Bildungspsychologie - Modul AF B Teil 1
Fernuniversität Hagen SS 19
Fernuniversität Hagen SS 19
Set of flashcards Details
Flashcards | 501 |
---|---|
Students | 36 |
Language | Deutsch |
Category | Psychology |
Level | University |
Created / Updated | 21.02.2019 / 13.12.2023 |
Weblink |
https://card2brain.ch/box/20190221_bildungspsychologie_modul_af_b
|
Embed |
<iframe src="https://card2brain.ch/box/20190221_bildungspsychologie_modul_af_b/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>
|
321. Prüfungsangst – Möglichkeiten zur Intervention
Emotionsorientierte Therapieformen:
- verhaltenstherapeutische Verfahren der Angstinduktion (Expositionsbehandlung, systematische Desensibilisierung) kombiniert mit Biofeedbackverfahren und Entspannungstrainings (z. B. progressive Muskelentspannung)
Kognitive Ansätze:
- zielen darauf ab, die angstimmanenten irrationalen, „katastrophisierenden“ Gedankeninhalte mit erfolgsorientierten Gedankeninhalten zu ersetzen (Selbstinstruktion)
Strategietraining:
- Einüben kognitiver und metakognitiver Selbstregulations- und Lernstrategien
322. Drei Wirkmechanismen über die lern- und leistungsbezogene Emotionen auf akademische
Leistung Einfluss nehmen können (nach Pekrun):
- kognitive Ressourcen
- Lernstrategien
- Motivation
323. Wirkungen von Emotionen auf kognitive Ressourcen
Auch für lern- und leistungsbezogene Emotionen ist anzunehmen, dass sie kognitive Ressourcen verbrauchen
- Das Erleben negativer Emotionen während einer Aufgabe bedingt somit, dass Aufmerksamkeit von der zu bearbeitenden Aufgabe abgelenkt wird
- Für positive aufgabenbezogene Emotionen (wie Lernfreude) ist anzunehmen, dass diese dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf die Aufgabe zu fokussieren
324. Wirkungen von Emotionen auf Lernstrategien
- Positive Emotionen wie Freude und Stolz gehen mit verständnisorientierten, flexiblen Strategien wie Elaboration einher
- Angst und Ärger stehen eher mit rigiden, weniger verständnisorientierten Lernstrategien wie Wiederholen im Zusammenhang
- Je stärker gestellte Aufgaben flexibles, transferorientiertes Denken erfordern, desto mehr beeinträchtigen negative Emotionen somit die Leistung
- Positive Emotionen begünstigen selbstreguliertes Vorgehen beim Lernen, negative Emotionen fördern eher das Befolgen extern vorgegebener Regeln
325. Wirkungen von Emotionen auf intrinsische und extrinsische Motivation
- Unterscheidung zwischen aktivierenden Emotionen (z. B. Freude und Angst) und deaktivierenden Emotionen (z.B. Erleichterung und Langeweile)
- Aufgrund erhöhter intrinsischer und extrinsischer Motivation stehen positiv-aktivierende Emotionen insgesamt in einem positiven Zusammenhang mit Leistung
- Negativ-deaktivierende Emotionen stehen in der Regel in einem negativen Zusammenhang mit der Leistung
- Positiv-deaktivierende und negativ-aktivierende Emotionen haben komplexe motivationale Folgen
- Beispielsweise senkt Prüfungsangst zum einen intrinsische Motivation, steigert aber unter Umständen die Anstrengung aufgrund von erhöhter (extrinsischer) Motivation zur Vermeidung von Misserfolg
326. Anregungen zur Gestaltung eines emotionsgünstigen Unterrichts
- Einflussnahme auf Kontroll- und Wertkognitionen
- Unterstützung bei der Regulation von Emotionen
- Vorleben leistungsförderlicher Emotionen
327. Einflussnahme auf Kontroll- und Wertkognitionen im Unterricht
Ziel: Den Schülern die Gewissheit geben, dass sie durch spezifische Handlungen relativ eindeutig vorhersehbare Wirkungen erzielen können
- Maßnahmen:
- klare Strukturierung des Unterrichts (z. B. durch kurz- und langfristige Inhalts- und Zeitpläne),
- Gestaltung von Lerngelegenheiten, in denen Kontrollerfahrungen durch individuelle Zielsetzungen und selbstständige Strategieauswahl gemacht werden können (z. B. Projektarbeit),
- eindeutige Formulierung von Erwartungen und Zielen (z. B. Zielvereinbarungen und Bekanntgabe des Notenschlüssels vor einer schriftlichen Arbeit),
- Vermittlung kontrollierbarer Ursachen von Erfolg und Misserfolg, insbesondere durch Anstrengung,
- deutliche Trennung zwischen „Lernzeiten“, in denen Fehler als Lerngelegenheiten betrachtet werden und „Prüfungszeiten“, in denen Lernzielkontrollen vorgenommen werden
Vermittlung von Überzeugungen zur Bedeutsamkeit von Lernaktivitäten
- direkte Kommunikation des intrinsischen Wertes, der Neuartigkeit und möglichen Ambiguität des Lerngegenstands
- Aufgabenstellungen, die der Lebenswelt der Schüler entnommen sind
- Vorgabe von Wahlmöglichkeiten
- Vermeidung primär kompetitiver Leistungsrückmeldungen zugunsten von individuellen oder auch kriteriumsbezogenen Kompetenzrückmeldungen
328. Unterstützung bei der Regulation von Emotionen im Unterricht
Anleitung zur Selbstregulation von Leistungsemotionen mit folgenden Möglichkeiten:
- Förderung des Bewusstseins, dass Emotionen eine wichtige Rolle im Lern- und Leistungskontext spielen
- Aufzeigen, dass Leistungsemotionen beeinflussbar sind, d. h., dass man ihnen nicht „blind ausgeliefert“ ist
- Vermittlung von Wissen über Leistungsemotionen, z. B. durch die Erweiterung des Emotionsvokabulars -und durch das Aufzeigen der Wirkungen von Emotionen auf Lernen und Leistung,
- Vermittlung und Üben konkreter Emotionsregulations- und Coping-Strategien
329. Theoretische Wurzeln der pädagogisch-psychologischen Selbstkonzeptforschung - William
James
- Begründer der Selbstkonzeptforschung (um 1895)
- Ihn trieb die Frage um, warum verschiedene Personen mit ähnlichen Fähigkeiten ein ganz unterschiedliches Selbstbild erwerben und entsprechend unterschiedlich zufrieden mit sich sind
- Im Wesentlichen ist das Selbstwertgefühl nach James das Ergebnis von Erfolgen oder Misserfolgen und der Stellung, die ein Mensch in der Welt hat
- Es basiert auf Fähigkeiten in einzelnen Domänen
- James’ Arbeiten waren die Basis für spätere Selbstkonzeptmodelle
330. William James - Unterscheidung zwischen I und Me
- Betrachter („I“) und Betrachteter („Me“)
- Das „I“ ist die denkende und handelnde Person selbst, das „Me“ stellt dagegen das Objekt der Betrachtung der eigenen Person dar
- Das „Me“ entspricht dem Selbstkonzept, dem „self as known“, oder dem selbstbezogenen Denken
331. Das Me bei William James
- wird aus Erfahrungen konstruiert
- hierarchisches und multidimensionales Selbstkonzept:
- Spirituelles Selbst: beinhaltet Wissen über eigene Eigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen
- Hier sind in moderner Terminologie fähigkeitsbezogene Selbstkonzepte und schulfachspezifische Interessen anzusiedeln
- Soziales Selbst: wahrgenommene Fremdwahrnehmung einer Person
- Jeder Mensch hat demnach so viele Varianten des sozialen Selbst, wie Personen sich in unterschiedlicher Weise an ihn erinnern
- Das soziale Selbst besteht also im Wesentlichen aus Kognitionen darüber, welches Ansehen man bei verschiedenen Personen(-gruppen) hat bzw. wie man von ihnen wahrgenommen wird
- Materielles Selbst: Wissen über den eigenen Körper, wichtige andere Personen (Familie) und vertraute Gegenstände
- Spirituelles Selbst: beinhaltet Wissen über eigene Eigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen
332. Symbolischer Interaktionismus und das Selbstkonzept
- Betonung der Rolle der sozialen Umwelt für die Selbstkonzeptentwicklung
- Nach den Annahmen des symbolischen Interaktionismus ist das Selbstkonzept in erster Linie ein Resultat der Fremdwahrnehmungen einer Person durch andere Personen
- Personen spiegeln einer Person ihre Einstellungen und Gefühle gegenüber dieser Person wider; in diesem Spiegel sieht sich die Person und konstruiert aus den Fremdwahrnehmungen ihr eigenes Selbstkonzept —> „looking-glass-self“
- Insbesondere Menschen, die einer Person nahestehen, haben nach dieser Konzeption starken Einfluss auf deren Selbstkonzept
333. Gedächtnispsychologische Modelle des Selbstkonzepts - Sicht des Selbst
Das Selbst wird als kognitive (Gedächtnis-) Struktur modelliert, die durch Informationsaufnahme
geformt wird sowie unter bestimmten Umständen selbst die Informationsaufnahme beeinflusst
334. Gedächtnispsychologische Modelle des Selbstkonzepts - Selbstkonzept als Wissensstruktur
(von Filipp):
Der Prozess der Aufnahme und Verarbeitung selbstbezogener Informationen lässt sich in vier
Phasen einteilen:
- 1. die Vorbereitungsphase, in der die Diskrimination selbstbezogenen Wissens geschieht,
- 2. die Aneignungsphase, in der die selbstbezogene Information in ein internes, aktualisiertes Selbstmodell integriert wird,
- 3. die Speicherungsphase, in der das selbstbezogene Wissen beispielsweise in der Form eines Schemas gespeichert wird,
- 4. die Erinnerungsphase, in der die selbstbezogenen Informationen abgerufen und handlungsleitend werden können
335. Gedächtnispsychologische Modelle des Selbstkonzepts - Das Selbstkonzept nach Markus
Unterscheidung zwischen überdauernden und situationalen Aspekten des Selbstkonzepts
- Stabile Aspekte des Selbstkonzepts: positive oder negative Sichtweisen von Aspekten der eigenen Person, aber auch Wunschvorstellungen (Ideal-Selbst)
- Vor dem Hintergrund dieser relativ stabilen Aspekte des Selbstkonzepts werden in konkreten Situationen bestimmte Selbstkonzeptaspekte aktiviert —> „working self-concept“
- Der Inhalt des jeweiligen Working Self-Concept ist nicht nur durch die stabilen Selbstkonzepte bestimmt, sondern auch durch die jeweilige soziale Situation
336. Entwicklungspsychologische Arbeiten zur Genese des Selbstkonzepts - Modell der kognitiven Entwicklung des Selbstkonzepts (von Harter)
Orientierung an Piaget:
- Konkret-operationale Selbstbeschreibungen in der früheren Kindheit werden zunehmend abgelöst durch abstrakte Selbstbeschreibungen mit Eigenschaftscharakter
- Selbstbeschreibungen von Kindern betreffen häufig beobachtbare Attribute, zudem sind die Bewertungen der eigenen Person sehr positiv
- Ältere Kinder und Jugendliche können auch negative Eigenschaften in das Selbstkonzept integrieren, außerdem steigt die Bedeutung des leistungsbezogenen und des sozialen Selbstkonzepts
- Die einzelnen Selbstkonzepte differenzieren sich aus durch inter- und intraindividuelle Vergleichsprozesse
- Durch Vergleiche mit Gleichaltrigen werden die Selbstkonzepte zunehmend realistischer und differenzierter
- Am Ende der Jugendzeit reflektiert das Selbstkonzept relativ stabile Überzeugungen und Werte
337. Sozialpsychologische Selbstkonzeptforschung im Gegensatz zur pädagogischpsychologischen
Forschung
- Der Großteil der sozialpsychologischen Selbstkonzeptforschung fokussiert das Selbstwertgefühl und ist nur bedingt an bereichsspezifischen Selbstkonzepten interessiert
- Zum anderen nimmt die sozialpsychologische Forschung in hohem Maße eine Prozessperspektive ein
- das pädagogisch-psychologische Selbstkonzept beschränkt sich in erster Linie auf das „Me“, während bedeutsame Anteile der sozialpsychologischen Selbstkonzeptforschung eine Präferenz für das „I“, die aktive Seite des Selbst, haben
- Genannt werden beispielsweise theoretische Annahmen, wonach viele oder alle Menschen Bedürfnisse nach Selbstbewertung, Selbstwertsteigerung, Selbstbestätigung, Selbstwertschutz oder Selbstverbesserung haben, die in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich bedeutsam sind
- In schulischen Leistungssituationen scheint das Bedürfnis nach Selbstverbesserung besonders prominent
338. Struktur des Selbstkonzepts: Bereichsspezifität und Hierarchie - Das Shavelson-Modell und
seine Annahmen
Selbstkonzept = multidimensional und hierarchisch
- Multidimensional: Um die Komplexität seiner Erfahrung mit der Umwelt zu reduzieren, organisiert ein Individuum diese Erfahrungen mithilfe von Kategorien
- In Bereich A habe ich z.B. besonders hohe, in Bereich B besonders geringe Fähigkeiten
- Hierarchisch: An der Spitze steht ein allgemeines Selbstkonzept
- Zweite Ebene: schulisches Selbstkonzept und nichtschulisches Selbstkonzept
- Das Selbstkonzept differenziert sich im Laufe der Entwicklung vom Kindes- zum Erwachsenenalter zunehmend
339. Shavelson-Modell als Übersicht
https://imgur.com/5I4dpgi
- Schulisches Selbstkonzept
https://imgur.com/n299kEq
340. Shavelson-Modell: Das Kategoriensystem von Schülern beinhaltet auf einer relativ generellen
Ebene zumindest die Facetten:
- Schule,
- Selbstkonzept bezüglich unterschiedlicher Fächer
- unterschiedliche Teilfertigkeiten in den Fächern
- Selbstkonzept bezüglich unterschiedlicher Fächer
- soziale Akzeptanz,
- physische Fähigkeiten
- sowie emotionales Befinden
341. Wie lässt sich die Annahme, dass sich das Selbstkonzept mit zunehmendem Alter immer
weiter ausdifferenziert, überprüfen?
Indem man Korrelationsmuster zwischen Selbstkonzeptfacetten betrachtet:
- Je älter die Kinder bzw. Jugendlichen sind, desto geringer sollten die Korrelationen zwischen unterschiedlichen Selbstkonzeptdomänen ausfallen
- In der Tat findet sich einige empirische Stützung für diese Vermutung, zumindest für die relativ frühe Entwicklung
342. Allgemeines Selbstkonzept als Einstellung: Die Beiträge von Morris Rosenberg
- Die Arbeiten von Rosenberg (1965, 1986) hatten einen nachhaltigen Einfluss auf die weitere Forschung zum Selbstwertgefühl
- Er konzipierte das Selbstkonzept als Einstellung („attitude“) einer Person zu sich selbst
- Diese Einstellung ist gleich der Einstellung zu Objekten wie z.B. Seife o.ä.
- Diese Perspektive erlaubt es, bei der Erforschung des Selbst die gleichen Instrumente zu verwenden wie in der übrigen Einstellungsforschung
- Rosenberg entwickelte dementsprechend einen ökonomisch einsetzbaren, eindimensionalen und reliablen Fragebogen —> Rosenberg-Skala
- Dieser Fragebogen zum Selbstwertgefühl wird noch heute als Standardinstrument in unterschiedlichen Forschungskontexten eingesetzt
- Die pädagogisch-psychologische Forschung hat allerdings gezeigt, dass bereichsspezifische Selbstkonzepte in Hinblick auf schulrelevante Kriteriumsvariablen fast ausnahmslos eine höhere prognostische Validität besitzen
343. Kritik an der Intelligenzanalogie beim Shavelson-Modell
Analogie: Bei der Intelligenz gibt es die Annahme eines allgemeinen g-Faktors, der an der Spitze der Hierarchie steht
- In Shavelsons Modell steht auch ein allgemeines Selbstkonzept an der Spitze
Aus theoretischer Sicht kann kritisiert werden, dass die Intelligenzanalogie in Konflikt mit zentralen Annahmen zur Selbstkonzeptgenese steht
- Im g-Faktor-Modell der Intelligenz wird dem g-Faktor eine wichtige Rolle bei der Ausprägung bereichsspezifischer Fertigkeiten zugesprochen
- Entsprechend müsste man argumentieren, dass das generelle Selbstkonzept die Ausprägungen aller bereichsspezifischen Selbstkonzepte beeinflusst
- Dies widerspricht jedoch der Annahme, dass es wiederholte, situationsspezifische Erfahrungen sind, die das bereichsspezifische Selbstkonzept primär prägen
344. Stabilität des Selbstkonzepts - Verschiedene Arten von Stabilität
- Normative Stabilität
- Mittelwertstabilität
- Strukturelle Stabilität (Invarianz)
- Intraindividuelle Stabilität (ipsative Stabilität)
- Konstruktstabilität (inhaltliche Stabilität)
345. Normative Stabilität
Stabilität von interindividuellen Unterschieden in Selbstkonzepten bei mehrmaliger Messung
- Korrelation der Werte derselben Personengruppe in zwei Messungen mit demselben Instrument
Die normative Stabilität sinkt, wenn sich Rangpositionen zwischen den Messungen verschieben
346. Mittelwertstabilität
Unterscheidet sich beispielsweise bei einer Schülergruppe das durchschnittliche schulische
Selbstkonzept, das in der 7. Klasse berichtet wurde, nicht von dem, das in der 10. Klasse berichtet wurde, so würde man dies als einen Hinweis auf eine hohe Mittelwertstabilität deuten
347. Strukturelle Stabilität (Invarianz)
Liegt dann vor, wenn ein Konstrukt über die Zeit hinweg die gleichen Dimensionen und dieselben Verbindungen zwischen diesen Domänen aufweist
348. Intraindividuelle Stabilität (ipsative Stabilität)
Eine hohe ipsative Stabilität ist dann gegeben, wenn bei einem Individuum die Organisation von verschiedenen Selbstkonzeptdomänen über die Jahre hinweg stabil bleibt
- Beispielsweise könnte ein Jugendlicher von der 5. bis zur 10. Klasse immer ein hohes mathematisches Selbstkonzept, dafür aber ein niedriges verbales Selbstkonzept haben
349. Konstruktstabilität (inhaltliche Stabilität)
- Liegt vor, wenn ein Konstrukt bzw. Item für die Befragten über einen längeren Zeitraum stets dieselbe Bedeutung hat
- Im Prinzip ist der Nachweis inhaltlicher Stabilität Voraussetzung dafür, dass die übrigen Stabilitätsaspekte geprüft werden
- Sonst kommt die Frage auf, ob denn wirklich jeweils „das Gleiche“ gemessen wurde
- Allerdings: Die inhaltliche Stabilität empirisch zu bestimmen, ist eine komplexe Aufgabe, da idealerweise ein längsschnittliches Design mit einer aufwendigen Konstruktvalidierung kombiniert werden müsste
350. Stabilität des Selbstkonzepts - Empirische Befunde
Normative Stabilität —> recht hoch
- Schulbezogene Selbstkonzepte weisen bereits im Grundschulalter beachtliche normative Stabilität auf
- Marsh, Craven und Debus: Ein-Jahres-Stabilität bei Zweitklässlern für die Selbstkonzeptbereiche Mathematik, Lesen und Schule von 0,46 bis 0,64
- Mit höherem Alter nimmt die Stabilität nochmals zu
Mittelwertstabilität —> nicht so hoch
- Insgesamt weisen viele Studien darauf hin, dass es beim Selbstkonzept zu statistisch signifikanten Mittelwertveränderungen kommt
- So fand beispielsweise Helmke (1998) in einer Untersuchung mit Grundschulkindern einen deutlichen Rückgang der Mittelwerte beim schulischen Selbstvertrauen zwischen der 1. und 6. Schulklasse
- Obwohl im Allgemeinen das Selbstkonzept sinkt, haben fast alle Schüler Bereiche, in denen ihr Selbstkonzept stabil bleibt oder sogar ansteigt
Strukturelle Stabilität —> ab der 5. Klasse hoch
- Marsh beschränkte aufgrund seiner Forschungen die Annahme einer zunehmenden Differenzierung auf die Altersstufen bis zur 5. Klasse
351. Erfassung des Selbstkonzepts - Affektive vs. kognitiv-evaluative Komponente des akademischen Selbstkonzepts
Umstritten ist nach wie vor, ob die affektive („Ich mag Mathematik“) und die kognitiv-evaluative Komponente („Ich bin gut in Mathematik“) des akademischen Selbstkonzepts voneinander getrennt werden sollten
- Pro: Das Selbstkonzept hat neben einer kognitiv- evaluativen auch eine affektive Komponente, die beide in Selbstkonzeptskalen empirisch kaum zu trennen sind
- Contra: Akademische Selbstkonzepte sind primär Kompetenzwahrnehmungen („Ich bin gut in Mathematik“), die affektive Komponente gehört eher zum Interesse bzw. der Motivation
Entsprechend werden Instrumente bevorzugt, deren Items allein die kognitiv-evaluative Komponente thematisieren
352. Quellen der Selbstkonzeptgenese - Die verschiedenen Formen von Vergleichsinformationen
- Soziale Vergleiche
- Temporale Vergleiche
- längsschnittlicher Abgleich der eigenen Fähigkeit in einem Bereich zu unterschiedlichen Zeitpunkten
- Dimensionale Vergleiche
- Intraindividueller Vergleich zwischen mehreren Domänen (z.B. Mathe & Englisch)
- Kriteriale Vergleichsinformationen
- gewinnen Personen dadurch, dass sie beobachten, ob sie eine bestimmte Leistung gezeigt und damit „ein Kriterium“ erfüllt haben (z.B. bestanden)
Welche Auswirkungen die Klassenarbeit z.B. auf die Veränderung von Annas Deutschselbstkonzept hat, dürfte von der Gewichtung all dieser Vergleichsinformationen abhängen.
Bei Schülern sollte ein temporaler Vergleich in der Regel mit einer günstigen Entwicklung des Selbstkonzepts einhergehen, da die meisten Schüler im Laufe eines Schuljahres Wissen hinzuerwerben
353. Zusammenhänge zwischen schulischen Leistungen und fachbezogenen Selbstkonzepten -
Big-Fish-Little-Pond Effekt
Schüler weisen ein relativ hohes schulisches Selbstkonzept auf, wenn sie sich in sehr
leistungsschwachen Klassen befinden
- Und auch ein höheres Interesse an den Fächern
- Auswirkung auch auf Wahlentscheidungen: Kinder sind in ihrer Freizeit oft weniger stark in Sportvereinen aktiv, wenn sie viele sportliche Klassenkameraden haben
Leistungsstärkere Umgebungen scheinen der Leistungsfähigkeit des Einzelnen zuträglich, beeinträchtigen aber das Selbstkonzept.
354. Unterschiede in der Höhe der Bezugsgruppeneffekte
In den Items vieler Selbstkonzeptinstrumente sind soziale Vergleiche oftmals implizit oder explizit
thematisiert, indem beispielsweise nach Leistungen bzw. Noten in einem Fach gefragt wird
- —> besonders ausgeprägte Bezugsgruppeneffekte
Werden von Schülern Kompetenzeinschätzungen mithilfe von Instrumenten verlangt, bei denen
der soziale Vergleich eine geringere Rolle spielt (weil beispielsweise ein kriterialer Vergleichsmaßstab verwendet wird), fallen die Bezugsgruppeneffekte erwartungsgemäß kleiner aus.
355. Basking-in-reflected-glory bzw. Assimilationseffekt
Die Zuweisung leistungsstarker Schüler zu einer besonderen Schule bzw. Schulform kann neben
den negativen Effekten auch positive Effekte auf Selbstkonzepte haben
- So könnte das Bewusstsein, einer prestigeträchtigen Schulform wie dem Gymnasium anzugehören, selbstkonzeptsteigernd wirken
Allerdings ist dieser Prestigeeffekt – so er überhaupt gefunden wird – in aller Regel schwach ausgeprägt
356. Zusammenhänge zwischen schulischen Leistungen und fachbezogenen Selbstkonzepten -
Internal/External- Frame-of-Reference-Modell von Marsh
Schüler wenden zur Beurteilung der eigenen Leistungen einen externalen Bezugsrahmen
(„external frame of reference“) an
- Sie vergleichen ihre Fachleistungen in den Schulfächern mit den Leistungen ihrer Mitschüler
- Diese interindividuellen bzw. sozialen Vergleiche führen dazu, dass Schüler mit guten Leistungen ein hohes Selbstkonzept der Begabung in diesem Fach entwickeln und Schüler mit schwachen Schulleistungen ein niedriges Selbstkonzept
Schüler verwenden eine zweite Informationsquelle: Sie nutzen auch einen internalen Bezugsrahmen („internal frame of reference“)
- Sie vergleichen ihre Leistungen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern mit ihren eigenen Leistungen in sprachlichen Fächern
- Diese intraindividuellen bzw. dimensionalen Vergleiche führen dazu, dass beispielsweise Schüler mit guten Leistungen in der mathematischen Domäne ihr Selbstkonzept der Begabung in der verbalen Domäne abwerten —> Kontrasteffekt
357. Zusammenhänge zwischen schulischen Leistungen und fachbezogenen Selbstkonzepten - Internal/External- Frame-of-Reference-Modell - Modell als Übersicht
https://imgur.com/SqlCCNP
358. Zusammenhänge zwischen schulischen Leistungen und fachbezogenen Selbstkonzepten
- Internal/External- Frame-of-Reference-Modell - Konsequenzen für den Schulalltag
- Insbesondere Lehrer überschätzen die Korrelationen zwischen den Schülerselbstkonzepten deutlich
- Die Kenntnis der Effekte dimensionaler Vergleiche könnte dazu beitragen, dass Lehrer die Selbstbilder ihrer Schüler besser nachvollziehen können
- Dimensionale Vergleiche lösen Kontrasteffekte aus, die zu einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten in den Domänen intraindividueller Stärke und zu einer Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten in den intraindividuell eher schwächeren Domänen führen
Dies ist insbesondere für begabte Schüler von Nachteil, die sich möglicherweise vorzeitig zu stark spezialisieren, obwohl sie auch in den Bereichen, die sie selbst als ihre relativen Schwächen erleben, sehr gute Leistungen erzielen könnten.
359. Selbstkonzept und Leistung - Der Skill-Development-Ansatz
geht davon aus, dass fachbezogene Selbstkonzepte von schulischen und außerschulischen
Rückmeldungen beeinflusst werden, dass also Leistungen ursächlich für Selbstkonzepte sind
- Selbstkonzepte basieren in der Tat teilweise auf konkreten Leistungsrückmeldungen mit anschließenden sozialen Vergleichen und Kausalattributionen
360. Selbstkonzept und Leistung - Self-Enhancement-Ansatz
Annahme, dass positive Selbstkonzepte einen positiven Einfluss auf Lernleistungen haben (und
andersherum)
- Empirisch gesichert
- Von zwei Schülern mit identischer Leistung in einem Fach schneidet überdurchschnittlich häufig derjenige zukünftig besser ab, der ein höheres Selbstkonzept seiner fachspezifischen Begabung hat