Grundfragen der Ethik
ZHAW BsC Pflege 3. Semester
ZHAW BsC Pflege 3. Semester
Kartei Details
Karten | 42 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Pflege |
Stufe | Andere |
Erstellt / Aktualisiert | 26.10.2019 / 28.10.2019 |
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Was ist Ethik
- das Leben prüfen
- Wie sollen wur leben
- übergeordnete Reflexion über die Ziele unseres Handelns
- Begründung unseres Handelns (z.B. mit ethischen Prinzipien)
- objektiver Standpunkt
Was sind moralische Werte?
- qualifizieren menschliches Handeln im Bezug auf seine übergeordneten Ziele.
- Sie orientieren menschliches Handeln. Sie drücken aus, was wir voneinander einfordern.
- Beispiele:
- Ethische Prinzipien wie Autonomie, Gutes tun, Nicht schaden,Gerechtigkeit
- Tugenden / Charaktereigenschaften wie Respekt, Wahrhaftigkeit, Hilfsbereitschaft, Einfühlungsverm.gen
Was sind moralische Normen?
- Normen beschreiben Handlungsanweisungen, mit denen wir moralische Werte in die Praxis umsetzen. Sie beschreiben Verhaltensweisen, die geboten, erlaubt oder verboten sind.
- Bsp.:
- Gerechtigkeit: „Pflege jede/n Patient/in nach ihren Bedürfnissen!“ (Gebot)
- Wahrhaftigkeit: „Du sollst nicht lügen.“ (Verbot
- Hilfsbereitschaft: „Es ist gut, Notleidenden zu helfen.“ (Gebot)
- In der gleichen Situation können mehrere Normen bestehen, die sich widersprechen → moralischer Konflikt / moralisches Dilemma
Moral (Ethos)
- konkrete, in einer Gesellschaft oder Gruppe vorherrschende Überzeugungen, Regeln und Werte
- kann von Gruppe zu Gruppe, von Gesellschaft zu Gesellschaft und von Zeit zu Zeit variieren
- (Bsp. Akzeptanz von Abtreibung, Formen des Zusammenlebens, Status von Embryonen, etc.
Ethik
- wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Moral
- kritisches Nachdenken über die Moral
- Bsp.: Wie können wir erkennen, was richtig und falsch ist?
Was sind ethische Prinzipien?
- Instrumente zur Prüfung von Moral
- Ethische Prinzipien drücken Grundorientierungen menschlichen Handeln aus:
- Sie beschreiben inhaltlich, worin nachhaltiges menschliches Handeln besteht (z.B. Förderung des Guten, Freiheit, Solidarität, etc.
- Je nach Prinzip sind in der selben Situation verschiedene Handlungsmöglichkeiten denkbar
Was ist ein moralischer Konflikt?
- ein ungutes Gefühl (Konflikt)
- Wir sehen/beobachten eine Situation, die mit unseren moralischen Intuitionen (das Gewissen, unsere moralische Prägung) im Widerspruch steht.
- → Die moralische Beurteilung scheint eindeutig
zu sein.
Was ist ein moralisches Dilemma?
- eine Ratlosigkeit (Dilemma)
- Wir denken über eine moralisch heikle Situation nach und kommen zur Einsicht, dass sich (mindestens) zwei ethische Prinzipien zu konkurrenzieren scheinen.
- Die moralische Beurteilung scheint nicht eindeutig zu sein.
ethisches Dilemma („rationaler Stress“):
- Es „beissen“ sich 2 ethische Prinzipien, wir müssen handeln, wissen aber nicht, wie. Es gibt nur suboptimale Lösungen. Die moralische Bewertung ist unklar.
- Bsp.:
- Die Patientin wünscht eine medizinisch nicht indizierte Chemotherapie.
- Die Ehefrau ist psychisch sehr angeschlagen. Sie wird über die schlechte Prognose des Ehemannes nur unvollständig informiert.
ethischer Konflikt („emotionaler Stress“):
- Wir sehen etwas, das unseren elementaren moralischen Gefühlen widerstrebt, können aber nicht handeln (z.B. wegenHierarchie, Autorität).
- Die moralische Bewertung ist klar („Das tut man nicht!“).
- Bsp.:
- Fortsetzung einer Chemotherapie gegen den Willen einer aktuell urteilsunfähigen Patientin
- Annahme von Bestechungsgeldern durch Vorgesetzte, prognostische Lügen, Whistleblowing
Dilemma oder Konflikt?
Dilemma („rationaler Stress“):
- Lässt sich klären, indem die „Pattsituation“ ethischer Prinzipien erkannt und erörtert wird (z.B. unerträgliches Leiden versus früher geäusserter Patientenwille).
- Bei einem echten Dilemma gibt keine richtige und falsche Lösung à Informationsdefizit beheben , Prinzipien abwägen, ethische Theorien beiziehen, sich entscheiden und evaluieren (moral understanding / moral deliberation) )
Konflikt („emotionaler Stress“):
- Lässt sich nur mit Offenheit und Authentizität klären à Vertrauensdefizit klären, vertrauensbildende Massnahmen,
- ggf. Dienstweg (moral courage)
Moralische Irritation und ethische Argumentation
1. Handelt es sich bei der moralischen Irritation um ein moralisches Dilemma oder um einen Konflikt?
2. Habe ich alle relevanten Informationen, um diese Frage klären zu können?
3. falls Dilemma: Klärung der ethischen Fragestellung und Optionen, Evaluation der Lösungen auf ihre Adäquatheit, offene Kommunikation, Abklären der Zuständigkeiten
4. falls Konflikt: vertrauensbildende Massnahmen mit allen am Entscheid beteiligten (Deeskalation, Mediation, ggf. Dienstweg und rechtliche Konsequenzen, Aushandeln persönlicher Ziele)
Ethische Theorien
- Ethische Theorien drücken Grundorientierungen menschlichen Handeln aus.
- Sie enthalten ethische Prinzipien. Diese beschreiben, worin genau richtiges Handeln besteht (z.B. bei der Verteilung knapper Güter).
- Je nach Prinzip sind in der selben Situation verschiedene Handlungsmöglichkeiten denkbar:
die 4 bedeutsamsten Ethiktheorien
1. Pflichtethik
2. Folgenethik
3. Tugendethik
4. reflexives Gleichgewicht (Güterabw.gung mit 4 Prinzipien, SBK-Modell)
5. Care-Ethik
Pflichtethik (Deontologie)
- Allein der gute Wille zählt
- „Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch ausser derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein GUTER WILLE.“
Der kategorische Imperativ (KI 1)
Für Kant ist der Mensch autonom, d.h. fähig, sich das Moralgesetz selber zu geben, einzig dank seiner Vernunft.
Aus der Autonomiefähigkeit erwächst die Menschenwürde.
Die zweite Version des Kategorischen Imperativs
Die sog. Zweckformel (KI 2)
Die zweite Version des Kategorischen Imperativs ist in der Medizin- und Pflegeethik als Verbot der
Instrumentalisierung des Menschen von grösster Wichtigkeit geworden.
Absolute Pflichten
Für Kant entstehen aus dem kategorischen Imperativ absolute Pflichten.
Diese müssen unter allen Umständen eingehalten werden und sind keiner Güterabw.gung zugänglich:
Zusammenfassung Pflichtethik
1. Die Quelle des ethischen Wissens ist im Menschen selbst, nicht ausserhalb von ihm (Autonomie). Aus seiner Vernunftbegabung entsteht der Anspruch an Würde.
2. Nur die Pflicht ist für die ethische Beurteilung einer Handlung relevant.
3. Maximen, die ich widerspruchsfrei wollen kann, sind moralisch geboten. Folgen spielen dabei keine Rolle.
4. Suizid und Lüge kann ich nicht widerspruchsfrei wollen, ebenso wenig, dass jemand nicht das tut, was er verspricht.
Stärken der Pflichtethik
- Klarheit
- Kompromisslosigkeit
- Menschenbild: Hervorhebung der Freiheit, Autonomie und
- Menschenwürde als Grundlagen ethischen Handelns
Kritik an der Pflichtethik
- keine Kompromissbereitschaft, keine Güterabw.gungen
- kontraintuitive Folgen (Notlüge, Mundraub)
- „Autonomielastigkeit“
Folgenethik (Teleologie, Utilitarismus)
- Der Utilitarismus: nur die besten Folgen zählen
- Nur der Nutzen der eine Handlung hervorbringt, ist für die moralische Beurteilung relevant. Güterabw.gungen sind nicht nur möglich, sondern auch nötig. Die Handlung, welche die besten Folgen hat, ist moralisch geboten.
Weiterentwicklungen der Folgenethik
1. Quantitativer Utilitarismus
- Jeremy Bentham, Kosten-Nutzen-Rechnung
2. Qualitativer Utilitarismus
- John Stuart Mill (1806-73):
- Unterscheidung zwischen geistig-intellektuellen Freuden und leiblichen, wobei erstere wichtiger sind:
- „Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein.“ (ders., 1863, Der Utilitarismus)
Zusammenfassung Folgenethik
Ethisch zu bevorzugen ist die Handlung, welche die besten Folgen hat.
Eine Abwägung von Gütern (Kosten, Nutzen) ist in jedem Fall nötig.
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Stärken der Folgenethik
- Blick auf die Folgen einer Handlung, Messbarkeit Orientierung in Knappheitssituationen
- Vergleichbarkeit von verschiedenen Möglichkeiten
- Unparteilichkeit
- Güterabw.gungen sind möglich, es stehen nicht unerfüllbare Forderungen im Raum
- Leidensfähigkeit eines Lebewesens als moralisch relevanter Umstand (Peter Singer)
Kritik an der Folgenethik
- Inhaltlich:
- zum Vorteil einer Mehrheit kann der Nachteil einer Minderheit ethisch legitimiert werden (Gerechtigkeit für den Einzelnen)
- Methodisch: genaue Prognose von Handlungsfolgen
- Konzeptuell: Bestimmung des Kreises der Begünstigten;
- Messung von Freude / Lust / Präferenzen kontraintuitive Konsequenzen für Menschen, die nicht in der Lage sind, ihre Interessen wahrzunehmen (Demenzerkrankte, geistig Behinderte, etc.)
Tugendethik
- Grundaussagen der Tugendethik:
- Es kommt auf die Haltung an, die hinter der Handlung steht.
- Eine gute Handlung kann durch eine schlechte Haltung zunichte gemacht werden.
- Nicht die Frage „Was soll ich tun?“ steht im Vordergrund, sondern „Wie soll ich sein?“
Begründer der Tugendethik
- Aristoteles
Eine Tugend bezeichnet nach Aristoteles immer die Mitte zwischen zwei Extremen:
Tapferkeit (zwischen den Extremen Feigheit und Leichtsinn)
Besonnenheit (zwischen den Extremen Gleichgültigkeit und Masslosigkeit)
Gerechtigkeit (im Gegensatz zu Parteilichkeit)
Grundlegende und sekundäre Tugenden
- Grundlegende Tugenden
- Gerechtigkeit, Loyalität, Mündigkeit, Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Respekt, Achtung
- Sekundäre Tugenden
- Ordnung, Pünktlichkeit, Gehorsam, Fleiss
- Eine Person, die grundlegende Tugenden hat, hat auch sekundäre Tugenden, aber nicht umgekehrt!
Wie werden Tugenden entwickelt und gefördert?
- durch das praktische Tun und Einüben des Guten und Richtigen
- durch die Orientierung an Vorbildern
- durch die persönliche Einsicht in den Wert der Tugend
- durch Mässigung der inneren Triebe und Leidenschaften
Tugenden: Erst die Haltung macht die Handlung gut (SBK 2013)
- Im Rahmen der Pflege sind Tugenden sowohl Ausdruck des eigenen Berufsverständnisses als auch gesellschaftlicher Erwartungen.
- 4 für die Pflege besonder wichtige Tugenden
- Vertrauenswürdigkeit,
- Treue,
- Wahrhaftigkeit,
- Aufrichtigkeit .
Vor- und Nachteile der Tugendethik
- Vorteile:
- Moralisches Handeln wird konkret benennbar und lernbar.
- Der Tugendkatalog ist nicht abgeschlossen, sondern kann erweitert werden.
- Nachteile:
- Es bestehen keine Regeln, wenn sich Tugenden konkurrenzieren (z.B. Unparteilichkeit und Empathie).
- Es besteht keine Gewissheit darüber, dass Menschen in derselben Situation auch dieselben Tugenden für wichtig finden.
Der Vier-Prinzipien-Ansatz (Principlism) im SBKModel
- Autonomie
- Gutes Tun
- Nicht Schaden
- Gerechtigkeit
Autonimie Definition
- Autonomie bezeichnet die Fähigkeit des Menschen, seine Ziele frei zu bestimmen und dementsprechend zu handeln
- (Freiheit, Selbstbestimmung).
Wichtige Punkte der Autnomie nach SVK
beinhaltet das Recht,
- eine eigene Meinung zu haben und diese zu äussern
- unabhängig vom physischen oder geistigen Zustand respektiert und geachtet zu werden,
- über Diagnose, Therapie und Prognose informiert zu werden, um bewusst über Massnahmen entscheiden zu können
- eigene Neigungen, Gefühle und Werte äussern zu können
- so weit wie möglich an der eigenen Pflege beteiligt zu sein, oder diese ablehnen zu können.
Gutes tun / Fürsorge (SBK 2013)
- Prinzip von Hippokrates
- drückt die Verpflichtung aus, dem anderen das zu gewähren, was ihm „gut tut“, was ihm nützt, resp. Schaden von ihm abwendet
- beinhaltet das Recht des Menschen
- auf die zum Schutz seiner Gesundheit
- erforderliche Hilfe,
- die Pflege und die Behandlung, die sein Zustand erfordert,
- die Berücksichtigung seiner Symptome,
- die sichere Unterbringung in einer Institution
Nicht Schaden (SBK 2013)
- Prinzip von Hippokrates
- Nicht Schaden fordert, Risiken zu erkennen, zu mindern oder zu vermeiden
- Es beinhaltet das Recht des Menschen,
- in einer so weit wie möglich sicheren Umgebung zu leben,
- keinem physischen oder moralischen Zwang ausgesetzt zu sein,
- keinen physischen, psychischen oder moralischen Schaden zu erleiden,
- nicht getötet zu werden
Gerechtigkeit (SBK 2003)
- klassisches Prinzip von Aristoteles, das in der Moderne wieder aufgegriffen wurde
- bezieht sich auf die Anerkennung und die Achtung der Rechte, der Interessen, des Verdienstes einer Person
- Gerechtigkeit regelt menschliches Zusammenleben: Sie beschreibt, was in Recht, Staat, Politik etc. als gerecht gelten soll.
- Das Gerechtigkeitsprinzip in der Pflege beinhaltet
- die Pflicht, die Ressourcen gerecht zu verteilen und jeden gemäss seinen Bedürfnissen angemessen zu behandeln