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FEP05 2.2 Erwartungen als Basis der Wahrnehmung

2 Kommunikationsstörungen und ihre Ursachen

2 Kommunikationsstörungen und ihre Ursachen

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Kartei Details

Karten 11
Sprache Deutsch
Kategorie Medizin/Pharmazie
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 20.04.2014 / 20.04.2014
Lizenzierung Keine Angabe
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Jedermann weiß, wie wichtig der erste Eindruck ist, den jemand in einer bestimmten Situation
hinterlässt. Sprichwörtlich ist der gute erste Eindruck bei einer Vorstellung und einem
Bewerbungsgespräch. War der erste Eindruck in einem Bewerbungsgespräch positiv, dann

ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch das, was der Bewerber sagt (kommuniziert), zunächst
positiv und wohlwollend aufgenommen wird.

Umgekehrt wird es ein Auszubildender, der seine frühere Ausbildung abgebrochen hatte, bei
einer erneuten Bewerbung schwer haben, auch wenn er noch so gewinnend redet und mit
Fachkenntnissen auftrumpfen kann. In beiden Fällen beeinflusst unsere

vorgefasste Erwartung
auch das, was wir aus dem Gespräch heraushören, denn schließlich stimmt der gute
Eindruck, den wir von jemandem haben, psychologisch nicht damit überein, dass wir das,
was er uns sagt, als unglaubwürdig, übertrieben oder lückenhaft ansehen.

Oder wieso sollte
es bei einem Bewerber, der schon einmal eine Lehre abgebrochen hat, dieses Mal anders sein,welche gut klingende Begründung er für seine neuerliche Bewerbung dafür auch angeben
mag? Für die Tendenz, die Bewertung einer Kommunikation einer bereits vorher bestehenden
Erwartung anzupassen, haben Psychologen mit der „Theorie der kognitiven Dissonanz“
eine plausible Erklärung. Danach

tendieren alle Menschen dazu, Unvereinbarkeiten von
Wahrnehmungen so zu verändern, dass für sie das Gefühl der Unvereinbarkeit reduziert
wird.

Wenn im obigen Beispiel die Meinung über die abgebrochene Ausbildung mit der positiven
Selbstdarstellung nicht übereinstimmt (unvereinbar ist), versucht der Zuhörer entweder,
Gründe zu finden, die den Abbruch rechtfertigen, oder tendiert dazu, die Ausführungen des
Bewerbers für unglaubwürdig zu halten.

Beispiel 2.1: Der typische Psychologe
In einem Fachbuch über Kommunikationspsychologie berichtet der Autor, wie er bei
der ersten Veranstaltung einer Vorlesung sich statt Sakko und Krawatte ein grünes
Flanell-Holzfällerhemd anzog, eine goldene Nickelbrille aufsetzte, einen Haufen
Vortragsfolien unter den rechten Arm geklemmt hatte und mit einer Buttermilch in
der linken Hand den Seminarraum betrat. Die abendliche Vorlesung eröffnete er mit
leiser Stimme und auf das Redemanuskript fixiertem Blick: „Ich freue mich, dass ich
heute zu Ihnen noch als so junger Dozent sprechen darf. Wahrscheinlich werden
noch ein paar Dinge während der Vorlesung schieflaufen, aber ich denke, mit Ihrer
Hilfe werden wir das Semester gut hinter uns bringen.“ Plötzlich schien ihm aufzufallen,
dass eine wichtige Folie fehlte, er entschuldigte sich und sagte, dass er nur
kurz in sein Büro verschwinde, um die Folie zu holen. Dann verließ er den Raum.
Vor der Tür wechselte er Hemd gegen Sakko, setzte die Brille ab, ging wieder hinein
und eröffnete erneut die Vorlesung. Nach einem Moment erstaunter Stille brach erleichtertes
Gelächter aus. Auf seine anschließenden Fragen, was die Zuhörer nach
der ersten Eröffnung von der Veranstaltung erwartet hätten, antworteten sie

dass
sie zum einen den Dozenten für inkompetent hielten und für einen „typischen Psychologen“.
Sie glaubten weiterhin zu wissen, welche Schuhsorte der Autor bevorzugt,
was auf seinem Frühstückstisch steht, welche Partei er wählt und dass seine
Sätze meistens mit „Du, …“ beginnen. Ein guter Moment, um über den ersten Eindruck
zu sprechen.

Obwohl noch nichts Inhaltliches vorgetragen wurde, entstand bei den Zuhörern sofort der
Eindruck der Inkompetenz, das Schlimmste, was einem Dozenten zu Beginn einer Veranstaltungsreihe
passieren kann! Die Psychologie der sozialen Wahrnehmung spricht in diesem
Zusammenhang von impliziten Persönlichkeitstheorien oder Stereotypen (eine vorgefasste
Meinung, wie ein Dozent aufzutreten hat). Vor dem Hintergrund ihrer bisherigen

Erfahrungen, ihres Vorwissens und ihrer Stereotype machen sich die Menschen aktiv ein
Bild von anderen. Sie nehmen also nicht objektiv ihre Umgebung auf, sondern versuchen,
das Beobachtete in Einklang mit ihren bisherigen Wahrnehmungskategorien zu bringen.
Das Erstaunliche dabei ist, dass, von einzelnen Merkmalen ausgehend, weitreichende
Schlüsse gezogen werden.

Damit nicht genug sind Menschen in der Folge bestrebt, einen einmal gewonnenen Eindruck
zu bestätigen, d.h., sie werden nun verstärkt darauf achten, an dem Verhalten des Vortragenden
wieder etwas aus ihrer Sicht „typisch psychologenhaftes“ zu entdecken. Insofern bedeutet
ein fehlgeschlagener erster Eindruck eine psychologische Hürde, die in der Folgezeit
nur schwer zu überspringen ist.

An diesem Beispiel zeigt sich, dass die Wahrnehmung von unseren Erwartungen mit gesteuert
wird. Wahrnehmung ist subjektiv.
Wir nehmen für wahr, was wir wahrnehmen – und wir nehmen nicht wahr, was unserer Erwartung
und Beobachtung nicht zugänglich ist.
Da unsere Wahrnehmung wiederum Grundlage für unsere Entscheidungen und Beurteilung
anderer Personen ist, sollten wir uns häufig auftretende Beurteilungsfehler bewusst machen.

Stereotypenbildung (Vorurteile)
Sie ist ein Wahrnehmungsirrtum, der darin besteht, dass

ein Mensch auf der Basis einzelner
(Persönlichkeits-)Merkmale einer nach Persönlichkeitsmerkmalen gebildeten Kategorie zugeordnet
wird, über die man sich ein generelles (Vor-)Urteil gemacht hat.

Der sonst schwierige
Prozess der ganzheitlichen Wahrnehmung einer Person wird durch diesen Mechanismus
drastisch verkürzt auf die einfache Frage: „Zu welcher Kategorie gehört der
Betreffende?“ Dem liegt die Annahme zugrunde, dass

die Gleichheit in einem Merkmal
Ähnlichkeiten in allen anderen Persönlichkeitsmerkmalen zur Folge hat.