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IPR der Schweiz 1 - Allgemeines

Drobnjak/Weingart-Schneider, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2014

Drobnjak/Weingart-Schneider, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2014


Kartei Details

Karten 13
Lernende 23
Sprache Deutsch
Kategorie Recht
Stufe Universität
Erstellt / Aktualisiert 16.09.2015 / 11.02.2024
Lizenzierung Keine Angabe    (Drobnjak/Weingart-Schneider, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht, Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2014)
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1. Was regelt das Internationale Privatrecht?

  1. (Internationale) Zuständigkeit
  2. Anwendbares Recht (sog. Kollisionsnormen)
  3. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheide

vgl. IPRG 1 I

pro memoria:

Internationale Zuständigkeit und Anerkennung/Vollstreckung bilden das Internationale Zivilprozessrecht (IZPR). Das Kollisionsrecht zur Bestimmung des anwendbaren (materiellen) Rechts wird als IPR im engeren Sinn bezeichnet.

2. Wann liegt ein (relevanter) internationaler Sachverhaltsbezug vor?

BGer: immer, wenn die beteiligten Parteien Wohnsitz/Sitz in verschiedenen Staaten haben (BGE 131 III 76).

Hilfreich: Anknüpfungspunkte der Kollisionsnormen des jeweiligen Sachbereichs (z.B. Wohnsitz des Erbringers der Charakteristische Leistung, IPRG 117).

3. Was beschreibt der Begriff forum running resp. forum shopping?

Das angerufene Gericht beurteilt int. SV nach seinem eigenen (nationalen) IPR. Die Klage im Land A kann daher zu einem anderen anwendbaren Recht führen, als die gleiche Klage im Land B.

Die Ausnutzung dieses Umstandes wird als forum running oder forum shopping bezeichnet, weil es u.U. ein Wettlauf ("running") um die schnellere Anhängigmachung einer Klage geben kann, resp. der Kläger das anzurufende Gericht ("forum") sich danach aussucht ("shopping"), welches materielle Recht dieses anwenden wird.

4. Wo finden sich Kollisionsnormen?

  1. Im nationalen IPR (z.B. IPRG, OR 1086 ff., OR 1138 ff.)
  2. in  internationalen Verträgen (z.B. Haager Übereinkommen)

5. Unter welchen Voraussetzungen können ausländische Entscheidungen in der Schweiz anerkannt werden?

Bestimmte Staatsverträge stellen eigene Regelungen über die Anerkennungsfähigkeit von Entscheiden auf.

Nach IPRG: Unter den Voraussetzungen von IPRG 25 ff. i.V.m. den jeweiligen Sondervorschriften des Rechtsgebietes.

6. Unter welchen Voraussetzungen kann ein ausländischer Entscheid in der Schweiz nach IPRG 25 ff. anerkannt werden?

  • begründete Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts (IPRG 26)
    • Zuständigkeit nach IPRG oder Wohnsitz des Beklagten im Entscheidstaat
    • Vermögensrechtliche Streitigkeiten: Wahl durch gültige Gerichtsstandsvereinbarung nach IPRG
    • Vermögensrechtliche Streitigkeiten: Vorbehaltslose Einlassung durch Beklagten
    • Widerklage: wenn die Zuständigkeit für die Hauptsache gegeben war
  • kein ordentliches Rechtsmittel mehr offen steht/der Entscheid endgültig ist
  • kein Verweigerungsgrund  (IPRG 27)
    • Unvereinbarkeit mit ordre public
    • keine gehörige Ladung einer Partei (nach Recht des Wohnsitz-/Aufenthaltstaates); ausser bei Einlassung
    • Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizerischen Verfahrensrechts (insb. rechtliches Gehör)
    • frühere Rechtshängigkeit in der Schweiz
    • existierender und anerkennungsfähiger ausländischer Entscheid

7. Was ist der ordre public?

Der ordre public wird zur Korrektur des anwendbaren Rechts oder der Anerkennung herangezogen.

Beachte: Hinsichtlich des anzuwendenden Rechts (IPRG 17) ist jeder Verstoss gegen den ordre public beachtlich, hinsichtlich der Anerkennung (IPRG 27) dagegen nur der offensichtliche Verstoss.

BGer: Der ordre public ist verletzt, wenn die Anwendung ausländischen materiellen Rechts/die Anerkennung eines ausländischen Entscheids zu einem Ergebnis führt, das in unerträglicher Weise gegen den Sinn und Geist sowie das Rechtsgefühl des schweizerischen Rechts verstösst (vgl. BGE 135 III 614, E. 4.2).

Das Korrektiv des ordre public ist zurückhaltend anzuwenden, es bedingt einen genügenden Inlandsbezug und ist immer im Zeitpunkt der Entscheidung zu bestimmen (Wertewandel).

Beispiele:

  • Die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil, wenn nicht auch eine umfassende Beurteilung aufgrund des Kindeswohls die Übertragung nahelegt (BGE 129 III 250, E. 3.4.2.)
  • Nicht: die Anwendung ausl. Rechts das Verzugszinsen generell verbietet (BGE 125 III 443, E. 3d)
  • Schulden aus Spiel und Wette unterstehen nicht mehr dem ordre public-Vorbehalt (BGE 126 III 534, E. 2c)

8. Wodurch unterscheiden sich Staatsverträge mit inter partes- von solchen mit erga omnes-Wirkung?

inter partes - Wirkung bedeutet, dass das vereinbarte nur zwischen den Vertragsparteien gilt (Gegenseitigkeitspronzip)

erga omnes- Wirkung bedeutet, dass das Vereinbarte gegenüber allen Staaten gilt (auch wenn diese nicht Vertragspartei sind.

Beispiel:

Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Art. 3): "Das von diesem Übereinkommen bestimmte Recht ist unabhängig vom Erfordernis der gegenseitigkeit anzuwenden, auch wenn es das Recht eines Nichtvertagsstaates ist." (erga omnes).