsteht durch soziale Interaktionsprozesse mit seiner Umwelt
- Unangemessene gesellschaftliche Bedingungen!
3. Kompromiss zwischen den beiden Modellen: ICF
- In der Reha theorie- und handlungsleitend
ICF
- Fokus liegt nicht auf Defizite, sondern Ziele, Potentiale und den Weg dorthin
- Gibt orientierung bei der Therapie und Reha
- Kein intuitiv verständliches Konzept - erfordert spezielle Achulung zur Anwendung
Behinderung wird mehrdimensional aufgefasst: 3 Ebenen
- Körperfunktionen und - strukturen (Medizin), Aktivitäten (Fähigkeiten) und Partizipation (Teilhabe am gesellschaftlichen Leben)
Behinderung im engeren Sinne: Teilhabeproblematik, die das Ergebnis einer negativen Wechselwirkung zwischen einer Person und deren persönlichen und sozialen Lebenshintergrund (Kontext, Umweltfaktoren) ist
- in anderen Worten: personale und soziale Ressourcen sind wichtig!
ICF-Version für Kinder und Jugendliche
- betrachtet die Funktionsfähigkeit im Kontext kindlicher Entwicklungsstadien und wichtiger kindlicher Kontextfaktoren wie Schule und Familie
TEXT 2 - Forschen mit und für Communities
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Wissenschaft diversitätssensibel gestalten
- im Zentrum der Community-Health-Forschung stehen soziale, strukturelle, ökonomischen und ökologische Ungleichheiten im Hinblick auf Gesundheit
- in den Forschungsprozess werden, Institutionen und Mitglieder/Vertreter der Community mit aufgenommen
Erkenntnistheoretische und methodologische Prämissen
- grundlegendes Umdenken und kritische Reflexivität ist nötig um Diskriminierund und unterdrückung durch Forschung zu unterbrechen
- kompatibel: erkenntnistheoretische, salutogenetische und systemtheoretische Verständnismodelle
Forschungshaltung
- Reflexivität in Bezug auf die Frage wie "Community" definiert wird, ist gefragt
- Auch die Frage nach der Rolle des Forschers in Beziehung zu der Community ist wichtig
Wissen, Sprache, Definitionen und Ressourcen
- Es gilt zu prüfen, inwiefern bestimmte Kategorien, Begrifflichkeiten und Normen unter dem Aspekt der Diversität vielfältigen Gruppen und Kontaxten gerecht werden
-> wichtig, da Kategorisierungen unser Denken prägen und Machteffekte entfalten - Fokus der Community-Health-Forschung richtet sich idealerweise auf die Ressourcen der Community, verbunden mit dem Anspruch des Empowerments
- Es gilt auch zu prüfen, welche Themen und Fragestellungen überhaupt untersuchungswürdig sind
Beziehung und Macht
- Grundlage der Community-Health-Forschung sind Forschungspartnerschaften
- Wichtig: Beziehungsgestaltung, Zuhören, Selbst-Bewusstsein, kreative Lösungswege, gemeinschaftlich abgestimmte Forschungsprinzipien, Zielsetzung, Rollenverständnis
Methoden
- Methodologische Flexibilität im Einklang mit den Bedürfnissen und Interessen der Community
- Stärkere Bewertung der Güte und Validität der Forschung anhand der praktischen Relevanz
- Auch wichtig: Klärung der Frage "Wem gehören die Ergebnisse und wie wird der Transfer für die Community?"
Communities in Zahlen, Worten und Bedeutungen - ausgewählte methodische Zugänge
1. Ethnographie und kollaboratives Forschen
- ethnographisch = detaillierte Erforschung kultureller Praktiken in einer bestimmten Gesellschaft oder begrenzten sozialen Kontext
- Wichtige Methode: teilnehmendes Beobachten (Forschung und Intervention vor Ort)
2. Modellierung komplexer Systeme (Agent-Based-Modelling)
- In der Community-Health-forschung werden Formen der Modellierung als vielversprechend diskutiert, die der Annnahme vielschichtiger Wechselwirkungen multipler Faktoren in komplexen Systemen gerecht werden
- ABM: Annahme der gegenseitigen Beeinflussung von Agenten (Personen, Haushalte, Einrichtungen) und System
- ABM Vorteile: bottom-up Ansatz, lässt sich mit anderen Methoden kombinieren, Potenzial der Beteiligung von Community-Partnern an der Modellentwicklung, erlaubt die Identifikation von Mustern und Modellieren von Szenarien unter komplexen, nicht-linearen Bedingungen
Spannungsfelder und Herausforderungen
Grenzen:
- Viel Zeit und Ausdauer, um tragfähige Forschungspartner auszubauen
- Stetiges Austarieren zwischen Forschen und Handeln, zwischen Wissenschaft und teilhabe der Community, Güte und Qualitätsssicherung
- Oft sind institutionelle und politische Rahmenbedingungen nicht auf kollaboratives Forschen ausgelegt
- Frage, ob und wie partnerschaftliche Zusammenarbeit tatsächlich gelingen kann