Bildungspsychologie - Modul AF B Teil 1

Fernuniversität Hagen SS 19

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Flashcards 501
Students 36
Language Deutsch
Category Psychology
Level University
Created / Updated 21.02.2019 / 13.12.2023
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1. Definition Bildungspsychologie

Die Bildungspsychologie beschäftigt sich mit allen Bildungsprozessen, die zur Entwicklung von Bildungskomponenten        (= wünschenswerte Persönlichkeitsausprägungen aus gesellschaftlichnormativer Perspektive) beitragen sowie mit den Bedingungen, Aktivitäten und Maßnahmen, die diese Prozesse gemäß psychologischer Theorien/Modelle beeinflussen (z.B. initiieren, aufrechterhalten, unterstützen, optimieren).

2. Begriffsbestimmung - Bildung auf formaler Ebene - Prozess

Der Aufbau und die Art und Weise der sozialen Vermittlung dieser wünschenswerten Persönlichkeitsausprägungen.

3. Begriffsbestimmung - Bildung auf formaler Ebene - Produkt

Die überdauernden Ausprägungen der Persönlichkeit eines Menschen, die unter einer gesellschaftlich-normativen Perspektive wünschenswert sind.

4. Die zwei wesentlichen Komponenten von Bildung nach Barz

  1. Wissensbestände und kulturelle Fähigkeiten
  2. kommunikative Kompetenz und Ausstrahlung

5. Maßstäbe an denen sich Bildung bewährt nach Hentig

  • Abscheu und Abwehr von Unmenschlichkeit;
  • Wahrnehmung von Glück;
  • Fähigkeit und Wille, sich zu verständigen;
  • Bewusstsein von der Geschichtlichkeit der eigenen Existenz
  • Wachheit für letzte Fragen;
  • Bereitschaft zur Selbstverantwortung und in der res publica

6. Zielperspektiven (Bildungsziele) für die allgemeinbindende Schule nach Baumert

  • Vermittlung der kulturellen Basiskompetenzen
    • Beherrschung der Verkehrssprache,
    • mathematische Modellierungsfähigkeit,
    • fremdsprachliche Kompetenz,
    • informationstechnologische Kompetenz
    • Selbstregulation des Wissenserwerbs
  • Vermittlung eines hinreichend breiten, in sich gut organisierten, vernetzten sowie in unterschiedlichen Anwendungssituationen erprobten Orientierungswissens in zentralen kulturellen Wissensbereichen
  • Aufbau sozial-kognitiver und sozialer Kompetenzen
    • Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, zum Mitempfinden, zur Hilfsbereitschaft, zur Kooperation, zur Verantwortungsbereitschaft, zum moralischen Urteil

7. Quadrantenmodell wissenschaftlichen Arbeitens

8. Strukturmodell der Bildungspsychologie 8

Mikroebene = individuelle Bedingungen
Mesoebene = Ebene der Institutionen
Makroebene = Bildungspolitisch relevantes Gesamtsystem

9. Lernzieltaxonomie nach Bloom

10. Die Entwicklung der Pädagogischen Psychologie - Diagramm

11.Historische Wurzeln der Pädagogischen Psychologie

  • Wurzeln in der Philosophie:
    • Rousseau, Pestalozzi, Herbart, Fröbel
  • Wurzeln in der Lehrerbildung:
    • Schon im Jahr 1824 gab es die Anordnung, dass Schulamtskandidaten neben ihrem Unterrichtsfach auch Kenntnisse in Philosophie und Psychologie erwerben müssen
  • Ihr Weg zur empirisch orientierten wissenschaftlichen Disziplin:
    • Wundt und seine Schüler Meumann & Münsterberg

12. Die Gründungsphase der Pädagogischen Psychologie von 1900 bis ca. 1920

  • Geburtsstunde: Erstausgabe der „Zeitschrift für pädagogische Psychologie“ im Januar 1899; danach immer mehr Publikationen
  • Kooperation mit der Pädagogik
  • Wissenschaftlicher Austausch innerhalb der Psychologie (die Pädagogische Psychologie bleibt nicht „unter sich“)
  • Aufbereitung des Wissens für die pädagogische Praxis (in Form von Lehrbüchern etc.)

13. Richtungsstreit in der Pädagogischen Psychologie in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren

  • empirisch-experimentelle Wissenschaftsauffassung vs. traditionelle geisteswissenschaftlichphänomenologisch orientierte Auffassung
    • Streit darüber, wie geforscht werden sollte, um zu den „richtigen" Erkenntnissen zu kommen (Psychoanalyse vs. Behaviorismus etc.)
  • Rückkehr der Pädagogischen Psychologie zu geisteswissenschaftlichen Forschungsmethoden und Auffassungen

14. Verwerfungen und Vertreibungen in der Zeit des Nationalsozialismus (ab 1933)

  • Wissenschaftler verlassen das Land
  • Kein internationaler Austausch mehr
  • Wichtigstes außeruniversitäres Arbeitsfeld für Psychologen: Wehrmachtspsychologie
    • Eignungsprüfungen für Offiziere etc.
  • Erste Diplomprüfungsordnung für Psychologie Im Jahre 1941
    • Vereinheitlicht die Ausbildung von Psychologen an Unis
    • Zu den Prüfungsfächern im Hauptstudium zählte u.a. das Fach „Pädagogische Psychologie und Psychagogik"

15. Neubeginn und Restauration nach dem Zweiten Weltkrieg

  • Entnazifizierung
  • Internationaler Gedankenaustausch (aber vor allem Import, wenig Export)
  • Aufbereitung des aktuellen Wissensstandes
  • Man bleibt geisteswissenschaftlich orientiert
  • Die Pädagogische Psychologie versteht sich als unabdingbarer Bestandteil der Psychologie
  • Unterschiedliche Entwicklungen in BRD und DDR

16. Unterschiedliche Entwicklungen in der BRD und DDR (ab 1950)

BRD:

  • Freiheit der Wissenschaft in Forschung und Lehre
  • Streit um die „richtige“ Forschungsmethode endet in einem Sich-Ergänzen
  • In der gesamten Psychologie wächst das Interesse an der Pädagogik

DDR:

  • Pädagogik soll sich den politischen Zielen des Staates unterordnen
  • Kaum Austausch mit Wissenschaftern aus dem Westen
  • Theorien von Pawlow und Wygotski sind wichtig

17. Bildungsreformen in den 1960er- und 1970-er Jahren

  • Generationenwechsel unter den führenden Wissenschaftlern
  • Bildungskatastrophe in der BRD
    • Danach Reformmaßnahmen und Verstärkung der empirischen Bildungsforschung (staatliche Förderung)
    • Akademisierung der Lehrerbildung für Grund- und Hauptschullehrer

18. Bedeutsame Forschungstrends und Diskussionsschwerpunkte in den 1960er- und 1970-er
Jahren (vor allem in der BRD)

  • Auseinandersetzung mit behavioristischen Lerntheorien
  • Begabung und Chancengleichheit
  • Groß angelegte Untersuchungen zur Schulleistung
    • Neue diagnostische Mess- und Testverfahren und die Verfügbarkeit computerbasierter Techniken ließ dies zu
  • Differenzierte Analysen schulischer und familiärer Lernbedingungen
    • z.B. Studie zum Pygmalion-Effekt (Sich selbst erfüllende Prophezeiung) (1971)

19. Entwicklungstrends seit den 1980-er Jahren

  • Stärkere Beteiligung an grundlagenorientierter Forschung
    • Der Reformeifer stagniert, bildungspolitisch motivierte Forschungsprojekte werden weniger finanziert
  • Weg vom Behaviorismus hin zum Kognitivismus
  • Internationalisierung (mehr Austausch mit anderen Wissenschaftlern)
  • Teilnahme an internationalen Schulleistungstests
  • Aufgabe der in der DDR entwickelten Denkansätze und Forschungstraditionen ohne gründliche Diskussion (nach der Wende)

20. Längsschnittstudien der Max-Planck-Institute

LOGIK- und SCHOLASTIK-Studie:

  • Die LOGIK-Studie wollte menschliche Entwicklung in unterschiedlichen Bereichen untersuchen
    • sie startete im Herbst 1984 mit ca. 4-jährigen Kindergartenkindern und dauerte bis ins junge Erwachsenenalter an
  • Die SCHOLASTIK-Studie wurde 1987 begonnen und verfolgte das Ziel der Beschreibung und Erklärung individueller Entwicklungsverläufe während der Grundschulzeit in Abhängigkeit von affektiven und kognitiven Eingangsbedingungen sowie von Merkmalen des schulischen Kontextes.

BIJU-Studie:

  • Sie wurde 1991 begonnen und untersuchte Bildungskarrieren im Jugend- und frühen Erwachsenenalter in Abhängigkeit von unterschiedlichen institutionellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen

21. Kognitive Wende (ab den 60er Jahren)

  • Ausgangspunkt: Kritik am Behaviorismus
  • Man erkannte, dass man bei der Forschung auch einen Blick in die Black Box werfen muss
  • Für eine umfassende Analyse des menschlichen Erlebens und Verhaltens müssen deshalb in erster Linie die Kognitionen untersucht werden
  • Seitdem dominieren kognitive Modelle die psychologische Forschung

22. Erste PISA-Studie

fand im Jahr 2000 statt

23. Deklaratives Wissen

Faktenwissen

  • z. B. ein Geschichtsdatum, eine Grammatikregel

und komplexes Zusammenhangswissen (= konzeptuelles Wissen)

  • z. B. Verständnis der Wechselwirkung von volkswirtschaftlichen Faktoren

24. Prozedurales Wissen

Wissen „wie“ bzw. Können

  • das Ausrechnen von Aufgaben aus der Mathematik, der Physik oder der Chemie
  • das Schreiben einer Erörterung in Deutsch

25. Metakognitives Wissen

Das Wissen über Wissen bzw. um eng mit Wissen verbundene Phänomene (z. B. Wissen über
Wissenserwerb, Wissen um den Sinn einer Lernstrategie oder das Planen des eigenen
Vorgehens)

  • Deklaratives Metawissen:
    • Wissen über eigene Persönlichkeitsmerkmale
    • Wissen über Strategien
    • Wissen über Aufgaben
  • Prozedurales Metawissen:
    • Planen des eigenen Vorgehens
    • Überwachen des eigenen Verständnisses bzw. der Problemlösungen
    • remediales Regulieren (wenn z. B. etwas noch nicht verstanden wurde oder eine Lösung
    • selbst als ungenügend erkannt wurde)

26. Epistemologische Überzeugungen

  • Absolutismus: Der Glaube an „einfaches“ absolutes Wissen bzw. Wahrheite

 

  • Multiplismus: Ansehen aller Positionen als willkürliche Meinungen

 

  • Evaluatismus: Überzeugung, dass es zwar verschiedene (im Prinzip legitime) Positionen geben kann, diese aber unterschiedlich gut begründet sein können
    • Nach Kuhn sehen Lernende nur so einen Sinn, sich mit komplexen Sachverhalten auseinanderzusetzen, zu denen es verschiedene Positionen gibt

27. Schema

Schemata beinhalten die Erfahrungen in bestimmten, wiederholt vorkommenden (Problem-)Situationen in abstrahierter Weise (z. B. Dreisatzaufgaben).

Sie stellen skelettartige Wissensstrukturen dar, die mit den Spezifika einer aktuellen Problemstellung angereichert werden, wenn die Person einem passenden Problemtyp begegnet (z. B. die abstrakten Variablen des Dreisatzes werden mit den konkreten Zahlen und Gegenständen ausgefüllt).

28. Kompetenz

holistische, d. h. mehrere Wissensarten umfassende und auf die Funktionalität von Wissen bezogene Konzeption


Beispielsweise bezieht sich mathematische Kompetenz auf die Fähigkeit, die Funktion von
Mathematik in der Lebenswelt zu verstehen, fundierte mathematikbasierte Urteile abgeben zu können und Mathematik als Werkzeug im Alltags- oder Berufsleben nutzen zu können.

29. Theoretische Perspektiven des Lernens

  • Perspektive des aktiven Tuns

 

  • Perspektive der aktiven Informationsverarbeitung

 

  • Perspektive der fokussierten Informationsverarbeitung

30. Der Erwerb von Wissen - Die Perspektive des aktiven Tuns

Die Perspektive des aktiven Tuns misst vor allem aktivem Problemlösen und aktivem Diskurs eine
besondere Bedeutung beim Erwerb von Wissen zu

31. Der Erwerb von Wissen - Die Perspektive der aktiven Informationsverarbeitung

  • Ist die derzeit dominante Orientierung

 

  • Bei dieser Perspektive wird argumentiert, dass nicht unbedingt sichtbares aktives Tun ausschlaggebend ist, sondern die aktive mentale Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand.

 

  • Lernen = neue Information mit bereits vorhandenen Wissenselementen vernetzen

32. Befunde die gegen die Perspektive der aktiven Informationsverarbeitung sprechen

  • Pauli & Lipowsky (2007): aktive Schüler lernen im Unterricht nicht unbedingt mehr

 

  • Renkl (1997): Lernen durch Lehren funktioniert nicht immer gut, häufig lernen die Zuhörenden mehr

 

  • Renkl (2011): Man lernt mehr, wenn man sich erst viele Beispiele anschaut, anstatt wenn man nach einem Beispiel schon direkt Aufgaben bearbeitet

33. Der Erwerb von Wissen - Die Perspektive der fokussierten Informationsverarbeitung

  • mentale Aktivität an sich führt nicht zu gelungenem Wissenserwerb, sondern mentale Aktivität, die die zentralen Konzepte (z. B. Begriffe) und Prinzipien (z. B. Gesetze, mathematische Sätze) in einem Lernbereich fokussiert.

 

  • Vorausgehende Fokussierung ist z.B. durch die Diskussion einer Frage möglich:
    • Warum platzt eine Blutzelle in Wasser und schrumpft in Salzwasser? —> dann Text über Osmose

34. Cognitive-Load-Theorie (Sweller et. al.)

  • der Wissenserwerb wird in vielen Lernsituationen dadurch beeinträchtigt, dass das Arbeitsgedächtnis unnötig belastet wird (z. B. Lernende haben Probleme, eine Abbildung und deren Details dem entsprechenden Text zuzuordnen; „Split-Attention“-Effekt).
    • Die unnötige Belastung wird als extrinsisch („extraneous“) bezeichnet.
  • Daneben ist die Belastung des Arbeitsgedächtnisses durch die Stoffkomplexität (z. B. komplexe ökologische Zusammenhänge) zu beachten.
    • Wenn Lernende mehrere Aspekte gleichzeitig beachten müssen, wird von hoher intrinsischer Belastung gesprochen („intrinsic load“).
  • Insbesondere die Kombination aus hoher intrinsischer und extrinsischer Belastung kann zu einer kognitiven Überforderung („overload“) führen, die den Wissenserwerb beeinträchtigt oder gar unmöglich macht.

35. Die drei wichtigsten Ebenen beim Repräsentieren von Texten

  • Textoberfläche: bezieht sich auf die sprachlichen Details, d. h. auf das wörtliche „Abbild“

 

  • Textbasis: beinhaltet die gegebenen Textaussagen (Propositionen) – unabhängig davon, ob etwas z. B. in einem Passiv- oder Aktivsatz gesagt wurde etc.

 

  • Situationsmodell: Das eigentliche (tiefere) Verstehen des Textes, das z. B. Implikationen des Gesagten umfassen kann, wird hier repräsentiert; eine substanziell mit Vorwissen angereicherte, reichhaltige Repräsentation eines Textes

36. Kohärenzbildung (Ebene der Textbasis beim Repräsentieren von Texten)

Lokale Kohärenzbildung:

  • Martin ist ein Junge. Er ist sehr sportlich. (Er = Martin)
  • gelingt den Lernenden zumeist weitgehend automatisch

Globale Kohärenzbildung:

  • sinnvolle Organisation der einzelnen Textaussagen, die es etwa erlaubt den „roten Faden“ einer komplexen Argumentation nachzuvollziehen
  • beinhaltet typischerweise die Konstruktion von sog. Makropropositionen, sie werden aus den Einzelpropositionen „verdichtet“ durch
    • Auslassung unwichtiger Propositionen,
    • Verallgemeinerung von Einzelpropositionen auf einem höheren Abstraktionsgrad (beispielsweise wird statt einer detaillierten Beschreibung von Gegenständen eines Vertrages zur Beendigung eines Krieges repräsentiert, dass zwei Staaten einen Friedensvertrag abgeschlossen haben)
    • Konstruktion einer neuen Proposition für eine Kette von Propositionen (das Ausdehnen und Zusammenziehen des Herzmuskels wird als Pumpen repräsentiert)

37. Lokale vs. globale Kohärenz

lokale Kohärenz: einzelne aufeinanderfolgende Sätze in einen thematischen Grundzusammenhang bringen

globale Kohärenz: den gesamten Inhalt eines Textes in einen thematischen Grundzusammenhang bringen, den Text also als inhaltliche Einheit wahrnehmen und verstehen.

38. Wie kann man das Ausmaß einer situationalen Repräsentation messen?

Vielfach wird das Ausmaß einer situationalen Repräsentation darüber gemessen, ob die Lernenden
gültige von ungültigen Schlussfolgerungen unterscheiden können

39. Was beeinflusst die Qualität des Textlernens?

Qualität des Textes

  • Relevante Textmerkmale sind z.B. Einführungen zur Aktivierung relevanten Vorwissens (vgl. die Studie zum Osmose-Text), Länge und Einfachheit der Sätze, Hervorhebung zentraler Begriffe oder Aussagen, semantische Kohärenz

Vorwissen der Lernenden

mentale Aktivitäten der Lernenden (hier speziell: Lesestrategien)

40. Was ist beispielbasiertes Lernen?

Es werden mehrere Beispiele bearbeitet, um so Verstehen herzustellen, bevor die Lernenden
dann „verstehensorientiert“ selbstständig Aufgaben bearbeiten.

Beim anfänglichen Erwerb kognitiver Fertigkeiten ist das Lernen aus Lösungsbeispielen besonders effektiv

Die Beispiele können dann allmählich lückenhafter gestaltet und dann ausgeblendet werden, um so den Übergang zum selbstständigen Aufgabenbearbeiten zu ebnen.