Mediävistik Grammatik
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Kartei Details
Karten | 62 |
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Sprache | Deutsch |
Kategorie | Deutsch |
Stufe | Universität |
Erstellt / Aktualisiert | 06.06.2017 / 08.01.2025 |
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Die Steigerung des Adjektivs
Die Steigerung der Adjektive geschieht im Mhd. wie im Nhd. mit Hilfe des Komparativ-Suffixes -er und des Superlativ-Suffixes -est. Die umlautfähigen Vokale werden manchmal umgelautet, manchmal nicht, z.B.
vrech, vrecher, vrechest
arm, armer/ermer, armest/ermest
Nominale (unflektierte) Formen des Adjektivs
Die nominalen (= unflektierten) Formen begegnen zumeist im Nominativ Singular, gelegentlich auch in anderen Kasus, besonders, wenn das Adjektiv nachgestellt ist, z.B.
Nom. Sg. er was ein ritter guot („er war ein guter Ritter“)
Dat. Sg. er gab ez einem ritter guot („er gab es einem guten Ritter“)
Akk. Sg. er sluoc einen ritter guot („er erschlug einen guten Ritter“)
Nom. Pl. dô kâmen zwei ritter guot („da kamen zwei gute Ritter“)
Akk. Pl. er sah zwei ritter guot („er sah zwei gute Ritter“)
Lautverschiebungen
Weddige S. 23
Benrather Linie
Grenze zwischen Niederdeutschem und Mittel-/Oberdeutschem
Isophone / Isoglosse
Isophone sind Grenzlinien, die die geographische Ausbreitung bestimmter Laute anzeigen (z.B. appel/apfel),
während Isoglossen sich auf den Wortgebrauch beziehen (z.B. hê/er).
Mischverben
= Verben, die im Präteritum sowohl Ablaut (wie die starken Verben) als auch ein Dentalsuffix (wie die schwachen Verben) aufweisen.
bringen – brâhte – brâhten – brâht
(kaum noch: bringen – branc – brungen – brungen)
beginnen – begunde – begunden – begunnen
(neben: beginnen – began – begunnen – begunnen). Das Part.Prät. kommt im Mhd. nur selten vor.
Perfektive Verben
= Verben, die ihr Partizip Präteritum ohne das Präfix ge- bilden. Im Mittelhochdeutschen gibt es (noch) fünf perfektive Verben:
Infinitiv:
mhd. vinden
mhd. komen
mhd. treffen
mhd. werden
mhd. bringen
Partizip Präteritum
vunden
komen
troffen
worden
brâht
Beachte: Im Neuhochdeutschen bilden die perfektiven Verben ihr Partizip Präteritum mit ge- aus (gefunden, gekommen, getroffen, geworden, gebracht).
Kontrahierte Verben
= reguläre Verben, zu denen seit dem 11. Jahrhundert kontrahierte Formen gebildet wurden.
Beispiele:
haben – hân
lâzen – lân
vâhen - vân
Wurzelverben (mi-Verben)
= Verben, deren Endungen unmittelbar (also ohne Bindevokal) an die Wurzel anschliessen.
Beispiele:
sîn, tuon, stân, gân
Präterito-Präsentien
= Verben, deren (starke) Präteritalformen Präsensbedeutung angenommen haben.
Die Präterito-Präsentien verwenden für das Präsens Präteritalformen, die sich den Ablautreihen I-VI zuordnen lassen.
Infinitiv und Part. Präs. werden mit der Ablautstufe des alten Plural Prät. neu gebildet.
regulär: ich warf (Sg. Prät) - wir wurfen (Pl. Prät.)
Präterito-Präsentien: Ich darf (Sg. Prät) - wir durfen / dürfen (Pl. Präs)
Auslautverhärtung: Beispiel
Merke: Die Schreibung <ch> in der 2. Stammform z.B. in Ablautreihe Ib (Beispielwort: lêch) erklärt sich ebenfalls aus der Stellung im Auslaut (vgl. z. B. auch sehen – sach oder zîhen – zêch).
Dieses Phänomen war schon im Althochdeutschen vorhanden; es zählt nicht zur mittelhochdeutschen Auslautverhärtung.
Ablaut
Unter Ablaut versteht man den systematischen Wechsel der Stammsilbenvokale in etymologisch oder grammatisch verwandten Wörtern.
Starke Verben verwenden zu ihrer Formbildung den Ablaut (Wechsel des Wurzelvokals) --> nemen, nime, nam, nâmen, genomen
Rückumlaut
Bei den langwurzeligen und mehrsilbigen jan-verben ist das Stammformans i im Präteritum so füh synkopiert worden, dass es keinen Umlaut bewirken konnte = Rückumlaut.
Grimm nahm fälschlicherweise an, der Umlaut sei im Präteritum eingetreten aber rückgängig gemacht worden, daher der Name. Das stimmt aber nicht: das i war schon synkopiert bevor der Umlaut wirksam wurde.
Beispiele für Rückumlaut im Mittelhochdeutschen:
brennen – brante
setzen – sazte
stellen – stalte
waenen – wânde
hoeren – hôrte
tröumen – troumte
küssen – kuste
grüezen – gruozte
jan-Verben
Wir unterscheiden zwischen 1.1 kurzwurzeligen jan-Verben und 1.2 langwurzeligen und mehrsilbigen jan-Verben.
(Merke: Eine Wurzelsilbe gilt als lang, wenn der Wurzelvokal entweder ein Langvokal oder ein Diphthong war (Naturlänge) (z.B. mhd. lêr-en, hoer-en), oder wenn in der Wurzelsilbe mind. 2 Konsonanten auf einen Kurzvokal folgten (Positionslänge) (z.B. mhd. senden).)
1.1 Kurzwurzelige jan-Verben
Das -jan im Infinitiv und das Stammformans i im Präteritum zwischen Wurzel und Dentalsuffix bewirkten den Umlaut a > e sowohl im Infinitiv als auch im Präteritum.
Bsp: mhd. Infinitiv legen, Präteritum legete (got. Infinitiv lagjan – Präteritum lagida)
1.2. Langwurzelige und mehrsilbige jan-Verben
Bei den langwurzeligen und mehrsilbigen jan-verben ist das Stammformans i im Präteritum so füh synkopiert worden, dass es keinen Umlaut bewirken konnte. (Rückumlaut)
Bspe: mhd. Infinitiv hoeren – Prät. hôrte; loesen – lôste; küssen – kuste etc.
Stammklassen der schwachen Verben
1. jan-Verben
germ. *sat-jana(n) > ahd. sez(z)en > mhd. setzen
2. ôn-Verben
ahd. lobôn > mhd. loben
3. ên-Verben
ahd. lebên > mhd. leben
Brechung
Brechung = die Senkung von germ. i und u > vorahd. e und o vor a, e, o der Folgesilbe
Der germanische i-Umlaut
Der germanische i-Umlaut = der älteste kombinatorische Lautwandel:
idg. e > germ. i vor i oder j oder Nasal + Konsonant (Weddige, S. 35f.)
Kombinatorischer Lautwandel
„In Wörtern gleicher Abstammung und in verschiedenen Formen desselben Wortes können jeweils zwei Varianten des Wurzelvokals auftreten, die jedoch auf ein und denselben Vokal zurückzubeziehen sind,
z. B. Hand - Hände, Tod - töten, Fuß - Füße, geben - gibst.
Diese Varianz im Grundmorphem ist bedingt durch die Einwirkung nachfolgender Laute.“ (Weddige, S. 35)
idg. e > germ. i > ahd. mhd. bleibt i (berg - gibirgi)
germ. u > ahd. mhd. o oder bleibt u (wulfaz > wolf, hulfum > hulfen)
germ. eu > ahd. iu oder eo/io/ie > mhd. bleibt iu oder ie (biutu - biute, beotan - bieten)
Lautphänomene: Merkmale des Mittelhochdeutschen im Unterschied zum Neuhochdeutschen
1. Neuhochdeutsche Monophthongierung
(Die drei Diphthone /ie/, /uo/ und /üe/ werden im Nhd. zu langem /i:/, /u:/, und /ü:/ ([nicht im Bairischen und Alemannischen!])
Merke: mhd. liebe guote brüeder > nhd. liebe gute Brüder
2. Neuhochdeutsche Diphthongierung
(Die drei mhd. Langvokale /î/, /iu/ („ü“) und /û/ werden zu Nhd. /ei/, /eu/, /au/ [nicht im Alemannischen!])
Merke: mhd. mîn niuwez hûs > nhd. mein neues Haus
3. Neuhochdeutsche Dehnung und Kürzung
Dehnung: Mhd. kurze Vokale in betonter offener Silbe werden im Nhd. gedehnt
mhd. le-ben > nhd. lē-ben
Kürzung: Mhd. lange Vokale in geschlossener Silbe werden im Nhd. gekürzt
mhd. brâh-te > nhd. brachte
mhd. hêr-lîch > nhd. herrlich
4. Rundung, Entrundung, Senkung
Rundung (Labialisierung): Vokale können in bestimmter konsonantischer Umgebung mit stärker gerundeten Lippen gesprochen werden.
mhd. helle > nhd. Hölle
mhd. âne > nhd. ohne
mhd. wirde > nhd. Würde
mhd. liegen > nhd. lügen
Entrundung (Delabialisierung): Spielt in der nhd. Schriftsprache kaum eine Rolle, aber:
mhd. küssen (‚Kissen‘) > nhd. Kissen
mhd. sprützen > nhd. spritzen
Senkung: Mhd. /u/ und /ü/ werden gelegentlich, besonders vor Nasalen, gesenkt.
mhd. sune > nhd. Sonne,
mhd. sumer > nhd. Sommer
mhd. künec > nhd. König,
mhd. mügen > nhd. mögen
Systematik der mittelhochdeutschen Vokale
Man unterscheidet auch zwischen einfachen Vokalen (= Monophthonge) und Doppelvokalen (= Diphthonge)
- Im Neuhochdeutschen gibt es drei Diphthonge: au, ei, eu/äu
- Im Mittelhochdeutschen gibt es sechs Diphtonge: ei, ie, ou, eu/öu, uo, üe
Merke: iu bezeichnet im Mhd. keinen Diphthong, sondern einen Monophthong (langes ü)
Lautphänomene: Merkmale des Mittelhochdeutschen in Abgrenzung zum Althochdeutschen
1. Schwächung der unbetonten Nebensilbenvokale zum Murmelvokal «Schwa»
(= schwachtoniges «e» oder, seltener, «a» [z.B. in «Bier»])
ahd. almahtigon > mhd. almechtigen
ahd. salbôn > mhd. salben
2. Ein neues Phonem, der ∫-Laut, tritt auf (sk > sch)
ahd. scepphion > mhd. schephaer
ahd. (wewurt) skihit > nhd. (Unheil) geschieht
3. Weiterentwicklung vom synthetischen zum analytischen Satzbau
ahd. heiligemo geiste > mhd. dem heiligen geiste
ahd. gilaubiu > mhd. ich geloube
Entstehung der mittelalterlichen Familiennamen
1. Herkunftsnamen
2. Berufsbezeichnungen und/oder Benennungen nach Ämtern
3. Übernamen, die sich auf ein besonderes Charakteristikum beziehen
4. Benennungen nach dem Rufnamen des Vaters (seltener: der Mutter)
Der Grammatische Wechsel
Der Grammatische Wechsel ist der synchrone Wechsel von f-b, d-t, h-g, s-r in den verschiedenen Flexionsformen eines Wortes oder in wurzelverwandten Wörtern.
Hefe --> gehoben
schneiden --> geschnitten
gedeihen --> gediegen
Verlust --> veroren
Rhotazismus
Unter den gleichen Bedingungen entwickelte sich auch das urgermanische s zu r.