Klinische Kinder- und Jugendpsychologie

Fütterungs- und Essstörungen (Anorexia Nervosa)

Fütterungs- und Essstörungen (Anorexia Nervosa)

Elena Pauli

Elena Pauli

Kartei Details

Karten 25
Sprache Deutsch
Kategorie Psychologie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 17.12.2016 / 18.12.2016
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1. Fütterungsstörungen

Wissensstand zu Fütterungs- und Essstörungen im Kindesalter

  • Variabilität der Symptomatik, uneinheitliche Definition: bisher sehr schwer zu erfassen
  • Verlauf ungeklärt, da noch keine Langzeitdaten
  • Keine Evidenz zur Behandlung
  • Keine überprüften präventiven Konzepte

1. Fütterungsstörungen

Emotionales Essen und chronischer Stress

Essverhalten als Reaktion auf negative emotionale Stimuli und Belastung

CH: EO= 1.1%; EU= 32.9%: kein prädiktiver Zusammenhang mit chronischem Stress, Erziehungsstil, jedoch mit negativer Emotionalität (p<.05)

1. Fütterungsstörungen

Elterliche „Expressed Emotions“, Impulskontrolle und emotionales Essen bei Kindern mit BES

1. Fütterungsstörungen

Klassifikation nach DSM-5: Von Fütterungs- zu Essstörungen

Neuerungen DSM-5:

  • Pica (307.52)
    • Essen von nicht-essbaren Substanzen
  • Rumination Disorder (307.53)
    • «Erbrechen» von Nahrung gefolgt von erneutem Kauen, herunterschlucken oder ausspucken
  • Störung mit Einschränkung oder Vermeidung der Nahrungsaufnahme (engl. Avoidant/restrictive Food intake Disorder, ARFID (307.59)
    • Ausreichende Nahrungszufuhr nicht möglich, z.B. selektives Essen, funktionelle Dysphagie, Nahrungsvermeidung mit emotionaler Störung
  • Anorexia Nervosa (307.1)
  • Bulimia Nervosa (307.51)
  • Binge-Eating-Störung (307.51)
  • Feeding or Eating Disorder Not Elsewhere Classified (FED-NEC, 307.59)
  • Unspecified Feeding or Eating Disorders (307.50)

1. Fütterungsstörungen

Störung mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme: Diagnostische Kriterien (F50.8)

siehe Psychopathologie

können nicht unter AN klassifiziert werden

Restriktion entsteht aus Vermeidung oder Angst vor negativen Folgen gewisser Nahrungsmittel --> ähnlich wie spezifische Phobie

1. Fütterungsstörungen

Ruminationsstörung: Diagnostische Kriterien (F98.21)

siehe Psychopathologie

1. Fütterungsstörungen

Epidemiologie: frühkindliche Essstörungen

  • 13% unter-, ca. 80% normal- und 7 % übergewichtig/adipös
  • Bei ca. 30%: Symptome (früh-) kindlicher Essstörung
  • selektives Essen (20.3%)
  • Nahrungsvermeidung mit emotionaler Störung (7.9%)
  • Avoidant and Restrictive Food Intake Disorder (ARFID, DSM- 5) bei ca. 3.2%
  • keine Geschlechtsunterschiede

2. Anorexia Nervosa

Erscheinungsbild: Klassifikation des Körpergewichts Gewicht-Längen-Index

BMI = Oriengierungsgrösse ≠ Richtwert

zu geringes Gewicht hat Folgen für Wachstum = Zwangsernährung bei Kindern, bei Jugendlichen noch komplexer

Belastung? depressivität? Nahrung als dysfunktionales Thema?

2. Anorexia Nervosa

Erscheinungsbild: Anorexia Nervosa („nervöse Appetitlosigkeit“)

  • Selbst herbeigeführtes, deutliches Untergewicht
  • Intensive Furcht zuzunehmen
  • Bewertung der eigenen Person übermässig von Gewicht und Figur abhängig
  • Verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers
  • Hormonelle Veränderungen (Mädchen: Ausbleiben der Menstruation; Jungen: Interesseverlust an Sex u. Potenzverlust)
  • Bizarre Verhaltensweisen im Umgang mit Nahrung (Essen verkrümeln und in der Kleidung verreiben) Essrituale
  • Hyperaktivität (Dauerlauf, stundenlanges Spazierengehen oder Gymnastik)
  • Übermässige Beschäftigung mit Kochen für andere Auswendiglernen von Rezepten

2. Anorexia Nervosa

Erscheinungsbild: psychische Symptome

...gehen weit über Veränderungen des Essverhaltens hinaus

  • Störungen des Körperbildes
  • Selbstwertprobleme
  • Psychosoziale und sexuelle Probleme
  • Depressionen
  • Ausgeprägte Leistungsorientierung (asketische Ideale)

2. Anorexia Nervosa

Erscheinungsbild: AN: Kinder vs. Erwachsene

  • Ähnlicher Phänotyp
  • Mehr Gewichtskontrollverhalten
  • Sorgenvolles Fokussieren auf das Essen
  • Schuldgefühle bezogen auf das Essen
  • Angst, mit anderen zusammen zu essen
  • Geringerer Selbstwert 

2. Anorexia Nervosa

Erscheinungsbild: AN bei Jungen

  • Sorgenvolles Fokussieren auf Fitness und Gesundheit
  • Restriktives Essen, um möglichst gesund zu essen
  • Figur wichtiger als Gewicht
  • Häufig exzessive körperliche Aktivität
  • Assoziation mit Zwangsstörungen häufig

2. Anorexia Nervosa

Epidemiologie: Anorexia und Bulimia Nervosa

    • Lebenszeitprävalenz ca. 1% --> in nicht industriealisierten Ländern noch viel geringer
    • 95% Mädchen und Frauen
    • Zwischen 14 und 35 Jahren sind 5% der Frauen von einer Anorexie oder Bulimie betroffen.

    2. Anorexia Nervosa

    Epidemiologie: Essstörungen in der Schweiz

    • AN: 0.3 %, BN: 1.3 %, BES: 3.4 %
    • Lebenszeitprävalenz in der Schweiz: 3.5 %

    2. Anorexia Nervosa

    Epidemiologie: Verlauf bei AN und BN

    Mortalitätsrate:

    • ca. 0.5-1.5% pro Jahr Beobachtungszeitraum
    • 12x höhere jährliche Mortalitätsrate als bei einer altersparallelisierten Kontrollgruppe (bei Anorexie)
    • Todesursachen:
      • Suizid
      • Infektionen
      • gastrointestinale Komplikationen, Auszehrung

    2. Anorexia Nervosa

    Diagnostik: AN

    sie Psychopathologie

     2. Anorexia Nervosa

    Diagnostik: Differentialdiagnostische Überlegungen

    Anorexie und Bulimie: Körpergewicht

     2. Anorexia Nervosa

    Ätiologie: Körperbild

    • multidimensionales Konstrukt (Körperempfindungen, Erfahrungen, Norm-, Wertvorstellungen)
    • Bewertung und Vergleich Ideal und eigenes Erscheinungsbild
    • individueller kognitiver Stil
    • Frauen mit gestörtem Essverhalten:
      • stark abweichendes Ideal
      • deutliche Überschätzung des eigenen Körpervolumens

    2. Anorexia Nervosa

    Ätiologie: Zwei-Faktoren-Modell (Connors, 1996)

    Zwei Faktoren:

    • Negatives Körperbild: intensive Beschäftigung mit Gewicht und Diät
    • Niedriges Selbstwertgefühl: labile Affektregulation, unsichere zwischenmenschliche Bindungen

    Eine Kombination der beiden kann eine Essstörung nach sich ziehen.

    2. Anorexia Nervosa

    Ätiologie: Aktuelles hypothetisches Modell gestörten Essverhaltens

    • Moderatoren:
      • Kognitive Faktoren --> Kognitive Verzerrungen à Diätieren und Kontrollverlust
      • Emotions- und Impulsregulation --> Emotionserkennung, -strategie und Impulskontrolle --> negativer Aspekt
    • Soziokulturelle Faktoren: können zu einem negativen Körperbild führen.
      • Schönheitsideal
      • Erziehungsstil
      • Stress: akut/chron.
    • Biolog. Faktoren:
      • Sättigigungshormone
      • Pubertät
      • Geschlecht

    2. Anorexia Nervosa

    Ätiologie: Medien und Körperbild

    Alltäglich wiederholte Konfrontation mit unrealistischen Körperidealen führt zu:

    • moderater Effekt (d = .30 bis .40)
    • Prädiktoren für Präferenz schlanker Idealfiguren und Körperunzufriedenheit bei Frauen
      • Körperbild bei Frauen: schlankheitsorientiert
      • bei Männern: Gewicht und Muskularität
    • Internalisierung des Schönheitsideals, unrealistische innere Repräsentation
    • Informationsverarbeitung: selektive körperbezogene Wahrnehmung und Verzerrte mentale Repräsentation des Selbst 

    --> Selbst – Ideal – Diskrepanz

    --> Tendenz zu kognitiven Verzerrungen mediiert den Zusammenhang zwischen Körperbildunzufriedenheit und gestörtem Essverhalten bei jungen Frauen und Männern

    2. Anorexia Nervosa

    Ätiologie: Thought-Shape Fusion (TSF)

    Thought-Shape Fusion trait/ state Body Scale --> Allein der Gedanke an schlanke Körper, führt zum Gefühl an Gewicht zugenommen zu haben und dicker auszusehen

    2. Anorexia Nervosa

    Behandlung: Mythen

    "It is widely thought that there is good evidence regarding the treatment of adolescents with AN, the assumption being that family-based treatment (FBT) has a strong body of empirical support. This ist not the case.“

    2. Anorexia Nervosa

    Behandlung: Behandlungswirksamkeit bei AN

    Die Studien erlauben jedoch keine Aussage darüber, welche Therapiemethode zu bevorzugen ist. Eine störungsspezifische, auf die AN ausgerichtete Psychotherapie ist einem unspezifischen Vorgehen vorzuziehen...“

    • S3-Leitlinien zur Behandlung von Essstörungen (2011)
    • Kontrollierte Studien liegen unter anderem
      • zur kognitiven Verhaltenstherapie (KVT)
      • zur interpersonellen Psychotherapie (IPT)
      • zur psychodynamischen Therapie (PT) und zur Familientherapie vor.

    2. Anorexia Nervosa

    Behandlung: Herpertz et al. (2011). Clinical practice guidelines. Deutsch Ärzteblatt Int; 108 (40): 678-685

    Klares Ziel anstreben. Dies besteht in der Gewichtszunahme, gleichzeitig müssen die inneren Konflikte des Betroffenen berücksichtigt werden.