Bildungspsychologie - Modul AF B Teil 2

Fernuniversität Hagen SS 19

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Langue Deutsch
Catégorie Psychologie
Niveau Université
Crée / Actualisé 01.08.2019 / 13.02.2022
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542. Drei Stufen der Prävention

Primäre Prävention: Alle Personen einer bestimmten Population (z. B. alle Kindergartenkindern)
erhalten die Maßnahme

Sekundäre Prävention: Nur Kinder, bei denen bereits ein gewisses Risiko für die Entstehung entsprechender Probleme identifiziert wurde, erhalten die Maßnahme

Tertiäre Prävention: Maßnahmen, die erst dann einsetzen, wenn bereits massive Probleme im
jeweiligen Bereich evident sind

543. Inhaltliche Schwerpunkte beim Einsatz von pädagogisch- psychologischen Trainingsprogrammen

Allgemeine kognitive Fähigkeiten

  • Förderung des Arbeitsgedächtnisses
    • Insbesondere für den Vorschulbereich konnte jedoch bislang nicht überzeugend belegt werden, dass sich eine Förderung des Arbeitsgedächtnisses auch tatsächlich in späteren Schulleistungen niederschlägt
  • Förderung exekutiver Funktionen
    • Auch hier liegt keine hinreichende empirische Evidenz vor, aus der sich überzeugend ableiten ließe, dass die Maßnahmen präventiv wirksam sind
  • Förderung des induktiven Denkens (Ableiten von Regelhaftigkeiten aus konkreten Beobachtungen)
    • Eine erfolgreiche Förderung zieht Transfereffekte auf das schulische Lernen nach sich

Sprachkompetenz

  • zählt zu den wichtigsten Ansatzpunkten für eine wirksame Prävention

Bereichsspezifische Vorläuferfertigkeiten

  • Fähigkeiten und Fertigkeiten, die eine wichtige Voraussetzung für das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen darstellen
    • phonologische Bewusstheit und mathematische Basiskompetenzen
  • Die Vorläuferfertigkeiten entwickeln sich in der Auseinandersetzung mit der Umwelt bereits vor dem Schuleintritt und werden im Anfangsunterricht weitgehend vorausgesetzt oder implizit als „beiläufig erlernbar“ betrachtet

544. Ebenen der Sprachkompetenz

Phonetisch-phonologische Ebene: Kenntnis des Lautsystems und Verarbeitung lautlicher
Information

Morphologisch-syntaktische Ebene: umfasst Regularitäten der Wort- und Satzbildung und damit
den Erwerb der Grammatik

Lexikalisch-semantische Ebene: Wortschatz und wortübergreifende Bedeutungszusammenhänge

Kommunikativ-pragmatische Ebene: sachgerechter, situationsangemessener Gebrauch von Sprache

545. Möglichkeiten einer effektiven Sprachförderung - Das dialogische Lesen

Basiert auf der konsequenten Anwendung einfacher Sprachlehrstrategien, wie sie auch im Rahmen der natürlichen Eltern-Kind-Interaktion beobachtbar sind

Als Plattform für die Umsetzung sprachförderlicher Dialoge wird die klassische Vorlesesituation
gewählt

Im Zuge des kommunikativen Austauschs über möglichst interessante Inhalte erhalten Kinder
die Gelegenheit, eher beiläufig neue Wörter zu erlernen und aus dem „wohlgeformten“ Input intuitiv sprachliche Regelmäßigkeiten abzuleiten

Die Äußerungen des Kindes stellen das Grundgerüst dar, das im gemeinsamen Dialog
weitergebaut und ausgestaltet wird

546. Sprachförderliche Interaktionsmerkmale im Sinne des dialogischen Lesens und ihre jeweilige Funktion

Anregung der Sprachproduktion

  • W-Fragen
  • Offene Fragen
  • Nachfragen zu Äußerungen des Kindes
  • Särtze vervollständigen lassen

Modellierung

  • korrektive Wiederholung der ÄÄußerungen des Kindes/wiederholung eigener Äußerungen
  • Erweiterung und Umformulierung
  • Unterstützung

Verstärkung/Motivation

  • Lob und Verstärkung
  • Orientierung an Intressen und Erfahrungen des Kindes
  • Spaß haben

 

547. Evaluationsstudien zur Wirksamkeit des dialogischen Lesens

Die Wirksamkeit des dialogischen Lesens wurde zunächst im Kontext der elterlichen Vorlesesituation mit Kleinkindern im Alter von zwei bis drei Jahren untersucht

  • Den Ergebnissen zufolge zeigen Kinder, deren Eltern eine Einführung in die genannten Sprachlehrstrategien erhalten haben, im Anschluss substanziell größere sprachliche Kompetenzzuwächse, als eine Kontrollgruppe, in der die Eltern gemäß ihren üblichen Gewohnheiten vorlesen

Neben Normalstichproben wurden auch für Risikokinder sowie für Kinder mit Hörschädigungen
positive Effekte gefunden

Die Fördererfolge betreffen eine breite Palette sprachlicher Kompetenzen:

  • Erweiterung des Wortschatzes
  • Zugewinne in der mittleren Äußerungslänge (mean length of utterances; MLU)
  • Zugewinne in den morphologisch-syntaktischen Fähigkeiten verbesserte schriftsprachliche Vorläuferkompetenzen

die Trainingserfolge hängen massiv von der realisierten (per Videoanalyse erfassten)
Durchführungsqualität ab

548. Kognitive Vergleichsprozesse (induktives Denken) nach Klauer

https://imgur.com/a/nIE9BAQ

549. Die 6 Kernaufgaben des induktiven Denkens

Merkmal

  • Gleich: Generalisierung
    • Klassen bilden
    • Klassen ergänzen
  • Verschieden: Diskriminierung
    • Unpassendes streichen
  • Gleich + Verschieden: Kreuzklassifikation
    • 4/6-Felderschema
    • Objekt A ist rot und rund, Objekt B ist rot und eckig und ist Objekt A damit
      ähnlich und unähnlich

Relation

  • Gleich: Beziehungserfassung
    • Folgen ergänzen
    • Folgen ordnen
    • einfache Analogie
      • z.B. ein Fisch hat zum Aquarium eine ganz ähnliche Beziehung wie ein Vogel zum Käfig
  • Verschieden: Beziehungsunterschiedung
    • gestörte Folge
  • Gleich + Verschieden: Systembildung
    • Matrizenaufgaben
    • Komplexe Analogien

550. Trainingsprogramme zur Förderung des induktiven Denkens (von Klauer)

  • Denktraining für Kinder I (Alter: fünf bis acht Jahre)
  • Denktraining für Kinder II (Alter: zehn bis 13 Jahre)
  • Denktraining für Jugendliche (Alter: 14 bis 17 Jahre)

Im Denktraining I wird vorwiegend mit konkreten Materialien und bildlichen Darstellungen gearbeitet, die Programmversionen für ältere Kinder enthalten dagegen zu gleichen Teilen verbale, numerische sowie figurale Aufgaben

551. Aufbau der Denktrainings von Klauer

Zehn 45-minütige Sitzungen mit jeweils 12 Aufgaben aus den sechs beschriebenen Aufgabenklassen (von Klauer)

  • In den ersten Sitzungen wird zunächst die Grundstruktur der Aufgabenklassen erarbeitet und es werden die Begriffe Eigenschaft und Beziehung eingeführt
  • In den mittleren Sitzungen bildet die Einübung metakognitiver Kontrollstrategien einen Schwerpunkt
    • Leitfragen: Was ist gesucht? - Was kann ich tun, um die Lösung zu finden? - Wie kann ich meine Lösung kontrollieren?
  • In den letzten Sitzungen liegt der Schwerpunkt auf der Festigung und Automatisierung sowie der flexiblen Anwendung des Gelernten

Um die Lösungsstrategien zu verinnerlichen und deren Übertragbarkeit auf andere Problemstellungen zu erkennen, spielt die explizite Verbalisierung der jeweiligen Vorgehensweise eine große Rolle

  • Dies wird im Training durch die Methode der verbalen Selbstinstruktion gezielt unterstützt

Der Förderperson kommt im Wesentlichen die Rolle zu, den Lösungsprozess durch gezielte Fragen zu unterstützen (Methode des „gelenkten Entdeckenlassens“)

552. Denktraining nach Klauer - Abfolge von Fragen, anhand derer die Bearbeitung der einzelnen
Aufgaben strukturiert wird

  • Was ist gesucht? (Identifikation des Aufgabentyps)

 

  • Wie muss ich vorgehen, um die Lösung zu finden? (Lösungsprozedur)

 

  • Wie kann ich meine Lösung kontrollieren? (Kontrollprozedur)

553. Was ist die Methode der verbalen Selbstinstruktion?

Hierbei fungiert die Förderkraft zunächst als Modell, indem sie eine Lösungsstrategie anwendet und die Vorgehensweise laut kommentiert

Anschließend soll das Kind die Durchführung und die begleitende Verbalisierung schrittweise selbst übernehmen

554. Evaluationsstudien zur Wirksamkeit von Denktrainings

  • Eine Meta-Analyse von Klauer und Phye (2008), die auf den Ergebnissen von 74 Evaluationsstudien basiert, liefert eindrucksvolle Belege für die Effektivität der drei Denktrainings
  • Wirkung:
    • Bessere Ergebnisse im Intelligenztest (Effektstärke: 0.5)
    • substanzielle Transfereffekte auf schulische Lernleistungen (Effektstärke: 0.7)
  • Effekte scheinen nachhaltig zu sein und im Falle der Intelligenz nach Abschluss des Trainings sogar geringfügig weiter zuzunehmen
  • Die langfristigen Effekte können durch eine Auffrischung der geförderten Strategien (sog. Booster-Sitzung) sieben Monate nach Abschluss der Trainingsphase weiter verbessert werden

555. Einteilung der phonologischen Bewusstheit nach Skowronek und Marx

Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn

  • bezieht sich auf die Fähigkeit, den Lautstrom in größere sprachliche Einheiten zu unterteilen und diese zu manipulieren
  • ermöglicht es beispielsweise, Wörter in Sätzen zu isolieren, sie in Silben zu zergliedern oder Reime zu erkennen

Phonologische Bewusstheit im engeren Sinn

  • bezeichnet die Einsicht, dass sich der Sprachfluss in noch kleinere, abstrakte Einheiten – einzelne Laute bzw. Phoneme – zerlegen lässt
  • ist beispielsweise erforderlich, um den Anlaut eines Wortes identifizieren zu können, einzeln vorgesprochene Laute zu einem Wort zusammenzuschleifen (Phonemsynthese) oder ein Wort in seine Einzellaute zu zerlegen (Phonemanalyse)

556. Wie sich die zwei Formen der phonologischen Bewusstheit entwickeln:

die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn entwickelt sich grundsätzlich auch ohne spezielle Schriftsprachinstruktion im Kindergartenalter

Die phonologische Bewusstheit im engeren Sinne entwickelt sich erst im Wechselspiel mit der
expliziten Schriftsprachinstruktion

557. Phonologischen Verknüpfungshypothese

die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit kann durch die Verknüpfung mit einem Buchstaben-Laut-Training deutlich verbessert werden

558. Der Prozess des Lesens

Eine vorgegebene Buchstabensequenz (d. h. ein geschriebenes Wort) wird in eine lautliche Entsprechung übersetzt —> phonologische Rekodierung


Das resultierende Klangbild kann dann mit dem mentalen Lexikon abgeglichen werden, wodurch
– sofern eine Übereinstimmung mit einem bekannten Wort gefunden wird – der Zugriff auf die
Wortbedeutung erfolgen kann —> Dekodierung

559. Präventive Potenziale der phonologischen Bewusstheit und ihre Grenzen

  • Trainings der phonologischen Bewusstheit erleichtern den Einstieg in den Schriftspracherwerb
  • Sie begünstigen den Erwerb des alphabtischen Prinzips und damit insbesondere basale Prozesse der phonologischen Rekodierung und des Dekodierens
  • Vor allem in frühen Erwerbsphasen sollte sich dies auch in verbesserten Leseverständnisleistungen niederschlagen
  • Mit stetig wachsenden Dekodierfertigkeiten sollte sich dieser Effekt jedoch zunehmend erschöpfen, da dann nicht mehr die Effizienz des Dekodierens, sondern das vorhandene Sprachverständnis den leistungslimitierenden Faktor darstellt
  • Demnach muss neben der phonologischen Bewusstheit auch die allgemeine Sprachkompetenz beziehungsweise das Hörverstehen gezielt gefördert werden
  • Analog gelten diese Überlegungen auch für die Schreibkompetenz

560. Förderung von phonologischer Bewusstheit Förderprogramm „Hören, lauschen, lernen“

Das Training wird im letzten Kindergartenjahr durchgeführt und umfasst tägliche Fördersitzungen über einen Zeitraum von 20 Wochen

Es besteht aus spielerischen Übungen zu beiden Bereichen der phonologischen Bewusstheit

  • In den ersten Wochen —> phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn
  • In den weiteren Wochen —> phonologische Bewusstheit im engeren Sinn
  • Vorgeschaltete Lauschspiele dienen dazu, die Kinder für das genaue Hinhören zu sensibilisieren

561. Förderprogramm „Hören, lauschen, lernen“ - Spielerische Übungen zur phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne

Reimspiele

  • Zu lernende Prinzipien:
    • Wörter können klangliche Ähnlichkeiten aufweisen
    • ein Wort kann in Teile untergliedert werden, die sich auch in anderen Wörtern wiederfinden

Übungen zu Sätzen und Wörtern

  • Zu lernende Prinzipien:
    • Wörter können nicht nur zu Sätzen, sondern auch zu neuen Wörtern zusammengesetzt werden (z.B. Schneemann)
    • Manche Wörter können in kleinere Wörter zerlegt werden (z.B. Fußball)

Silbenspiele

562. Förderprogramm „Hören, lauschen, lernen“ - Spielerische Übungen zur phonologischen
Bewusstheit im engeren Sinne

Übungen zur Identifikation des Anfangslauts (z.B. Rrrrrreis → /r/)

Lernen, dass Anfangslaute entfernt oder hinzugenommen werden können und dass dadurch
neue Wörter mit anderer Bedeutung entstehen

Abstraktere Aufgaben zur Phonemanalyse und -synthese

  • Hier lauschen die Kinder beispielsweise einem Kobold, der Wörter so ausspricht, als seien sie in ihre Laute zerlegt (z.B. /n/ - /a/ - /s/ - /e/)
    • Die Aufgabe der Kinder besteht darin, die Einzellaute zu einem Wort zu verbinden (Phonemsynthese)
  • Wörter in lautierter Form aufsagen und dabei für jeden einzelnen Laut ein Klötzchen legen (Phonemanalyse)

563. Förderung der Buchstaben-Laut-Zuordnung - Ergänzungsprogramm „Hören, lauschen, lernen 2“

Das Programm wird in den letzten zehn Trainingswochen des HLL in dessen Durchführung
integriert

Das Training konzentriert sich auf jene 12 Buchstaben, die im deutschen Sprachgebrauch am
häufigsten vorkommen (A, E, M, I, O, R, U, S, L, B, T, N)

Die entsprechenden Buchstabe-Laut-Beziehungen werden in zwei Schritten verdeutlicht:

  • Zunächst werden die Buchstaben anhand kurzer Geschichten eingeführt
    • Stellt euch vor, ihr seid beim Zahnarzt… Nun sagt laut AAAAAAA. Und das her ist der Buchstabe A.
  • Benennung von bildlich dargestellten Objekten, Identifizierung des Anlautes des entsprechenden Wortes und Zuordnung zum richtigen Buchstaben

Ziel des Ergänzungsprogramms HLL 2 ist es, dass die Kinder das Zuordnungsprinzip zwischen Lauten und Buchstaben erkennen

564. Evaluationsstudien zur Wirksamkeit der Förderung von phonologischer Bewusstheit und
Buchstaben-Laut- Zuordnung

Die Wirksamkeit von Trainings der phonologischen Bewusstheit kann als empirisch sehr gut belegt gelten - auch bei Risikokindern

  • Verbesserung der phonologischen Bewusstheit
  • langfristig verbesserte Schriftsprachkompetenzen

Eine Förderung der phonologischen Bewusstheit ist als primär- und sekundärpräventive Maßnahme wirksam und führt zu einem substanziell verminderten Anteil von Kindern mit Lese-Recht Schreibschwierigkeiten

Phonologisch orientierte Fördermaßnahmen sollten mit einem Buchstaben-Laut-Training
kombiniert werden, da in diesem Fall mit deutlich größeren Effekten zu rechnen ist

565. Zahl-Größen-Kompetenzen

Das Pendant zur phonologischen Bewusstheit

bezeichnen die Entwicklungsschritte auf dem Weg zum Verständnis der Zahlen

  • Dies umfasst zunächst die bloße Kenntnis von Zahlwörtern und Ziffern sowie darauf aufbauend das Verständnis dafür, dass Zahlen Mengen und Mengenrelationen – beziehungsweise allgemeiner Größen und Größenrelationen – repräsentieren

Spielen eine deutlich größere Rolle für die schulischen Mathematikleistungen als beispielsweise die Intelligenz oder Fähigkeiten des Arbeitsgedächtnisses

566. Die unterschiedlichen Auffassungen darüber, wo genau die Ursache von Rechenstörungen zu lokalisieren ist:

Auffassung 1: Defekter angeborener Zahlensinn als Ursache von Rechenschwierigkeiten

  • Nach diesen Modellvorstellungen nehmen normal entwickelte Kinder von Geburt an Stückzahlen wahr, die sie aufgrund fehlender Wörter nur noch nicht benennen können
  • Mit den später gelernten Zahlwörtern jedoch werden die zugehörigen Bezeichnungen geliefert, die ein Kind dann sofort problemlos den entsprechenden Stückzahlen (z. B. drei Murmeln) zuordnet

Auffassung 2: Unzureichend entwickelte Zahl-Größen-Verknüpfung als Ursache von
Rechenschwierigkeiten

  • Anstelle eines angeborenen Zahlensinns wird hier postuliert, dass jedes Kind den „Zahlensinn“ und das Verständnis dafür, dass Stückzahlen und Größen mit (Zahl-)Wörtern belegt werden können, erst erwerben muss
  • Den Erwerbsverlauf beschreibt das ZGV-Modell über drei Kompetenzebenen
  • Defizite in dieser – potenziell von außen steuerbaren – Entwicklung werden als Ursache von Rechenstörungen gesehen

567. Entwicklungsmodell der Zahl-Größen-Verknüpfung (ZGV-Modell; Krajewski) - Kompetenzebene 1

Nur Fähigkeit zur (nichtnumerischen) Größenunterscheidung ist angeboren —> Prinzip der
minimalistischen Kompetenzzuschreibungen

Zahlwörter und Mengen oder Größen werden noch nicht miteinander in Verbindung gebracht

568. Entwicklungsmodell der Zahl-Größen-Verknüpfung (ZGV-Modell; Krajewski)
- Kompetenzebene 2

  • Ab drei bis vier Jahren
  • Wie Untersuchungen mit rechenschwachen Grundschülern zeigen, kann im Fehlen dieses Entwicklungsschritts das Kerndefizit einer Rechenschwäche gesehen werden
  • Zahlwörter – und gegebenenfalls auch schon Ziffern – werden mit Mengen und Größen in Verbindung gebracht (Größenrepräsentation von Zahlen, einfaches Zahlverständnis)
    • Ebene 2a: Phase der unpräzisen Größenrepräsentation
      • Zahlwörter werden zunächst groben Größenkategorien zugeordnet (z. B. eins, zwei und drei der Kategorie „wenig“, zwanzig und fünfundzwanzig der Kategorie „viel“)
    • Ebene 2b: Phase der präzisen Größenrepräsentation
    • Zahlwörter können nun durch genaue Eins-zu-Eins-Zuordnung auch ihren exakten Anzahlen zugewiesen werden
    • Erst diese Fähigkeit ermöglicht es, eng nebeneinander liegende Zahlen anhand ihrer Größe zu unterscheiden

569. Entwicklungsmodell der Zahl-Größen-Verknüpfung (ZGV-Modell; Krajewski)
- Kompetenzebene 3

Größenrelationen zwischen Zahlen

Erkenntnis, dass der Größenunterschied zwischen zwei Zahlen (z. B. „drei“ und „fünf“) nicht nur mit „größer“ oder „kleiner“ beschreibbar ist, sondern auch mit einer exakten Zahl angegeben werden kann („drei sind zwei kleiner/weniger als fünf“) und dass eine Zahl aus anderen Zahlen zusammengesetzt werden kann oder in diese zerlegbar ist

570. Entwicklungsorientierte Förderung von Zahl-Größen-Kompetenzen

Ebene 1:

  • Thematisieren sprachlicher Begriffe mit denen Unterschiede zwischen Größen beschrieben werden können
    • größer/ kleiner/ länger/ kürzer/ mehr/ weniger als
  • Einüben der Zahlwortfolge
    • Vorwärts, rückwärts + zu einem beliebigen Zahlwort (z.B. „vier“) problemlos den Nachfolger oder Vorgänger nennen können

Ebene 2:

  • Zuordnung von Zahlwörtern beziehungsweise Ziffernzahlen zu abzählbaren Mengen Größenvergleich von Zahlen (z.B. „drei sind weniger als fünf “)

Ebene 3:

  • Den Kindern bewusst machen, dass eine Zahl nicht nur in kleinere Zahlen zerlegt und aus diesen wieder zusammengesetzt werden kann, sondern dass auch der Unterschied zwischen zwei Zahlen wieder eine Zahl ist und dass diese Zahl den Größenunterschied zwischen den beiden anderen Zahlen exakt angibt (z. B. „drei sind zwei weniger als fünf “)

571. Einfluss phonologischer Bewusstheit auf die mathematische Entwicklung

Wie eine aktuelle Längsschnittuntersuchung von Krajewski, Simanowski und Greiner (2013) zeigt, weisen Kinder, die als Vierjährige über eine gute phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn verfügen, als Fünfjährige auch einen flexibleren Umgang mit der Zahlwortfolge auf

  • 45 % der Unterschiede im Aufsagen der Zahlwortfolge vorwärts und rückwärts sowie dem Bestimmen von Vorgänger- und Nachfolgerzahlen wurden durch die vorher bestehenden Unterschiede in der phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinn erklärt

Eine gut ausgeprägte phonologische Bewusstheit auf Wort- und Silbenebene hilft demnach, die
üblicherweise zusammenhängend erlernte und aufgesagte Zahlwortfolge („einszweidreivierfünfsechs...“) in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen

572. Anforderungen an mathematische Präventionsmaßnahmen

Systematischer entwicklungsorientierter Aufbau des Zahlverständnisses

  • Die Förderung sollte sich an der Abfolge der natürlichen mathematischen Entwicklung orientieren (vgl. ZGV-Modell)

Verwendung gleichartiger, abstrakter Veranschaulichungsmaterialien

  • Hierdurch wird sichergestellt, dass quantitative Relationen zwischen den dargestellten Zahlen sichtbar werden
  • Materialien, die möglichst wenige „ablenkende“ Eigenschaften haben, wie beispielsweise einfarbige Chips oder Klötzchen sind am besten
    • Hierdurch wird vermieden, dass Kinder irrelevante Assoziationen mit Zahlen verbinden, wie dies insbesondere dann geschehen kann, wenn Zahlen bewusst durch Phantasiegestalten repräsentiert werden (z.B. Schwan = zwei)

Verbalisierung mathematischer Inhalte

  • So sollten Verbalisierungen wie beispielsweise „Drei ist größer/ kleiner als Vier“, „Fünf sind mehr/ weniger als Zehn“ oder „Elf sind genauso viele wie Sechs und Fünf zusammen“ in der Förderung explizit verwendet werden.

573. Beispiel für irreführende Darstellungsmittel

https://imgur.com/a/SGl6YyY

Nur wenn alle irrelevanten, nicht-zahlbezogenen Materialaspekte konstant gehalten werden, wird die Anzahl als Unterscheidungsmerkmal zwischen den zu repräsentierenden Zahlen unmittelbar sichtbar

574. Evaluationsstudien zur Wirksamkeit der Förderung von Zahl-Größen-Kompetenzen
(Förderprogramm „Mengen, zählen, Zahlen“)

  • Orientiert sich am ZGV-Modell
  • Das Programm wird in 24 etwa halbstündigen Sitzungen über acht Wochen durchgeführt
  • Es hat sich für die Förderung der Zahl-Größen-Kompetenzen im letzten Kindergartenjahr, in Vorklassen und bei Risikokindern in der ersten Klasse bewährt
    • Inzwischen liegen auch für Lernhilfeschüler sowie für Schüler mit einer geistigen Behinderung erste ermutigende Hinweise vor
  • Zeitverzögert auftretende, langfristige Transfereffekte auf die schulischen Mathematikleistungen deuten darauf hin, dass durch eine Förderung mit dem Programm „Mengen, zählen, Zahlen“ zunächst Entwicklungslücken im Zahlverständnis geschlossen werden konnten, woraufhin die Kinder anschließend auch vom regulären Mathematikunterricht besser profitieren konnten

575. Primärpräventive Förderkonzepte mit selektivem bzw. indiziertem Charakter

Bei der selektiven Prävention richten sich Maßnahmen an bestimmte Gruppen, bei denen ein erhöhtes Problemrisiko besteht

  • z.B. Kinder in einem bestimmten Stadtteil

Die indizierte Prävention richtet sich dagegen an Kinder und Jugendliche, bei denen ein individuell erhöhtes Problemrisiko besteht

576. Aspekte sozialer Kompetenz

kognitive Fertigkeiten

  • Perspektivübernahme
  • Entwicklung von Handlungsalternativen für eine soziale Situation

emotionale Fertigkeiten

  • Wahrnehmung eigener Gefühle oder Stimmungen
  • eigene (soziale) Ängste zeitweise ignorieren können

aktionale Fertigkeiten

  • laute und deutliche Artikulation
  • Blickkontakt

577. Ziel der Förderung von Sozialer Kompetenz

Das Ziel besteht darin, ein selbstsicheres bzw. sozial kompetentes Verhalten in sozialen Situationen realisieren zu können, während umgekehrt ein aggressives oder unsicheres Verhalten abgebaut werden soll

578. Vier Trainingsansätze im Bereich sozialer Kompetenzen

Behaviorale Modelle:

  • Fehlende soziale Kompetenzen werden vornehmlich auf ein Verhaltensdefizit zurückgeführt
  • Verfolgt wird daher das Eintrainieren konkreten Verhaltens (nonverbal und/oder verbal) in sozialen Situationen
  • Verwendete Methoden: Instruktion, Modelllernen, Rollenspiel, positive Verstärkung und praktische Hausaufgaben bezüglich konkreten Verhaltens

Sozial-kognitives Problemlösen:

  • Bei diesem Ansatz wird in den Vordergrund gerückt, ob eine Situation richtig eingeschätzt wird, mögliche Verhaltensalternativen generiert werden können, Konsequenzen überschaut werden sowie ein Prozess des Problemlösens in sozialen Situationen möglich ist.
  • Trainiert wird, das Auftreten eines sozialen Problems wahrzunehmen, innezuhalten und über alternative Lösungen nachzudenken sowie die möglichen Konsequenzen der jeweiligen Lösung abzuschätzen, Hindernisse zu bedenken, eine angemessene Lösung auszusuchen, auszuführen und zu bewerten

Soziale Perspektivenübernahme:

  • Trainiert werden Empathiefähigkeit und Perspektivenübernahme

Selbstmanagement:

  • Das primäre Ziel besteht bei diesem Ansatz in der Erhöhung des Selbstmanagements bzw. der Selbststeuerungskompetenzen
  • Diese beziehen sich auf die Fähigkeit, eigenes Verhalten bewusst zu steuern und aufkommende konkurrierende Impulse ggf. zu unterdrücken
  • Verwendete Techniken: Selbstinstruktionen, Selbstbeobachtung, Selbstevaluation sowie Selbstbelohnung

579. Die Effekte von sozialen Kompetenztrainings

Übersichtsarbeiten deuten darauf hin, dass sich im direkten Anschluss an Trainings sozialer Kompetenzen positive Effekte abbilden lassen

Die Langzeiteffekte fallen ernüchternder aus

580. Klassifikation aggressiven Verhaltens nach Frick

Destruktiv

  • Offen: Offen Aggression (z.B. tätliche Angriffe)
  • Verdeckt: (Heimliche) Zerstörung des Eigentums anderer

Nicht Destruktiv

  • Offen: Oppositionelles Verhalen
  • Normverletzung (z.B. heimliche Regelverstöße)

581. Maßnahmen zum Abbau aggressiven Verhaltens

Beeinflussung von Gedanken, die zur Auslösung und Aufrechterhaltung aggressiven Verhaltens beitragen

  • Aufdecken und Ändern unangemessener Attributionsmuster,
  • Ausbau mangelnder Problemlösekompetenzen
  • Förderung von Selbstkontrollmechanismen (z.B. durch Einüben von Selbstinstruktionen)

Affektive Ebene

  • Förderung der Emotionserkennung und des Emotionsausdrucks
  • Aufbau eines empathischen Mitempfindens

Verhaltensebene

  • Erweiterung des Verhaltensrepertoires
  • Einüben prosozialen Verhaltens