MTS HS17
MTS bei Frank Ritz
MTS bei Frank Ritz
Kartei Details
Karten | 164 |
---|---|
Lernende | 24 |
Sprache | Deutsch |
Kategorie | Psychologie |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 12.01.2018 / 28.01.2023 |
Weblink |
https://card2brain.ch/box/20180112_mts_hs17
|
Einbinden |
<iframe src="https://card2brain.ch/box/20180112_mts_hs17/embed" width="780" height="150" scrolling="no" frameborder="0"></iframe>
|
Was beschreibt Human Factors?
Human Factors ist das Wissen über menschliche Leistungsfähigkeit und ihre Begrenzungen, die für die Gestaltung von Produkten und Prozessen von Bedeutung sind.
Für die Gestaltung von Werkzeugen, Maschinen, Systemen, Aufgaben und Arbeitzsplätzen
um effektives, effizientes und sicheres Zusammenwirken von Mensch und Technik zu erreichen.
Human Factors werden interdisziplinär bearbeitet und sind nicht grundsätzlich negativ!
Welche Entwicklungsphasen der Sicherheitswissenschaft gibt es? (Reason, 1990)
Zuerst es gab sehr viele Unfälle wegen der Technik, da sie noch nicht so weit ausgearbeitet war. Danach wurde Technik immer mehr zur Unterstützung dadurch wird Technik immer zuverlässiger, aber auch komplexer. Es kommt zum sozio-technischen System. Heute entstehen Fehler und Schaden durch das Zusammenwirken von verschiedenen Organisationen.
Heute sind Piloten bspw. eher Überwachungspersonen Person ist immer vielen visuellen Reizen ausgesetzt, was gefährlich, da dies sehr viel Aufmerksamkeit braucht!
Für was steht Security?
Security (Sicherung)
Zielt auf eine Sicherung zum Schutz vor meist externen Gefahren durch böswillige Angriffe, Spionage und Sabotage ab.
Kann als Bestandteil von Sicherheit (safety) verstanden werden, da Angriffe in der Regel darauf abzielen, einen Produktionsprozess für bestimmungsfremde Zwecke zu missbrauchen. Daraus resultiert entweder direkte Prozessgefahr, beispielsweise bei einer Flugzeugentführung im Falle einer terroristischen Bedrohung oder es wird „Know-how“ entwendet, wodurch zum einen die Organisation in wirtschaftliche Gefahr gerät oder zum anderen durch die unsachgemässe Reproduktion und Verwendung eines entwendeten „Know-hows“ neue technologische Risiken entstehen.
Für was steht Safety?
Zielt auf den sicheren Betrieb von komplexen soziotechnischen Systemen, die auch als Systemsicherheit („systemsafety“) bezeichnet wird, ab.
Definitionen von Sicherheit sind abhängig vom jeweils zugrundeliegenden Verständnis: Statisches vs. dynamisches Verständnis.
Statisches Sicherheitsverständnis wuzelt in Ingenieurwissenschaften, z. B.: „Zustand, dass für eine Sachlage (Produkt, Verfahren, Arbeitssystem etc.) innerhalb eines bestimmten Zeitraumes keine Schädigung von Personen, der Umwelt und von Sachwerten eintritt, das heisst Sicherheit ist ein Zustand, bei dem das Risiko einer Gefährdung kleiner ist als das Grenzrisiko (= allgemein akzeptiertes Risiko)“ (Lehder & Skiba, 2005).
Was verstehen wir unter Sicherheit als Prozess?
= dynamisches Nicht-Ereignis (Weick, 1987)
Fortwirkendes Zusammenwirken von Strukturen, Prozeduren, Regeln und operativen Handlungen in Organisationen <- dynamisch: Viele Aufwände um Sicherheit aufrecht zu erhalten. Sicherheit ist nur in der unmittelbaren Gegenwart greifbar.
-> geprägt von Ungewissheit
= Differenz zwischen der Menge an Informationen, die zur Durchführung einer Aufgabe erforderlich ist und der Menge an Informationen, die eine Organisation bereits besitzt (Galbraith, 1973; Grote, 2009) /
= Widersprüchlichkeit von Informationen (z. B. Weick, 1979)
Gefahr
Fixierung auf planungsbasierte Gefahrenprävention, bei gleichzeitiger Vernachlässigung von Massnahmen zur Gefahrenbewältigung. In kritische Situationen braucht es Plan B -> dafür ist der Mensch notwendig
Was verstehen wir unter Systemsicherheit?
Definition
Als prozesshafte, organisationale Qualität: „…Qualität, die es dem System gestattet, ohne grössere Zusammenbrüche unter vorgegebenen Bedingungen und mit einem Minimum unbeabsichtigten Kontrollverlusts oder Schadens für die Organisation und die Umwelt zu funktionieren“
Was umfasst die Systemsicherheit?
Prozesssicherheit als Bestandteil der Primäraufgabe -> Schutz vor Risiken / Gefahren, die von hochtechnologisierten Produktionsprozessen ausgehen, bspw. dem Fliegen eines Verkehrsflugzeugs oder der Stromproduktion durch ein Kernkraftwerk (Zielgruppe: Bevölkerung) – durch z. B. Redundanzen (z. B. 2 Autopilote) und Diversitäten (Mensch hat bessere Anpassungsleistung) gegen Ausfälle technischer Komponenten
Arbeitssicherheit als Sekundäraufgabe (Unternehmen verdient damit kein Geld)
-> Zustand der Arbeitsbedingungen, bei denen keine oder nur vertretbare arbeitsbedingte Gesundheitsgefährdungen und Belastungen auftreten (Lehder & Skiba, 2005). Belastungen sind hierbei zu verstehen als physische und psychische Faktoren, die während einer Arbeitstätigkeit auf eine Person einwirken (Massnahmen gegen kurz- und langfristige Gefahren (Zielgruppe: Mitarbeitende)
-> Statisches, prozesshaftes und dynamisches Verständnis von Sicherheit
Was gibt es für Abgrenzungen von Safety?
Risiko I
= Kombination der Wahrscheinlichkeit und des Schweregrades (Schadensausmass) einer Schädigung (Gesundheitsschädigung) in einer Gefährdungssituation (Lehder & Skiba, 2005) -> in Relation zu Schadensausmass.
Grenzrisiko
Grösstes noch vertretbares Risiko, das einem bestimmten technischen Vorgang oder Zustand innewohnt und als Zustand mit einem vertretbaren, akzeptablen Restrisiko, für das Massnahmen festgelegt werden müssen zum Abbau des Restrisikos.
Restrisiko:
Beschreibt die Gesamtgefahr, die mit einem Arbeitsprozess verbunden ist. Die Gesamtgefahr besteht aus einem bekannten und einem unbekannten Anteil“.
Bekannte Risiken können als Auftretenswahrscheinlichkeiten quantifiziert werden (z. B. PRA, HRA) -> politischer Entscheid, ob das Restrisiko akzeptabel ist (z. B. Schädigung bei einer Operation).
Wie funktioniert Sicherheit im situationalen Kontext?
Erwartet: nehmen wir fast nicht wahr
Unerwartet, bekannt: z.B. Gleis- oder Signalstörungen beim Zug -> wenn man bestimmte Standards einhält, kann trotzdem Sicherheit erzeugt werden
Unerwartet, unbekannt: es gibt keine Handlungspläne, Vorgaben oder Standards
unzuverlässig = Verstoss gegen Regeln; hilft aber in diesem Kontext
Aufrechterhaltung von Sicherheit in komplexen soziotechnischen Systemen als Qualität des Systems. Durch Zuverlässigkeit kann in Situationen, in denen die Bedingungen eines Produktionsprozesses erwartungskonform bestehen, Sicherheit erzeugt werden. Bei unerwarteten Situationen, die bekannt sind und zu deren Kompensation Handlungsplane in Form von Prozeduren vorliegen oder auf die durch automatisierte Ablaufe reagiert werden kann, wird ebenfalls durch Zuverlässigkeit Sicherheit erzeugt. Unerwartete und unbekannte Situationen erfordern die Herleitung neuartiger Handlungsprozeduren, durch die dahin gehend unzuverlässig gehandelt wird, dass von bestehenden Plänen abgewichen werden muss oder neuartige Handlungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden müssen. Durch sicherheitsgerichtete Anpassungshandlungen können abweichende Systemparameter kompensiert werden und Sicherheit wird erzeugt. Besonders in unplanbaren Situationen ist die menschliche Anpassungsfähigkeit für die Aufrechterhaltung von Sicherheit von zentraler Bedeutung.
Was gibt es für Einflussfaktoren der Systemumwelt auf die Systemsicherheit bzw. auf soziotechnische Systeme
Was betrachtet die NAT: Normal Accident Theory (Perrow, 1984)
Betrachtet die Beherrschbarkeit grosstechnischer Anlagen aus einer pessimistischen Perspektive
Sicherheitsrelevante Ereignisse (z. B. Unfälle, Katastrophen) entstehen als Folge von Mehrfachstörungen, die in komplexen Arbeitssystemen nicht zu vermeiden sind à Reaktor zu heiss: Standartprozedur führt nicht zum Erfolg. Regel einhalten oder Regeln brechen.
Gefahren und Risiken werden gemeinsam mit den Arbeitssystemen aufgebaut und sind deren inhärenter Bestandteile
Mechanismus des Versagens führt zu Systemzusammenbrüchen, die sich von „einfachen“ Arbeitsunfällen unterscheiden; zwei Merkmale sind kennzeichnend:
-> interaktive Komplexität
-> enge Kopplung von Systemkomponenten
= unerwartete Gefahren: Gefahren sind nicht kalkulierbar
Mischung beider Aspekte ist in sozio-technischen Systemen besonders gefährlich!
Wie funktioniert die High Reliability Organization Theory (Weick & Robert, 1993)?
Prämisse
Organisationen hohen Gefährdungspotenzials agieren extrem effektiv darin, sicherheitskritische Ereignisse zu vermeiden und zu bewältigen! (La Porte & Consolini, 1998) -> dadurch, dass die Organisationen herausgefordert sind, sind sie erfolgreich im Umgang mit Risiken.
Prinzip
Kollektive Achtsamkeit (headfullness, Weick & Roberts, 1993)
Wertschätzung des Strebens nach Sicherheit (und Zuverlässigkeit) -> Äusserung durch Rückmeldung von Fehlern in Unternehmung
Zentrale Organisationsprinzipien (Weick, Sutcliffe & Obstfeld, 1999)
- MA achten permanent auf Fehler in betrieblichen Abläufen (z. B. Unregelmässigkeiten),
- MA richten ihre Aufmerksamkeit auf betriebliche Abläufe,
- MA hinterfragen vereinfachte Interpretation (z. B. monokausale Ursache; werden weiter hinterfragt und nicht einfach der Verursacher beschuldigt),
- O. streben sie nach Anpassungsfähigkeit (commitment to resilience; MA sind Experten ihrer Arbeit und haben die Fähigkeit im Umgang) und
- zeigen besonders in kritischen Situationen Respekt vor Expertenwissen (ad hoc Teams erstellen einen Handlungsplan; Entscheidungshoheit erhält die Person, die die grösste Erfahrung mit sich bringt und nicht der Chef. Group Thinking findet meistens in Gruppen statt, starr und straff organisiert sind.)
-> idealtypische Eigenschaften für die betriebliche Praxis nicht unproblematisch! Für gängige Betriebe nicht unbedingt umsetzbar; nur mit grossem Gefährdungspotenzial.
Was ist das RE: Resilience Engineering (Hollnagel, 2014)?
Konzeptueller Integrationsversuch von NAT und HROT, allerdings keine eigenständige Theorie
Zentrale Aussage
Mit Schwankungen treten in Systemen resiliente Eigenschaften (protektive Faktoren) auf (vgl. auch HROT)
Learning
Sicherheit entsteht durch Schwankungen
Responding
Lösung auf Schwankung
Monitoring
Situationen müssen protokolliert werden
Anticipating
Mensch bricht Regel für Güterzug
Was sind die Unterschiede zwischen NAT, HROT und RE?
NAT
Postuliert Risikohaftigkeit, die der auf gesellschaftliche Veränderungen zurückzuführenden technologischen Entwicklung innewohnt
HROT
Betont, dass Organisationen, die mit hohem Gefährdungspotenzial agieren, ausgesprochen effektiv sind, sicherheitsrelevante Ereignisse mit negativen Konsequenzen für Mensch und Umwelt zu vermeiden
RE
Keine eigenständige Theorie, sondern er umfasst Konzepte aus verschiedenen Bereichen (Informatik und der Systemtheorie) und fokussiert auf Anpassungsfähigkeit von Systemen, wobei die Dynamik von Systemschwankungen als Kennzeichen von Organisationen hervorgehoben wird à Integration ist jedoch bislang noch nicht gelungen. Systeme können Gefahren nur kompensieren, wenn System sich an Umwelt anpassen kann.
Neuere Ansätze der „Organisationalen Resilienz“ (z. B. Ritz, 2015) sind elaborierter, da sie an konkreten positiven Verhaltensweisen im Arbeitsalltag von Organisationen und von MA ansetzen (-> FHNW verfolgt das)
Was ist das Dominosteinmodell (Heinrich, 1931)
-> Lineare Ereignisentstehung
Grundannahme
Unfälle sind Störungen in einem sonst fehlerfreien System.
Analyse
Ursache (root cause) kann gefunden werden durch Rückwärtssuche in der Ereigniskette.
Ziel
Sicherheit erhöhen durch Unterbrechung der Kausalkette (Steine entfernen oder Abstand vergrössern) -> Man muss eigentlich nur die unsichere menschliche Handlung herausnehmen
Menschenbild
Modell folgt dem Menschenbild X; ist zu kurz gegriffen. Manager im Unternehmen können betriebliche und administrative Prozesse gestalten, dass sie sicher sind; Produktionssicherheit gewährleisten; Taylorismus
Erieignisse tragen sich im Sinne einer Dominokette zu -> bis am Schluss Schädigung in Folge eines Unfalls erfolgt; soziales Umfeld, unsicherche Handlung in Systemen Idee: Man nimmt einen Dominostein heraus = die unsichere Handlung des Menschen, somit ist Ereignisentstehungsmodell unterbrochen -> führt zu ganz strengen Restriktionen, damit möglichst keine Reaktionen vorkommen
Was beschreibt Root Cause im Domino Modell von Heinrich?
Annahme: Es gibt einen absoluten Anfang (ersten Dominostein) der Ereigniskette.
Problem: Wo in der Wurzel soll die Analyse aufhören?
Das unerwartete Ereignis ist nicht mit dem Unfall gleichzusetzen, denn das unterwarte Ereignis führt zu einem Unfall. Dementsprechend bildet das unterwartete Ereignis die Grundlage (Wurzel) für die nachfolgenden Ereignisses (Kette) eines Unfalls. Dieses unerwartete Ereignis entsteht wiederum durch verschiedene Bedingungen. Die Ursache wird immer weiter in der Vergangenheit gesucht und es kann kein schlussendlicher Ursprung gefunden werden → deshalb gibt Stop Rule in der Unfallanalyse.
Root Cause → gleich wie Bow Tie, aber aus Sicht. Hier ist es nicht der Unfall, sondern möglicherweise bereits der Irrtum etc.
Beispiel Kardiologe
-Verwechslung der Anschlüsse als Ausgangspunkt: Wie ist es zum Unfall gekommen?
-Verwechslung der Anschlüsse als Folge für den Unfall: Welche Conditions haben zu dieser Verwechslung geführt? Ich versuche somit das Ganze zu rekonstruieren.
-Wo höre ich aber auf, wie weit gehe ich zurück? = Stop Rule
Wie funktioniert das Modell fehlerhafter Informationsverarbeitung in Organisationen?
Schwere Unfälle erscheinen oft als unvorhersehbar
Aber in Analysen werden häufig Anzeichen dafür gefunden, dass Organisationsmitglieder schon vor bzw. während der Ereignisentstehung Informationen vorlagen, die als Hinweise auf das Ereignis hindeuteten
Turner & Pidgeon (1997) Analyse von 84 Unfallberichten, Ergebnis
Unfallursachen liegen in dysfunktionalen Anpassungsprozessen von Mensch & Organisation:
→ Störungen des Informationsflusses und fehlerhafte Bewertung von sicherheitskritischen Informationen
→ Faktoren liegen in räumlicher & zeitlicher Distanz zum Ort des Auftretens
Wie funktioniert das Schweizerkäsemodell (Reason, 1990, 1997)?
= komplex-lineares Ereignisentstehungsmodell (swiss-cheese) → beschreibt Unfälle sehr gut und lässt sie gut analysieren, basales Modell
Reason differenziert zwischen aktiven (auslösenden Faktoren) & latenten Faktoren (im System verborgen).
Grundannahme
Ereignisse entstehen durch Wechselbeziehungen von unsicheren Handlungen und latenten Bedingungen.
Analyse
Pathogene bestehen im Durchbrechen von Barrieren.
Ziel
Sicherheit erhöhen, indem Löcher im Käse gestopft und so die Sicherheitsbarrieren verbessert werden → möglichst viele Schwachstellen finden und diese beseitigen = umso sicherer werden Systeme und umso niedriger das Risiko
Löcher sind sehr schlecht auffindbar
Gelbes Loch: Operative Ebene; Menschen am arbeiten
Blaue Scheiben: Sicherheitsbarrieren; werden häufig vergessen
Schwachstellen in den Sicherheitssystemen → wenn in ungünstiger Kombination Schwachstellen auftreten, kann sich Gefahr ihren Weg bahnen und dann kommt es zu Unfällen. Verschieden "Käseplatten" können Arbeitsbedingungen sein, Management-Entscheidungen, wenige qualifizierte Person etc. Letzter unmittelbarer Faktor = Auslöser; z.B. Alaska-Airlaine Beispiele; hat über 10 Jahre gedauert
Was sind Latente Fehler?
- Haben Konsequenzen, die lange Zeit im System verborgen bleiben können
- Werden erst sichtbar, wenn sie zusammen mit anderen Faktoren die Systemabwehr durchdringen
- Werden meist von Personen erzeugt, die mit der Kontrollschnittstelle des Systems nicht direkt zu tun haben. Bsp. Konstrukteure, Manager, Wartungspersonal
- Die Identifikation latenter Fehler kann einen grösseren Beitrag zur Systemsicherheit liefern
- Latente Fehler können proaktiv (präventiv) identifiziert werden
Was beschreibt der Non-lineare Erklärungsversuch (Hollnagel, Woods & Leveson, 2006)?
Grundannahme
Ereignisse (Unfälle) sind ein Resultat unerwarteter Kombinationen von üblichen Leistungsschwankungen und auch bezüglich der Sicherheitsleistung.
Analyse
Beobachtung und Steuerung von Leistungsschwankungen und deren (Rück-) Kopplungen.
Ziel:
Ereignisse werden durch Kontrolle und Dämpfung der Schwankung verhindert. Die Sicherheit setzt die Fähigkeit voraus, künftige Ereignisse zu antizipieren.
Complex relations between input (causes) and output (effects) give rise to unexpected and disproportionate consequences. Socio-technical systems are non-linear (Hollnagel, 2006).
Was ist die Perspektive des „Resilience Engineering“ auf Ereignisse (Hollnagel, Woods & Leveson, 2006)?
Werden als Faktoren der „resilience“ („Elastizität“) komplexer Systeme verstanden; Betonung positiver Aspekte menschlicher Leistungsfähigkeit
Beinhalten Hinweise, welche Stabilisatoren dazu beitragen, dass ein System bei Leistungsschwankung Gefährdungspotenziale kompensiert.
→ Handlungsergebnisse können von den Erwartungen abweichen
→ Menschliches Handeln ist effizient aufgrund seiner Adaptivität und Flexibilität
→ Adaptivität und Flexibilität sind gleichzeitig die Ursachen für Fehler
= Mensch ist sowohl Sicherheits- als auch Risikofaktor
Beispiel Fähre:
Bugtore wurden nicht geschlossen. Unfall als Folge von ökonomischem Druck
Was sind Human Factor-Bereiche von Faktoren der Ereignisentstehung im Bereich Individuum?
z. B. menschliche Informationsverarbeitung; auf allen Ebenen der menschlichen Informationsverarbeitung gibt es spezifische Stärken und Schwächen, z.B.:
– selektive Aufmerksamkeit (Gefahren und Chancen)
– inadäquate Filterung von Informationen
– Sinnestäuschungen (z. B. optische Täuschungen)
– falsche Erwartungen
– kognitive Täuschungen
– fehlerhafte Schlussfolgerungen
→ Stärken und Schwächen menschlichen Informationsverarbeitung bei der Gestaltung sozio-technischer Systeme berücksichtigen
Was sind Human Factor-Bereiche von Faktoren der Ereignisentstehung im Bereich Gruppe?
→ sozialpsychologische Faktoren; z. B. Soziale Normen wirken, wenn Personen den wahrgenommenen Erwartungen anderer entsprechen (wollen):
– automatischer Gedanke: „wenn ich mich so verhalten, wie ich denke, dass es von mir erwartet wird, dann ist das gut für mich“
– häufig ungeschriebene Regeln, z. B. im KKW: nie Angst haben / immer kompetent wirken
Was sind Human Factor-Bereiche von Faktoren der Ereignisentstehung im Bereich Organisation?
Bereich Organisation
→ organisationale Faktoren; z.B. Arbeitsplanung und Aufgabengestaltung:
• Unangemessene Zeitvorgaben für die Arbeitsaufgaben
• sich widersprechende Aufgaben
• Aufgaben nicht an Qualifikation angepasst (Über- oder Unterforderung)
• Nicht eindeutig formulierte Aufgaben
Was sind Human Factor-Bereiche von Faktoren der Ereignisentstehung im Bereich Technik?
Was sind Human Factor-Bereiche von Faktoren der Ereignisentstehung im Bereich Umwelt?
→ Umweltfaktoren; z. B. für dysfunktionale interorganisationale Beziehung:
• Behörde kennt sicherheitskritischen Aspekt in Werk,
• Betreiber weiss, dass Behörde den Sachverhalt kennt,
• Beide gehen davon aus, dass Schwachstellen beseitigt werden
→ Fazit: Gefährdung durch Schwachstelle wird nicht behoben!
Was ist das Drift-to-danger Modell (Rasmussen, 1997)?
Drift
Drift into Failure/Danger (beides dasselbe, nur zwei unterschiedliche Personen sagen/benennen es):
Menschen gehen Risiken ein, oft anlässlich von nicht offensichtlich risikoreichen Entscheidungen
• schrittweise
• jede Entscheidung ‚macht Sinn‘
• keine ‚schlechten Resultate‘ stellen die Entscheidung in Frage
• Erfolg in der Vergangenheit wird als Garant für künftigen Erfolg verstanden
• keine Richtlinien verletzt
• keine Gesetze gebrochen
z.B. Flugzeugwartung -> Schraube ölen
→ „Ausweitung der Löcher“; z. B. Alkohol beim Autofahren <- am Anfang nicht, dann wenn mal ok, immer mehr
Was steht hinter der Ereignisentstehung?
• Ereignis als Schlusspunkt des Entstehungsprozesses
• Unfall oder Beinahe-Unfall in komplexen sozio-technischen Systemen, der das Potential hat, zu einer Gefahr für Mensch, Organisation & Umwelt zu werden
• Ereignisentstehung ist immer multikausal
• Grundsätzlich ist jedes Ereignis auch auf menschliche Faktoren zurückzuführen, wobei die Bedingungen (Human Factors), die Menschen zum Wahrnehmen, Erleben und letztendlich zum Handeln veranlassen, interessieren → Arbeitspsychologe: Leistungsfähigkeit erhöhen und die Arbeitssicherheit möglichst aufrecht erhalten
• „Aus psychologischer Perspektive geht es nicht um Schuldigensuche und/oder Schuldzuweisung, sondern um das Finden von Erklärungen, um zukünftige Ereignisse vermeiden zu können“ (Ritz, in Vorbereitung)
Was ist Anthropotechnik?
Automobilbranche; verfolgt das Ziel, Maschinen und technische Einrichtungen so auf die Eigenschaften, Möglichkeiten und Bedürfnisse des Menschen abzustim-men, dass beide hinsichtlich Leistung, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit mit bestmöglichem Gesamtergebnis zusammenwirken (Interaktion). Zu diesem Zweck befasst sich die Anthropotechnik mit den physischen und physiologischen Eigen-schaften sowie den Denkprozessen des Menschen, denen sie mit naturwissen-schaftlichen Methoden nachspürt. Es handelt sich demnach um ein interdiszipli-näres Gebiet. Wesentliches Anliegen der Anthropotechnik ist die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine
Was ist Ergonomie?
Wissenschaft von der Gesetzmässigkeit menschlicher bzw. automatisierter Arbeit. Ziel der Ergonomie ist es, die Arbeitsbedingungen, den Arbeitsablauf, die Anordnung der zu greifenden Gegenstände (Werkstück, Werkzeug) räumlich und zeitlich optimiert anzuordnen sowie die Arbeitsgeräte für eine Aufgabe so zu optimieren, dass das Arbeitsergebnis (qualitativ und wirtschaftlich) optimal wird und die arbeitenden Menschen möglichst wenig ermüden oder gar geschädigt werden, auch wenn sie die Arbeit über Jahre hinweg ausüben.
Was beschreibt die Psychotechnik?
allgemeine Bezeichnung für die Anwendung psychologischer Erkenntnisse und Methoden in praktischen Bereichen
Eingeführt 1903 von William Stern
Heute ist der Begriff nicht mehr gebräuchlich, der Gegenstandsbereich ist aktueller denn je.
Historische Wurzeln
· 1903 William Stern: Artikel über Angewandte Psychologie: „Psychotechnik“ und Psychognostik
· 1912 Hugo Münsterberg: „Psychologie u. Wirtschaftsleben“ Lehrbuch zu Aufgaben der Psychotechnik in der Industrie. Eignung und Auslese / Psychische Arbeit und Leistung (u.a. Training, Technikanpassung, Ermüdung, Leistungsfähigkeit) / Erzielung psychischer Wirkungen (Werbepsychologie)
· 1918 Walter Moede: gründet Institut für „Industrielle Psychotechnik“ an der TH Charlottenburg (erstes Institut für angewandte Psychologie in D / Zusammenarbeit mit Georg Schlesinger („Fabrikbetrieb“) / Schwerpunkt auf Eignungsdiagnostik & Personalauswahl)
· 1927 Fritz Giese (Halle): Systematik der „Wirtschaftspsychologie“ (Subjekt-Psychotechnik → Anpassung des Menschen an das Wirtschaftsleben / Objekt-Psychotechnik → Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Natur des Menschen)
Aufgaben der Wirtschaftspsychologie (Giese, 1927)
Ansicht Homo Oeconomicus
Subjektpsychotechnik
• Berufskunde und Berufsberatung
• Arbeiterauslese und Verteilung
• Anlernung und Schulung
• Menschenbehandlung
Aufgaben der Wirtschaftspsychologie (Giese, 1927)
Ansicht Homo Oeconomicus
Objektpsychotechnik (heute Arbeits- und Organisationspsychologie)
• Arbeitsstudie
• Psychotechnische Eichung
• Lichtwirtschaft
• Unfallverhütung
• Betriebsorganisation
Wie funktioniert der soziotechnische Systemansatz nach Ulich (2005)?
Der Soziotechnische Ansatz betont die Interaktion der sozialen und der technischen Teilsysteme eines Arbeitssystems. Soll heissen, dass keines der Teilsysteme ohne Berücksichtigung des anderen optimiert werden kann, da sie vielfältig miteinander zusammenhängen => Studie in Kohlebergbau. Schon 1951 konnten Trist & Bamforth nachweisen, dass die Interaktion der sozialen und technischen Teilsysteme eine zentrale Rolle einnehmen, umso mehr in der modernen heutigen Informationsgesellschaft!
Nach der soziotechnischen Systemgestaltung sind Organisationen offene dynamische Systeme, die mit ihrer Umwelt im Austausch stehen. Es soll eine Optimierung von Technologie einsatzt, Humanressource und Organisation stattfinden.
Wie funktionieren Mensch-Maschine-Systeme (MMS)?
→ innerhalb eines soziotechnischen Systems, veranschaulicht Zusammenwirken von Mensch und Maschine
Zusammenwirken von: Person(en) und technischen Systemen → sollte man effektiv gestalten
Erfüllung eines Auftrags: selbstgestellt (z. B. Kaffee herauslassen, Ticket lösen, Waschmaschine Hausfrau) oder fremdgestellt (z. B. Maschine bedienen in einer Produktionsabteilung)
Technischer Prozess: läuft in Maschine → heute meist Computer, die bestimmte Vorgänge durchgehen
Schnittstelle: wenn Kaffemaschine sagt "Bitte Bohnen füllen" → moderne Geräte zeigen wo genau Bohnen hinein füllen (Anzeigetechnik). Das, was uns Maschinen bereitstellen, wird uns auf Schnittstelle, z.B. Display, angezeigt (abstrakte Informationen → wir sehen Symbol und wissen, was es in Zusammenhang mit Maschine bedeutet.
Sensorische Vermittlung: z. B. ich spüre Erhitzung der Maschine etc. → nehmen wir wahr
Motorische Vermittlung: erfolgt über Schnittstelle → Eingabe des Menschen; das meiste, was wir in System eingeben, läuft über Motorik
Mensch: bedient Automat
Abstrakte Info → Symbol, das aufleuchtet → man weiss, was es bedeutet im Zusammenhang mit der Maschine: Infos kommen direkt von Maschine → mentale Modelle bauen sich auf → wenn am System etwas verändert wird, wird’s deutlich schwerer Infos aus der Schnittstelle zu interpretieren, da Info verloren ging (entfernt sich von den techn. Problemen)
Bsp. Kaffee wird gemahlen
Schnittstelle: sagt z.B. Bohnen leeren
Mensch bedient Automat und tut, was ihm angezeigt wird
Wie kann man MMS systematisieren?
Nach Tätigkeiten:
– Instandhaltung einer Werkzeugmaschine
– Führen eines Fahrzeuges
– Überwachung eines Luftraumsektors
Nach Technologischem Prozess:
– Chemische Anlage
– IuK-Systeme
– Verkehrs und Transport
Nach Automatisierungsstufen:
– niedrige (manuelle Regelung) → z. B. Weg zur Arbeit mit Auto; bremsen; geht nicht ohne Assistenz / Unterstützungssystem
– mittel (mit Unterstützungs-Systemen) → ABS hilft mit beim Bremsen
– hoch (automatisiert) → Fahrzeug bremst selbst
Was sind die Ebenen des technischen Handelns?
→ Komplexität wird dargestellt; ist immer da, wenn wir uns mit Technik beschäftigen!
Makro: Gesellschaftlicher und gesetzlicher Einfluss → es werden Vorgaben / Rahmenbedingungen gemacht, die dann in Mesoebene umgesetzt (mehr oder weniger) werden
Meso: Organisation und Betrieb → Vorgaben werden umgesetzt
Mikro: z. B. ein Mensch, der sich bei der Arbeit verletzt
Was sind die Entwicklungsetappen der MMS-Forschung?
Überwacher: Schwerpunkt → wie man komplexe Arbeitsplätze gestaltet / wo ist es vorteilhaft, dass Mensch dabei ist, wo Maschine?
Dialogpartner: vor allem Schnittstellen → wie kann man mit Fehler bei MMS umgehen und wie gestalten?
Problemlöser: was passiert mit Belastung/Beanspruchung, wenn wir nur komplexe Probleme lösen müssen und keine einfachen mehr?
Berücksichtigung von Human-Factors beim Einsatz von Technik in Ihrem Betrieb: Fehlerkultur eines Unternehmens / Funktion von Maschinen, die von einem grossen Spektrum von Menschen gebraucht wird / Ironie der Automatisierung → der unzuverlässige Mensch konstruiert die unzuverlässige Technik