Beratung von Paaren

Seminar Beratung II

Seminar Beratung II


Kartei Details

Karten 25
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 11.02.2021 / 15.02.2021
Weblink
https://card2brain.ch/box/20210211_beratung_von_paaren
Einbinden
<iframe src="https://card2brain.ch/box/20210211_beratung_von_paaren/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>

Daten und Fakten zu Paaren und Ehe

  • Jede 3., in Großstädten sogar jede 2. Ehe wird geschieden- am häufigsten im 5. Ehejahr
  • 75% der Geschiedenen heiraten wieder, die meisten innerhalb von 3 Jahren nach der Scheidung
  • Es werden 25-35% als Risiko-ehen angesehen, in denen einer der beiden unzufrieden ist mit der Beziehung.
  • Durchschnittliche Dauer, die gewartet wird, bevor bei Paar-Problemen Paartherapie in Anspruch genommen wird: 6 Jahre.
  • ¼ der Paare, die sich scheiden lassen, gehen zuvor zur Paartherapie.

Paarbeziehung und Gesundheit

  • Zwischenmenschliche Beziehung sind in jedem Lebensalter & jeder Entwicklungsstufe von hoher Bedeutung für Gesundheit und Wohlbefinden
  •  Partner mit niedriger Ehequalität haben höherer Wahrscheinlichkeit für psychische Störung (Odds-Ratio):

    3,1 mal höher für affektive Störung

    2,5 mal höher für Angststörungen

    2,0 mal höher für Abhängigkeiten

  • Chronische Paarkonflikte und Scheidung sind korreliert mit

    Höherer Prävalenz psychischer Störung

    Höheres Ausmaß an akuten und chronischen Infektionen

    Höhere Prävalenz körperlicher Gewalt gegen Partner und Kinder

    Höherem Rückfallrisiko (bspw. Depression, Schizophrenie)

    Höhere Prävalenz von internalisierten und externalisierenden Störungen bei den Kindern

Theorie zur Beziehungsqualität und Scheitern von Gottman

  • Balance aus Interaktionen, Wahrnehmung & Psychophysiologie
  • Interaktionen: mehr Zuneigung als Ablehnung durch den Partner erfahren zentral (5 Positive wiegen eine negative Interaktion auf)
  • Wahrnehmung: kognitive Einstellung zum Partner; dichotom
  • Psychophysiologische Reaktion: Stimulierend/ Wiederwillen
  • Beginn der Partnerschaft: 3 Ebenen der Partnerwahrnehmung positiv; Kippen des Interaktionsverhältnisses: negative Wahrnehmung + negative psychophysiologische Reaktion -> negativer Kreislauf

Zwangsprozesshypothese (Patterson & Reid, 1970) 

  • Paare in Beziehungen mit niedriger Qualität bedienen sich ineffektiver Methoden zur Verhaltensänderung wie Bestrafung, anstatt Belohnung
  • A wünscht Änderung von B --> wenn B einlenkt kommt es zu keinem Konflikt 
  • häufigster Fall: B lenkt ein, aber nur für kurze Zeit --> Bestrafung oder Entziehen pos. Verstärker --> Gegenangriffe/Rechtfertigungen --> einlenkendes Verhalten --> Lernprozess 
  • die Person die bestraft (A) wird von dem Partner positiv verstärkt, der nach der Bestrafung einlenkt; B wird negativ verstärkt
  • Habituation des Strafreizes --> Bestrafung wird heftiger

Folge: 

  • Die Partnerschaft wird nicht mehr als ausgewogen erlebt (Vertrauensverlust)
  • Verfahren nicht mehr nach dem Prinzip des „Gebens und Nehmens“

--> Mangelnde Kommunikations- und Problemlösefähigkeit beider Partner sind verantwortlich für Scheitern einer Beziehung

--> Nicht ein Partner hat die alleinige „Schuld“, sondern die gemeinsame Unfähigkeit zur Konfliktlösung

Phasen der Paarberatung

Anfangsphase 

  • Vorstellung & Vertrauensaufbau 
  • Einzelne und gemeinsame Problemdefinition --> Auftragklärung 
  • Halbstrukturiertes Interview über Beziehungsgeschichte 
  • Konflikthierarchie 

Mittelphase

  • Erarbeitung von Methoden

Abschlussphase 

  • Reflexion des Prozesses 
  • Ausblick 

Verhaltenstherapeutische Ehetherapie

 1. Diagnostik

 2. Verhaltensanalyse

 3. Maßnahme zur Steigerung der positiven Reziprozität

 4. Kommunikations- und Problemlösetraining

 5. Kognitive Ansätze

 6. Erweiterung

6.1. Stressumgang im Sinne des dyadischen Coping

6.2. Steigerung der gegenseitige Akzeptanz und Toleranz

Verhaltenstherapeutische Ehetherapie: Diagnostik 

  • Selbst- und Fremdbeurteilung: multidimensionale (PFB oder EPF) und eindimensionale (Bindung, Trennungspotenzial etc.) Fragebogen, Interviewverfahren (Partnerinterview zur Beziehungsgeschichte PI-B)

Verhaltenstherapeutische Ehetherapie: Verhaltensanalyse

  • Erstgespräch
  • Videoanalyse

Ziele: 

  • Einblick ins Lebens- und Partnergeschichte
  • Jeweilige Beziehungskonzepte transparent werden lassen
  • Problembereiche erfassen & Differenzialdiagnose
  • Ressourcen des Paares
  • Therapieplanung - & Evaluation 

Verhaltenstherapeutische Ehetherapie: Maßnahme zur Steigerung der positiven Reziprozität

  • Sensibilitäten auf positive Aspekte der Partnerschaft (zum Beispiel alle positiven Begegnungen aufschreiben oder Verwöhntag) 
  • Bereicherung Sexualität (Hemmungen und Leistungsdruck sollen reduziert und Erotik und Kommunikation ausgebaut werden) 

Verhaltenstherapeutische Ehetherapie: Kommunikations- und Problemlösetraining

  • Kommunikationsregeln (Ich-Aussagen, konkrete Beispiele und keine Verallgemeinerungen, Zuhörer soll aufnehmen, zusammenfassen, offene Fragen stellen und positive Rückmeldungen geben) 
  • Schritte des Konfliktgesprächs:
  1. Herausarbeiten der Gedanken/Gefühle beim Problem
  2. Herausarbeiten der Bedürfnisse und Wünsche
  3. Spezifische Änderungswünsche
  4. Gemeinsame Absprache

Verhaltenstherapeutische Ehetherapie: Kognitive Ansätze 

  • Kognitive Fehler (zum Beispiel Attributionen, Vorhersagen zu zukünftigem Verhalten, irrationale extreme Erwartungen)  erkennen und Lösen (rationale Umstrukturierung, logische Analyse, Krisenmanagement) 

Erweiterungen 

  • Stressumgang im Sinne des dyadischen Copings
    • externen Stress erkennen und Partner als Unterstützung (gegenseitig)
    • Phase 1: gestresster Partner soll Stresserleben mitteilen und Partner B soll zuhören und nachfragen 
    • Phase 2: Frage nach angemessener dyadischer Unterstützung z.B. Verständnis ausdrücken und Mut machen durch Partner B 
    • Phase 3: Reflektion wie gestresster Partner Unterstützung erlebt hat und Feedback
  • Steigerung der gegenseitigen Akzeptanz und Toleranz 
    • nicht alle Probleme können und müssen gelöst werden 
    • mehr Nähe und Verbundenheit durch Akzeptannz 

Grundannahmen der Emotionsfokussierten Paartherapie 

  • Paarprobleme als Ausdruck der Unterbrechung in der Bindungsbeziehung: Bindungstypischer Protest, um Bindungskontakt wieder herzustellen
  • unsicher- ängstliche Partner: „Verfolger (persuer)“: Wut, Anklagen, Fordern, Vorwürfe
  • unsicher- vermeidende Partner: „Rückziehende (withdrawer)“ Rückzug, Ausweichen, Ersatztätigkeiten
  • Annahme von verschiedene Emotionsebenen:
    • sekundäre Emotionen: z.B. Wut -->sind eher sichtbar und sind dazu da die primären Bedürfnisse zu regulieren)
    • primäre Emotionen (Scham, Einsamkeit) bzw. Bindungsbedürfnisse (z.B. Verbindung) --> oft nicht bewusst zugänglich; in der Therapie sollte über diese Emotonen gesprochen werden und sie sollten zugänglich werden
  • Ziel EFT: Bindungsbedürfnisse zugänglich machen, Kommunikation über Bedürfnisse

Bindungsstile: Sicher 

Allgemeine Merkmale

  • offen, vertrauensvoll, proaktiv

Umgang mit emotionalem Stress 

  • Unterstützung suchen, wenn emotional gestresst; kann von anderen abhängig sein 

Verhalten mit dem Partner

  • Offenheit, reziproke Abhängigkeit, Vertrauen; kann Ärger konstruktiv ausdrücken, an Versöhnung arbeiten

Bindungsstile: Unsicher-vermeidend

Allgemeine Merkmale

  • Schwierigkeiten, nach Hilfe zu fragen & zu akzeptieren, emotionaler Rückzug

Umgang mit emotionalem Stress 

  • Will unabhängig sein, zurückgezogen bei emotionalem Stress

Verhalten mit dem Partner

  • Angst vor Verlust von Verbindung -> Abwendung, um sich zu beschützen; in Konflikten oft misstrauisch, unsicher

Bindungsstile: Unsicher-ängstlich

Allgemeine Merkmale

  • Gestresst durch Lebensprobleme, kämpft mit Emotionen

Umgang mit emotionalem Stress 

  • Leicht frustriert und verärgert, wenn Bindungsbedürfnisse nicht erfüllt sind; ängstlich/ fordernd/ kontrollierend

Verhalten mit dem Partner

  • Angst, nicht geliebt zu werden; Klammerverhalten, um Rückversicherung durch Partner zu erhalten

Emotionsfokussierte Paartherapie - Schritte 

  • Deeskalation
    • Identifikation des negativen Interaktionszyklus; Vermittlung des Zyklus; Training der Wahrnehmung primärer Emotionen 
  • Bindung wiederherstellen
    • Weiteres Training der Wahrnehmung eigener Bedürfnisse, Kommunikation der Bedürfnisse mit dem Partner, korrigierende emotionale Erfahrung/ change moment
    • Withdrawal reengagement: zurückgezogener Partner soll über Bedürfnisse und Emotionen reden 
    • Pursuer wird gesoftet: aus Wut und anklagendem Verhalten heraus zurück zu seinen primären Emotionen
    • Therapeut ist sehr aktiv und Paare sollen interagieren
  • Konsolidierung
    • Konstruktive Bearbeitung der Probleme möglich; neue Narrative der Paargeschichte
    • Verdienst wird dem Paar zugeschrieben NICHT dem Therapeuten

Rolle des Therapeuten bei der emotionsfokussierten Paartherapie

  • Verständnis/Empathie 
  • zuständig für Emotionsregulation des Paares
  • Provokativ (z.B. wenn keine Konflikte angesprochen werden) 
  • Bindungsperson: vermittelt dem Paar Sicherheit 
  • Emotionen hervorheben 
  • direktiv in "change moments" 

Metaanalyse zur Wirksamkeit von Paarberatung in Deutschland (Roesler, 2019): Hintergrund

  • generelle Wirksamkeit belegt von Paartherapie: RCTs d=0.7-0.8
  • auch wirksam in Behandlung individueller Probleme und psychischen Störungen (v.a. Depression)
  • naturalisierte Studie geringere Effekte d=0.5

--> Thema der Metaanalyse: „Evaluation der Paarberatung in katholischer Trägerschaft in Deutschland“

Metaanalyse zur Wirksamkeit von Paarberatung in Deutschland (Roesler, 2019): Methodik

  • 554 Paare
  • 2 Ziele: Wirksamkeit untersuchen und Risikofaktoren identifizieren
  • 64 Merkmale für Beziehungsqualität und –stabilität
  • Messinstrumente
    • EPF
    • Kurzskala zur Erfassung des DCI
    • GARF-Skala
    • BSI
    • Bindungsstile nach Bartholomew
    • Eigens entwickeltes Instrument für verbliebene Risikofaktoren
    • Beraterinstrument
  • 3 Messzeitpunkte

Metaanalyse zur Wirksamkeit von Paarberatung in Deutschland (Roesler, 2019): Ergebnisse

  • Signifikante*** Verbesserung der Depressivität (d=.43), globalen Zufriedenheit (d=.38), GARF-Skala (d=.58) = Funktionsniveau, Dyadischen Coping (d=.23) zwischen T1 und T2 --> aber Verbesserung nur für manche Paare
  • 55% verbessert sich die Beziehung, 45% nicht von Beratung profitieren, 29% Trennung bei T2, 50% vorzeitig abbrechen
  • Prädiktoren für Trennung
    • Depression (r=0.334), wenig Engagement (r=-0.207), wenig Unterstützung (r=0.501)
    • Schwacher ZSH: unterschiedlicher Kinderwunsch (r=-.0.096), Nachbarn mit (Schwieger-) Eltern (r=-0.096), geringes Einkommen (r=-.0118)
    • Zu T3: GARF --> niedriges Funktionsniveau, DC, Depressivität, globale Unzufriedenheit mit Beziehung, geringe gemeinsame Freizeit
    • Bei hochbelasteten Paaren, deutlich öfter Depressionen

Metaanalyse zur Wirksamkeit von Paarberatung in Deutschland (Roesler, 2019): Diskussion

  • Wirksamkeit (d=0.5), auch hinsichtlich Depressivität
  • 40% der Paare hat sich Paarbeziehung nachhaltig verbessert
  • Erkenntnis über Risiko- und Schutzfaktoren für Erfolg
    • Positiv: Erlebte Unterstützung durch Partner, gemeinsame Freizeit, gemeinsames Vermögen, DC, sicherer Bindungstyp und unsicher-abweisender Bindungstyp, gemeinsame Kinder
    • Kein Zusammenhang gefunden bei weiteren Faktoren: Trennung der Eltern, Dauer der Ehe, Anzahl der bisherigen Ehen Bildung, Berufsstatus
    • Alarmsignal: hohe Belastung in Paarbeziehung, wenig Verbindendes und wenige Gemeinsamkeit, wenig Engagement, Trennungswünsche, sexuelle Probleme und Eifersucht
    • Kein Risikofaktor: Streit
  • Beratung durch Kirchliche Einrichtung genauso erfolgreich --> Ausblick: Emotionsfokussierte Paartherapie bisher am effektivsten ca. 80%, vermehrte Ausbildung wünschenswert

Research-Practice-Gap 

  • Problem: Research- Practice- gap: große Effektstärken in der Forschung, kleine/ mittlere in der Praxis 
  • RCTs: ca. 35% keine Verbesserung, Praxisstudien ca. 60%

Unterschiede zwischen RCTs und Studien in der klinischen Praxis 

Paare 

  • RCTs: werden anhand von Einschlusskriterien gewählt 
  • Praxis: weniger strenge Kriterien 

Ziele 

  • RCTs: definiert 
  • Praxis: können verhandelt werden 

Behandlung 

  • RCTs: standardisiert/Manuale
  • Praxis:"freier" 

Evaluation 

  • RCTs: zu Beginn, während der Therapie, am Ende
  • Praxis: kann/kann nicht stattfinden 

Therapeuten 

  • RCTs: bekommen spezielles Training/Supervision
  • Praxis: Supervisionshäufigkeit, je nach Therapeut 

Research-Practice-Gap: Lösungen

  • Klarstellen des Therapiezieles: Soll das Committment in der Beziehung geklärt werden oder die Beziehung verbessert werden
  • Standardisierte Evaluierung der individuellen Partner + Beziehung (auch individueller Störungen!) --> besseres Verständnis der Beziehungsprobleme, bessere therapeutische Allianz, Erkennung von Gewalt in der Paarbeziehung, therapeutischer Effekt
  • systematisches Monitoring des Therapieerfolges & der Therapieallianz, Supervision
    • Erfolg zeigt sich meist in früher Therapiephase, daher Anpassung der Therapie besser möglich; Fokus auf Therapieallianz in der Supervision
  • evidenzbasierte Therapien nutzen
    • KVT & EFT wirksam; die meisten Therapeuten nutzen aber andere Ansätze (z.B. systemisch)

Mythen über Beziehungen und Liebe und ihre Überprüfung

Gleich und Gleich gesellt sich gerne oder Gegensätze ziehen sich an- was ist gut für die Beziehungsqualität?

  • Es spielt keine so große Rolle! Die Beziehungsqualität ist nicht abhängig von Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit mit dem Partner, sondern von Kommunikations- und Problemlösefertigkeiten des Paares.

Wenn in der Paarbeziehung selten Konflikte auftreten, sagt das eine erfolgreiche Beziehung vorher.

  • Falsch bzw. nicht unbedingt. Entscheidend ist das Verhältnis von positiver zu negativer Interaktion, und die Art, wie das Paar während der Konflikte miteinander umgeht.

In der Paartherapie geht es darum, dass einer der beiden Partner erkennt, dass er das Problem ist und sich ändern muss.

  • Falsch, beide Partner müssen an sich arbeiten, da beide zum negativen   Interaktionszyklus beitragen. Jeder ist selbst für seine Gefühle verantwortlich, und beide sollten die Art, wie sie miteinander interagieren, ändern (z.B. in der EFT: mehr über Bedürfnisse reden).