Vorlesung Methoden 7 - SoSe
Vorlesung Methoden 7 - SoSe
Vorlesung Methoden 7 - SoSe
Kartei Details
Karten | 32 |
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Lernende | 11 |
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 07.01.2020 / 15.07.2023 |
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Was sind Explanandum und Explanans? Geben Sie ein psychologisches Beispiel.
Explanandum (das Zu-Erklärende):
– Trennungsbewältigung ist für Frauen leidvoll
Explanans (die Erklärung):
– A) Modell: 2-Phasen-Modell der Trennung
•1. Rückgewinnungsversuch
– „mit bes. aktivem Belohnungssystem“
– „man reagiert extrem sensibel auf alles, was Linderung verspricht“
• 2. der Jammer
– B) Erklärungen im engeren Sinn
• zu 1.): wegen hohem Investment zuvor
• zu 2.): damit andere daraufhin Druck auf Mann ausüben / ihn zur Verantwortung ziehen
Erläutern sie das H-O-Schema für Erklärungen an einem Beispiel. Warum ist dies ein „deduktiv-nomologisches“ Erklärungsschema?
1. Wenn A dann B (Gesetz): wenn Trennung, dann zwei-Phasen-Traurigkeit
2.A gegeben (Antecedensbedingung): Trennung
3. Dann folgt (logisch notwendig) B (Deduktion): Zwei Phasen Traurigkeit
- Eins und Zwei gelten gemeinsam als Erklärung (Explanans).
- Das Dritte ist das zu Erklärende (Explanandum).
- Schritt drei ist die Deduktion und der Erste stellt ein Gesetz dar. Deshalb ein deduktiv-nomologisches Erklärungsschema.
Was ist eine Subsumptionserklärung?
= ein beobachtetes Phänomen wird unter ein allgemeines Gesetz subsummiert
Was sind Grenzen des H-O-Schemas?
- Oft sind Erklärungen Verallgemeinerungen oder genauere / erweiterte Beschreibungen.
- „Warum gilt das Gesetz“ ist eine Meta-Frage und kann mittels H-O-Schema nicht gut beantwortet werden.
- Gesetze gelten immer nur unter CP-Vorbehalt (ceteris paribus: gleiche Randbedingung), diese sind aber oft unbekannt bzw. potentiell unendlich. --> es lässt sich kein klares Kriterium angeben, was Erklärungen von Beschreibungen unterscheidet
Erläutern sie den Unterschied zwischen Beschreibung und Erklärung. Erläutern sie an einem Beispiel auch, warum diese Unterscheidung oft nicht klar zu treffen ist.
- Beschreibung: Antwort auf Was-Fragen
- Erklärung: Antwort auf Warum Fragen
„Warum fallen Dinge herunter: Wegen der Schwerkraft“ Schwerkraft ist aber selbst nur eine Beschreibung des Phänomens, dass bisher alle möglichen Dinge heruntergefallen sind. Also Beschreibung oder Erklärung? Oft sind Erklärungen Verallgemeinerungen oder genauere / erweiterte Beschreibungen.
Was sind Probleme der Vermögens- und Triebpsychologie vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erklärungsmodelle?
Leere Erklärungen: Es werden theoretische (nichtbeobachtbare) Begriffe als Ursache angegeben, die nicht unabhängig von ihrer Wirkung definiert sind. Sie funktionieren also wie leerdrehende Räder, die nichts erklären.
Was sind dispositionelle Erklärungen?
Disposition als zeitlich überdauernde Eigenschaften von Personen; auch zu schreibbar, wenn gerade nicht beobachtbar. Bspw. Prüfungsangst als Grund für durchgefallene Prüfung
Welche Ursachen unterscheidet Aristoteles? Geben sie je ein Beispiel.
– causa materialis (Ohren bestehen aus Gewebe / Zellverbänden)
– causa formalis (Ohren gehören zum Begriff/Definition eines Löwen; anderes Bsp.: „Warum ist die Banane krumm? Wenn die Banane gerade wär, wär sie keine Banane mehr...“)
– causa efficiens (weil seine Eltern ihn gezeugt haben)
– causa finalis (damit er besser hören kann)
Was ist der Unterschied zwischen Gründen und Ursachen (für) eine(r) Handlung?
Grund ist psychisch, Ursache ist physikalisch
Was sind teleologische Ursachen?
Zweckursachen oder intentionale Ursache oder Grund: In die Zukunft gerichtet. Wir tun etwas, weil wir ein Ziel erreichen wollen und glauben, es mit bestimmten Mitteln erreichen zu können.
Was sind funktionale Erklärungen, und welches wissenschaftstheoretische Problem besteht dabei?
- Handlung wir durch biologisches (nicht notwendigerweise bewusstes) Ziel erklärt.
- z.B. Nüsse sammeln erklärt durch das Ziel zu überleben (evolutionsbiologische Erklärungen menschlichen Erlebens und Verhaltens)
- Das Problem sind Post-hoc-Rationalisierungen und fehlende Falsifizierbarkeit.
Inwiefern besteht eine subjektive Komponente in der Bestimmung, was die entscheidende Ursache für ein Ereignis ist?
Die Menge der notwendigen und hinreichenden Bedingungen scheint gegen unendlich zu streben. Was ist das Kriterium, das uns annehmen lässt, dass etwas die wahre / wichtige Ursache ist? Hier besteht eine starke subjektive Komponente in der Bestimmung, was die entscheidende Ursache ist.
Erläutern sie Mackies Konzeption von Ursachen anhand eines Beispiels.
Die Identifikation von Ursachen hängt davon ab, was wir an einer Situation als normal und was als Ausnahme beschreiben
--> sehr subjektive Komponente!
--> Sauerstoff (normal) + Streichholz anzünden (normal) + Gasleitung hat ein Leck (Ausnahme!) --> Hausexplosion
Ursache als INUS (insufficient, but necessary part of an unnecessary, but sufficient condition). Der Hausbrand ist bspw. durch einen elektrischen Kurzschluss verursacht, durch Zusammenspiel von Kurzschluss und brennbarem Material bedingt. Kurzschluss ist alleine also nicht ausreichend, aber notwendig. „Kurzschluss + brennbares Material“ ist keine notwendige, aber hinreichende Bedingung zur Bestimmung von INUS-conditions.
Daraus folgt auch:
--> Mit Experimenten (z.B. isolierte Variation einer UV) finden wir immer nur relevante Bedingungen (oder verpassen sie sogar, wenn sich der Einfluss nur in Interaktion mit einer anderen Variable zeigt) für einen Effekt
--> Wie wichtig die gefundene Bedingung ist, bleibt zunächst unklar, da alle anderen Variablen ja konstant gehalten wurden (und wir über ihren Effekt auf die AV daher vorerst nichts wissen) --> ceteris paribus (=unter sonst gleichen Umständen)
Erläutern Sie Mills Canon of Induction und seine verschiedenen Methoden anhand eines Beispiels.
- Method ofAgreement: Alle Fälle, in denen ein Effekt auftritt (Übelkeit), haben nur einen gemeinsamen Umstand (Austern gegessen).
- Method of Difference: Situation, die krank von gesund unterscheidet, haben nur eine einzige entsprechende Differenz (Austern ja / nein).
- Joined Method (Agreement + Difference): Bei gesunden ist die Abwesenheit von Austern gemeinsam, bei Kranken die Anwesenheit von Austern. Der Unterschied zwischen gesund und krank geht einher mit an-/ Abwesenheit von Austern.
- Method of ConcomitantVariation: monotoner Zusammenhang, umso mehr Austern, umso schlechter ist demjenigen.
- Method of Residues: Austern und Wein führen zu Kopf-und Bauchweh. Ich weiß, dass Austern Bauchweh machen. Also macht der Wein Kopfweh.
Inwiefern ist Mills Canon heute noch relevant, und was sind Probleme/Grenzen seiner Verfahren?
- Menge der potentiell relevanten Bedingungen muss begrenzt und bekannt sein (dem ist in der Realität aber selten so).
- Es wird keine Interaktion berücksichtigt (Uni-Kausalität).
- Dennoch sind einige Prinzipien in moderner experimenteller Methodologie wiederzufinden (z. B. isolierte Bedingungsvariation).
Worin besteht für Dilthey der Unterschied zwischen Erklären und Verstehen? Was bedeutet diese Unterscheidung für die Psychologie?
Naturwissenschaften erklären und Geisteswissenschaften verstehen, denn die Natur erklären wir und das Seelenleben verstehen wir.Die Psychologie wäre also eine Mischform.
Was ist der hermeneutische Zirkel?
Der hermeneutische Prozeß bzw. Zirkel enthält ein Paradox: das, was verstanden werden soll, muß schon vorher irgendwie verstanden worden sein
Beispiel: Theorie (Erziehungsreflexion, versucht die Praxis zu verstehen, geht aber gleichzeitig von ihr aus) und Praxis (Erziehungswirklichkeit).
Verstehen im hermeneutischen Sinn ist nicht geradlinig sondern zirkelförmig!
Historisch betrachtet
1. In der klassischen Hermeneutik von ca. 1500-1800 entspricht der h. Z. dem Verhältnis zwischen der Bedeutungsganzheit eines Textes und einem Bedeutungsteil. Um den Sinn eines Textes als ganzen zu verstehen, muß man den Sinn seiner Teile verstehen - und umgekehrt. Ganzheit und Teil stehen damit zueinander in einem Zirkelverhältnis: Sie bedingen sich gegenseitig.
2. Bei Schleiermacher (sowie später bei den Historisten und bei Dilthey) erhält der h. Z. einen neuen Inhalt. Er bezieht sich auf das Verhältnis zwischen einem Teil des Bewußtseins- und Handlungslebens einer Person und der Ganzheit ihres Lebens, des sozialen Milieus oder der historischen Epoche.
Methode des Verstehens: Hermeneutik (Dilthey, 1910), mit „ganzheitlicher“ Psychologie als Grundlage
- Gegenstand: Erzeugnisse menschlichen Geistes
- Einmaligkeit des Entstehungszusammenhangs (Kontext wichtig, z.B. Weltanschauungen, Lebensbedingungen etc.)
- Annahme, dass das Nacherleben der Biographie einer studierten Person sogar zur Umformung des eigenen Geistes führt
Hermeneutischer Zirkel: (biographische) Einzeldaten sind nur vor dem Hintergrund des ganzen Kontextes zu verstehen, aber wie kommt man zum Kontext ohne voriges Verständnis der Einzeldaten?
Welche Kritik kann man an Diltheys Unterscheidung zwischen Erklären und Verstehen üben?
Trennung zwischen Erklären und Verstehen letztlich unklar (und unnötig)?
Was unterscheidet die nomothetische von der idiograpischen Forschung?
- Nomothetische Wissenschaft hat als Ziel das Finden allgemeiner Gesetze in der Naturwissenschaft.
- Die idiographische Wissenschaft hat als Ziel die Analyse konktreter, raumteitlich einzigartiger Gegenstände in der Geisteswissenschaft (Partikularaussagen)
Inwiefern gibt es in der Psychologie zwei Erklärungsebenen?
- Erste Ebene: Warum ist ein Ereignis B eingetreten?(Gesetz)
- Zweite Ebene: Warum gilt das Gesetz „immer wenn A, dann B?“(Theorie / Metapher)
Welche Aspekte kennzeichnen gute Erklärungen?
1.Kohärenz
2.Vollständigkeit
3.Eindeutigkeit
4.Qualität der Gründe/Ausschluss von Alternativerklärungen
5.Abwesenheit eines Korrelation-Kausalitäts-Fehlschlusses
6.Sparsamkeit
Was ist Ockhams razor?
- heuristisches Forschungsprinzip aus der Scholastik
- von zwei möglichen Erklärungen / Theorien ist die sparsamere / einfachere (also die mit weniger zugrundeliegender Annahmen) vorzuziehen.
Was genau soll in der Psychologie erklärt werden (zwei verschiedene Aspekte)?
1. Events (Ereignisse, Phänomene, meist verallgemeinert als „Effekte“)
2. Capacities/Dispositions/Faculties (Fähigkeiten/Vermögen/Dispositionen)
Was versteht man unter funktionaler Analyse? Was meint der Begriff „how possibly“ in Bezug auf Erklärungen?
– Zergliederung der Disposition in Unterfunktionen bzw. Komponenten mit einfacherer Struktur (z.B. Verhalten als Aufgabenbearbeitung: Stimulusverarbeitung, Reaktionsauswahl, Reaktionsausführung)
– Teile distinkt und weniger komplex
– meist auf der Basis logischer Analyse (rein analytisch)
Häufige Vorgehensweise (Forschungsprozess):
– empirischer Effekt wird gefunden
– plausible Erklärung (how possibly) wird postuliert (s.o.)
– Erklärung wird „Theorie“ genannt und daraus wieder Effekte (Hypothesen) abgeleitet, um die Theorie zu testen (z.B. gegen alternative how possibly-Erklärungen)
--> „hypothetico-deductivism“ (Cummins, 2005)
Welche 4 Erklärungstypen kann man in der Psychologie unterscheiden?
1. Belief-Desire-Intention-(BDI-)Erklärungen
2. Quasi-mechanistische Verarbeitungssysteme mentaler Repräsentationen (konzeptionell/komputational)
2.1 mechanistische Modelle
2.2 konnektionistische Modelle
2.3 mathematische Modelle
3. Neurowissenschaftliche Erklärungen
4. Evolutionäre Erklärungen
Was leisten die verschiedenen Typen von Erklärungen und was sind jeweils die Grenzen? - BDI (= Beliefs, Desires, Intentions)
Typische Anwendungsfelder:
• „common sense“-Psychologie
• Psychoanalyse (Besonderheit: Menschen können sich bzgl. Introspektion irren)
• Sozialpsychologie
• „höhere“ Kognitionspsychologie (z.B. Problemlösen, sprachliche Denkprozesse etc.)
Aus Sicht der Wissenschaftstheorie:
• Intentional stance (= Verhalten einer Entität wird in Bezug auf geistige Eigenschaften betrachtet) (Dennett, 1987), propositionale Repräsentationen
• Bisweilen diskreditiert als „folk psychology“ (Churchland, 1981)
Charakteristika:
• impliziert Interaktionen (selten explizit) zwischen Beliefs (Prämisse, Weltwissen), Desires (Motive, Ziele) & Intentions (Pläne zur Zielerreichung)
• meist an Bewusstsein gekoppelt
Probleme:
• Mapping auf Hardware (Gehirn): Nichts im Gehirn scheint diesen „Dingen“ zu entsprechen: Unüberwindbare (erkenntnistheoretische) Brücke zwischen mentalen Repräsentationen und Gehirn (sog. „Leibniz gap“)
Was leisten die verschiedenen Typen von Erklärungen und was sind jeweils die Grenzen? - Verarbeitungssysteme mentaler Repräsentationen
Typische Anwendungsfelder:
• Basale kognitive Prozesse (Gedächtnis, Aufgabenbearbeitung/Verhaltenssteuerung), motorische Kontrolle, Wahrnehmung etc.)
Aus Sicht der Wissenschaftstheorie:
• Design stance (Verarbeitung von Symbolen/Repräsentationen, Dennett, 1987)
Charakteristika:
• Basiert auf sprachlicher Analyse unter Rückgriff auf begrifflich geschärfte „folk psychology“ (ähnliche begriffliche Konzepte, z.B. Entscheiden, Auswahl, Kategorisierung, Erkennen etc.)
• Bewusstsein spielt keine wesentliche Rolle
• Zentrale Rolle von Repräsentationen (amodal-abstrakte Symbole oder konkret-modalitätsgebunden): stehen für Stimuluseigenschaft, Gedächtnisspur etc.
Probleme:
• Schwierigkeit, Explanans und Explanandum unabhängig voneinander zu spezifizieren (da zur Beschreibung und Analyse der Capacity auf gleiches Begriffssystem zurückgegriffen wird)
• Entsprechung in Hardware nicht gegeben (Wo ist im Gehirn eine „memory trace“ bzw. die Repräsentation einer Stimulusklassifikation bzw. „memory retrieval“ etc.?)
• Selbst eine perfekte Modellierung eines Verhaltens gibt keine Garantie, dass das Modell der materiellen Implementation entspricht (in diesem Sinne „wahr ist“)
Was leisten die verschiedenen Typen von Erklärungen und was sind jeweils die Grenzen? - Mechanismus-artige Erklärungen bzw. Modelle
Typisch: Mechanismus-artige Modelle/Erklärungen (als Alternative zu H-O-Schema): konzeptionell oder – wenn hinreichend spezifiziert – komputational
„Mechanisms are entities and activities organized such that they are productive of regular changes from start or set-up to finish or termination conditions“ (z.B. Uhrwerk, vgl. Machamer, Darden, & Craver, 2000 Standard-Paper)
Psychologie: entities: Repräsentationen, activities: mentale Prozesse, organization: kognitive Architektur (Strukturen), start: Input, finish: Output
Idee: Mechanismus unterliegt einem Phänomen/Effekt
Probleme: In Psychologie sind Mechanismen eher Skizzen/Modelle (how possibly- statt how actually-Modelle, Craver & Darden, 2013); Wahrheitsgehalt ist entweder nicht angestrebt, unrealistisch oder niemals überprüfbar (Weiskopf, 2011) „Leibniz gap“ zwischen Mentalem und Physischem
Mögliche Schlussfolgerungen:
--> entweder: „Box-and-arrow diagrams can depict a program that transforms relevant inputs onto relevant outputs, but if the boxes and arrows do not correspond to component entities and activities [gemeint: physikalische Entitäten], one is providing a redescription of the phenomenon […] or a how-possibly model, not a mechanistic explanation“ (Craver, 2007) Problem: letztlich sind unendlich viele Modelle denkbar, daher kein objektives Wahrheitskriterium verfügbar ( alle Modelle „gleich schlecht“)
--> oder: Psychologische Erklärungen können zwar gut oder schlecht sein (experimentell-empirisch testbar), sind aber keine mechanistischen Erklärungen, die auf eine reale Mechanik verweisen (Weiskopf, 2011)
--> oder: Psychologische Erklärungen sind mechanistisch, aber mechanistische Erklärungen müssen nicht notwendigerweise „real“ (im Sinne von Beschreibungen letztlich physikalischer Prozesse) sein, sondern „fiktional“ ist in Ordnung (Glennan, 2005)
Was leisten die verschiedenen Typen von Erklärungen und was sind jeweils die Grenzen? - Konnektionismus
Typische Anwendungsfelder:
• Basale kognitive Prozesse (Gedächtnis, Sprachverarbeitung, Wahrnehmung, Handlungssteuerung etc.), v.a. Lernen
Aus Sicht der Wissenschaftstheorie:
• Design stance (Verarbeitung von Symbolen/Repräsentationen, Dennett, 1987)
• „Sonderfall“ computationaler Symbolverarbeitung (s.o.)
Charakteristika:
• Grundidee: „The best model for the brain is the brain itself“
• Bewusstsein spielt keine Rolle (aber Repräsentationen als „neuronale Units“)
Probleme:
• Kluft zwischen Modell und Realität (Leibniz gap) nur scheinbar eliminiert/verkleinert, da klar ist, dass kein neuronales Netz jemals so real implementiert sein könnte (z.B. sind Neuronen hier immer noch Metaphern für Repräsentationen, z.B. von Buchstaben/Wörtern etc.)
• Auch hier gilt: Selbst eine perfekte Modellierung von Verhalten gibt keine Garantie, dass das Modell der materiellen Implementierung entspricht („wahr ist“)
• Neuronales Netz kann „funktionieren“ (z.B. Klassifikationsaufgabe lösen), ohne dass man dabei mehr versteht, wie es funktioniert
• Schwierigkeit, adäquate Trainingssets (Inputs) zu definieren
• Kluft zwischen Modell und Realität (Leibniz gap) nur scheinbar eliminiert/verkleinert, da klar ist, dass kein neuronales Netz jemals so real implementiert sein könnte (z.B. sind Neuronen hier immer noch Metaphern für Repräsentationen, z.B. von Buchstaben/Wörtern etc.)
• Auch hier gilt: Selbst eine perfekte Modellierung von Verhalten gibt keine Garantie, dass das Modell der materiellen Implementierung entspricht („wahr ist“)
• Neuronales Netz kann „funktionieren“ (z.B. Klassifikationsaufgabe lösen), ohne dass man dabei mehr versteht, wie es funktioniert
• Schwierigkeit, adäquate Trainingssets (Inputs) zu definieren
Was leisten die verschiedenen Typen von Erklärungen und was sind jeweils die Grenzen? - Mathematische Modelle
Beispiel: Diffusion models (Ratcliff, 1978)
Anwendungsfeld:
• 2AFC (Two-alternative forced choice) / Diskrimination
Charakteristika:
• Modelliert Reaktionszeit- und Fehlerverteilungen mit wenigen Parametern; z.B. 2 Parameter, die separate psychologische Prozesse abbilden sollen: Evidenzakkumulation & Antwortschwelle
Probleme:
• z.T. unklar, was angestrebt wird: mechanistische Interpretation oder rein mathematische Datenmodellierung?
• Erklärt das Modell die Daten?
• Sind nicht alle ANOVAs & Regressionen, die wir rechnen, letztlich mathematische Modelle in nuce?
Was leisten die verschiedenen Typen von Erklärungen und was sind jeweils die Grenzen? - Neurowissenschaften
Typische Anwendungsfelder:
• neuronale Prozesse, die Kognition unterliegen
Aus Sicht der Wissenschaftstheorie:
• Physical stance (Physikalisch-biologisches Level, Dennett, 1987)
Charakteristika:
• Ordnungsprinzipien: Lokalisation & Vernetzungsstruktur, dynamische Aktivierungsabfolge, Synchronizität
• Bewusstsein spielt keine Rolle; von Laien oft bevorzugte Erklärung (D. S. Weisberg et al., 2008)
Probleme:
• Jede sinnvolle Interpretation von Gehirndaten setzt psychologisches Wissen (gewonnen mittels der anderen Herangehensweisen) zur Interpretation hinsichtlich mentaler Prozesse notwendig voraus (z.B. Spiegelneurone nur deshalb interessant, weil eine „alte“ Interpretation auf eine „neue“ trifft)
• „the mind cannot simply be read off the brain“ (Weiskopf, 2011)
• „reverse inferences“-Problem (s.o.): reine Kartographie?
• Unüberwindbare (erkenntnistheoretische) Kluft zwischen Gehirn und mentalen Prozessen („Leibniz gap“), nur von der anderes Seite: per Definition keine Aussagen über Mentales möglich?
• daher z.B. unklar, ob neurowissenschaftlich plausible Modelle der Kognition besser sind als unplausible (wegen unüberwindbarem Gap)
Was leisten die verschiedenen Typen von Erklärungen und was sind jeweils die Grenzen? - Evolutionäre Erklärungen
Typische Anwendungsfelder:
• Soziale Prozesse, Geschlechterforschung, Kognitive Fertigkeiten, Wahrnehmung, Biases
Aus Sicht der Wissenschaftstheorie:
• Umstritten (nicht-experimentell, post hoc? s.o.)
Charakteristika:
• Relevante Konzepte im Explanans: Vererbung, Variation (Mutation), (natürliche, sexuelle) Selektion/Fitness
• Bewusstsein spielt keine Rolle
• Jede Disposition/Fertigkeit als Adaptationsresultat angesehen
• Macht Vorhersagen v.a. zur Prävalenz bestimmter Effekte/Phänomene
Probleme:
• Beantwortet etwas andere Fragen als die übrigen Ansätze (erklärt nicht, wie mentale Prozesse funktionieren, sondern warum bestimmte Phänomene prävalent sind), daher nicht in Konkurrenz
• Experimenteller Ansatz nicht möglich, Testbarkeit?
• Chomsky (s.o.): “You find that people cooperate, you say, ‘Yeah, that contributes to their genes' perpetuating.’ You find that they fight, you say, ‘Sure, that’s obvious, because it means that their genes perpetuate and not somebody else's. In fact, just about anything you find, you can make up some story for it”
• Ausweg: Testen von Vorhersagen, deren Gültigkeit noch nicht bekannt (also Abkehr von post hoc-Rationalisierungen)